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s. Fortsetzung« Rachdruckverboten. Nach^Sreith,zurückfahreu, .sich in die Arbeit stürzen, in »er ArbeikVergessewsuchen. )vaS beste wäre es, sagte sein .Verstand, aber sein heißes Blut rebellierte dagegen. Nach Kreith zurückkommen ohne Amölie; er sah im Geiste Lud- millas und SuseS Mitleidsmienen, und eine heiße Scham ; würgte ihn. , Beunruhigt blickten Bernburgs einander an. Was war mit Amölie? Alle Farbe war plötzlich aus ihrem Gesicht , gewichen und ihre Augen halten auf einmal einen Blick, ! der so voller Qual war, daß es einem zu Herzen ging. Und man hatte sich doch alle Mühe gegeben, sie auf zuheitern. Markow, den man hier getroffen hatte, widmete sich ihr ausschließlich. Man saß auf der Terrasse des Kurhotels an einem Tische, der für sie reserviert war, und unterhielt sich bei ven Klängen italienischer Serenaden; mitten in der Unter haltung hatte Amölie ein Gefühl trostloser Verlassenheit überfallen. Die Musik in ihrer leidenschaftlichen Innigkeit hatte sie ergriffen, hatte heiße Sehnsucht in ihr erweckt, und sie wußte auf einmal, daß der freiwillige Verzicht auf den geliebten Mann alles Glück ihres Lebens zerstörte und eine tödliche Traurigkeit erfüllte ihr Herz. Und dieser Traurigkeit gab sie sich hin mit der ganzen Leidenschaftlich keit ihres liebenden Herzens. Lilly neigte sich zu ihr, machte den Versuch, sie aus ihrer Versunkenheit aufzurütteln. „Amelie, hör' doch, Mascagni! Du liebst doch seine Musik — Intermezzo aus .Cavalleria rusticana." Sie nickte Lilly zu, erhob sich und berührte in flüchtigem Druck ihre Hand. „Verzeih, Lilly!" Leise hatte sie cs ihr zngcflüstert, und dann war sie fort. Auch Markow hatte sich für Augen blicke entfernt. Lilly fand Amelie in ihrem Zimmer, in Tränen auf gelöst. Jie ritz sich sofort zusammen, als die Schwester vor ihr stans. Mit einem wehmütigen Lächeln im verweinten Gesicht sagte sie: „Verzeih, Lilly, daß ich euch davonliefk Die Musik war schuld, die hat meinen Schmerz so auf gewühlt, datz er mich überkam. Du, Lilly, ich fühle jetzt, saß ich mir zuviel zugemutet habe, als ich eure Einladung annahm. Musik und frohe, sorglose Menschen sind eben nichts für mich; ich brauche den Alltag mit Arbeit und Pflichten. Sei mir nicht böse, wenn ich vor euch heim fahre!" „Ach, Amölie, bleibe hier! Wenn dir die Musik auf die Nerven fällt, so bleibe fort von den Konzerten; du kannst hier allerlei Zerstreuungen habem Zu Hause wärst du jetzt ganz allein. Nein, ich lasse dich nicht fort, ich denke nicht saran! Damit du dich da in deinem Schmerz vergraben kannst." Amelie schüttelte langsam den Kopf, sah mit todes traurigem Blick vor sich hin. „Ich werde es nicht tun, ich werde arbeiten, ich ver spreche es dir." Ihre Stimme klang unsicher, wie in verhaltenem Schluchzen. Lilly war erschüttert. Dumm war die Geschichte, die Amölie auf sich ge nommen hatte, um Joachim zu einem glücklichen, sorg losen Leben zu verhelfen. Vielleicht wird es ihr gelingen; aber sie selbst wird dabei zugrunde gehen. Und wer trug dann die Schuld daran? Nicht nur Ludmilla, diese ab scheuliche Intrigantin, die sie da hineingetrieben hatte, auch sie und Adolf, die darum wußten und alles ruhig ge schehen ließen. Ach, sie war so böse auf Ludmilla und auf Suse Obernitz, die sie gar nicht kannte, und auf Joachim, der am Ende schon diesem raffinierten Weib ins Garn ge gangen war — auf alle Welt war sie böse. Amölie hob den Blick zu ihr. „Sei gut, Lilly, laß mich gehen! Ich habe Sehnsucht nach meiner kleinen, stillen Stube, mir ist, als erwarte mich dort etwas Besonderes." Lilly sah sie mit einem langen Blick an. Eine Hoffnung kam ihr. Vielleicht erwartete sie wirklich etwas Be sonderes. War Joachim dort, um sie zu holen? Das wäre die Erlösung! „Ja, fahre, Amölie, fahre mit dem nächsten Zuge, wenn du willst! Ich fühle auch, es ist besser für dich." Sie klingelte nach dem Mädchen, verlangte nach dem Kursbuch. Der nächste Zug nach Berlin ging um sechs Uhr früh; es war elf Uhr abends. „Also eine Nacht mußt du noch bleiben. Wenn du morgen früh fährst, kannst du abends in Berlin sein." Dann regten sich Bedenken. „Daß du allein fahren sollst — und die späte Ankunft? Ob du nicht doch noch ein paar Tage wartest — Markow fährt in einigen Tagen?" „Nein, nein!" Sie wollte allein reisen, es war ihr Heber so. * * Joachim von Lück war nun wieder in Kreith. Suse empfing ihn, als er das Haus betrat. „Sie kommen allein?" Ihre großen, schwarzen Augen ruhten in einem Blick voll geheuchelter Enttäuschung aus seinem Gesicht. .Ja", sagte Joachim und neigte sich über ihre Hand. Dann fragte er, wie es in Kreith gehe. „So— so — ein bißchen schwer waren die Tage; glück licherweise waren es nur zwei. Mehr wären unerträglich gewesen." Sie lächelte zu ihm auf. „Ich habe mich selbst um die Wirtschaft gekümmert, es jedenfalls versucht; aber Sie wissen ja, viel verstehe ich »icht von diesen Dingen." „Sie wollten sich doch um Beistand an Gras Heinitz zverden?" Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich tonnte mich nicht dazu entschließen; auch wenn Sie länger fortgeblieben wären, hätte ich es nicht getan." Unter seinem fragenden Blick wurde sie langsam rot und leise, wie verschämt, sagte sie: „Ich mochte ihn nicht auf Ihrem Platz sehen." Eine plumpe Schmeichelei war es — und doch tat sie ihm gut. „Ludmilla können Sie nun leider heute nicht mehr sehen; sie schläft bereits." Er schien nicht betrübt darüber. Suse hatte im Wohn zimmer den Tisch decken lassen. „Ich habe mit dem Essen auf Sie gewartet." Das war sehr freundlich, ja geradezu rührend; denn es war schon halbe Nächt. Aber ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte nicht auf ihn gewartet. Quälend erschien es ihm, sich jetzt über gleichgültige Dinge unterhalten zu müssen, während die Hölle in ihm brannte. Aber es mußte ertragen werden, und die Stunden heimlicher Qual würden auch vorübergehen wie all die anderen. Und dann saß er Suse gegenüber, die mit Frauen klugheit vermied, was ihm peinvoll sein konnte. Keine einzige Frage stellte sie, die seine Fahrt betraf und was mit ihr zusammenhing. Sie versorgte ihn mit den besten Bissen; dabei plauderte sie so reizend, daß er darüber all seinen Schmerz vergaß. Der gute, alte Burgunder, von dem sie für ihn zwei Flaschen hatte aufstellen lassen, half, seine Stimmung zu heben. Und Suses schwarze Augen, in denen es von ver haltener Glut glomm, lockten. — Herrgott, wie verrückt ging es doch im Leben zu! Da hatte man sich Jahre hindurch mit Armut und Not herumgeschlagen, versucht, aus eigener Kraft wieder hoch zukommen und kam doch trotz heißen Ringens immer tiefer und tiefer hinein, und dann riß einen ein blinder Zufall heraus. Zufall oder Fügung? Er sah Suse an. Und dann hielt er plötzlich ihre Hand in der seinen. Seine Gedanken taumelten noch einmal zu Amölie, die in Baden-Baden war, um aus dem Schiffbruch ihres Lebens zu retten, was für sie zu retten war. Ein bitteres Lächeln zog seine Mundwinkel herab. Die Hand in der seinen zuckte. Seine Finger preßten sich fester um sie. Herrgott, wenn sie doch einen Tag früher gekommen wäre, dann hätte sie ihn angetroffen! Amölie starrte mit tränenumflorten Augen vor sich hin. Die Portierfrau hatte ihr die Wohnungsschlüssel gebracht, hatte ihr erzählt, daß ihr Mann dagewesen war, zweimal, das letzte Mal noch spät am Abend. Während sie von Sehnsucht nach ihm ge quält worden war, hatte er sie gesucht. Sie schloß die Augen und atmete schwer. Daß er hier gewesen, das war doch schon gut, wenn es auch tief schmerzlich war, ihn ver paßt zu haben. Erleichternd war es, zu wissen: er ist ge kommen, um dich zu holen. Und nun würde er schreiben und von ihr verlangen, daß sie zu ihm kam, und damit hatte dann ihre Opferbereitschaft, zu der ihr ja doch die Kraft fehlte, ein Ende. Sie fühlte jetzt erst deutlich, daß das, was sie im ersten heißen Impuls auf sich zu nehmen bereit gewesen, über ihre Kraft ging. Sie wollte es auch Achim ruhig etngestehen, wenn er noch einmal wiederkam oder ihr schrieb. Er konnte sie dann auslachen oder ihr Vor würfe machen, sie wollte alles ruhig über sich ergehen lassen; denn sie hatte es nicht anders verdient. Wenn er nur wiederkam oder sie rief. Sie ging in ihr Schlafzimmer und dachte: Sich aufs Bett werfen, mit geschlossenen Augen liegen, bis eine Nach richt von ihm kommt! * * Nun hatte er kein Recht mehr, an Amölie zu schreiben, um Rechenschaft von ihr zu fordern, nun mochte das Schicksal seinen Lauf nehmen. Joachim von Lück sagte sich das, wie es sich ein zum Tode Verurteilter sagt: Ich habe oen Tod verdient und mutz ihn erdulden. Die wUde Ver zweiflung, mit der er sich anfangs gegen sein Schicksal ge wehrt hatte, war stumpfer Ergebung gewichen. Er war in Suses Gewali, aus der gab es kein Entrinnen. Mit jedem Tage kam ihm das deutlicher zum Bewußtsein. Sie wich kaum noch von seiner Seite, bot alles auf, um ihn festzuhalten. Noch riskierte er zuweilen ein Ausweichen; aber auch das würde eines Tages nicht mehr möglich sein. Es war nun Oktober und die Sonne schien so warm durch das bunte Laub der Bäume, als wäre es Frühling. In Kreith genossen alle diese himmlischen Tage, nur Joachim nicht. Der vergrub sich in seine Arbeit. Am Tage schaffte er in der Wirtschaft und des Abends, oft bis spät in die Nacht hinein, schrieb er an seinem Buch, beflügelt von der Hoffnung, daß das ihn noch einmal freimachen konnte. Petrik war für einige Tage nach Kreith gekommen; an geblich wollte er sehen, wie weit Joachim mit seinem Buche war. In Wirklichkeit hatte er ein Anliegen an Suse. Er brauchte Geld. „Du mutzt mir ein kleines Kapital vorstrecken, sonst geht es mit meinem Verlag zu Ende", sagte er zu Suse. „Was nennst du klein?" Sie sah ihn mit ihren schwarzen Augen scharf »nd durchdringend an. „Zwanzigtausend Mark." „Und du glaubst, ich könnte dir soviel geben?" „Ja, warum sollte ich das nicht glauben? Ich weiß, daß du mir mit Leichtigkeit eine Summe in dreifacher,Höhe geben könntest, wenn du nur wolltest." Sie bestritt das, schlug ihm einen anderen Weg vor, den er einschlagen sollte, um aus seiner Bedrängnis heraus zukommen. „Was hülfe eS dir, wenn ich dir die zwanzigtausend Mark gäbe! Du müßtest sie mir verzinse» und eines Tages auch wieder zurückgeben. Also, sieh lieber zu, in den Besitz eines eigenen Vermögens zmkommen.« Er ahnte, worauf sie anspielte, wartete aber ab, daß sie es auSsprach. Sie gingen durch den Park. Suse sah sich um^sie mutzte »sich erst vergewissern, daß auch niemand, in ihrer Nähe war, und dann sagte sie es. „Ludmilla von Lück heiraten?" wiederholte er mit einen, »rauhen Auslachen. „Nein, du, dann doch lieber bleite gehen!" Sie zog die Schultern hoch und sah ihn nachdenklich an. „Na, dann nicht! Ich dachte, es könnte ein Ausweg für dich sein. Sie ist doch gar nicht so übel. Allerdings ist sie nicht mehr ganz jung; aber das bist du ja auch nicht. Im Alter würdet ihr gut zueinander passen. Und Geld hat sie." Er wurde nachdenklich. „Na, na! Ich kann mir eigentlich gar nicht denken, wo sie das herhaben sollte; sie hat doch wohl, ebenso wie ihr Bruder, alles verloren?" „Nein, das hat sie nicht. Sie hat ihr Geld im Ausland sicher angelegt. Oh, die ist in Geldsachen klug und um sichtig!" „Das auch noch! Dann könnte der Mann, der auf sie hereinfiele, erleben, daß er später nicht einen Heller von ihr bekommt. Nein, Suse, ich will es lieber bleiben lassen." „Du mußt wissen, was du zu tun oder zu lassen hast. Auf mich rechne aber nicht; ich kann dir nicht aushelfen." Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Plötzlich blieb Suse stehen und fragte: „Sag' mal, wie hast du dir das mit Baron Lücks Buch gedacht? Es ist nun fertig. Könntest du es denn verlegen?" Er lachte auf. „Ohne Geld, nein!" „Aber du könntest doch daran verdienen!?' „Möglich!" sagte er kurz. Dann kam ihm eine Ver mutung: für das Buch würde sie Geld opfern. Er hatte ja längst erkannt, daß sie in Lück verliebt war. Also, das mußte ausgenutzt werden. „Schade ist es, daß ich es nicht verlegen kann, und scheußlich peinlich ist es mir vor Lück, ihm jetzt, nachdem er meine Zusage hat, gestehen zu müssen, daß ich kein Geld habe, um das Buch herauszubringen." Suse sah gedankenvoll vor sich hin; dann hob sie den Blick zu ihrem Bruder empor. „Ja, das wäre Wohl sehr peinlich, auch für mich", gab sie zu. „Und für Lück wäre es eine große Enttäuschung; er erhofft soviel von seinem Buche. In den letzten Wochen hat er unermüdlich daran gearbeitet, keine freie Stunde hat er sich mehr gegönnt; selbst in den Nächten hat er au seinem Schreibtisch gesessen." Petrik hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Er hätte gern gefragt, woher sie das alles so genau wußte. Aber er hütete sich. Nur nicht verderben, was er erreicht hatte! „Ja, ja, so eine Arbeit verlangt ein sich Darangeben, und das hat Lück ja wohl wirklich getan. Es wäre schade, wenn er um seinen Erfolg käme." „Glaubst du wirklich an einen Erfolg?" „Aber natürlich! Ich habe jetzt wieder im Manuskript gelesen und die Ueberzeugung gewonnen, daß die Arbeit gut ist. Wenn ich das Geld hätte, ich brächte das Buch erst einmal in ganz famoser Ausstattung heraus; dann machte ich tüchtig Reklame dafür und erlebte einen Bombenerfolg damit." „Nun gut. Ich bin entschlossen, dir die zwanzigtausend Mark zu geben, auf zwei Jahre, aber unter der Bedingung, daß das Buch bis Weihnachten herauskommt." Er streckte ihr die Hand hin. „Abgemacht, Suse! Wann kann ich das Geld haben?" „Jeden Augenblick. Ich gebe dir einen Scheck auf die Deutsche Bank in Berlin." „Gut, sehr gut! Dann wollen wir heute noch mit Lück sprechen, daß er mir sein Manuskript mitgibt. Ich fahre dann in zwei bis drei Tagen heim." „Und meinen Vorschlag mit Ludmilla willst du nicht noch einmal bedenken?" Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an. „Susekind, ich habe so viel Schönheitssinn, besonder- was Frauen anbetrisft." „Ludmilla ist doch nicht etwa häßlich?" „Nein, aber schön erst recht nicht." „Was ihr an Schönheit mangelt, ersetzt sie durS inneren Wert!" Er lachte. „Fein gesagt, Suse!" „Ach, Julius, es würde mich so glücklich machen, dich für die Zukunft geborgen zu wissen!" Er zwinkerte mit den Augen. „Ich verstehe, Suse, eine gewisse Sicherheit gäbe es dir auch." „Daran habe ich nicht gedacht", verteidigte sie sich. Ueber sein Gesicht huschte ein Lächeln, das sagte: Du« ich kenne dich, durchschaue alle deine Pläne! Bet Tisch teilte Ludmilla Suse mit, daß sie sich ent schlossen habe, heimzufahren. „So plötzlich?" fragte Suse und tat überrascht. Petrik konnte ein leises Lächeln nicht unterdrücken. Er hätte Kopf und Kragen gewettet, daß Suse sich nür sc» anstellte, daß Ludmillas Abreise von ihr beschlossen war und daß sie damit bestimmte Wünsche verband. „Muß es denn sein?" fragte sie, Ludmilla ansehend. „Ja, Suse, ich muß mich endlich wieder in meinem Hause zeigen." Das sah sie ein. „In zwei Tagen fährt mein Bruder; dann fahren Sie doch mit ihm zusammen?" Ludmillas Blick ging zu Petrik. „Ich ahnte nicht, daß Sie Ihren Aufenthalt in Kreith diesmal so schnell abbrechen." «Fortsetzung folgte