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Beilage zur Weiheriy -Heilung ... Nr. 271 Freitag, am 21. November 1S30 96. Jahrgang Kurze Notizen Die neue Sitzungsperiode des badischen Landtages wurde eröffnet. Zum Präsidenten wurde mit 70 von 79 abgegebe nen Stimmen der bisherige Landtagspräsident Duffner (Zentr.) wiedergewählt. i Der norwegische Justizminister Eojenth hat aus pri- - oaten Gründen sein Amt niodergelegt. Als sein Nachfolger ' wurde Rechtsanwalt Arne Sunde, Mitglied der radikalen ' Partei, zum Justizminister ernannt. Nach einer Madrider Blättermeldung soll der Direktor Ser allgemeinen Sicherheitspolizei Spaniens, General Mola, zurückgetreten sein. Eine amtliche Bestätigung dieser Mel dung liegt jedoch noch nicht vor. Brechen; Etat für 1931 Berlin, 21. November. Der preußische Haushaltsplan für 1931, der mit 3 972 694 910 Rm. ausgeglichen ist, weist gegenüber 1930 Abstriche im Umfang von insgesamt 384 264110 Rm. gleich etwa 9,525 auf. Nach Abzug der durchlaufenden Poften, d. h. vor allem derjenigen Einnahmen und Ausgaben, die an die Gemeinden weitergegeben werden, ergeben sich für den Staat an Einnahmen und Ausgaben 2248,2 Millionen. Die vom Reich angekündigten geringeren Ueberweisungen sind hierbei bereits berücksichtigt. Die Erträgnisse an preußischen Steuern — nach Abzug der Gemeindeanteile — sind mit Rücksicht auf die schwierige Wirtschaftslage um 6,5 Mill, geringer eingesetzt worden. Bei den Ausgaben sind u. a. nach Räumung des besetzten Gebiets die Besatzungszulagen für Beamte und Angestellte fortgesallen. Im übrigen haben die dauernden Ausgaben gegen das Vorjahr insgesamt eine Verminderung um 66,8 Millionen erfahren; die persönlichen Ausgaben allein um 36,7 Millionen, die sächlichen Verwal tungsausgaben um 6,5 Millionen. Unter den sächlichen Aus- gaben seien erwähnt aus dem Haushalt des Kultus- Ministeriums, für Zwecke der Universitäten 8,1, der Technischen Hochschulen 1,3 und sonstiger wissenschaftlicher Anstalten 1,3 Millionen. Die Personal- und Betriebskosten der Staatstheater erfordern noch immer eine Ausgabe von 8,1 Millionen. Für sonstige Kunstzwecke sind 1,7, für höhere Schulen 10,1, als Staatsbeitrag zu den Volksschul-Ünter- haltungskosten 439,6, als Staatszuschüfse für die evangelische und katholische Kirche sowie die Synagogen-Gemeinden 71,9 Millionen vorgesehen. Im Haushalt des Wohlfahrts ministeriums finden sich unter den Sachausgaben für Zwecke der Volksgesundheit 2,7, an Zuschüssen zur gesetzlichen Fürsorgeerziehung 25,8 und für sonstige Zwecke der allge meinen Volkswohlfahrt 5,7 Millionen Rm. Unter den ein maligen Ausgaben ist der Betrag für Bauten, Melioratio nen, Landgewinnungsarbeiten usw. von 52,2 auf 36,1 Mil»! lionen Rm. herabgesetzt. Die preußischen Realsteuern, vor allem die Haus zins steuer, gehen in ihrem Erträgnis ständig zurück.! Der für 1931 festgestellte Fehlbetrag ist, wie in der. Etatbegründung erklärt wird, durch Erschließung ander weitiger Einnahmen nicht auszugleichen, da die jetzt schon überspannten Steuern nicht weiter angespannt werden kön nen. Deshalb war es notwendig, auch um das deutsche^ Preisniveau den Weltmarktpreisen anzuvassen, eine Sen kung der öffentlichen Ausgaben vorzunehmen. Die Aufnahme eines besonderen Grenzfonds sei in An-! betracht der Gesamtfinanzlage des Staates nicht möglich ge wesen. Im Abschnitt Steuersenkungen wird u. a. her vorgehoben, daß, nachdem die Hauszinssteuer für 1931 be reits um 325 gesenkt wird, diese Senkung von 1932 ab in erheblich höherem Maße gewährt werden soll. Die land wirtschaftliche Grundvermögenssteuer soll« dort, wo die Be lastung mit Realsteuern über dem Landesdurchschnitt liegt, um 10^ gesenkt werden. Der Ausfall aus beiden Senkun gen soll nach der Vorschrift der Reichsregierung aus dem Wohnungsbauanteil der Hauszinssteuer ersetzt werden. Der sich aus der geplanten Senkung der Realsteuern in den vor aussichtlich wachsenden Wohlfahrtslasten ergebende Aus fall der Gemeinden soll zum Teil durch die Kom munalsteuern nach der Notverordnung des Reichspräsidenten gedeckt werden. Diese neuen Steuern dürften für Preußen voraussichtlich etwa 200 Millionen im Jahre 1931 ergeben. Zu den Plänen der Reichsregierung für 1932 wird erklärt, die Absicht, den Ländern die Einnahmen aus der Belastung von Bier und Branntwein zu geben und dafür ihre Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftssteuer herabzusetzen, stoße auf den einmü tigen Widerstand derLänder. Der Gedanke der Steueroereinfachung mit Erhöhung der Vermögenssteuer freigrenze auf 20 000 und der bei der Umsatzsteuer auf 5000 Rm. wird gebilligt. Preußens Beamlenheer Nach dem Etat für 1931 sind im preußischen Staats dienst insgesamt 209 020 Personen tätig, darunter 144 397 planmäßige Beamt«. Gegenüber dem Etat von 1930 sind das 213 planmäßige Beamte weniger, dagegen 1511 Hklss- beamte, Angestellte und Arbeiter mehr. Streit um die rote Barteisahne Hirschberg i. Schles., 21. November Der Breslauer Oberpräsident Lüdemann hatte nach - verschiedenen Nachrichten am 9. November, dem sogenann- ten Revolutionstag, seine Prioatwohnung mit der roten Fahne geschmückt. Nach amtlicher preußischer Auskunft ist ! bisher noch kein dienstlicher Bericht des Oberpräsidenten in ; Berlin hierüber erstattet worden. Zu diesem nun schon über gehenden und zuständigerseits nicht genügend ge klarten Vorfall macht der in Hirschberg erscheinende „Bote ! aus dem Riesengebirge" u. a. folgende beachtliche Bemer- j kungen: „Herr Lüdemann hat schon recht: einem Beamten ist das Listen der Parteifahne nicht verwehrt. Aber der Oberpräsident von Schlesien ist kein Beamter — wenigstens kein Beamter wie ein Briefträger oder Weichensteller etwa — er ist mehr, ist Repräsentant der Staatsgewalt, und die ser Staat ist republikanisch, aber nicht sozialistisch. Ein Oberpräsident ist in erster Linie Oberpräsidenl und dann erst, nebenbei vielleicht, auch Parlelmann. Wenn die Staalsregierung für vienstgebaude und Dienstwohnung«« durch Beschränkung in der Flaggenwahl die Verpflichtung der Behörden zu einer gewissen Zurückhaltung angeordael hat, so geht diese Pflicht — ob paragraphenmäßig fixiert oder nicht — ganz von selbst auf den ersten Vertreter der Staates in der Provinz über. Gegen diese Pflicht aber Hai Herr Lüdemann mit seiner Flaggendemonstration zweifellos verstoßen. Der BergarheiteroerbM warnt Preisabbau, Schlchtzeilverkürzung, Reallohnerhallung Berlin, 21. November. - Der Allgemein« Bergarbeiterverband hielt am Don nerstag seine Reichskonferenz ab, auf der der Verbandsvor- itzende Hufemann in seinem Wirtschaftsüberblick u. a. fest- teilte, daß im Ruhrbergbau im laufenden Jahre bereits iber SO ooo Bergarbeiter entlassen worden seien. Das be deute allein im Ruhrgebiet einen Lohnoerlust von 78,5 Mil lionen. Der zweite Verbandsvorsitzende Schmidt kündigt« mit Ablauf der jetzigen Tarife neue schwere lohn po litische Auseinandersetzungen an, da die Berg arbeiter sich jeder Senkung des Reallohnes der Bergarbeiter mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln widersetzen wür den. Die Konferenz nahm u. a. eine Entschließung an, in der gesagt wird, daß der Widerstandswille und die organi sierte Widerstandskraft der Bergarbeiter den Krisenausgang entscheidend beeinflussen würden. Dabei stehe die Sorg« für die Arbeitslosen an erster Stelle. Preisabbau, Schichtzeitverkürzuna und Reallohnerhal lung seien die Ziele der gewerkschaftlichen, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bergbauunternehmer und Reichs- reglerung werden gewarnt, das Wirtschaftsleben Er schütterungen auszusehen, die als unausbleibliche Folge der Verweigerung und Entziehung der Lebensnotwen- dlgkeiten der Bergarbeiter zu befürchten wären. In einer zweiten Entschließung wird der am 12. Novem ber 1930 in Esstn gefällte Schiedsspruch aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen für untragbar erklärt. Srotzrr ReichMnlweMel-LiMW im werte von 100 ooo Mark. Bielefeld, 21. November Ein verwegenes Diebesstückchen wurde in der Nacht von einem noch unbekannten Mann im Bielefelder Hauptbahn hof verübt. Während Postbeamte damit beschäftigt waren, Wertpakete in den Zug zu verladen, schlich sich unauffällig ein Mann an den Wagen heran und ergriff einen dort lie genden Beutel, sprang blitzschnell über die Gleise und ver schwand. Die Verfolgung konnte nicht sogleich vorgenom men werden, da der Zug sich in diesem Augenblick m Be wegung setzt«. Sofort angesetzte Polizeihunde fanden keine Spur. In dem gestohlenen Beutel befanden sich Reichsbank wechsel, deren Wert über 100 000 Reichsmark betragen soll. Di« Wechsel sind für den Täter wertlos. Der Verlust ist aber für die Bank sehr unangenehm. Die Postverwaltung yat für sie Ergreifung des Täters eine Belohnung ausgesetzt. „LmidMWms mdmchMrbar" Scharfe Kritik an der Haltung der britischen Vertreter. London, 21. Nooemv«r „Manchester Guardian" schreibt in einem Leitartikel u. a.: Nach langwierigen Debatten in Genf ist die Ab rüstungskommission zu der Feststellung gelangt, daß Land abrüstung undurchführbar ist. Dies ist trotz Lord Cecils pathetischen Geredes von „wirklichem Fortschritt" das Er gebnis der Erörterung. Sogar bei der einfachen Aufgabe, einen Plan für die Beschränkung der Heere aufzustellen, ist die Kommission hoffnungslos gescheitert. Nach Hendersons tapferen Worten bei der Eröffnung der diesjährigen Äöl- keroundsversammlung hätte niemand ooraussehen können, daß der britische Vertreter bei jeder wichtigen Abstimmung für das Verfahren stimmen würde, das die Abrüstung ge staltet. Das Blatt betont, der einzige Weg, um die Kriegs stärke eines Wehrpflicht-Heeres zu vermindern, bestehe in einer ernstlichen Beschränkung des jährlichen Kontingents. Dies sei die vitale Frage der Landabrüstung, und dieser Reform hab« sich die Arbeiterregierung geweigert, ihren Se gen zu geben. Es sei vollkommen sicher, so sagt das Blatt weiter, daß keine Abrüstung möglich ist, solange Großbri tannien die Freunde großer Heere unterstütze. Frankreichs Zweideutigkeiten Daladier gegen den bewaffneten Frieden. Paris, 21. November. In einer Sitzung des erweiterten Vorstandes der Ra dikalen Partei hielt der Parteivorsitzende Daladier eine An sprache, in der er ausfüyrte: Unsere Kammerfraktion wird in Opposition zu jeder Regierung verharren, die von der Rechten beherrscht wird. Sie hat es abgelehnt, die Zwei deutigkeit mitzumachen, mit der die vom Außenminister mutig verfolgte Friedenspolitik von den Führern der Mehr heit und von der gesamten Presse bekämpft wird. Getreu den Leitgedanken der Organisierung eines Friedens, der nur auf den eng verbundenen Begriffen Schiedsverfahren, Si cherheit und Abrüstung aufgebaut werden kann, wird un ¬ sere Partei nicht die Rückkehr zu einer Politik des soge nannten diplomatischen Gleichgewichts, der Bündnisse und des bewaffneten Friedens zulassen, einer Politik, die trotz der Lehren der jüngsten Vergangenheit die eigentliche Dok trin der maßgebenden Persönlichkeiten der Parlamentsmehr- beit bleibt. Bon gestern bis heute Aussprache Hindenburg» mit den Osthllfskommissaren. Reichspräsident von Hindenburg empfing die Kom missare für Lie Osthilfe Reichsminister Treoiranus und Preußischen Staatsminister Hirtsiefer zusammen mit deren Vertretern Staatssekretär Krüger und Ministerialdirektor Dr. Wachsmann zu einer längeren Besprechung über die Arbeit der Osthilfe. Die Aussprache, die auch die aus Krei sen Ler Landwirtschaft für die Durchführung der Osthilfe oorgebrachten Anträge und Wünsche umfaßte, ergab Ueber einstimmung in der Auffassung über di« für die Osthilse maßgebenden Grundsätze und die sich hierauf aufbauende weitere Arbeit der Oststelle. fO-RUllionen-Desizlt der Stadl Berlin. Der Berliner Magistrat hat der StadtverorLnetenoer- sammlung eine neue Dringlichkeitsvorlage über die Deckung des Defizits im laufenden Haushalt zugehen lassen. Das De fizit hat sich inzwischen auf 90 Millionen Reichsmark er höht. Der durch Steuern zu deckende Teil beträgt jetzt rund- 30 Millionen, von denen bisher nur 3,2 Millionen durch die beschlossene Erhöhung der Biersteuer gedeckt sind. Schiedsspruch für die nlederschlesische Metallindustrie. Vom Schlichtungsaugschuß Görlitz ist für die Betriebe des Verbandes der Metallindustriellen Niederschlesiens ein Schiedsspruch verkündet worden, auf Grund dessen mit Be ginn der Lohnwoche, in die der 1. Dezember 1930 fällt, die Löhne der gelernten, angelernten uns ungelernten Arbei ter um 3 Prozent und diejenigen der Frauen um 2 Prozent gesenkt werden. Ab 15. Januar 1931 tritt eine weiter« Er mäßigung der Löhne der gelernten und angelernten Ar beiter um 4 Prozent, der Löhne der ungelernten Arbeiter um 3 Prozent und der Frauen um 2 Prozent «in. Schwere politische Ausschreitungen. Nach amtlichen Feststellungen sind bei einer schweren Schlägerei zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten auf der Rothenburger Straße in Görlitz acht Nationalsozia listen verletzt worden, darunter drei schwer. Einer der Schwerverletzten liegt in besorgniserregendem Zustand im Städtischen Krankenhaus. Der Polizei gelang es bisher nicht, die Täter zu ermitteln. Immer neue Streiks in Spanien. Aus Alicante wird berichtet, daß die Streitenden in geschlossenem Zuge vor das Gouvernementsaebäude gezo gen seien. Polizei habe sie vertrieben und zahlreiche Verhaf tungen vorgenommen Der Gouverneur habe versprochen, sämtliche verhafteten Personen wieder freizulassen, wenn die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen würde. Auch in verschiedenen anderen Orten soll der Streik ausgebrochen sein. Zwei russische Angestellte verweigern Rückkehr nach Ruhland Wie der Londoner „Daily Expreß" meldet, sind zwei Direktoren der Russian Oil Products Limited, die die ruffi schen Petroleumoerkäufe in England besorgt, nämlich der t Generaldirektor Terakopoff und der Finanzdirektor Rabino witsch, aus ihren Aemtern geschieden. Sie hätten kürzlich Befehl erhalten, nach Moskau zurückzukeh ren, hätten sich aber geweigert, dem Befehl zu folgen. Zum kommenden Totensonntag. Die Toten des Jahres: Von links nach rechts: Oben: Sieg fried Wagner, Großadmiral von Tirpitz, Gesandter Dr. Kö ster in Belgrad; Unten: Cosima Wagner, der deutsche Ten nismeister Hans Moldenhauer, Gesandter von Baligand, der in Lissabon von einem Danziger Matrosen erschossen wurde.