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Erdmann Allrichs Weg zum Ziel G O Roman von Grete von Satz LopVrigkt by dlsitlu kvucktvaugor, Nslls (8müv) IS. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Schrader, noch immer nicht so ganz von der Schuld BrödjukoffS überzeugt, knurrte etwas vor sich hin. .Was habt ihr eigentlich für Nachrichten aus Moskau?* «Mir scheint, die Herren von der Botschaft, auf deren Hilfe ich mein ganzes Vertrauen setzte, können auch nicht viel in der Sache machen. Sie liegt wohl verzwickter, als wir es ahnen.* .Na, na, das kann ich mir nicht denken; allmählich wird sich wohl herausstellen, daß er nichts verbrochen hat. Dann wird man ihn freilassen.' Schrader war vor allem das unklar, daß Lotte, wenn sie Brödjukoff für einen Verbrecher hielt, ihm noch das Werk überließ. Warum ließ sie ihn nicht an die Luft fetzen? In diese Gedanken hinein sagte Hans: »Onkel Alex! Solltest du Gelegenheit haben, mit Bröd jukoff zusammen zu kommen, bitte, sprich nicht mit ihm von dieser Sache. Jedenfalls sage ihm nichts von unserem Verdacht. Ich habe schon darin einen großen Fehler ge- macht, daß ich ihm zu deutlich meinen Abscheu gezeigt. Unser Rechtsanwalt sagte mir, daß wir in unserem Ver halten Brödjukoff gegenüber daraus bedacht sein sollen, ihm kein Mißtrauen zu zeigen. Dies Verhalten wäre nur dazu angetan, ihn zu warnen. Darum will er auch nicht eher die Prokura löschen lassen, bis er Beweise gegen ihn in der Hand hat.' .Nun hast du ihn doch schon einmal wegen des Zettels gefragt. Das mußte ihn doch schon beunruhigen?' .Oh, der ist so frech! Er meint wohl, ich habe mich dabei beruhigt, daß er mir versichert hat, der Zettel sei nicht von ihm geschrieben. Rechnet wohl auch damit, daß ich ihn Mama nicht gezeigt.' .Ihr verweigert ihm aber doch das Haus!' .Er weiß ja, daß Mama krank ist.' »So. das weiß er! Ja. mein Junge, nun muß ich gehen. Ueberzeugi bin ich nicht davon, daß Brödjukoff ein Ver brecher ist. Ich kann es einfach nicht glauben. Will hoffen, daß all euer Mißtrauen sich eines Tages als unbegründet derauSstellen wird Ich denke mir, wenn er ein Halunke wäre, hätte er sich längst aus dem Staube gemacht. Mit einem runden Sümmchen natürlich. Kleinigkeit für ihn, sich eine Million aus dem Werk zu machen.' .Dazu ist es zu spät. Landin sieht ihm auf die Finger. Das scheint er leider schon gemerkt zu haben. Er wollte Laudin entlassen.' .Nanu!' Nun wurde cs Schrader doch wieder bange. Verteufelt noch mal! Wenn die Sache am Ende doch so war. wie der Junge sie ansah? Sein Scheck siel ihm wieder ein. Er stürzte davon. Zum Werl. Ta würde er Brödjukoff wohl treffen. * * * In rasender Hast stürzte Schrader zum Ullrichscyen Werk. .Der Betricbschef noch hier?' fragte er den Portier, der vor dem Portal stand. .Nein. Herr Doktor war heute bloß einen Augenblick hier. Am frühen Morgen und am Nachmittag. Mit zwei Herren, die ihn sprechen wollten, ist er gleich wieder ab gefahren.' .Was waren das für Herren?' Der Portier zuckte mit den Achseln. .Keine Ahnung.' Ueber des Portiers dickes Gesicht flog ein Grinsen. Schrader ärgerte sich, daß er eine so dumme Frage ge stellt. Ueber den Hof kam Laudin. Er wartete fein Näher kommen ab. streckte ihm die Hand hin. »Na, was machen Sie, Meister, haben uns lange nicht gesehen!' »Danke, Herr Kommerzienrat.' »Ich wollte Doktor Brödjukofs sprechen. Der ist nun leider schon fort.' »So?' Laudin sah den Portier fragend an. Der nickte. »Vor ungefähr einer halben Stunde ist er weg- gesahren.' »Wußten Sie es nicht?' fragte Schrader. .Nein!' Schraders Blick ruhte auf Laudins Gesicht. Ihm fiel auf, daß es stark gealtert war, seit er Laudin das letzte Mal gesehen. Um Augen und Mund zogen sich tiefe Gramfalten. Der hatte es hier wohl nicht leicht. Bröd jukoff verehrte den Alten nicht. Er hatte es ihm einmal selbst gesagt. Er machte ihm gewiß das Leben schwer. Er konnte es sich nicht versagen, Laudin zu fragen: »Wie geht es denn jetzt so im Werk zu, Meister. Nicht mehr so gemüt lich wie früher, was? Doktor Brödjukoff führt wohl ein scharfes Regiment?" „Gemütlich war es auch früher nicht, Herr Kommer zienrat, nur weniger aufregend.' »Sagen Sie mal, Meister, ganz im Vertrauen: Wenn Sie Geld zu vergeben hätten, würden Sie es hier in diesen Betrieb stecken?" »Warum nicht? Der Betrieb ist gut. In ihm wird Tüchtiges geleistet.' »Na, dann ist es ja gut.' Schrader atmete erleichtert auf. Wenn der das sagte, brauchte er nicht herumzuhetzen, um seinen Scheck zurück zuholen. Dann war ihm das Geld sicher. Er nahm seinen Hut ab, wischte sich mit seinem Taschentuch den feuchten Kopf. Ein kühler Wind blies ihm darüber hin. Das tat gut. »Es will hier immer noch nicht Sommer werden", sagte er. »Ich komme eben aus Baden-Baden, da war schon eine Bruthitze.' Schrader sah Laudin von der Seite an. Laudins breite Stirn verriet, daß etwas hinter ihr vorging. Auch er hatte den Hut abgenommen, hielt ihn in der Hand. Man blieb stehen, um sich voneinander zu verabschieden. Laudin hatte etwas auf dem Herzen. Schrader sah es ihm an. »Sie wollen mir noch etwas sagen, Meister.' Laudin nickte, und dann rang es sich über seine Lippen: »Habe ich Ihre Frage so zu verstehen, Herr Kommer zienrat, daß Sie Geld in den Betrieb stecken wollen?" Schrader nickte. »Ich rate Ihnen: warten Sie noch damit." »Nanu, eben sagten Sie, der Betrieb sei gut, was in ihm geleistet wird, auch." „Das habe ich gesagt, und so ist es auch. Und dennoch: Jetzt eben wäre es riskant, Geld hineinzustecken.' SchraderS Gesicht wurde rot. Er schrie Laudin förm lich an: „Wieso denn? So kommen Sie doch endlich einmal mit der Sprache heraus." „Das kann ich nicht. Ich habe nichts Positives zu sagen. Fühle nur, daß das Werk bedroht ist, und daß ich die Augen offen zu halten habe. So, das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Guten Abend, Herr Kommerzien rat." Schrader starrte ihm nach. War der Kerl plötzlich über- geschnappt? In solchem Ton mit ihm zu reden, das war ja noch gar nicht dagewesen. Schweinerei, verfluchte! Am anderen Morgen war sein erster Gang nach der Bant. Während er die Sperrung des Schecks beantragte, kam ihm die Vorstellung, was sür eine peinliche Situation sich daraus für Brödjukoff ergeben könnte, wenn die Bank den Scheck nicht honorierte. Daran hatte er bisher nicht gedacht. Wenn alles, was gegen Brödjukoff jetzt im Gange war, sich als eine Hetze herausstellte, die von Laudin ausging? Dem traute er das schon zu. Der kämpfte vielleicht bloß um seinen Platz? Nein, er durfte es nicht dazu kommen lasten, daß Bröd jukoff bloßgestellt wurde. «Lasten Sie die Sperrung noch fein', sagte er zu dem Beamten. Er beschloß, an Brödjukoff zu schreiben, ihn zu bitten, den Scheck an ihn zurückzugeben. Als Grund konnte er ja angeben, daß er eben eine große Zahlung zu leisten hätte, an die er gestern nicht gedacht habe. Ja, so wollte er es machen. Noch im Bureau der Bank schrieb er die paar Zeilen, und gab sie sofort zur Post. Kaum, daß der Brief im Kasten war, bereute er es, ihn geschrieben zu haben. Warum suche ich Brödjukofs nicht einfach im Werk auf? Was ich geschrieben, hätte ich ihm ebensogut sagen können Viel richtiger wäre es; dann hätte ich den Scheck doch gleich in der Hand. Er war von einer Unruhe und Unentschlossenheit, die er selbst nicht begriff. Auf der Straße blieb er stehen, starrte vor sich hin, überlegte, was er tun sollte. Es reg nete. Menschen mit ausgespannten Regenschirmen, vom Winde vorwärts getrieben, stießen ihn an. Er drängte sich durch das Gewühl, winkte einem Chauffeur zu, seinen Wagen halten zu lasten, warf sich hinein, und fuhr zum Werk. Er stieß auf Brödjukofs, als dieser mit mehreren Herren zusammen sein Arbeitszimmer verließ, als er es betreten wollte. Brödjukoff schien von seinem Besuch freudig überrascht, drückte ihm die Hand und bat, ihn zu entschuldigen, er habe eben einen größeren Kaufabschluß vor. Er stand auf dem Sprung, den Herren nachzueilen, die dem Magazin zuschritten. Zu Schrader gewandt, sagte er: „Herr Kommerzienrat, wenn Sie nicht etwas Beson deres zu mir führt, möchte ich Vorschlägen: wir treffen uns heute abend. Die Unterredung mit den Käufern wird mich doch ein paar Stunden aufhalten. Solange zu warten, werden Sie keine Lust verspüren." „Nein, ganz gewiß nicht. Hören Sie mal, ich will Sie nicht lange aushalten; nur einen Augenblick. Es handelt sich um den Scheck, den ich Ihnen gestern aufdrängte." »Ich gab Ihnen doch eine Quittung darüber, Herr Kommerzienrat." „Ja, das allerdings." Er wurde unter BrödjukoffS festem, durchdringendem Blick unsicher. »Ich habe nämlich eben einen Brief an Sie aufgegeben, worin ich Sie um Rückgabe des Schecks bitte, weil ich das Geld eben selbst gebrauche. Ich hatte es nicht überlegt.' „Den Scheck gab ich heute früh der Firma Holst und Lange in Zahlung für Material. Ich werde mich aber so fort mit der Firma in Verbindung fetzen, um zu ver suchen ..." Schrader ließ ihn nicht ausrede... „Lasten Sie das! Nein, dann mag es so bleiben. Ich werde schon zusehen, wie ich es mache." Hatte er den Verstand verloren? Er fragte es sich, als er wieder im Auto saß. So etwas Widersinniges, wie er es trieb, war ihm noch nicht vorgekommen. Seit gestern war er in einer fieberhaften Unruhe um sein Geld, und nun er es hätte haben können, bot er es Brödjukoff zum zweiten Male an. Weiß der Teufel, wie ich dazu gekommen bin!, schimpfte er vor sich hin... Am Nachmittag fuhr er zu Lotte. Er traf Rose-Marie und Lilly, die im Laufe des Vormittags angekommen waren, bei ihr, und ein junges Mädchen, das ihm als sehr hübsch ausftel. „Na, da seid ihr ja!" begrüßte er seine Frau und Tochter. »Gute Fahrt gehabt?' Rose-Marie bejahte. Lilly umarmte ihn. »Nun sind wir glücklich wieder alle beisammen", sagte sie. »Hast uns gewiß sehr vermißt?' »Na, es ging.' Er löste sich aus ihrer Umarmung, wandle sich Lotte und der jungen Dame zu. „Sie kennen meinen Bruder, Fräulein Käthe?' fragte Lotte. »Ja, gnädige Frau.' Sie erhob sich und reichte Schrader die Hand. »Meister Laudins Tochter", sagte Lotte. »Aha! Ich hätte Sie nicht wiedererkannt! Ist auch lange her, daß ich Sie sah." " - v »Ja, wohl einige Jahre, Herr Kommerzienrat." Er nickte. Sein Blick ging musternd über ihre>Grschei- nung hin. Wie kommt der alte scheußliche Laudin zu diesem Prachtexemplar von Tochter?, dachte er. UEMaS tut sie »hier? Will sich bet Lotte gewiß Lieb-Kints Mächen. Da hatte er auch schon die Bestätigung dafür? Rose-Marie sagte, daß Fräulein Käthe freundlicherweise die Pflege bei Lotte übernommen habe. »So, so." Er sah Käthe nach, die nun mit Lilly daS Zimmer verließ. Als die Tür sich hinter den beiden schloß, wandte er sich Lotte zu. „Wie geht es dir denn? Mir scheint, du stehst heute Wohler aus, als gestern! Kommt das schon von der guten Pflege?" Sie überhörte seinen Hohn. »Ich fühle mich heute etwas bester", sagte sie ruhig. „So, das ist ja sehr erfreulich. Nun sag' mal: Warum muß gerade die kleine Laudin dich pflegen? Du hast doch die olle Hoppe, kann die denn das nicht ebenso gut?" »Sie könnte es Wohl, aber eS ist mir lieb, Käthe um mich zu haben." »Das kann ich verstehen', sagte Rose-Marie. »Käthe ist ein sehr sympathisches Mädchen.' Er lachte verächtlich. »Du scheinst plötzlich dein Herz für Laudins entdeckt zu haben, Lotte, aber ich rate dir, sei mal vorsichtig. Glaube nicht alles, was dir der olle Brummbär hinterbringt. Der hat nämlich einen Haß auf Brödjukoff.' Lotte sah ihn groß an. „Laudin hat mir nie etwas- hinterbracht.' Er zwinkerte mit den Augen. „Du, das glaube ich dir einfach nicht. Aber sprechen wir nicht mehr davon. Was hattest du heute für Nachrichten?' »Aus Moskau gar keine. Von Frau Eschwege hatte ich heute einen Bries. Ihr Mann will in den nächsten Tagen nach Berlin kommen, um mich zu sprechen. Er hofft, mir irgendwie helfen zu können." »So, na denn man zu. Tue mir aber den einzigen Ge fallen, und weihe ihn nicht so in jede Einzelheit ein. Es ist ja nicht gerade angenehm, einem Fremden Einblick in seine intimsten Angelegenheiten zu geben, um zum Schluß zu sehen, daß es zwecklos war." Lotte und Nosc-Marie sahen sich an; beide fühlten: Was er da herauspolterte, kam aus verdrießlicher Stim mung. Lotte erwiderte auch nichts. Man saß schweigsam in gedrückter Stimmung beieinander... Die Mädchen hatten sich in Gretes Zimmer nieder gelassen. Lilly wollte wissen, was Oskar über Erdmanns Abenteuer gesagt. »Er ist sehr unglücklich darüber. Lilly nickte. »Das sind wir ja alle. Ich denke aber, man wird Erdmann bald hier haben. Glaubst du nicht auch?" Käthe zog die Schulter hoch. „Ich möchte so gern daran glauben, kann es aber nicht. Ich bin so hoffnungslos." „Das mußt du nicht sein, Käthe. Wir wollen auch gab nicht davon sprechen; es macht einen nur traurig.' Sie lenkte wieder das Gespräch auf Oskar. Käthe mußte ihr von seinen Zukunftsplänen sprechen, obgleich sie ihr längst bekannt waren. „Im Herbst macht er sein Examen, das weißt du?" sagte Käthe. »Dann kommt er nach Berlin. Er hat schon Aussicht auf eine gute Anstellung. In einem kleinen Be trieb, aber mit gutem Gehalt. Vater meint, für den Anfang wäre gerade der kleine oder mittlere Betrieb das Gegebene." Lillys Hände, die sie im Schoß zusammengefaltet hielt, krampften sich fester zusammen. »Ach Gott ja! Wenn er nur erst hier wäre!" Käthe sah sie erstaunt an. Ueber Lillys Gesicht flutete eine Helle Röte. »Käthe, ich muß dir etwas gestehen', sagte sie leise, »wir haben miteinander heimlich korrespondiert." Käthe schüttelte langsam den Kopf. »Aber Lilly, das hättest du nicht tun dürfen. Wen» deine Eltern davon erfahren würden?" Sie lachte. »Was wäre dann? Ich könnte nicht mehr, als ihnen gestehen, daß wir uns lieben, und sie müßte» uns ihren Segen geben." „Ich vermute, daß deine Eltern sich damit nicht beeile» werden, Lilly. Ihr seid beide ja auch noch sehr jung." „Oh, bitte sehr, ich bin achtzehn und dein Bruder zwei- undzwanztg Jahre alt." Und im Anschluß an diese Belehrung kramte sie vor Käthe ihre geheimsten Wünsche und Hoffnungen aus. Ein liebes kindliches Geplauder war es, das am Ohr der wenig älteren Freundin vorüberrauschte und nicht viel mehr als den Klang zurückließ. * „Ich muß dich heute an ein Versprechen, das du mir gabst, erinnern", sagte Waßka Jljew zu Grete Sie schüttelte den Kopf. „Du brauchst mich nicht zu erinnern. Ich habe es nicht vergessen und bin bereit, es zu erfüllen." Sie mühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zir geben, ver suchte, vor Waßka ihre Erregung zu verbergen, die doch die Bläffe ihres Gesichts verriet. »Sage mir, was ich tun soll, Waßka.- „Dafür sorgen, daß Goswin Brödjukoff Mut zur Reise nach Moskau faßt." »Wie soll ich das machen, Waßka?" „Sehr einfach: du schreibst an ihn, daß du ihn ein letztes Mal darum bittest, zu kommen, um sein Wort ein zulösen. Du mußt in dem Briefe sagen, daß du nicht aus gehört hättest, an ihn zu glauben." Fortsetzung folgt.