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»um «Mw "« - Druck und Verla,: Lar, «et», i» 96. Jahrgang Dienstag, am 14 Oktober 1930 Nr. 240 Reichstagseröffnung Okto m Kesselsdorf, ein Regenschirm, ein Hut und ein Geld täschchen mit geringem Anhalt aufgefunden. Das Rezept lau tete auf den Namen des Hausmädchens Emma Schrecken bach aus Kcsselsdorf. Seit 6. Oktober wird die Betreffende vermißt. Vermutlich hat sie den Tod in der Talsperre ge sucht. Die Fundstücke wurden beim hiesigen Bürgermeister hinterlegt. Dresden. Bei einer Pirnaer Firma, die erst kürzlich durch ein schweres Schadenfeuer heimgesucht wurde, war der frühere kaufmännische Vertreter Karl Gustav Fischer zum Prokuristen aufgerückt. Er besah Inkassovollmacht und hatte in zwei Aahren 1928/1929 ein Einkommen incl. Spesen von über 30 000, was ihn nicht hinderte, fortgesetzt kassierte Gel der in Höhe von über 5000 RM. zu unterschlagen. Es wurde ein Verfahren gegen ihn anhängig gemacht, in dessen Verlauf Fischer behauptete, Gegenforderungen gehabt zu haben. Die ses Verteidigungsvorbringen wurde in dem Termin vor dem Dresdner Schöffengericht durch Zeugenaussagen widerlegt. Das Gericht verurteilte ihn wegen fortgesetzter Unterschlagung in Tateinheit mit Untreue zu zwei Monaten Gefängnis. An der Urteilsbegründung betonte der Richter den groben Ver- traucnsbruch, die hohe Summe der Unterschlagung, den Um stand, daß bisher kein Ersatz geleistet wurde und dah der An geklagte nicht in Not handelte. Dresden. Von morgen Mittwoch an werden von den Dresdner Bahnhöfen versuchsweise Sonntagsrückfahrkarten an Mittwochnachmittagen ausgegeben. Die Karten gelten für die Hinfahrt von 12 Uhr an, die Rückfahrt muß spätestens bis 24 Uhr angetreten sein. Dresden. Auf der Prager Straße nahe dem Wiener Platz stieß Montag nachmittag ein landwärts fahrender Omnibus der Staatlichen Kraftwagenverwaltung mit einem am Rande der Fahrbahn stehenden Handwagen zusammen. Der Anprall war so heftig, daß der Handwagen einen Straßenkandelaber um warf. Trotz des starken Fußgängerverkehrs auf dem Bürger steige kamen dabei keine Personen zu Schaden. Die Schuld froge konnte noch nicht geklärt werden. Anzeigenpreis: Die 42 Millimeter breite Petilzeile 20 Reichspfennige, Eingesandt und Reklamen 50 Reichspfennige Der Alterspräsident des Reichstags Abg. Herold (Z.) nimmt den Platz des Präsidenten ein, während die Kom- Bezugspreis: Für einen Monat 2.20 mit Zutragen: einzelne Nummern 15 : Gemeinde - Verbands - Girokonto Nr. S : Fernsprecher: Amt Dippoldiswalde Nr. 403 Postscheckkonto Dresden 125 48 Wetter für morgen: Zunächst noch Winde aus wechselnden Richtungen, dann etwas auffrischende südwestliche Winde. Am Mittwoch all- mählig Bewölkungszunahme und örtlich Nebelbilüung. Nach kalter Nacht tagsüber mild. WeHeritzZeitung rag--« m» MMerMDWEswaide. Schnneoede^ Die Berliner Demonstrationen Berlin. 14. Oktober. Nach der Abfahrt der nationalsozialistischen Abgeordne ten trat am Reichstaasgebäude und am Brandenburger Toi Ruhe ein. Ein Teil der Demonstranten sammelte sich jedoch am Potsdamer Platz und erhielt Zustrom aus den Reiher der Angestellten, die kurz nach 7 Uhr aus den Geschäfte« strömten. Die Polizei versuchte zunächst in Ruhe, die Passan ten in Bewegung zu halten. Da sie aber wenig Erfolg hatte wurden zwei Bereitschaften eingesetzt, die die Menge in di« munmen rufen: „Er st den Belagerungszustand oordemReichstagaufhebe n I" Abg. Herold stellt fest, daß er 82 Jahre alt sei, und fragt, ob ein Abgeordneter alter sei. Der Alterspräsident Herold eröffnet darauf die erste Sitzung des neuen Reichstags und beruft als Schriftführer die Abgg. Taub ad el (Soz.), Göring (Nat.-Soz.), Rauch-München (Bayer. Vv.) und Frau Tausch (Z.). Als Abg. Göring den Schriftführervlatz einnimmt, kommen von den Kommunisten einige ironische Heil-Rufe. Alterspräsident Herold ersucht den Schriftführer, den Namensaufruf der Abgeordneten vorzunehmen. Abg. Torgler (Komm.) ruft: „Draußen werden die Arbeiter niedergeknüppelt, so wird der Reichstag eröffnet!" Abg. Dr. Albrecht- Hannover, der als erster Ratio- nalsozialist aufgerufen wird, antwortet: i« r, H e ilH lt- l« r!" Gelächter links ist die Antwort. Beim Aufruf des Reichskanzlers Dr. Brüning rufen die Kommunisten: „Der Hungerdiktator!" Beim Aufruf des Abg. Dr. Goe b- bels (Nat.-Soz.): „Nieder mit dem Mörder!" Dr. Goeb bels betritt erst nach dem Aufruf seines Namens den Saal. Er wird von den Nationalsozialisten mit stürmischen Heil- Rufen und mit Klatschen begrüßt. Die Kommunisten machen Zurufe, die sich auf Goebbels Prozesse beziehen. Dr. Goeb bels antwortet: „Ja. ich sabotiere eure bürger liche Justiz!" Als der kommunistische Abg. Maddalena aufgerufen wird, rufen die Kommunisten: „Der sitzt in Haft, der hat kein Magenleiden wie Goebbels!" Ein Antrag auf Haft entlassung Maddalenas wurde angenommen. Abg. Torgler (Komm.) protestiert dagegen, daß der Dienstag sitzungsfrei bleiben solle. Offenbar wolle man Zeit gewinnen für den Kuhhandel über Präsidium und Regie rung. Er beantragt, am Dienstag eine Sitzung abzuhalten und auf die Tagesordnung eine ganze Reihe kommuni stischer Anträge zu setzen, darunter einen Mihtrauens- antrag gegen das Kabinett Brüning und einen Antrag auf sofortige Einstellung derPoung- Zahlungen. Abg. Dr. Frick (Nat.-Soz.), der darauf das Wort nahm, wurde von den Kommunisten mit lauten Zurufen empfangen. Bon seinen Ausführungen war bei dem Lärm wenig zu verstehen. Er wandte sich gegen die kommuni stischen Anträge. Zwischen den Nationalsozialisten und Kommunisten im Saale halte sich inzwischen ein heftiger Streit entwickelt! Schließlich trat aber wieder Ruhe ein und das Haus beschloß, die nächste Sitzung am Mittwoch, 3 Uhr, äbzu- halten. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsi diums und der sozialdemokratische Antrag auf Kürzung der Abgeordnetendiäten um 20N. Oertliches und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am gestrigen Jahrmarktsmontag war das Wetter wesentlich besser, als am vorhergehenden Tage. Trotzdem wollte sich aber kein rechter ^ahrmar - verkehr entwickeln. Das schlechte Wetter den ganzen Sommer hindurch und auch in den ersten Herbstwochen hat den Land wirt in der Ernte und in der Feldbestellung aufgehalten. Er muß die guten Tage nützen, um vorwärts zu kommen. Da obendrein das Geld überall knapp ist, hat man die Arbeit vorgezogen und darunter litt der Jahrmarktsverkehr lehr. Das Drängen und Schieben in den Budenrechen fehlte ganz,- nur mäßige Reihen von Besuchern durchschritten sie: der Käufer waren noch weniger. Niemand war mit dem Ergebnis zufrieden. Erfreulich bleibt nur das eine, daß man sich bei Einkäufen jetzt wieder mehr vom Markte selbst abwendet und seine Bedürfnisse in den Ladengeschäften der Stadt deckt. In dieser Hinsicht hat der Jahrmarkt dann doch noch sein gutes, denn er bringt Käufer in die Stadt und in die seßhaften Geschäfte, die sonst doch vielfach nicht ge kommen wären. — Wie der Jahrmarkt war auch der Viehmarkt: Wenig Auftrieb, wenig Absatz. Aufgetrieben waren nur 7 Pferde und 14 Ferkel. Der Verkauf war außerordentlich schleppend. Dippoldiswalde. Mil den Kolasierungsarbeiten auf dec Mühlstrahe ist gestern begonnen worden. Die Arbeiten ha ben schon wesentliche Fortschritte gemacht. — In einer Feime auf Reichstädter Flur wurde gestern abend gegen 8 Uhr von der Gendarmerie Dippoldiswalde ein Mann tschecho-slowakischer Staatsangehörigkeit beim Näch tigen angetroffen und in das Amtsgericht Dippoldiswalde ein geliefert. Dippoldiswalde. Ein Einbruch wurde in vergangener Nacht im Fremdenhof „Roter Hirsch" verübt. Der Täter kletterte über das Hoftor in das Hausgrundstück, drang in die Küche ein und von dort in die Gaststube. Er durchsuchte hier alles und warf, was ihm in die Hände kam, durcheinan der, erwischte aber nur eine geringe Summe Geld. Dann be gab er sich ins 2. Stock. Durch die nichtverschlossene Tür Kam er in das Schlafzimmer des Mietwagenbesitzers Oswald und räumte von dessen Bett weg den Stuhl mit Kleidungs stücken auf den Korridor, wo er dann die Sachen durchsuchte. Eine Brieftasche mit Geld und den Wagen- usw. Papieren Oswalds hieß er mitgehen. Es besteht ein gewisser Verdacht, die betreffende Person ist seit heute morgen flüchtig. — In vergangener Nacht verunglückte in der Nähe des Molkereihofes Reinholdshain Kaffeehausbesitzer Schwarz von hier mit seinem Motorrade. Er hatte einen Gast nach Haus gebracht. Auf der Heimfahrt lief ihm an fraglicher Stelle ein Hund über den -Weg. Um das Tier nicht zu überfahren, bremste er stark. Dadurch kam das Rad ins Rutschen und Schwarz stürzte. Hierbei hat er sich den Arm . ausgeckugelt, so daß Schwarz in eine Dresdner Klinik ge- I bracht werden mußte. härteentschädigungen für AusgleichsglSubiger. Durch das Kriegsschädenschlußgesetz sind die Gläubiger liquidier ter Vorkriegsforderungen an das feindliche Ausland hinsicht lich der Höhe der Entschädigungssätze den Eigentümern liqui dierter Sachwerte gleichgestellt worden, so daß sie für di« ersten 5000 Mark die Entschädigung zu 100 Prozent, darüber hinaus nach einer sinkenden Skala erhalten. Dagegen ist für diejenigen Gläubiger, deren Forderungen nicht liquidiert sonderen am Ausgleichsverfahren verrechnet sind, der Satz, zu dem das Reich mit ihnen abrechnet, bis heute unver ändert geblieben, nämlich !4 Prozent des Vorkriegswertes der Forderung ohne Rücksicht auf deren Höhe. Da es viel- ! fach, so besonders gegenüber England, von reinen Zu fälligkeiten abgehangen hat, ob eine deutsche Forderung liqui diert oder im Ausgleichsverfahren verrechnet wurde, sind in vielen Fällen Härten entstanden, die unter der Voraus setzung der Bedürftigkeit der Geschädigten durch Härte- fondszuwendungen ausgeglichen werden können. Dies gilt auch für Firmen jeder Art, die sich in wirtschaftlicher Not lage befinden. Nähere Mitteilungen durch den Hansa-Bund für Gewerbe, Handel und Industrie Berlin NW 7. Reichstädt. Als gestern morgens gegen 7 Ahr ein Kraft wagenbesitzer durch den hiesigen Ort fuhr, wurde von einem auswärtigen Gehilfen mit Aepfeln nach ihm geworfen. Ein Wurf traf ihn am Auge. Der Bettoffene behielt feine Gei stesgegenwart, wodurch Anheil vermieden wurde: wie leicht aber auch schwerer getroffen werden und die Herr- schaft über den Wagen verlieren. Dann war ein Anglück bestraft ^"^entlich wird der Bursche exemplarisch Paulsdorf. Zn der Nähe des Gasthauses .Seeblick" wurde am Talsperrenufer ein Handtäfchchen mit einer Fahr karte nach Schmiedeberg und einem Rezept des Arzkes Dr. A Berlin, 13. Oktober. Die Eröffnung des neuen Reichstages spielte sich unter einem noch nie dagewesenen Massenandrang des Publikums ab. In weitestem Umkreise des Reichstages mußte die Po lizei mit größeren Verstärkungen die Absperrungen vor nehmen, ohne daß es zunächst gelang, die nach Tausenden und Aberlausenden zählenden Massen zurückzudrängen. Auch im Reichstag selbst Halle sich eine außerordentlich starke Zu hörerschaft eingefunden. Auf der Publikumstribüne sah man u. a. auch den Prinzen August von Preußen. Aus der Presse tribüne herrschte eine drangvolle Enge. Fast sämtliche in Berlin vertretenen ausländischen Zei tungen hatten ihre Korrespondenten in den Reichstag ent sandt. Vielfach bemerkte man auch Sonderkorrespondenten, die für die ersten Tage des neuen Reichstages nack Berlin entsandt worden waren. Minister »rett ruMgeMen Bevor die Sitzung ihren Anfang nahm, wurde bereits bekannt, daß die Mrtschaflspartei in ihrer um 2 Uhr wie der aufgenommenen Fraktionssihung die Zurückzie hung ihres KabinettsmitgliedesDr. Bredt beschlossen hatte. In einem Schreiben an den Kanzler erklärte der Frak- tionsvorsitzende Dr. Drewitz, seine Fraktion sei einerseits der Auffassung, daß dem Ergebnis der Wahl vom 14. Sep tember durch Umbildung oder Neubildung des Kabinetts politisch Rechnung getragen werden muß, andererseits scheine es dringend notwendig, die Zahl der Ministerien zu verringern und die Vollmachten der im besonderen die Wirtschaft beeinflussenden Ministe rien in der Hand von Fachleuten zu vergrößern. Um die Durchführung dieser Maßnahmen zu erleichtern, habe die Fraktion beschlossen, den Reichsjustizminister Professor Dr. Bredt zu ersuchen, sein Portefeuille zur Verfügung zu stel len. Sollte bei der Neubildung des Kabinetts die Mitwir kung von Dr. Bredt unabhängig von reinen Parteigesichts punkten erwünscht oder notwendig erscheinen, so glaube er versichern zu dürfen, daß seine Fraktion etwaige Bedenken gegen eine solche Beteiligung an der heute ganz besonders chwerwiegenden Verantwortung zurückstellen würde, wenn >ie Gewähr dafür geboten ist, daß den grundlegenden Ge- ichtspunkten für Gesundung von Staat, Volk und Wirt- chaft bei allen Maßnahmen einer künftiaen Regierung Rechnung getragen werde. Die EröffmmgMmis Als die klingeln im Reichstag die Eröffnung der Sitzung bekannkgaben, marschierten -le Nationalsozialisten in ihrer Uniform in den Plenarsihungssaal ein, was von kommuni stischer Seite mit Hallo-Rufen und einzelnen Pfiffen beant wortet wurde. Dann nahm unter dem Vorsitz des Alters präsidenten Herold die Verlesung der Abgeordneten ihren im wesentlichen ungestörten Verlauf. Nur bei der Verle sung einzelner in den letzten Wochen stärker hervorgelre- ienen Manien machte sich vor allem auf den kommunistischen Bänken entsprechender Begleitlumult bemerkbar. „Rot- Front"- wechselten mehrfach mit „Bluthund"-Rufen ab. Bemerkenswert war, daß die Nationalsozialisten muster hafte Disziplin und parlamentarische Ordnung hielten.