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ZUR EINFÜHRUNG Musik des 19. und 20. Jahrhunderts aus nordischen Ländern — aus Schwe den, Norwegen und Finnland — erklingt in unserem 5. Zyklus-Konzert. Einleitend steht die „Musik für Orchester“ des zeitgenössischen schwedi schen Komponisten Lars-Erik Larsson auf dem Programm, von dem be reits vor rund dreißig Jahren ein Werk (die 1932 entstandene Sinfonietta für Streichorchester) in der Dresdner Philharmonie unter Paul van Kem pen zur deutschen Erstaufführung gebracht wurde. Larsson, 1908 geboren, heute als Professor für Komposition an der Musikhochschule Stockholm wirkend, gehört zu den namhaftesten, international bekannten Vertretern der mittleren Komponistengeneration seines Landes. Er studierte ab 1925 Komposition am Stockholmer Konservatorium und erhielt nach vierjähri gem Studium ein staatliches Stipendium zu weiteren kompositorischen Studien im Ausland 1 , die er in Wien bei Alban Berg und in Leipzig bei Fritz Reuter absolvierte. 1937 wurde Larsson Dirigent am schwedischen Rundfunk, seit 1947 nimmt er seine heutige Position an der Musikhoch schule Stockholm ein. Als Komponist gilt Lars-Erik Larsson neben Dag Wiren und Gunnar de Frumerie als einer der begabtesten Repräsentanten des schwedischen Neoklassizismus. Seine Tonsprache wurzelt in der schwedischen Roman tik; wesentliche Anregungen empfing er u. a. auch aus den Werken von Jean Sibelius. Nach kompositorischen Anfängen im spätromantischen Stil gewann namentlich das Schaffen von Paul Hindemith Bedeutung für den Werdegang des Komponisten, der zuerst mit Werken wie der „Sinfonietta“ (1932), dem Saxophonkonzert (1934) und dem „Divertimento für Kammer orchester“ (1935) hervortrat. Kompositionen Larssons, die gegen Ende der 30er Jahre entstanden, z. B. die „Pastoralsuite“ (1938) und das Chorwerk „Förklädd gud“ (1940), zeigen wieder mehr romantisch-folkloristische Ten denzen; Einflüsse Schostakowitschs wurden schließlich in Werken aus den ersten Jahren nach 1945, namentlich in der 3. Sinfonie, spürbar. Zu den wichtigsten Schöpfungen der Nachkriegszeit zählen neben der heute zur Aufführung gelangenden „Musik für Orchester“ das Violinkonzert (1952) und die „A cappella-Messe“ (1954). Außer den genannten Werken schrieb der Komponist u. a. die Oper „Prinzessan av Cypern“ (1936), das Ballett ..Linden“ (1957), zahlreiche weitere Orchesterwerke, Kammermusik- und Klavierkompositionen sowie Bühnen- und Filmmusiken. Die „Musik für Orchester“, 1948/49 geschrieben, ist eine der bedeutendsten, reifsten Orchesterkompositionen Larssons, die nach dem Kriege entstan den sind und kann als eine Art Synthese zwischen dem Früh- und dem Spätstil des Komponisten verstanden werden. „Der romantische Glanz ist noch da und wurde noch vertieft, aber auch die neoklassizistische Ver- spieltheit ist wieder erstanden, in gewisser Verwandtschaft zum reifen Stil Hindemiths“ (B. Wallner). Schon durch den Titel der Komposition, der an Werke wie Rudi Stephans „Musik für Orchester“ (1913), Paul Hinde miths „Konzert für Orchester“ (1925) oder Bela Bartöks „Konzert für Orchester“ (1943) denken läßt, wird der Charakter der Larssonschen „Musik für Orchester" bestimmt: seine dem barocken „Concerto“ ver wandte, musizierfreudige, formal nicht dem sinfonischen Prinzip unter geordnete Grundhaltung. Pianissimo wird das Werk durch ein zartes Thema der Violinen begonnen, das danach auch in den Holzbläsern erklingt. Nach dieser langsamen Ein leitung (Andante teneramente) setzt ein Allegro-Teil ein, dessen rhyth misch prägnantes, vorwärtsstürmendes Thema zuerst durch Streicher und Pauken vorgetragen und im Verlaufe des Satzes von den Holz- und Blech bläsern übernommen wird. Mit einer kraftvollen Steigerung endet der Satz in strahlendem Orchester-Tutli. Anklänge an nordische Folklore bringt der elegische, im 5 /j-Takt stehende langsame Satz, der dreiteilig angelegt ist. Über Pauken, Celli und Kontra bässen hebt sich in den ersten Takten eine melodische Linie der Bratschen ab, dann treten die Bläser hinzu. Im mittleren Teil kommt ein Kanon zur Durchführung, der von den ersten Violinen begonnen wird, gefolgt von zweiten Violinen, Violoncelli und Bratschen. Einen fröhlichen Ausklang stellt das musikantische, lebensvolle Finale, ein Allegro, dar. Der groß angelegte, alle Orchestergruppen in die thematische Entwicklung einbeziehende Satz fesselt vor allem durch seine sehr diffe renzierte Rhythmik (häufiger Taktwechsel) und beschließt voller Schwung das Werk. Der zu seiner Zeit auch als Pianist und Dirigent angesehene norwegische Komponist Edvard Grieg hatte in seiner Eigenschaft als erster National musiker seines Landes keine Vorgänger, keine Tradition, an der er hätte anschließen können. Er war der erste skandinavische Komponist, der die Volksmusik seiner Heimat in die Sphäre der Kunstmusik hob. Nicht aber, indem er folkloristische Elemente wörtlich zitierte, sondern indem er sein eigenes Schaffen an der charakteristischen Wesensart norwegischer Volks musik ausrichtete. Am Ende seines Lebens schrieb Grieg einmal: „Künstler wie Bach und Beethoven haben auf den Höhen Kirchen und Tempel er richtet. Ich wollte . . . Wohnstätten für die Menschen bauen, in denen sie sich heimisch und glücklich fühlen . . . ich habe die Volksmusik meines Landes aufgezeichnet. In Stil und Formgebung bin ich ein deutscher Romantiker der Schumann-Schule geblieben. Aber zugleich habe ich den reichen Schatz der Volkslieder meines Landes ausgeschöpft und habe aus dieser bisher noch unerforschten Emanation der nordischen Volksseele eine nationale Kunst zu schaffen versucht.“ Mit seiner bodenständigen Kunst, seinen schwermütig-lyrischen, aber auch kräftigen Liedern, seinen eigenwilligen, häufig tänzerisch profilierten kleinen Instrumentalformen eroberte sich Grieg die Gunst der Musikfreunde in aller Welt. Seine immer und im guten Wortsinne volkstümliche Musik ist gekennzeichnet durch eine sinnenhafte Melodik, eine herbsüße Harmonik, farbig-satte Instru mentation und eine aparte, von skandinavischer Folklore beeinflußte Rhythmik. Unter Edvard Griegs wenigen größeren Kompositionen ragt das 1868, also mit 25 Jahren geschriebene Klavierkonzert a-Moll op. 16 bedeutsam her aus. Der Komponist widmete es dem norwegischen Pianisten Edmund Neupert, der es 1869 in Kristiania erfolgreich urauf führte. Das Beispiel des Schumannschen Klavierkonzerts a-Moll hat maßgeblich die Gestaltung dieses Griegschen Jugendwerkes beeinflußt, das übrigens ebenfalls motto-