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STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, den 1. Juni 1965, 19.30 Uhr 4. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Mitwirkende: Helmut Rucker, Flöte; Günter Siering, Violine Dieter Kießling, Violine; Herbert Schneider, Viola Erhard Hoppe, Violoncello; Bärbe Seydel, Harfe Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Streichquartett A -Dur K V 464 Allegro Menuetto - Trio Andante Allegro non troppo Jean Franqaix geb. 1912 Quintett für Flöte, Violine, Viola, Violoncello und Harfe Andante tranquillo Scherzo Andante Rondo — Pause — Ludwig van Beethoven 1770-1827 Streichquartett C-Dur op. 59 Nr. 3 Introduzione. Andante con moto - Allegro vivace Andante con moto quasi Allegretto Menuetto. Grazioso - Trio - Coda Allegro molto ZUR EINFÜHRUNG Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett A-Dur KV 464 gehört zu einer Gruppe von sechs Streichquartetten, die der Komponist in den Jahren 1782—1785, zwischen seinen Opern «Die Entführung aus dem Serail und „Figaros Hochzeit", geschrieben und Joseph Haydn gewidmet hat. „Von Haydn habe ich gelernt, wie man Streichquartette macht", bekannte Mozart in diesem Zusammenhang. Die sechs Quartette, von ihm selbst als „Frucht einer langen und mühevollen Arbeit" bezeichnet, stellen in ihrer künstlerischen Vollkommen heit, in ihrem trotz des Haydnschen Vorbilds doch ganz persönlichen, eigen geprägten Stil zweifellos den Höhepunkt seines Quartettschaffens dar, was indessen von den Zeitgenossen des Komponisten durchaus noch nicht allseitig verstanden und gewürdigt wurde. So können wir in einer Wiener Kritik aus dem Jahre 1787 dazu lesen: „Schade, daß Mozart sich in seinem künstlichen und wirklich schönen Satz, um ein neuer Schöpfer zu werden, zu hoch versteigt, wobei freilich Empfindung und Herz wenig gewinnen. Seine neuen Quartetten, die er Haydn dediziert hat, sind doch wohl zu stark gewürzt — und welcher Gaumen kann das lange aushalten?" Das A-Dur-Quartett, das vorletzte Werk der Reihe, entstand im Jahre 1785. Besonders charakteristisch für dieses wirkliche Meisterwerk ist in sämtlichen Sätzen das Streben nach kunstvoller Kontrapunktik, die überaus feine und sorg fältige motivische Arbeit. Tänzerisch-graziös setzt der erste Satz (Allegro) mit einer fließenden Melodie im 3 /4-Takt ein. Bereits hier zeigt sich die unübertreff liche Meisterschaft des Komponisten im Variieren der einzelnen Gedanken, die in ständiger Verwandlung, in unterschiedlicher Beleuchtung an uns vorüber ziehen. Ein schlichtes Menuett mit einem fröhlichen Trio in E-Dur folgen. Sehr bedeutend ist der dritte Satz (Andante) der sieben entzückende Variationen über ein heiter-besinnliches Thema bringt. Die Neigung des ganzen Werkes zu kontrapunktischer Durcharbeitung tritt am deutlichsten im Finale (Allegro non troppo) zutage, dessen Hauptthema chromatisch beginnt. Drei Themen, unter ihnen ein choralartiges Motiv, bestimmen den Verlauf des Satzes, der mit seinem nachdenklichen, leise verklingenden Abschluß auf Beethoven einen besonderen Eindruck gemacht haben soll. Der jetzt 53jährige französische Komponist Jean Franca ix lebte nach seinen Studienjahren in Paris (Komposition bei N. Boulanger und Klavier bei I. Philippe) in seiner Vaterstadt Le Mans, heute in der Nähe von Paris. Der Künstler, der auch schon in Dresden weilte und mit den Philharmonikern kon zertierte, ist nicht nur als fruchtbarer Komponist, sondern auch als Pianist von außergewöhnlicher Begabung hervorgetreten. Unter seinen französischen Kom ponistenkollegen hat sich in Deutschland kaum einer so zahlreiche Freunde gewonnen wie er. Immer häufiger kann man seinen Ballettschöpfungen, seinen konzertanten Werken, vor allem aber seinen geistvollen Kammermusiken be gegnen. Diese Vorliebe für seine Musik erklärt sich aus ihren liebenswürdig gewinnenden Eigenschaften, ihren typisch französischen „Tugenden" wie Anmut und Klarheit, Eleganz und Beschwingtheit, spielerische Grazie und Ironie, ohne daß der urtümliche Witz und Humor in Witzelei, die unterhaltend entspannte Wesensart in bloße Unterhaltungskost umschlägt. „Man kann den Stil seiner Musik", so sagt Serge Moreux, „als den eines Mannes mit klaren Ideen und heller Seele bezeichnen. Er ist rein und so durchsichtig, daß man auf den ersten Blick seine Tiefe schlecht erkennt. Von Grund auf französisch, ist er apollinisch und nicht dionysisch. Sein Witz ist ohne Schroffheit, heiter und raffiniert. Es ist der Stil eines Musikers, dessen von vornherein einfache Probleme sich auf glückliche Weise lösen, dank den musikalischen und geistigen Anlagen der Herkunft und der Erziehung."