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Der erste Satz (Maestoso) entwickelt sich in seinem Verlauf zu einem ausgeprägt virtuosen Musikstück. Auf zwei kontrastierenden Themen, einem betont rhyth mischen und einem eher lyrisch-ausdrucksvollen, oufbauend, bringt der Satz in seiner Durchführung statt einer Verarbeitung dieser Themen im Sinne drama tischer Spannung und Entspannung eine reiche Ausdeutung des thematischen Materials durch die Erzeugung wechselnder Stimmungen, wobei das Soloinstru ment mit glitzernden Passagen, brillanten Läufen und feinen, arabeskenhaften Ornamenten die Grundgedanken virtuos umspielt. Das folgende Larghetto ge hört zu Chopins poetischsten Einfällen überhaupt. Dieser schwärmerisch-innige Satz, der von einem bezaubernden Nocturne eingeleitet wird, scheint in seiner wundervollen, liedhaften Melodik, seiner damals ganz neuartigen harmonischen Sprache den von verhaltener Erregung durchglühten Ausdruck reinster, zärt lichster Gefühle widerzuspiegeln. Nach einem leidenschaftlich-bewegten Mittel teil (Appassionato) erklingt noch einmal, jetzt ganz zart und verträumt, der Ein leitungsteil des Larghettos. Das Finale des Werkes (Allegro vivace) ist ebenso wie der Schlußsatz des e-Moll-Konzertes in freier Rondoform angelegt und von tänzerischem Schwung erfüllt. Drei polnische Volkstänze bestimmen die rhyth mische Gestaltung des wirkungsvollen, elegant-bravourösen, aber auch lyrischer Episoden nicht entbehrenden Satzes. Neben dem ständig wiederkehrenden Hauptthema, einer Melodie im Rhythmus des Kujawiaks, eines nicht übermäßig schnellen Tanzes im 3 / 4 -Takt mit unregelmäßigen Akzenten auf dem zweiten oder dritten Taktteil, begegnen Teile in Mazurkaform und endlich in der feuri gen, glanzvollen Schlußcoda auch der Rhythmus des wirbelnd dahinjagenden, raschen Obereks. Johannes Brahms' 2. Sinfonie D-Dur op. 73, im Jahre 1877 komponiert, entstammt einer glücklichen Lebensperiode des Meisters, deren ruhige Heiter keit sich in den meisten der in dieser Zeit vollendeten Werke widerspiegelt. So ist auch die Grundstimmung der D-Dur-Sinfonie durch Lebensbejahung, Lebens freude und innere Gelöstheit gekennzeichnet. Das Werk, das oft als die „Pastorale" des Komponisten bezeichnet wurde, steht in starkem Gegensatz zu der vorangegangenen, leidenschaftlich-kämpferischen c-Moll-Sinfonie und ver hält sich zu ihr vergleichsweise etwa wie Beethovens „Sechste" zu seiner „Fünf ten" oder Dvoraks 8. zur 7. Sinfonie. Landschaftliche Eindrücke, Naturstimmun gen sollen auch bei der Entstehung dieser Brahms-Sinfonie eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Sonnen schein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein", äußerte der dem Komponisten befreundete Chirurg Theodor Billroth zu der in wenigen sonnenerfüllten Sommermonaten in Pörtschach am See in den Kärnter Bergen geschriebenen Komposition, die in ihrer pastoralen Lieblichkeit dem ein Jahr später dort entstandenen Violinkonzert nahe verwandt ist. „Eine glückliche, wonnige Stimmung geht durch das Ganze, und alles trägt so den Stempel der Vollendung und des mühelosen Ausströmens abgeklärter Gedanken und war mer Empfindungen." Doch entbehrt das sehr einheitliche und geschlossene, an herrlichen Einfällen überreiche Werk trotz seiner lichten und freudigen, lyrischen Grundhaltung keineswegs kraftvoller, ja zum Teil auch tragischer Töne. Am 30. Dezember 1877 fand die Uraufführung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer" nannte) durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraussage „Mit dieser Sinfonie wird er auch beim Publikum durchschlagenderen Erfolg haben als mit der ersten" sollte sich dabei nachhaltig bestätigen. Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdringung und Bindung der einzelnen gegensätzlichen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung erwächst, charakterisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des gesamten Werkes ist das aus drei Tönen (d — cis — d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violoncelli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema voraus geschickt wird und als Grundmotiv in zahlreichen Varianten und Ableitungen die Sinfonie durchzieht. In Hörnern und Holzbläsern erklingt das Hauptthema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnisvolle Klänge der Posau nen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung anmutenden Beginn tragen die Violinen eine weitgeschwungene, bereits abge leitete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlichkeit, die jedoch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wie der gedämpft wird. In der poesievollen Durchführung des Satzes, die durchaus große Steigerungen aufweist und ihren Höhepunkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grundmotiv, das Hauptthema und daraus abgeleitete Gedan ken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von ungetrübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungsschwerer gibt sich der folgende, in drei teiliger Liedform angelegte Satz (Adagio ma non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwermütige Cello-Kantilene in H-Dur, die dann von den Violinen aufgenommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechsel; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakteristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu spannungsvollem musikalischen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cellothemas durch die Flöten in der freien Wie derholung des ersten Teiles beruhigt sich der Aufruhr wieder. In milder Resi gnation verklingt der Satz, dessen Hauptthema in der Coda, in Holzbläsern, Streichern und schließlich in der Klarinette zu gedämpften Trioienschlägen der Pauke zerbröckelt. Besonders beliebt wurde in kurzer Zeit der mit seiner gemütvollen Liebens würdigkeit etwas an Schubert erinnernde dritte Satz (Allegretto grazicso). Durch die Holzbläser erklingt, von Pizzikato-Achteln der Celli begleitet, das anmutige, menuettartige G-Dur-Hauptthema mit seinen drolligen Vorschlägen auf dem dritten Viertel, das übrigens auch aus einer Ableitung des Grund motivs der Sinfonie gewonnen wurde. Auch ein zweimal in verschiedener Form auftretender, rasch vorbeihuschender Trioteil kann als Variierung des Haupt themas erkannt werden. Aber trotz dieser kunstvoll verzahnten, zum Teil leicht ungarisch gefärbten Thematik erscheint der sehr wirkungsvoll instrumentierte Satz wie mit leichtester Hand hingezaubert. Unproblematisch gibt sich auch das jubelnd ausklingende, beschwingte Finale der Sinfonie, von dem der gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick sagte; „Mozarts Blut fließt in seinen Adern“. Nach dem ein wenig zurückhal tenden, geheimnisvollen Beginn — das Hauptthema huscht zunächst wie von Ferne ertönend in den Streichern vorbei, ehe es im Orchestertutti aufklingt - entfaltet sich kräftige Fröhlichkeit. Auch das sexten- und terzenselige, etwas ruhigere zweite Thema stellen die Streicher (Violinen und Violen) vor. Diese beiden Hauptthemen, die sich in der Coda schließlich vereinigen, sowie das immer wieder benutzte Grundmotiv des Werkes und daraus abgeleitete Neben gedanken tragen das Geschehen des trotz einiger besinnlicher Wendungen kaum von Schatten berührten Finalsatzes, der das Werk in festlicher Freudigkeit beschließt. Härtwig / Dr. Dieter Härtwig Voiankündigung: 8./9. Mai 1965, 19.30 Uhr 9. Zyklus-Konzert (Anrecht B) (Einführungsvorträge jeweils 18.30 Uhr, Dr. Dieter Härtwig) Dirigent: Zdenek Kosler, CSSR; Solist: Tibor Gasparek, CSSR B. Martinü Inventionen A. Dvorak Violinkonzert a-Moll B. Smetana Aus Böhmens Hain und Flur, Die Moldau, Sarka Beschränkter Kartenverkauf nur Konzertkasse Dresdner Philharmonie 14. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1 964/65