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«»ml--.»«-.tR-t»b--,Das kleine Blumenmädchen 6opvrlgkt dv dlmtw keucLtvaiixsr, Halls (8ssle> 1. Fortsetzung^ Nachdruck verboten. Die Mutterlächelte. »Mein gutes Kind, was hast du dir denn wieder für eine Ueberraschnng vnSgedacht? Aber cs ist doch weder Weihnachten noch mein Geburtstag?" Brigitte drückte ihr junges Gesicht an das welke der Mutter. »Mütterchen, es «m» doch auch andere Ueberraschungen geben. — Lebe wohl, ich bin bald zurück!" Tie küßte die Mutter herzlich. Draußen sagte Frau Schmittgen, die Vermieterin: »Na, Fräulein Brigitte, soll man mein Fritz noch ein Vissel mitgehen? 's ist zu gefährlich so am Abend." »Danke, Mama Schmittgen; der Papa ist doch auch froh, wenn er die vier Treppen herauf ist. Das wollen wir ihm nicht zweimal zuinuten." Brigitte Elsner ging dann unten langsam auf der Straße dahin. Sie ging sonst nie am Abend aus, ver kaufte ihre Blumen nur am Tage. Doch heute? Die ganzen langen Stunden, während denen sie heute ihre Blumen verkaufte, hatte sie noch an den Fremden von heute morgen gedacht. Was war das nur? Sie war den Männern bisher stets scheu ausgewichcn. Warum fürchtete sie sich nun nicht vor ihm? »Weil er mir helfen will um Mütterchens willen", dachte sie dann und suchte ihre Unruhe damit zu vertreiben. Je näher sie dem Lokal von Burlich kam, desto angst voller klopfte ihr Herz. Ob sie wieder umkehrte? Noch war es Zeit, noch hatte sie ein ganzes Stück zu gehen. Brigitte blieb stehen. Die Gedanken jagten hinter der weißen Stirn. Wenn er es nicht aufrichtig meinte? »Nein, er ist gm und aufrichtig", dachte sie dann wieder, und wie von einer fremden Macht getrieben, ging sie weiter. Bei Burlich standen Autos und einige Droschken, und elegante Menschen gingen hinein in das hellerleuchtete Lokal. Perlendes Lachen ertönte. Aus dem Schatten löste sich eine hohe Figur. »Guten Abend, mein kleines Fräulein! Beinah glaubte ich schon, Sie hätten unsere Abmachung vergessen." Seine warme Stimme verfehlte die Wirkung nicht. Brigitte legte zutraulich ihre kleine Hand in die des Mannes. Wie zwei gute Bekannte gingen sie dann weiter. Und bald gelang es Barnekow, sie gesprächig zu machen. Sie blieb zwar noch scheu und zurückhaltend, doch ant wortete sie ihm auf alle Fragen, und er wußte, daß sie ihm in allem die Wahrheit sagte. »Ihr jetziger Berus ist zu gefahrvoll für ein junges Mädchen. Darf ich mit Ihrer Mutter sprechen? Vielleicht kann ich Ihnen zu einer Existenz verhelfen?" Brigitte küßte plötzlich seine Hand. »Wie soll ich Ihnen danken?" flüsterte sie. Erschrocken zog er seine Hand zurück. »Aber Kind, das — ist denn das so außergewöbnlich, wenn ein Mensch einem anderen helfen will?" Brigitte nickte. »Ja, es ist außergewöhnlich." Barnekow sah beim Schein der Lampen in ihr süßes Gesicht. Wie schön dieses kleine Mädel war. Eigentlich war er ein Esel, daß er hier als edler Wohltäter neben ihr herlief und sich benahm wie ein alter, reicher Mäzen, der wieder etwas für seinen Spleen entdeckt hat. Aber schließ lich, er konnte ja auch einmal diese Rolle spielen. Helfen wollte er ihr ja auf alle Fälle; aber es hätte eben wirklich ein bißchen Romantik dabei sein können. Ein kleineres, hellerleuchtetes Cafö kam in Sicht. Er überlegte eben, ob er sie bitten sollte, mit ihm hinein- zugehen, als Brigitte sagte: »Ich muß nun wieder umkehren; Mütterchen ängstigt sich sonst. Ich bin um diese Zeit stets daheim." Dietz von Barnekow dachte: »Ist denn das möglich? Mitten in diesem Sünden babel eine solche reine Blume, die der Gifthauch der Groß stadt noch nicht berührt hat?" Er blickte zu Boden, sah neben sich die kleinen Füße so zierlich dahinschreiten, und es reute ihn doppelt, ihr am Vormittag nicht etwas mehr gegeben zu haben. Dann hätte er jetzt nicht in diesem Zwiespalt gesteckt. Rach einer Weile sagte er: „Lieben Sie die Blumen, die Sie verkaufen?" Sie nickte. »Ja, sehr. Mütterchen windet die Sträuße, und sie streichelt sie immer, ehe ich sie dann forttrage." Barnekow lächelte. Dann meinte er: »Wissen Sie was, Fräulein Brigitte? Wir kaufen ein kleines Blumengeschäft. Da können Sie dann mitten unter Ihren Blumen sein, den ganzen, langen Tag. Es handelt sich doch vor allem darum, daß Sie nicht mehr in diese Lokale müssen. Dann kommen die Leute zu Ihnen. Wäre das nicht besser?" Sie schlug die Hände zusammen. . „Besser? Wunderschön wäre es. Doch — das kostet viel Geld." „Darum brauchen Sie sich nicht zu sorgen. Das müßten Sie mir überlassen." Brigitte blieb stehen, reichte ihm die Hände. „Ich danke Ihnen, oh, ich danke Ihnen. Und nun will ich heim; Mütterchen muß es doch wissen." Er hielt die kleinen Hände fest. „Wollen Sie mir nicht Ihre Adresse sagen? Ich würde dann morgen früh kommen und mit Ihrer Mutier das Nähere vereinbaren." „Sie wollen zu uns kommen? Mein Gott, wir wohnen vier Treppen hoch, und es ist sehr einfach bei uns." »Es gefällt mir sicher", tröstete er sie und sah in das reizende Gesicht. „Na, ich weiß nicht!" Brigitte sagte es ganz nachdenklich und streifte mildem Blick seine elegante Figur, während sie an die einsachen Möbel dachte, die das kleine Heim wenig behaglich ' machten. Plötzlich zuckte Brigitte erschrocken zusammen. Die Mutter! Niemals würde sie sich von einem Fremden etwa« schenken lassen. Wer weiß, wie sie das alles aufnahm Trotz ihrer Armut war sie immer stolz und verschlossen, die arme, kranke Mutter. Arm waren sie nach Vaters Tode geworden, und krank wurde Mutter, als damals das Furchtbare geschah, das Entsetzliche. Wenn der Fremde eS wüßte! Die Mutter, war damals fluchtartig aus der kleinen Provlnzstadt mit ihr abgereist. In Berlin waren sie im Strudel unter- getaucht, und niemand kümmerte sich um die stille Frau und ihr Töchterchen. Niemand wußte auch, was die Ver- gangenheit barg. Und nun intbressierte dieser vornehme Mann sich sür ihre Armut. Brigitte Elsner wußte nicht, wie schön sie war. Jede Gefallsucht lag ihr fern. Dietz von Barnekow, der Frauen kenner, hatte das längst festgestellt, und gerade das reizte ihn so. „Nun? Darf ich morgen kommen? Und Ihre Adresse, bitte?" Brigitte schrak empor. Dann sagte sie ihm, wo sie wohnten. Sie konnte nicht anders. Und Mama würde schon einsehen, daß er doch ganz anders war als die Männer, vor denen sie sie immer warnte. Mit dem Hut in der Hand stand Barnekow da. Brigitte sah ihn an, und plötzlich senkte sie scheu die Augen vor seinem Blick. Schnell verabschiedete sie sich von ihm und lief dann davon. Barnekow sah ihr nach, dann wandte er sich um, war auf sich selbst ärgerlich. Was war nur mit ihm geschehen, daß ihn ein kleines Mädel so fesseln konnte? Na, in den nächsten Tagen reiste er wieder heim, und dann würde ihn ja die Arbeit von weiteren Dummheiten bewahren. Jeden falls ging er morgen zu den beiden Frauen hin, und er würde der Mutter ganz einfach sagen, daß es ihm leid tue, wenn die kleine Brigitte noch länger sich den gierigen Blicken elender Wüstlinge aussetze. Er konnte ja sagen, daß sie ihm das Geld verzinsen sollten. Das kam eben ganz darauf an, wie Frau Elsner seinen Vorschlag aufnahm. Er würde ja sehen. Langsam schlenderte er dahin. Bis zu „Adlon" war es nicht weit, und er ging den kurzen Weg zu Fuß. Bodo Erlbrück erwartete ihn bereits. Mit gutmütigem Spott fragte er: »Na, wie war das Stelldichein? Natürlich war sie da." »Ja, sie war da." Die Antwort klang einsilbig, und Erlbrück merkte, daß Barnekow nicht die Absicht hatte, darüber zu sprechen. So schlug er ein anderes Thema an. Es gab ja so viele. Kurze Zeit später servierte man ihnen ein ausgewähltes Abendessen. Erlbrück erzählte dem Freunde einige kleine Erlebnisse von daheim und bat ihn herzlich, doch nun auch einmal nach Neuburg zu kommen. Seine Schwestern würden sich sehr sreuen, den Jugendfreund einmal wieder zusehen. Barnekow versprach, in Kürze zu kommen, und Bodo Erlbrück nickte ihm zu. »Abgemacht, Dietz, es soll schon gemütlich werden. Wenn auch unser bescheidenes Neuburg mit eurem schönen Barnekow nicht im mindesten einen Vergleich aushalten kann, so wollen wir dir schon die wenigen Annehmlich keiten alle vorführen, daß es dir doch einigermaßen gefällt. Sag' mal, meine Anspielung auf deine Heirat war nicht ganz so zufällig. Drießen hat mir nämlich gesagt, Baro nesse Jlzen schwärme sür dich und man spreche bet euch in der Umgegend ganz offen davon, daß du die blonde Baronesse zu deiner Frau machen würdest." Bodo Erlbrück löffelte seine Erdbeeren; er hatte das alles in einem gleichgültig-liebenswürdigen Plauderton vorgebracht. Der Barnekower sah ihn scharf an; dann lächelte er. »Lieber Bodo, wenn dir wieder einmal jemand so etwas erzählt, dann sag' ihm ganz offen, daß er sich irrt. Ich werde nämlich niemals die blonde Jlzen heiraten; ich denke gar nicht daran." »Das freut mich, Dietz. Die haben doch früher auch anders gedacht. Ich gönne es den Leuten nämlich immer, wenn sie sich verrechnen." „Aha, du weißt? Na, siehst du, eben darum! Ich denke nicht daran." »Baronesse Jlzen soll aber selbst Andeutungen gemacht haben", sagte Erlbrück etwas bedenklich. „Wie?" Barnekow fuhr auf, um sich sogleich wieder in den Stuhl zurückzulehnen und gleichmütig mit den Schul tern zu zucken. „Ich wüßte nicht, wie Baronesse Jlzen dazu käme, sich derart zu blamieren. Ich habe ihr ganz gewiß keine Hoff nungen gemacht." »Fein, Dietz! Ich bin der Meinung, daß für dich noch irgendwo eine andere Blume blüht. Du wärst mir, offen gesagt, zu schade für die Partie gewesen." Später trafen die Freunde noch ein paar Bekannte und suchten in deren Gesellschaft noch einen vornehmen Klub des Westens auf. Es wurde ziemlich spät, als sie sich trennten. Sie hatten für den nächsten Tag ein Zusammentreffen verabredet. Dietz blieb ja noch länger, aber Erlbrück wurde zu Hause erwartet. Er mußte eben doch sehr auf dem Posten sein, wenn die Geschichte in Neuburg klappen sollte, soviel hatte er dem Freunde schon verraten, und der ging mit sich zu Rate, ob er dem alten, ehrlichen Kerl nicht mit einer kleinen Hypothek unter die Arme greifen sollte. Die Geschichte wollte er morgen einmal zur Sprache bringen. Bodo Erlbrück hatte etwas zuviel über den Durst ge trunken, und Barnekow brachte ihn im Auto heim in sein Hotel. Weinselig versicherte Bodo dem Freunde immer wieder, daß es diesmal himmlisch in Berlin sei. Als der Portier den benebelten Neuburger in Empfang genommen hatte, ging Barnekow. Er fuhr nur wenige Minuten bis zu dem vornehmen Hotel, wo er abgcsticgen war. Hier ging er dann noch lange in seinem Zimmer auf und ab, ehe er Nch schlafen legte. Brigitte saß neben dem Lager der Mutter; die immer sehr zeitig zur Ruhe ging, und erzählte. Frau Elsners traurige Augen hingen an den strahlenden ihres Kindes. Sie teilte die Freude Brigittes nicht. Aber sie tadelte sie auch nicht. Sie dachte nur ergeben: »So lange ist Brigitte Kind geblieben! Soll sie nun in des Lebens Kampf geschleudert werden?" Ihre Hand streichelte über das dunkle Lockenhaar Brigittes. Sie glaubte nicht an die selbstlose, uneigen nützige Hilfe des Fremden. Wenn er morgen wirklich kam, dann würde sie ihn mit gütigen Worten bitten, seinen Besuch nicht zu wiederholen und das Geld wieder an sich zu nehmen. Sie wollte keine Wohltaten, und für ihr bescheidenes Leben reichte es, was Brigitte verdiente. Sie wußte ganz genau, daß Brigitte wärmer für den Fremden empfand, als es für ihren Frieden gut war, und aus diesem Grunde mußte sie den Fremden bitten, nicht wiederzukommen. Danken würde sie ihm allerdings für seine Güte; aber annehmen wollte sie nichts von ihm. »Wie heißt er denn, Brigitte?" „Rittergutsbesitzer von Barnekow." Die Mutter fuhr so heftig in die Höhe, daß Brigitte erschrak. Der Mutter Stimme klang heiser. „Wie sagtest du? Von Barnekow? Dieser Mann kommt mir nicht über die Schwelle! Hörst du, Brigitte? Nicht über die Schwelle kommt or mir." „Mütterchen!" Brigitte blickte ganz entsetzt auf die Mutter. „Mütterchen, er hat uns doch nichts getan? Du bist doch sonst so lieb gegen alle Menschen. Warum erregt dich sein Name?" Frau Elsner antwortete nicht. Aechzend ließ sie sich wieder zurückfallen. Eine ganze Weile blickte sie zur Decke; dann sagte sie plötzlich: „Du hast recht, Brigitte, er brauch: ja nicht mit ihnen verwandt zu sein. Dennoch, ver Name! Daß ich diesen Namen noch einmal hören muß!" Brigitte streichelte vas Gesicht ver Mutter. Irgendeine dunkle Erinnerung tauchte in ihr aus, ohne daß diese in dessen feste Form gewann. Frau Elsner sagte leise: „Er meint es gut, doch annehmen kann ich nichts von ihm. Aber ich will es ihm sagen, wenn er morgen komm,. Abweisen an der Tür brauchen wir ihn nicht. Und nun wollen wir aber schlasen, Kind; es ist heule später als sonst." „Gute Nacht, Mütterchen! Zärtlich küßte Brigitte die Mutter. Tann löschte sie das Licht aus. Brigitte schlief bald ein und nahm das Bild vcs Mannes, der ihr helfen wollte, mit in ven Schlaf hinüber. Die Mutter aber lag mit wachen Augen und dachte an die Vergangenheit, in der der Name Barnekow eine Rollo gespielt. Eine Nolle? Wirklich nur eine Rolle? Oder war er nicht vielmehr der Anfang einer Lebenstragödie ge wesen? Unten rauschte das Nachtleben Berlins vorüber. In Frau Elsner aber erstand noch einmal die ganze Schwere der Vergangenheit und das, was sie mit sich gebracht hatte. Am nächsten Morgen brachte Frau Schmittgen, die Vermieterin, wie immer den großen Blumenkorb aus der Markthalle mit. Freundlich grüßend, trat sie ins Zimmer. Sie war sehr überrqscht, daß Frau Elsner heute in ihrem schwarzseidenen Kleide am Fenster saß. Aber Frau Schmittgen hatte Lebensart. Sie fragte nicht, trotzdem ihr die Neugierde aus ihren guten Quell-» äugen nur so herausleuchtete. Frau Elsner sagte sehr freundlich: „Ich erwarte Besuch, Frau Schmittgen. Erst muß ich noch die Sträuße winden, damit die Kleine ihren Dienst antreten kann. Sie sind wohl so freundlich und führerr den Herrn herein?" „Gern, Frau Elsner, sehr gern! Ich bin ja da." Frau Schmittgen ging. Sie hing sehr an ihrer Mieterin und deren schönen Töchterchen. Waren das nette Leute! Und immer pünktlich erhielt sie ihre Miete, trotz dem sie doch genau wußte, daß die zwei Frauen sehr be scheiden leben mußten. Frau Elsners geschickte Hände wanden die Blumen zu kleinen, entzückenden Sträußchen. Sie hatte die Blumen überhaupt so lieb. Die flammenden, dunklen Rosen, dir lila Veilchen, die duftenden Maiglöckchen, und es war jedesmal eine neue Freude für sie, wenn Frau Schmittgen den großen Korb brachte. Frau Elsner war sich vollständig darüber klar, dast Brigittes schönes Gesichtchen die Hauptursache war, daß! sie vom Erlös der Blumen leben konnten. Aber auf str konnte sie sich verlassen. Sie sehnte sich nicht nach Glanzt und einem leichtfertigen Leben. Und nun kam plötzlich dieser fremde Mann in diesen« Frieden und störte ihn. Ein Strauß nach dem anderen erstand unter ihren stinken Händen und wurde in einen bereitstehenden, mit weißem Seidenpapier ausgelegten Korb placiert. Ab und zu lehnte sich Frau Elsner zurück, weil das kranke Herz doch nicht so recht mitmachte, wenn sie sich lange über die Arbeit beugte. Endlich aber war sie fertig. Da kam auch Brigitte aus dem kleinen Zimmer nebenan. Wie ein taufrischer Morgen sah sie aus in ihrem einfachen Hellen Kleidchen. .Mütterchen?" (Fortsetzung folgt.)