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Kongreßsaal Deutsches Hygienemuseum - Dresden Spielzeit 1964/65 Freitag, den 9. April 1965, 19.30 Uhr Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solist: Stefan Ruha, Violine, VR Rumänien PROGRAMMFOLGE Paul Büttner 1870-1943 Heroische Ouvertüre Felix Mendelssohn-Bartholdy 1809-1847 Violinkonzert e—Moll opus 64 Allegro molto appassionato Andante Allegretto non troppo - Allegro molto vivace PAUSE Antonin Dvorak 1841-1904 8. Sinfonie G—Dur op. 88 Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso Allegro ma non troppo Zur Einführung! »Paul Büttner brauchte dem Volk »nicht aufs Maul zu schauen«, um die Sprache zu finden, die es verstand: denn des Volkes Sprache war auch die seine«, war in einem späten Nachruf auf diesen 1943 verstorbenen Dresdner Komponisten zu lesen, der — Sohn eines erzgebirgischen Bauern — sich sein Studium als Schüler Felix Draesekes am Dresdner Konseivatorium durch Musizieren auf Dorftanzböden selbst hatte verdienen müssen. Büttner, 1870 in Dresden geboren, wirkte seit 1896 selbst als Lehrer am dortigen Konservatorium und stand ihm seit 1924 als künstlerischer Direktor vor. Daneben war er jahrzehntelang als Chorleiter (hier erwarb er sich durch seine Arbeit in der Arbeitersängerbewegung große Verdienste) und als Kritiker an der sozialdemokratischen Volkszeitung tätig. 1933 jedoch wurde der überzeugte Sozialdemokrat fristlos aus seinem Amt entlassen, seine Volkschöre wurden aufgelöst, und als Büttner zehn Jahre später starb, mußte jede öffentliche Würdigung seines verdienstvollen Wirkens unterbleiben. Als Komponist ist Paul Büttner vor allem auf den Gebieten der Kammermusik, der Chorkompo- sitlon und der Sinfonik hervorgetreten; namentlich seine bedeutenden, groß angelegten vier Sinfonien zeigen in ihrer natürlichen, vielfach von der Volks musik inspirierten Tonsprache ein durchaus eigenes Profil und das große san technische Können des Komponisten. Ähnlich wie seine Ouvertüren zu Grabbes »Napoleon« und die Sinfonische Fan tasie »Der Krieg« ist auch Büttners »Heroische Ouvertüre« eine stark programmatisch angelegte Komposition. Sie »ist nicht die Glorifizierung eines bestimmten Helden; der Komponist sucht vielmehr in seiner Musik den Ausdrude für das Aufwärts stürmende, das dem heroischen Menschen überhaupt das Gepräge gibt. Heroische Menschen bedingen eine heroische Zeit. Und so schwebte Paul Büttner als Hintergrund die Zeit der Freiheitskriege vor. Das ist durch Zitate angedeutet. Unschwer erkennt man die Fanfaren des Weberschen Liedes von »Lütjows wilder verwegener Jagd.« Die Anlage des Werkes ist folgende: Einleitung, die die Stimmung von der inneren Berufung des heldischen Menschen zum Ausdrude bringt, in der man die lockenden Weckrufe an ihn erklingen hört. Allegro, das als Hauptthema das eigentlich Heroische bringt, dann das zweite Thema, das etwa das den Helden beseligende Glücksgefühl widerspiegelt, und schließlich die in großer sinfonischer Form gehaltene Durchführung. Wenn die Ouvertüre siegesfreudig ausklingt, so sieht man daraus, daß es dem Komponisten nicht um eine sklavische Nachbildung historischen Geschehens zu tun war. Indem er das tragische Ende jener Helden der Freiheitskriege außer acht läßt, gelingt es ihm, mit dem strahlenden Ausklang seines Werkes die Idee lebendig werden zu lassen, daß das Heroische über den Tod des einzelnen hinaus seine Wirkung ausstrahlt, daß an ihm sich immer neue Menschen, immer neue Zeiten zu entzünden vermögen« (Karl Laux) Eines der bekanntesten und meistgespieltesten Violinkonzerte überhaupt ist das Konzert für Violine und Orchester e-Moll ep. 64 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das Werk — übrigens Mendelssohns einziger Beitrag zu dieser Gattung — ent stand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Kom ponist im Kreise seiner Familie heitere, ungetrübte Ferientage verlebte; etste Ent würfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. 1845 wurde das Violin konzert im Leipziger Gewandhaus durch den Geiger Ferdinand David uraufgeführt, für den es geschrieben worden war. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David einen begeisterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: »Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, in höchstem Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe.« Bis heute hat sich an diesem Urteil nichts geändert; vereinigt das un verblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Ver bindung von Virtuosität und Kantabilität auszeichnet, doch auch wirklich in schön ster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur seines Schöpfers: formale Ausgewogen heit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische.