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zwei Musiker, die auf seine künstlerische Entwicklung größten Einfluß gewan nen. 1917 gelangte in Paris in einem avantgardistischen Konzert der Sängerin Jane Bathori sein erstes Werk, die Rhapsodie negre für Singstimme, Streicher, Klavier, Flöte und Klarinette, zur Uraufführung. Nach dem ersten Weltkrieg trat Poulenc der „Graupe des Six" bei. Mit Darius Milhaud, der als einer der ersten seine außerordentliche Begabung erkannte, reiste er durch Europa und traf in Österreich mit Alban Berg, Anton von Webern und Arnold Schönberg zusam men. Milhaud sagte nach Kenntnis einiger Frühwerke von Poulenc: „Nach all den impressionistischen Nebeln diese einfache, klare Kunst, die an die Tradi tion von Mozart und Scarletti anknüpft — wird sie nicht die nächste Phase unserer Musik sein?" Der Komponist, der vor allem mit Liedern und Klavier werken — er war selbst ein ausgezeichneter Pianist — schnell bekannt wurde, wandte sich frühzeitig dem Theater zu, zunächst dem Ballett und in den vier ziger Jahren — mit der Opero buffa „Les Mamelles de Tiresias" — der Gattung der Oper, die er 1957 um einen Welterfolg bereicherte: mit „Les Dialogues des Carmelites" nach Georges Bernanos. Das Kriegsgeschehen und Dichtungen von Eluard hatten ihn 1943 zu einer Kantate, „Figure Humaine", veranlaßt. 1958 schrieb er nach Jean Cocteau, mit dem er auch noch zuletzt eng zusammen arbeitete, die einaktige tragedie lyrique „La voix humaine". In seinem Gesamt schaffen nimmt auch die Kirchenmusik einen wesentlichen Platz ein. Das alles bestätigt die Ansicht Claude Rostands: „Es ist nicht die pianistische Produktion, in der Poulenc sein Bestes gegeben hat. Dies verdient hervorgehoben zu wer den, ohne daß man deswegen einer übermäßigen Strenge bezichtigt werden kann. Es sei daran erinnert, daß man ihn von seinen Vokalwerken aus, den Chören und Liedern, beurteilen muß, um sicher zu sein, die tiefere und ganze Bedeutung seiner Kunst nicht verkannt zu haben. Das pianistische Schaffen zeigt uns einen zu ausschließlich .charmanten' Poulenc, wo doch dieses be merkenswerte Musikertemperament noch zu anderem berufen ist als zum Ge fälligen." Darauf sei hier hingewiesen, weil der „gefällige" Poulenc nur die eine Seite dieser Persönlichkeit ist, an die man sich bisher bei uns vor allem gehalten hat und die auch aus dem heute erklingenden Werk des Franzosen zu uns spricht. Das 1932 geschriebene Konzert für zwei Klaviere und Orchester d-Moll, das am 5. September des gleichen Jahres zum Internationalen Musikfest in Venedig mit dem Komponisten und Jacques Fevrier als Solisten und dem Orchester der Mailänder Scala unter Desire Defauw uraufgeführt wurde, spie gelt die stilistische Entwicklung Poulencs wider. Deutlich ist im Klanglichen die Herkunft vom Impressionismus spürbar, zugleich waltet darin die klassizistische Formgesinnung, die das Hauptmerkmal seiner künstlerischen „Haltung" ist. In der Nachfolge Faures, Debussys und Ravels bemühte sich Poulenc um die Bereicherung des melodischen Elements in der französischen Musik. Die Melo die triumphiert denn auch in diesem entzückenden Werk über die mannig faltigen Reize des Rhythmischen, ja sie bestimmt Ausdruck und Form der Kom position. Die abwechslungsreichen thematischen Gedanken der drei locker ge fügten, mehrgliedrigen, dabei übersichtlichen Sätze sind gekennzeichnet durch Frische der Erfindung, Anmut, Klarheit und geistreich-elegante Unterhaltsam keit. Das bedeutet nicht, daß Poulencs Musik ohne Tiefe wäre. Eine echte Gefühlskraft spricht aus seinen Tönen. „Bei Francis Poulenc, dem Bewunderer Chopins und Debussys, vermählte sich das Helle und Klare mit dem Sensiblen; vom Melancholischen beflügelte Spielfreude schließt die .douce melancolie' nicht aus“, sagte einmal Armand Hiebner. Neben der Vorherrschaft des Melo dischen bestimmt aber auch die Freude des Komponisten am Klang, an an mutig-maßvollen sinnlichen Klängen, an der Durchsichtigkeit und Reinheit der musikalischen Linie den Charakter des Konzertes, das den beiden Soloinstru menten gleichermaßen brillante, virtuose Aufgaben zuweist. Den ersten Satz (Allegro ma non troppo) eröffnen virtuose Klavierpassagen, das Orchester gibt — nach heftigem Beginn — lediglich akkordliche Stützen. Ein erstes markantes Thema führen die Solisten ein, bevor das Orchester einen schwungvollen, fröhlichen Gedanken anstimmt. Weitere Melodien, auch von kontrastierendem Charakter, reihen sich an und fügen sich zu einem charman ten Gesamtbild. - An klassische Vorbilder läßt der stimmungsvolle zweite Satz (Larghetto) denken mit seinem anmutigen musikalischen Geschehen. Das ge sangvolle Eingangsthema erscheint auch im Schlußteil des Satzes wieder. — Nach schlagkräftiger, brillanter Einleitung erhält das Finale (Allegro molto) Impulse von einem marschmäßigen Thema, dem später ein weiterer energischer Gedanke folgt. Lebhafte rhythmische Entwicklungen verleihen dem Finale nicht zuletzt sein Gepräge. „Es ist das ewig französisch Klassische, das in den Klängen der Musik Poulencs weiterlebt" (Hiebner). Die Werke des französischen Komponisten Cesar Franck — u. a. Oratorium „Les Beatitudes“ (Die Seligpreisungen), Sinfonie d-Moll, Sinfonische Variatio nen für Klavier und Orchester, Sinfonische Dichtung „Psyche“, Klavierquintett f-Moll, Streichquartett D-Dur, Violinsonate A-Dur, Präludium, Choral und Fuge für Klavier, zahlreiche weitere Orgel- und Kammermusikwelke — errangen fast ausnahmslos erst nach dem Tode des Komponisten Anerkennung und Erfolg; zu seinen Lebzeiten waren ihm und seinem reichhaltigen, vielseitigen Schaffen wenig Glück beschieden, seine Kompositionen vermochten sich nicht durchzu setzen. Franck, als Sohn eines wallonischen Vaters und einer deutschen Mutter 1822 in Lüttich geboren, kam früh nach Paris, wo er als Schüler des Konserva toriums zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen errang, die ihm später, als reifem Meister, versagt blieben. Jahrzehntelang lebte er als Musiklehrer und Organist unter ärmlichen Verhältnissen in Paris, ehe er 1872 als Professor an das Konservatorium der Stadt berufen wurde und dort bis zu seinem Tode im Jahre 1890 tätig war. Einflüsse der Romantik und Spätromantik, insbesondere von Brahms, Liszt, Wagner und Berlioz, aber auch der französischen und deut schen Barockmusik (Rameau, Bach) wurden von seiner starken schöpferischen Persönlichkeit verarbeitet, verschmolzen im Werk des bedeutenden Komponisten in interessanter Verbindung zu einer eigengeprägten Tonsprache. Francks Sinfonie d-Moll, eines seiner wenigen Werke, die in Deutschland häu figer zu hören sind (obgleich seine Musik gerade durch die von Bach, Brahms und Wagner empfangenen Anregungen der deutschen keineswegs wesensfremd ist), wurde zwischen 1886 und 1888 komponiert und 1889 in Paris uraufgeführt. Die schöne und bedeutende, in ihrer Grundstimmung schwermütig-nachdenk liche Schöpfung, in einem typisch spätromantischen, farbig-weichen Ausdrucks stil gehalten, umschließt in ihrer weiten Gefühlsspanne Empfindungen von zarter Innigkeit ebenso wie starke dramatische Ausbrüche. Deutlich wird der leidenschaftliche Kampf gegen Gefühle tragischer Einsamkeit und Zerrissenheit, das innere Streben nach Klarheit und Licht, nach Befreiung und Freude. Das dreisätzig angelegte Werk, dem ein langsamer Satz fehlt, gehört seinem for malen Aufbau und seiner thematischen Gliederung nach zur zyklischen Form;