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Dresdner Philharmonie Sibelius Finlandia (Tondichtung) op. 26 Nr. 7 Die Dresdner Philharmonie gehört zu den Spitzenorchestern Europas. Von dem hohen künstlerischen Leistungsgrad der Philharmonie sprechen mit Begeisterung und wahrer Überzeugung Dirigenten und Solisten, die in den letzten Jahren als Gäste aus aller Welt — sei es aus Polen, der CSSR, aus Schweden, Österreich und Westdeutschland — mit ihr musizierten. Sie alle rühmen den Glanz ihres Klanges, die Geschmeidigkeit der Anpassung und das künstlerische Niveau ihrer Mitglieder. Oleg Kryssa Oleg Kryssa gehört zur Generation der jungen, begabten sowjetischen Geiger. Er wurde 1942 in der Ukraine geboren. Seine Ausbildung begann als Sechs jähriger an der Musikschule in Lwow. Musikalisches Talent in glücklicher Ver bindung mit einem enormen Fleiß sind die Qualitäten dieses jungen Geigers, die früh entdeckt wurden. Bereits in der 9. Klasse der Musikschule spielte er bei einem offiziellen Konzert schwierige Werke von Wieniawski, Tschaikowski, Bruch, Leolaire. Im Frühjahr 1960 fand in Kiew ein Abschlußkonzert des Republikwettbewerbs für junge Musiker statt. Der weltbekannte Geiger Professor David Oistrach hörte das Spiel Oleg Kryssas und schlug dem jungen Künstler vor, am Mos kauer Konservatorium unter seiner Anleitung weiter zu studieren. Das Jahr 1962 war ein bemerkenswertes Datum im Leben des jungen Musikers. Er nahm am Wettbewerb der VIII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Helsinki teil. Im Herbst dieses Jahres wurde der Student des Moskauer Konservatoriums in Poznan mit dem 2. Preis bei dem Henry-Wieniawski-Wettbewerb ausge zeichnet. Igor Besrodny, Mitglied der Jury des Wettbewerbes, schrieb damals: „Oleg Kryssa ist ein Geiger mit sehr großen Perspektiven. Er besitzt jetzt be reits eine große virtuose Freiheit. Sein Spiel wirkt durch besondere Sauberkeit des Gefühls anziehend." Im Jahr 1963 fand der Internationale Paganini-Wettbewerb für Geiger in Genua statt. Die sowjetischen Künstler nahmen zum ersten Mal an diesem Wettbewerb teil. Der erste Preis trägt einen besonderen Namen - „Paganini- Preis". Einstimmig wurde er dem jungen sowjetischen Solisten Oleg Kryssa zuerkannt. Die italienische Zeitung „Corriere Mercantile" schrieb: „Die Jury hat in die sem Jahr den Preisträger für den Paganini-Preis besonders glücklich gewählt. Dieser junge Russe wurde, wie man sagen könnte, mit der Geige in der Hand geboren." Eine eigenartige, ja einsame Stellung in der Musikgeschichte des 20. Jahr hunderts nimmt Jean Sibelius, der Begründer der national-finnischen Kunstmusik großen Stils, ein. Der 1865 in Hämeenlinna (Tavestehus, Finnland) Geborene, sollte eigentlich Jurist werden, studierte jedoch Musik bei M. We- gelius in Helsinki, bei Albert A. Becker in Berlin und schließlich bei Karl Gold mark und Robert Fuchs in Wien. 1893 kehrte er wieder in die Heimat zurück, wirkte zunächst als Theorielehrer an Helsinker Musikschulen, bis er sich, da er vom finnischen Staat ein Stipendium auf Lebenszeit erhielt, gänzlich seinem kompositorischen Schaffen widmen konnte. 37 Kilometer von Helsinki, in Järvenpää, ließ er sich 1904 in herrlichster Landschaft ein Haus bauen, in dem er bis zu seinem Tode im Jahre 1957 lebte und arbeitete. Seit 1929 ver öffentlichte Sibelius keine Werke mehr. Er schrieb fortan nur noch Musik, die niemand, nicht einmal seine Frau hören durfte. An Stapeln von Notenblättern klebten Etiketten: „Nicht anrühren" oder „Erst nach meinem Tode zu öffnen”. Aber der Nachlaß enthielt kaum Manuskripte. Der Komponist hatte offenbar alles kurz vor seinem Tode vernichtet. Er soll einmal gesagt haben: „Diktatur und Krieg widern mich an. Der bloße Gedanke an Tyrannei und Unterdrückung, Sklavenlager und Menschenverfolgung, Zerstörung und Massenmord machen mich seelisch und physisch krank. Das ist einer der Gründe, warum ich in über zwanzig Jahren nichts geschaffen habe, was ich mit ruhigem Herzen der Öffent lichkeit hätte geben können. Ich habe manches geschrieben, aber etwas auf führen zu lassen, dazu fehlte mir . .. ja, das wollte ich eben nicht." Zum Bilde Sibelius gehört es auch, daß er sich kurz vor und nach der Jahrhundertwende der national-finnischen Freiheitsbewegung gegen die Unterdrückungsmaßnah men der zaristischen Behörden anschloß. Seine berühmten Tondichtungen nach dem finnischen Nationalepos „Kalewala" oder die sinfonische Dichtung „Fin landia" stehen in engem Zusammenhang mit diesen nationalen Bestrebungen. Zu Sibelius' wichtigsten Werken rechnen neben zahlreichen Liedschöpfungen, Klavierstücken, Volksliederbearbeitungen, Chören und einer Oper ein Violinen konzert, die sinfonischen Dichtungen und vor allem sieben Sinfonien, die den Komponisten als größten finnischen Sinfoniker ausweisen. So sehr auch der Meister von der Mythologie und Natur seines Landes zum Schaffen angeregt wurde, Motive aus der Volksmusik verwendete er nirgends. Gleichwohl ist seine eigenständige, zwischen Spätromantik und neuen musikalischen Bestrebungen des 20. Jahrhunderts stehende Musik von ausgesprochen nationaler Haltung, in der Stimmung wie im Tonfall. Über Sibelius' sinfonische Dichtung „Finlandia" op. 26, schrieb Nils-Eric Ringbom: „Im Jahre 1899 kam die patriotische Demon stration für Finnlands durch die zaristische Obrigkeit verletzte Rechtsordnung unter anderem in einer Soiree zugunsten der standhaften Presse zum Ausdruck. Die Hauptnummer war eine Suite von „Tablenaux vivants" („Lebensbildern") mit vorgelesenen Texten und begleitender Musik von Sibelius. Das Abschließende Musikstück wurde später als eine für den Konzertgebrauch eingerichete Ton dichtung veröffentlicht. Ihr Name war „Finlandia". Durch dieses Werk wurde eine ganze Welt davon unterrichtet, daß es im hohen Norden eine kleine Nation gab, die um ihre Existenz kämpfte. Das erste, von mächtigen Harmonien getragene, gärend drohende Sekunden motiv scheint das unwiderstehliche Vorwärtsdringen unterdrückter Elementarkräfte zu versinnbildlichen. Sublim konzipiert nimmt sich im Kontrast zu den kampf freudigen Rhythmen des Bleches und der Pauken die andächtig gestimmte Hymne aus „frei von allem oratorischem Pathos und verbrauchter musikalischer Heraldik, getragen vom Idialismus des neugeborenen passiven Widerstandes" (Frosterus). Tscha ikowski Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 35 Der große russische Meister schrieb wie Beethoven und Brahms lediglich ein Violinenkonzert, das allerdings wie deren Werke gleichfalls zu den Glanzstücken der internationalen romantischen Konzertliteratur gehört. Das in Ausdruck und Stil charakteristische, eigenwüchsige Werk, in D-Dur stehend, wurde als op. 35 Anfang März 1878 in Clärens am Genfer See begonnen und zwei Wochen später bereits vollendet. Tschaikowski widmete das ausgesprochene Virtuosen stück ursprünglich dem Geiger Leopold von Auer, der es aber zunächst als unspielbar zurückwies und sich erst viel später für das Werk einsetzte. Die Ur aufführung wagte schließlich Alexander Brodski am 4. Dezember 1879 in Wien unter der Leitung Hans Richters. Unfaßbar will es uns heute erscheinen, daß das Werk vom Publikum ausgezischt wurde! Die Presse war geteilter Meinung. Der gefürchtete Wiener Kritiker Kr. Eduard Hanslick, Brahms-Verehrer und Wagner-Feind, beging mit seiner Renzension des Tschaikowski-Konzertes wohl einen seiner kapitalsten Irrtümer. Er schrieb u. a.: „Da wird nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebleut. Ob es überhaupt möglich ist, diese sträubenden Schwierigkeiten rein herauszubringen, weiß ich nicht, wohl aber, daß Herr Brodski, indem er es versuchte, uns nicht weniger ge- martet hat als sich selbst . . . Tschaikowkis Violinkonzert bringt uns zum ersten Mal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken(l) hört." Haarsträubend, schauerlich mutet uns heute dieses Fehlurteil Hanslicks an, das der Komponist übrigens jederzeit auswendig auf sagen konnte, sosehr hatte er sich darüber geärgert, während das Konzert in zwischen längst zu den wenigen ganz großen Meisterwerken der konzertanten Violinliteratur zählt. Das Werk wird durch eine kraftvolle Männlichkeit im Aus druck, durch eine straffe Rhythmik gekennzeichnet und ist betont musikantisch ohne Hintergründigkeit, Pathos oder Schwermut. Die Quellen, aus denen Tschaikowski hier u. a. schöpfte, sind das Volkslied und der Volkstanz seiner Heimat. Betont durchsichtig ist die Instrumentation, die beispielsweise auf Po saunen verzichtet. Aus der Orchestereinleitung wächst das großartige, tänzerische