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Dresdner W JourM. königlich Lächstschev Staatsanzeig-v. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 199. > Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hoftat DoengeS in Dresden. <- Dienstag, den 28. August 1906. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Große Zwingerstraße 20, sowie durch die Post im Deutschen Reiche 2 M. SO Pf vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. — Erscheint Werktags nachmittags. — Fernsprecher Nr. 12SS. Ankündigungen: Die Zeile kleiner Schrift der 6 mal gespaltenen Ankündigungsseite oder deren Raum 20 Pf., die Zeile größerer Schrift der 8 mal gespaltenen Textseite oder deren Raum SO Pf. Gebührenermäßigung auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vormittags 11 Uhr. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Direktor der königlichen und Universitätsbibliothek zu Königsberg i. Pr. vr. pbil. Karl Heinrich Friedrich Boysen vom 1. September dieses Jahres an zum Direktor der Uni versitätsbibliothek zu Leipzig zu ernennen. Herr Amtshauptmann vr. Uhlemann in Großenhain ist vom 27. August bis 9. September 1906 beurlaubt und wird während dieser Zeit durch Herrn Reg.-Rat vr. Edel mann vertreten. Dresden, den 27. August 1906. Königliche Kreishauplmavuschast. esso Die Königliche Kreishauptmannschaft hat dem Dachdecker Ernst Heinrich Böhmer in Pirna für die von ihm am 18. Juli dss. Js. mit Mut und Entschlossenheit bewirkte Rettung eines Kindes vom Tode des Ertrinkens in der Elbe eine Geldbelohnung bewilligt. 6S7S Dresden, am 16. August 1906. Nr. ssi9 III. Königliche KreiShauptmannschaft. Ernennungen, Versetzungen re. im öffentliche»Dienste. Im «efchLftSbereiche deS Ministeriums der Finanzen. Bet der Post-Verwaltung ist ernannt worden: Graf, seither Ober-Postpraktikant in Kattowitz (Oberschl), als Ober-Postpraktikant in einer Bureaubeamtenstelle I. Klasse bei de: Ober-Postdirektion in <Lhemnitz. Im «eschLftSbereiche deS Ministeriums des Kultus u. öffentt. Unterrichts. Erledigt: die Stelle einer Hilfslehrerin an der Bürgerschule zu Mylau i. V. Gehalt im 1. Jahre 1050 M., im 2. 11S0 M. und im S. 1200 M. Gesuche mit den erforderlichen Unterlagen bis 12. Sept, an den Stadtrat. (Behördliche Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Vom Köxiglicheu Hofe. Dresden, 28. August. Aus Tarvis wird mitgeteilt, daß Sich Se. Majestät der König des besten Wohlseins er freut. Allerhöchstderselbe empfing gestern den Besuch Ihrer Kaiser!, und Königl. Hoheiten der Frau Erzherzogin Otto und des Erzherzogs Max von Österreich. Die Höchsten Herrschaften dinierten bei Sr. Majestät, und fetzten heute die Reise nach Triest-Miramare fort. Morgen, Mittwoch, abend wird Se. Majestät der König Tarvis wieder verlassen und am 30. abends nach Schloß Pillnitz zurückkchren. Dresden, 28. August. Ihre Majestät die Königin- Witwe ist gestern nachmittag nach sechswöchigem Aufenthalt im Königl. Jaadhause Rehefeld im allerbesten Wohlsein nach der Villa Strehlen zurückgekehrt. Mitteilungen ans der öffentlichen Verwaltung. --Verhandlungen deS Königl. Sächs. LberverwaltungS- gerichtS. Im Statute der Ortskrankenkasse Leipzig, die auch den erkrankten Ehegatten der Kassenmitglieder bis zur Dauer von 13 Wochen freie ärztliche Behandlung gewährt, ist bestimmt, daß das Heilverfahren, soweit die Kranken nicht in ein Krankenhaus ausgenommen sind, durch Kassenärzte erfolgt und daß die durch die Zuziehung eines anderen Arztes entstandenen Kosten von der Kasse nur dann ersetzt werden, wenn die Zuziehung auf Anordnung oder mit Genehmigung deS Kassenvorstands oder bei Gefahr im Verzüge geschehen ist. über einen Streitfall, bei dem eS sich um Be zahlung der Arztkosten für die Nachbehandlung einer durch einen Nichrkassenarzt operierten Frau eines Kassenmitglieds handelt, sind vom Verwaltungsgerichte Leipzig und in der Berufungsinstanz vom Oberverwaltungs gerichte bemerkenswerte Urteile gefällt worden, denen folgender Tatbestand zugrunde lag. Die Ehefrau eines Mitglieds der Ortskrankenkasse Leipzig wurde wegen Blutungen, die bei ihr eingetrelen waren, von einem Kassenarzte behandelt. Da dieser jedoch dem an ihn gestellten Ersuchen, um sofortiges Eingreifen, keine Folge geleistet, vielmehr durch (allerdings von thm bestrittene) Äuße rungen wie: „Ach, waS wird das Wetter sein, sie soll sich ander- 'rum legen, da vergeht eS schon", und auf Drängen der Frau, ihr zu helfen: »Ich kann nicht hexen, die Zeit deS Eingreifens ist noch nicht gekommen", zu erkennen gegeben hatte, daß er den Fall nicht für dringlich hielt, er auch der Kranken geraten hatte, sich in eine Privatklinik zu begeben, wandte sich der Ehemann der Kranken an einen in der Nähe wohnenden Nichtkassenarzt. Dieser entsernte noch an demselben Tage die bereits abgestorbene Leibesfrucht der Frau auf operativem Wege und übernahm danach die überaus zeitraubende und mühevolle Nachbehandlung der Frau, der es zu danken war, daß die vollständige Genesung er reicht wurde. Die Kosten der Operation in Höhe von 18 M. be zahlte die Ortskrankenkasse, die auf 344 M berechneten Kosten der Nachbehandlung dagegen, weigerte sie sich zu tragen, da sie sich nach den oben erwähnten Bestimmungen ihre- Statuts hierzu nicht für verpflichtet hielt. Der Stadtrat zu Leipzig als Aufsichtsbehörde der Kasse entschied nach Abhörung der Ärzte und der Hebamme, sowie aus Grund von Auslastungen zweier Vertrauensärzte der Kaste zu deren Gunsten, da die Operation der Frau nicht „dringlich" ge wesen fei und sie, selbst wenn Dringlichkeit vorgelegen hätte, doch von einem Kassenärzte hätte auSgesührt werden können, denn es hätte noch ein solcher zur Verfügung gestanden. In der nunmehr erhobenen Klage wurde vom Kläger hervorgehoben, daß gegen die Zuziehung dieses zweiten Kassenarztes daS Bedenken vorgelegen habe, daß seine Frau zu ihm kein Vertrauen habe, weil sie annehme, dieser habe bei der Entbindung ihrer Schwester durch eine Fahr lässigkeit deren Tod verschuldet. Die Kreishauptmannschaft Leipzig als Berwaltungsgericht hörte den Geh Medizinalrat Prof. vr. Hof mann gutachtlich, der in ausführlicher Weise die vorgenommene Operation als durchaus sachgemäß und dringend nötig bezeichnete, da bereits an dem Fieberzustande der Frau zu erkennen gewesen sei, daß Zersetzungsstoffe in ihren Körper übergegangen wären. Auch die weitere Behandlung durch den Operateur sei dringend nötig ge wesen, weil nur dieser in vollem Umfange die in der Folgezeit das Leben und die Gesundheit gefährdenden Zustände kennen gelernt habe. Die Nachbehandlung durch einen anderen Arzt wäre nur unter ganz erschwerenden, das Leben und die Gesundheit der Frau ge- sährdenden Umständen möglich gewesen. Daß derjenige Kassenarzt nicht gerufen worden sei, in dessen Behandlung die Schwester der Frau nach einer Entbindung gestorben sei, erscheine begreiflich. Bei Be urteilung des Streitfalls dürfe nicht außer acht gelüsten werden, daß bei einer so schweren, langwierigen ErschüpfungSkrankheit, wie sie die Frau infolge des Puerperalfiebers und der starken Blutung gehabt habe, die Heilung und Genesung durch das Vertrauen auf den Arzt wesent lich gefördert und bedingt werde. Angstempfindungen und Todes furcht führten bei Frauen in solchem Zustande zu einem rasch fort- fchreitenden, verhängnisvollen Kräfteverfall. DaS BerwaltungSgericht gelangte auf Grund dieses Gutachtens zur Verurteilung der Kasse, indem es auch die Nachbehandlung für einen dringenden Fall ansah Dieses Urteil bestätigte im wesentlichen daS Oberverwaltungs gericht. Au4 den Entschetbuugsgründen dieses Gerichtshofs ist hervor zuheben: Die Befugnis deS Klägers, die Nachbehandlung seiner Frau von dem Arzte vornehmen zu lassen, der die Operation ausgeführt hatte, folge zwar nicht, wie die erste Instanz annehme, aus der für dringliche Fälle gesetzlich und statutarisch erteilten Ermächtigung zur Inanspruchnahme eines Nichtkassenarztes, wohl aber auS dem Grund sätze, daß die den Kassenmitgliedern zukommende ärztliche Behand lung in der für die Genesung der Kranken nötigen Weise gewährt werden müsse. Deutsches Reich. Zur Taufe Ves Kronprinzensohnes. (W. T. B.) St. Petersburg, 27. August. Großfürst Wladimir Alexandrowitsch ist nach Berlin abgereist, um an den Tauffeierlichkeiten im Hause des deutschen Kronprinzen- paarS teilzunehmen. Reichskanzler Fürst v. Bülow. (W TB.) Berlin, 28. August. Reichskanzler Fürst v. Bülow ist heute früh hier wieder eingetroffen. Konferenz der preuhischen Bischöfe. (W. TB) Fulda, 27. August. Zur Konferenz der preußischen Bischöfe sind hier eingetroffen: Kardinal-Erzbischof Fischer-Cöln, Kardinal-Fürstbischof Kopp-BreSlau, Erzbischof Nörber-Freiburg, die Bischöfe LikowSki-Posen, Kirstein-Mainz, Willi-Limburg, Dingelstad-Münster, Voß-Osnabrück, Bertram- HildeSheim, Korum-Trier, Rosentreter-Kulm, Thiel-Ermland und Feldpropst der Armee Vollmar-Berlin. Von der parlamentarischen Studienreise nach Lstasrika. (W. TB.) Hamburg, 28. August. Von den in Ost- asrika befindlichen NeichStagsabgeordneten ist folgendes Tele gramm aus Kisumi eingelaufen: „Treten heute Heimreise an. Befinden gut." * Kolonialpolitisches. (W. TB.) Berlin, 27. August. (Amtliche Meldung.) Nachdem Hauptmann Bech am 18. August eine starke Ab teilung Hottentotten bei Noibis südlich der Naraob-Berge geschlagen hatte, setzte er mit seiner Abteilung, bestehend aus 1., 8., 9. Kompanie 2. Feldregiments und 7. Batterie, die Verfolgung ununterbrochen fort. Er stellte den Gegner am 22. August bei AoS am Bak-Revier in den östlichen Aus läufern der Großen Karasberge und warf ihn aus starker Stellung; die Verfolgung wird fortgesetzt Die Verluste de« Feindes sind noch nicht zu übersehen. Unserseits wurde ein Reiter schwer und einer leicht verwundet. Im Südwesten deS Schutzgebiets griff Hauptmann v. Bentivegni am Nachmittag des 20. Auaust mit 4. und 6. Kompanie 2. FeldrcgimentS, zwei Gebirgsgeschützen und zwei Maschinengewehren in der Gegend zwischen Violsdrift und UhabiS eine Bande von etwa 50 Hottentotten an. Der Gegner war anscheinend im Begriff nach dem Großen Fisch fluß zu ziehen. Er floh nach kurzem Gefecht in die Orange berge und ließ einen Vorrat von Kleidern, Proviant, Laaer gerät und Munition in unserm Händen Die deutsche Ab teilung hatte zwei Schwer- und zwei Leichtverwundete Ben- tivegm verfolgte den Gegner bis an den Orange und stellte fest, daß er über den Fluß auf englisches Gebiet geflüchtet war. Der Kappolizei wurde hiervon Mitteilung gemacht. Oberst v. Deimling ist in RamanSdrift eingetroffen. Ausland. (Drahtnachrichten.) Zur Trennung von Staat und Kirche in Frankreich. (W. T. B.) Paris, 27. August. „Siocle" erfährt, daß die zweite Vollversammlung der französischen Bischöfe auf den 4. September festgefetzt worden ist. Der aus 17 Prälaten be stehende vorbereitende Ausschuß wird einige Tage früher zu- fammentreten. Am 26. und 27. Oktober wird in Psrigueux unter dem Vorsitz des dortigen Bischofs und des royalistischen Senators Lamarzelle ein Kongreß der katholischen Juristen statt finden, der sich mit Fragen des Trennungsgesetzes und der Frage der Kultusvereinigungen beschäftigen wird. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Barthou hielt bei der Einweihung der neuen Bahnlinie in Ribsrac (Departe ment Dordogne) eine Rede, in der er u. a. sagte, das Trennungsgesetz gewähre ein sehr große« Maß von Freiheit und zugleich die besten Bürgschaften. In keinem Lande der Welt sei die Ausübung des Kultus in freierer, großartigerer Weise gesichert. Als wir, so fuhr der Minister fort, die Auf lehnung der Geistlichkeit sahen, fragten wir da« Land; dieses hat brr den letzten Wahlen einmütig die Antwort gegeben, in dem e« da« Trennungsgesetz als eine vorzügliche Tat aner kannte und eine noch stärkere republikanische Mehrheit in die Kammer entsandte. Wie kann man da noch Zweifel hegen, ob wir das Gesetz, den Ausdruck des Willens der Nation, an wenden werden. Wir werden uns nie und nimmer zu irgend welchen schimpflichen Verhandlungen herbeilaffen, ebensowenig fürchten wir Drohungen; die republikanische Partei hat von uns weder Nachgiebigkeit noch Feigheit zu erwarten. Das Treiben der Revolutionäre in Rustland. (Meldungen der St. Petersburger Telegraphenagentur.) St. Petersburg, 27. August Der Kaiser richtete un mittelbar nach dem Attentat an den Ministerpräsidenten Stolypin nachstehendes Telegramm: Ich finde keine Worte, um meine Entrüstung auszudrücken. Ich danke Gott, daß er Sie beschützt hat. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß Ihr Sohn und Ihre Tochter bald wieder hergestellt werden und ebenso auch die übrigen Verwundeten. Nikolaus. Stolypin erhielt auch Telegramme der Großfürsten Wladi mir, Konstantin und Alexander, sowie der Großfürstinnen Elisabeth und Eugenie und de« Grafen Witte. Die Ärzte fanden heute den Zustand der Tochter Stolypins sehr bedenklich. St. Petersburg, 27. August. Hiesige Blätter melden, daß auf den Verwalter de« Hofes de« Großfürsten Peter Nikolajewitsch General Baron Staöl v. Holstein, der dem General Trepow sehr ähnlich sieht, gestern abend im Peter- Hofer Parke ein Mordanschlag verübt worden sei. Die St. Petersburger Telegraphenagentur hat festgestellt, daß die Nachricht vollkommen unbegründet ist. St. Petersburg, 27. August. Heute abend fand im Lager von Peterhof eine Trauerfeier für den ermordeten General Minn statt, der auch der Kaiser und die Kaiserin bei wohnten. Anwesend waren ferner Großfürst Nikolaus, die hohen Würdenträger und Anordnungen von Garderegimentern. DaS Leichenbegängnis ist auf morgen nachmittag festgesetzt worden. Das Regiment SemenowSki erhielt mehrere anonyme Briefe, in denen für den Tag der Beerdigung Anschläge an gedroht werden. St. Petersburg, 27. August. Bei der verhafteten Mörderin de« Generalmajor« Mmn wurde eine Browning pistole mit 4 abaeschossenen Patronen voraefunden, ferner ein Paß auf den Namen der au« Pensa stammenden Bäuerin Sophie Larionoff. Ein seit dem 3. August in der Nähe von Peterhof ansässiger etwa 30 Jahre alter, der Mitschuld ver dächtiger unbekannter Mann, der unweit der Larionoff wohnte, ist seit dem Augenblick, in dem das Attentat erfolgte, ver schwunden. Bei der Untersuchung beider Wohnungen ist nichts Verdächtiges vorgefunden worden. Moskau, 28. August. Die Moskauer Polizei ist durch Geheimpolizisten aus St. Petersburg verstärkt worden. Die Polizei durchsucht die Stadt nach Waffenlagern und Spreng stoffen. ES finden fortgesetzt Verhaftungen statt. Auf der Station Woskressenskaja der Bahn Moskau—Kasan fand ein Zusammenstoß zweier Züge statt, bei dem 11 Personen ver wundet wurden. Odessa, 27. August. In vergangener Nacht wurde in der Teraspoler Vorstadt die aus fünf Köpfen bestehende Familie eine« Getreidehändlers ermordet und 10 000 Rubel sowie mehrere Wertsachen geraubt. Der Mörder, ein entlaufener Sträfling, wurde verhaftet. (Berl. Lokalanz.) Odessa, 27. August. In der Sonntag nacht fand im Alexanderpark eine große revolutionäre Versamm lung statt, woran sich auch viele Soldaten in Zivil beteiligten. Plötzlich erschien die Polizei, sprenate die Versammlung aus einander und verhaftete acht Teilnehmer.