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man das Andante nur als einen Einschub betrachtet, in den zweiten Satz), ein brillantes Rondo mit dem tänzerisch bewegten, von der Solovioline gebrachten Hauptthema, das abgelöst wird von einem graziös sich aufschwingenden E-Dur-Thema. Es erscheint dann wieder im Tutti, um alsbald einem zweiten Seitenthema, das mit seiner leeren Quintbegleitung deutlich auf seinen Volkstanzcharakter hinweist, Platz zu machen. Der Schluß wird bestimmt durch das virtuose Element, das zugleich den fröhlich-volkstümlichen Charakter des Werkes unterstreicht, zumal sich auch harmonisch ein bunt-glänzendes Bild ergibt. 1899 war Glasunow als Professor für Instrumentation und Komposition an das Petersburger Konservatorium berufen worden. In den schweren Tagen der Revolution von 1905 stellte er sich entschieden auf die Seite Rimski-Korsakows und der streikenden Studenten. Er sowohl wie Ljadow erklärten sich mit Rimski-Korsakow solidarisch und suchten um ihre Entlassung nach, im Gegensatz zu anderen Kollegen, die, „nachdem sie ein wenig ihre Zungen in Bewegung ge setzt und gelärmt hatten“, in ihren Stellungen blieben. Glasunow wurde während der Wirren von der überwiegenden Mehrheit der Professoren zum Direktor des Konservatoriums gewählt und dann, nachdem dem Konservatorium ein autonomer Charakter zugestanden worden war, einstimmig vom Professorenrat bestätigt. In der überaus schwierigen Lage (Rimski-Korsakow schildert sie in seiner „Chronik“) bewährte sich Glasunow als gerecht denkender, ausgleichender Pädagoge, der die übernommene Aufgabe bis zum Jahre 1928 in Treue durchführte. Auf seine Anregung hin wurden ein Studentenorchester und ein Opernstudio gegründet. Glasunows Einfluß auf das russische Musikleben verstärkte sich noch, als er 1905 auch Mitglied der Direktion der Kaiserlich-Russischen Musikgesellschaft und des Kuratoriums des Verlages Beljajew wurde. In den stürmischen Jahren der Interventionskriege übte er - es wurde schon gesagt - als Direk tor des Leningrader Konservatoriums eine fruchtbare Tätigkeit aus. In Anerkennung dessen wurde er als einer der ersten 1922, am 40. Jahrestag der Aufführung seiner 1. Sinfonie, von der Sowjetregierung mit dem Titel eines „Volkskünstlers der Republik“ ausgezeichnet. Ihm war das erste Heft der Zeitschrift „Sowjetskaja Musyka“ gewidmet. Seine pädagogische und gesellschaftliche Tätigkeit in dieser Zeit ließ ihn kaum zum Schaffen kommen. Trotz eines schweren Leidens, das er sich damals zugezogen hatte, unternahm er aus gedehnte Konzertreisen, die ihn nach Frankreich, England und Deutschland, nach Warschau, Prag, Amsterdam, Lissabon, London und nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika führ ten. 1928 war er Mitglied der Internationalen Jury bei der Schubert-Feier in Wien. In Paris, wo er Heilung von seiner Zuckerkrankheit suchte, starb er am 21. März 1936. In der Sowjetunion erfreut sich Glasunow, der zu Lebzeiten Ehrungen über Ehrungen erfahren hatte (17mal erhielt er den Glinka-Preis, er war Mitglied der Akademien der Künste von Ber lin, Paris, Budapest u. a., Ehrenmitglied vieler Konservatorien und Hochschulen, Offizier der Ehrenlegion, Ehrendoktor der Universitäten Oxford und Cambridge), größter Beliebtheit. Ein Quartett, der Konzertsaal im Leningrader Konservatorium und eine der Musikschulen in Mos kau tragen seinen Namen. Die Staatskapelle Leningrad unterhält ein Glasunow-Archiv, das die meisten seiner Manuskripte birgt. (Das Manuskript seines Violinkonzertes ist stolzes Besitztum des Konservatoriums Genf.) Wenn unser heutiges Konzert Musik aus dem Ballett „Romeo und Julia“ von Serge Prokofjew bringt, so führt es die Linie des ersten Konzertes, in dem sein 2. Violinkonzert erklungen ist, direkt weiter, denn beide Werke sind zur gleichen Zeit entstanden, in einer für Prokofjew wie für das Kulturleben der Sowjetunion sehr glücklichen Zeit. Prokofjew selbst hat aus seiner Ballettmusik drei Suiten zusammengestellt - er liebte es, seine Bühnenwerke auf diese Weise zu popularisieren und sie damit erneut zu erproben. Gerade diese Suiten haben einen festen Platz in den Konzertsälen der ganzen Welt. Sie werfen ein so schönes, erwärmendes Licht auf die von Shakespeare geschaffenen Figuren: Romeo und Julia, auf ihre glücklich-unglückliche Liebe, daß man auch im Konzertsaal den Verlauf dieser Liebesgeschichte vor Augen hat. Aus den Überschriften ergibt sich für den Hörer ohne weiteres der Zusammenhang mit der Tragödie Shakespeares. Während in den Suiten, wie sie Prokofjew zusammengstellt hat, nicht die Hand lung ihrem Verlauf nach erzählt wird, vielmehr musikalische Gesichtspunkte, vor allem das Prinzip kontrastreicher Gegenüberstellung, für die Zusammenstellung maßgebend waren, haben wir in der sozusagen „Dresdner Fassung“ eine Reihenfolge vor uns, die uns die Tragödie in großen Zügen miterleben läßt. Zunächst werden uns die beiden feindlichen Geschlechter, „Die Montagnes und die Capulets“, vorgestellt. Die Musik zeichnet die ganze Aufgeblasenheit, den Hochmut der feudalistischen Gesellschaft. Im Trio (moderato tranquillo) sehen wir die junge mädchenhafte Julia im Tanz mit Paris vorüberschweben. Dann wird uns „Julia als Kind“ noch einmal porträtiert: ein lebens frohes Geschöpf, deren Jugend noch nicht überschattet ist von dem tragischen Verlauf ihres Lebens - ein wohlgelungenes Porträt mit feinen Reizen. Die nächsten beiden Teile, „Menuett“ und „Masken“, führen uns in die festfreudige Welt des Hauses Capulet, das „Menuett“, in Rondoform, spiegelt die Eleganz des Hof lebens wider, wobei in der Instrumentierung die Ver wendung des Saxophons bemerkenswert ist. Aus der Überschrift des zweiten Stückes geht deut lich hervor, daß es sich um eine Karnevalsepisode handelt. In der Marschform erinnert es an den berühmten Marsch aus der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“. Romeo und Julia haben sich kennen und lieben gelernt. Ein zartes Notturno stellt die auch oft von Malern gestaltete berühmte Szene dar: Romeo dringt in den Garten der Capulets ein, und Julia erscheint auf dem Balkon. Trefflich werden die beiden Liebenden in ihrer Eigenart gekennzeichnet, auch in der Instrumentation: das Julia-Thema erhält durch Holzbläser und die tiefen Streicher seine Wärme, das männliche Romeo-Thema ist im Gegensatz dazu zunächst der Posaune und dann der Trom pete und dem Horn zugeteilt. Schließlich fließen beide Themen ineinander. In Pater Lorenzo finden die beiden den Freund und Helfer, der das Wagnis auf-sich nimmt, die Kinder zweier miteinander verfeindeter Adelshäuser zu trauen. Diese Feindschaft kommt auch in dem näch sten Bild, „Der Tod Tybalts“, zum Ausdruck, Tybalt ist Julias Vetter, der Romeos Freund Merkutio im Duell tötet. Romeo rächt seinen Freund, sein Degen durchbohrt Tybalt. Die Schilderung der Duelle wird abgelöst von einem Trauermarsch, der die Trauer der Capulets um den toten Tybalt ausdrückt. Eine Vereinigung Romeos und Julias ist damit erst recht unmöglich gemacht. Unter der Überschrift „Romeo und Julia vor der Trennung“ wird noch einmal auf die leidenschaftliche Liebe der jungen Menschen hingewiesen, deren Schicksal sich nun vollendet. „Romeo an Julias Grab“ ist eine der erschütterndsten Totenklagen, die je geschrieben wurden. Aber das Thema der Liebe Romeos triumphiert über das Thema der Klage - echte Liebe währt über den Tod hinaus. Prof. Dr. Karl Laux LITE RATURHINWEISE Karl Laux, Die Musik in Rußland und in der Sowjetunion, Berlin 1958; Israil Nestjew, Serge Prokofjew, Moskau 1957, deutsch Berlin 1962; Friedrich Steller, Serge Prokofjew, Leipzig 1960; Karl Schönewolf, Kon zertbuch (II), Berlin 1961. Betrifft Anrechtserneuerung 1963/64 Wie im Programm des 10. Zykluskonzertcs am 27. und 28. April 1963 bereits bekanntgegeben, kann die Anrechts erneuerung bis zum 1 9. J u 1 i 1 9 6 3 erfolgen. Überweisungen sind möglich auf Konto 52 30 621 Deutsche Notenbank Dresden unter Angabe der bisherigen Anrechtsreihe und Plätze. 6029 Ra III 9 5 263 1,45 ItG 009 6 63