ZUR EINFÜHRUNG ,Paul Büttner brauchte dem Volk nicht ,aufs Maul zu schauen“, um die Sprache zu finden, die es verstand; denn des Volkes Sprache war auch die seine“, war in einem späten Nachruf auf diesen 1943 verstorbenen Dresdner Komponisten zu lesen, der — Sohn eines erzgebirgischen Bauern — sich sein Studium als Schüler Felix Draesekes am Dresdner Konserva torium durch Musizieren auf Dorftanzböden selbst hatte verdienen müssen. Büttner, 1870 in Dresden geboren, wirkte von 1896 bis 1907 als Lehrer am gleichen Institut, an dem er studiert hatte und stand ihm in den Jahren 1924—1933 als künstlerischer Direktor vor. Daneben war er jahrzehntelang als Musiklehrer, Chorleiter (hier erwarb er sich durch seine Arbeit in der Arbeitersängerbewegung große Verdienste) und als Kritiker an der sozial demokratischen Volkszeitung tätig, so auf das Musikleben seiner Heimat stadt einen entscheidenden und günstigen Einfluß ausübend. 1933 jedoch wurde der überzeugte Sozialdemokrat fristlos aus seinem Amt entlassen, seine Volkschöre wurden aufgelöst, und als Büttner zehn Jahre später starb, mußte jede öffentliche Würdigung seines verdienstvollen Wirkens unterbleiben. Als Komponist ist Paul Büttner vor allem auf den Gebieten der Kammermusik, der Chorkompositton und der Sinfonik hervorgetreten; namentlich seine bedeutenden, großangelegten vier Sinfonien, die seit der Aufführung der 3. Sinfonie durch Arthur Nikisch 1915 im Leipziger Ge wandhaus häufig erklungen waren, zeigen in ihrer natürlichen, vielfach von der Volksmusik inspirierten, klanglich von Richard Strauss nicht unbeein flußten Tonsprache ein durchaus eigenes Profil und das große satztechnische Können des Komponisten. Daneben seien noch die Orchesterkompositionen „Fantasie über ein deutsches Volkslied“, „Vision“, „Das Wunder der Isis“, „Saturnalia“ für Bläser und Pauken und die Opern „Menasche“ und „Anka“ genannt. Ähnlich wie seine Ouyertüre zu Grabbes „Napoleon“ und die Sinfonische Fantasie „Der Krieg“ ist auch Büttners „Heroische Ouvertüre“ eine stark programmatisch angelegte Komposition. Sie „ist nicht die Glorifizierung eines bestimmten Helden; der Komponist sucht vielmehr in seiner Musik den Ausdruck für das,Aufwärtsstürmende, das dem heroischen Menschen überhaupt das Gepräge gibt. Heroische Menschen bedingen eine heroische Zeit. Und so schwebte Paul Büttner bei der Komposition als Hintergrund, als ,Rahmenhandlung“, wenn man so sagen darf, die Zeit der Freiheits kriege vor. Das ist durch Zitate angedeutet. Unschwer erkennt man die Fanfaren des Weberschen Liedes von ,Lützows wilder verwegener Jagd“. Die Anlage des Werkes ist folgende: Einleitung, die die Stimmung vor der inneren Berufung des heldischen Menschen zum Ausdruck bringt, in der man die lockenden Weckrufe an ihn erklingen hört. Allegro, das als Haupt thema das eigentlich Heroische bringt, dann das zweite Thema, das etwa das den Helden beseligende Glücksgefühl widerspiegelt, und schließlich die in großer sinfonischer Form gehaltene Durchführung. Wenn die Ouvertüre siegesfreudig ausklingt, so sieht man daraus, daß es dem Komponisten nicht um eine sklavische Nachbildung historischen Ge schehens zu tun war. Indem er das tragische Ende jener Helden der Frei heitskriege außer acht läßt, gelingt es ihm, mit dem strahlenden Ausklang seines Werkes die Idee lebendig werden zu lassen, daß das Heroische über den Tod des einzelnen hinaus seine Wirkung ausstrahlt, daß an ihm sich immer neue Menschen, immer neue Zeiten zu entzünden vermögen.“ (K. Laux) Ludwig van Beethovens einziges Violinkonzert D-Dur op. 61 aus dem Jahre 1806 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft mit der 4 : Sin fonie, dem 4. Klavierkonzert und den Rasumowski-Quartetten. Das Kon zert, das wohl das bedeutendste dieser Gattung überhaupt ist, demzufolge zu den Standardwerken der Violinliteratur gehört, hatte Beethoven für den Konzertmeister des Theaters an der Wien, Franz Clement, komponiert, der es auch am 23. Dezember 1806 uraufführte, ohne allerdings damit eine restlos befriedigende Resonanz bei der Kritik finden zu können. In einzig artiger Weise sind im Beethovenschen Violinkonzert die ganz eigenen Mög lichkeiten des Instrumentes erfaßt. Das Werk ist lyrisch, gefühlsbetont und ist als erstes seiner Art zum Prüfstein geigerischer Kunst geworden, ob wohl es eigentlich nur im Finale ausgesprochene Virtuosität erfordert. Voll endung der Form, Tiefe und Schönheit der Gedanken, idealer Ausdruck klassischen Humanismus — das sind Vorzüge des Werkes, das bei aller Universalität des zur Darstellung gelangenden Weltbildes jedoch mehr zu gelassener Ausgewogenheit als zur Überwindung dialektischer Spannungen neigt. Vier leise Paukenschläge, die im ganzen Satzverlauf späterhin motivische Bedeutung haben, eröffnen die Orchestereinleitung des ersten Satzes (Alle gro ma non troppo), die das thematische Material mit sinfonischer Impul sivität an das Soloinstrument weitergibt. Zwei Themen werden entwickelt. In den Oboen, Klarinetten und Fagotten erklingt zunächst das gesangvolle Hauptthema, dem nach einem energischen Zwischensatz ein zweites lyri sches D-Dur-Thema der Holzbläser von bezaubernder Schlichtheit folgt. Nach der Entwicklung dieses Themas, die zu einem kraftvollen Höhepunkt mit eingr neuen daraus hervorwachsenden Melodie führt, setzt die Solo geige, zurückhaltend von Bläsern und Pauken begleitet, mit leichter Ab wandlung des Hauptthemas in hoher Lage ein. Und nun beginnt ein herr licher Zwiegesang 'mit dem Orchester. In kaum zu beschreibender Schön heit fließt der Klang der Sologeige über dem Orchester hin oder begleitet es mit beseelten Passagen. Auch nach einem zweiten kräftigen Orchester tutti setzt sich der verklärte, melodische Gesang des Soloinstrumentes fort. Nach der Durchführung kehren in der Reprise die musikalischen Haupt- und Nebengedanken wieder, vom Orchester wesentlich getragen. Figuren reich ist der Part der Violine, der schließlich in die Solokadenz mündet. Der Schlußteil — mit seiner besonderen Berücksichtigung des zweiten The mas — schließt mit einem schwungvoll-energischen Aufstieg der Geige.