Volltext Seite (XML)
Dresdner Journal königlich SächstschrV Staertsanzeigev. Verordnungsblatt der Ministerien und der Ober- und Mittelbehörden. Nr. 98. r> Beauftragt mit der verantwortlichen Leitung: Hofrat Doenges in Dresden. <r Montag, den 30. April 1906. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Expedition, Gr. Zwingerstr. L0, innerhalb Dresdens 2,50 M. (vom 1. Juli ab2M), durch die Post im Deutschen Reiche S M. (vom 1. Juli ab 2,50 M) viertel jährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. — Erscheint Werktags nachmittags. — Fernsprecher 1295. Ankündigungen: Die Zeile kleiner Schrift der 6 mal gespaltenen Ankündigungsseite oder deren Raum 20 Pf., die Zeile größerer Schrift der Smal gespaltenen Textseite oder deren Raum 50 Pf. Gebührenermäßigung auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vormittags 11 Uhr. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten v. Metzsch-Reichenbach die von ihm aus Gesundheitsrücksichten erbetene Versetzung in den Ruhestand in dankbarer An erkennung seines langjährigen treuen und ersprießlichen Wirkens unter Belastung von Rang und Titel eines Staatsministers zu bewilligen. Se. Majestät der König haben dem zeitherigen Wirkl. Geh. Rat und König! Gesandten in Berlin vr. Grafen Karl Adolf Philipp Wilhelm v. Hohenthal und Bergen unter Ernennung zum Staatsminister die Leitung der Ministerien des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten zu übertragen sowie den Auftrag in Lvaußeliois zu erteilen Allergnädlgst geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Staatsminister vr. Rüger den Vorsitz im Gesamtministerium sowie bei den in Lvanxslicis beauftragten Staatsministern zu übertragen. Die in Lv-M^sliois beauftragten StaatSminister haben dem weltlichen Rate beim Landeskonsistorium, Oberkonsistorialrat vr Grundig die erbetene Versetzung in den Ruhestand be willigt. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Rektor des ThomaSgymnasiumS in Leipzig und Direktor des Praktisch- pädagogischen Seminars der Universität Oberstudienrat Prof. vr. Franz Emil Jungmann den Titel und Rang als „Geheimer Studienrat" in der 3. Klasse der Hofrangordnung zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Oberlehrer Eduard Hermann Weichelt in Colditz das Verdienst- treu; zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Oberlehrer, Organisten Richard Wagner in Dahlen da» Verdienstkreuz zu verleihen. Mit Genehmigung des Königlichen Finanzministeriums werden die vollspurigen Hauptbahnstrecken Engelsdorf— Leipzig-Stötteritz, Engelsdorf—Schönefeld (Pr. Bf.) sowie das neue Geithainer GüterzugSeinfahrtsgleiS in Engelsdorf am 1. Mai 1906 für den öffentlichen Güter und Tiervcrkehr eröffnet Für den Betrieb sind die in der Eisen bahn-Bau- und Betriebsordnung für Hauptbahnen geltenden Vorschriften michgebend. Bis auf weiteres wird der gesamte, zurzeit über Leipzig Übergabebahnhof bediente Güterverkehr der neuen Güterübergabestelle Schönefeld zugewiesen. Der bis herige Bahnhof Engelsdorf sowie der Rangierbahnhof Engels dorf werden vom 1. Mai 1906 ab zu einer Station mit der Bezeichnung Bahnhof Engelsdorf vereinigt. »3S7 Kgl Generaldirektion der Sachs Staats eisen bahnen. Tie nächste öffentliche Sitzung des Kreisausschustes soll Mittwoch, den 9. Mai 1906, nachmittags 1 Uhr in dem Sitzungssaale der unterzeichneten König!. Kreishaupt mannschaft abgehalten werden. Die Tagesordnung ist in der Hausflur des hiesigen Regie- rungSgcbäudeS angeschlagen. Chemnitz, am 18. April 1906. 3S71 König!. Kreishauptmannschaft. Die Königliche Kreishauptmannschaft ordnet auf Grund von 8 42b Absatz 4 der Reichsgewerbeordnung folgendes an. Vom 1. Juli 1906 ab bevürfen diejenigen Ausländer, welche innerhalb des Bezirks der Stadtgemeinde Dresden oder der AmtShauptmannschaftcn Dresden-Altstadt und Dresden- Neustadt ihren Wohnort oder ihre gewerbliche Niederlassung besitzen und innerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes oder ihrer gewerblichen Niederlassung auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten, oder ohne vorgängige Bestellung von Haus zu Haus eins der im ersten Absatz des § 42b der Reichsgewerbeordnung unter Ziffer 1 bis 3 bezeichneten Gewerbe betreiben wollen, einer besonderen Erlaubnis hierzu Auf die Erteilung, Versagung und Zurücknahme dieser Erlaubnis finden die Bestimmungen im Abschnitt IIA der BundeSratsvcrordnung vom 27. November 1896 (ReichSgesetzblatt S 475) sinngemäß Anwendung. Zuständig zur Erteilung, Versagung und Zurücknahme der Erlaubnis sind für den Stadtbezirk Dresden der Stadtrat, kür die Bezirke der AmtLhauptmannschaften Dresden-Altstadt und DreSden-Neustadt die Amtshauptmannschaften. Dresden, den 25. April 1906. 22eb IV. sssi Königliche Kreishauptmannschaft. nichtamtlicher Teil. Zum Rücktritt Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministerü v. Metzsch-Reichenbach. Am heutigen Tage tritt Se. Exzellenz der Herr StaatS minister v. Metzsch-Reichenbach von der Leitung der Ministerien des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten zurück und scheidet damit aus Stellungen, die er seit Februar 1891, demnach über 15 Jahre bekleidet hat. Eingeweihte misten, daß der an der Grenze der siebziger Jahre angelangte Minister sich schon seit längerer Zeit mit Rücktrittsgedanken trug, sich aber durch den Wunsch seiner Allerhöchsten Herren, Sr. Majestät des hochseligen Königs Georg und Sr. Majestät de« regierenden Königs immer wieder bestimmen ließ, im Amte zu bleiben. Schon vor Beginn des letzten Landtags hatte er aber die ausdrückliche Zusage erbeten und erhalten, daß er nach dessen Schluß in Gnaden verabschiedet werden würde Als Minister v. Nostitz-Wallwitz Anfang 1891 sein Amt niederlegte, war die allgemeine Meinung, daß kein anderer als der damalige Geh. Rat v Metzsch im Ministerium der aus wärtigen Angelegenheiten der gegebene Nachfolger sei. Er selbst nahm in seiner großen Bescheidenheit und Gewissen- Hastigkeit nicht ohne Zagen die ehrenvolle Berufung an: namentlich die Aussicht auf die parlamentarischen Geschäfte bereitete ihm Sorgen und Bedenken. Hat er doch selbst ge legentlich geäußert, daß er keine Kampfnatur sei. Minister v. Nostitz-Wallwitz Katte nach 1866 die Verfassung und Ver waltung Sachsens durch das Wahlgesetz von 1868 und die Organisationsgesetzgebung von 1873 auf neue zeitgemäße Grundlagen gestellt, auf denen sich auch die nicht ganz leichte Überleitung der Verhältnisse in das neugearündete Deutsche Reich in glücklicher Weise vollzog. Seinen Bemühungen war es zu danken, daß unser engeres Vaterland ein in seiner Selbständigkeit gesichertes, fest geordnetes und wirtschaftlich immer mehr aufblühendes Glied des Reiches geworden war. Aber die fortschreitende Entwickelung schuf neue Bedürfnisse und stellte neue Aufgaben. Wir lasen, wenn wir uns recht erinnern, vor einiger Zeit sogar in der „Frankfurter Zeitung" die Anerkennung, daß das Ministerium Metzsch außer in rein politischen Angelegenheiten in vieler Hinsicht einem gesunden und erfolgreichen Fortschritte gehuldigt habe. Daß wir uns mit dem Blatte, das politisch auf dem äußersten Flügel der bürgerlichen Demokratie steht, über politische Fragen einigen sollten, wird niemand verlangen. Aber die großzügige Beurteilung, welche die „Frankfurter Zeitung" nicht selten den nichtpolitischen Fragen der öffentlichen Verwaltung entgeqenbringt, läßt hier den Tatsachen mehr Gerechtigkeit widerfahren, als sie oftmals in den Äußerungen viel weiter rechts stehender Organe zu finden ist. Ein Blick auf da» Gesetzgebungswerk der letzten 15 Jahre zeigt, welche großen Fortschritte in Sachsen auf dem Gebiete der inneren Verwaltung gemacht worden sind. Wir wollen nur die wichtigeren Gesetze anführen, die seit 1891 erlassen wurden: ihre Zahl und Bedeutung wächst von Landtagsperiode zu Landtags periode, bis sie um die Jahrhundertwende einen Höhepunkt erreicht, der bis jetzt noch nicht verlassen worden ist. 1892 brachte die revidierte Gesinoeordnung, 1894 das Gesetz wegen Unterstützung der in Ruhestand versetzten Bezirkshebammen, 1896 die Organi sation des ärztlichen Standes Dann kamen 1898 das Wild schadengesetz und die Gesetze über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, sowie die staatliche Schlachtviehversicherung, 1900 das Allgemeine Baugesetz, das Gesetz über die VerwaltungS- rechtSpflege, die Teilung der Kreishauptmannschaft Zwickau und die Errichtung einer fünften Kreishauptmannschaft mit dem Sitze in Chemnitz, das Gesetz über die Handels- und Gcwerbe- kammern. .Im Jahre 1902 kamen zustande das EnteignungS- gesetz, das Gesetz wegen Aufhebung der mit Apochekengerechtig- keiten verbundenen Verbietungsrechte, landesgesetzliche Rege lungen der Unfallfürsorge für Beamte und der Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Be ttieben beschäftigten Personen, das Gesetz über die Zwangs vollstreckung wegen Geldleistungen in Verwaltungssachen, das Adelsgesetz, die Verordnungen über den Gewerbebetrieb der Ge- sindevcrmieter und Stellenvermittler sowie der sogenannten Rechtskonsulenten, endlich am Jahresschlüsse die Regelung des juristischen Vorbereitungsdienstes in der Verwaltung und der Verwaltungsprüfung. 1903 folgten die Verordnungen über Unfallsürsorge für Gefangene und über Baumeisterprüfungen und Führung des Baumeistettitels, 1904 das Gesetz wegen Beschränkung der Landestrauer und die Ärzteordnung Mit dem letzten Landtage sind das VerwaltungSkostcngesetz, die Er hebung von Plauen und Zwickau zu exemten Städten, sowie ein Gesetz wegen der Erweiterung der PensionSverhältniste für die Gemeindeoeamten vereinbart worden. Das Wassergesetz wurde einer Zwischendcputation zur weiteren Erfolg versprechen den Verhandlung überwiesen, an der im Landtage 1903/04 nicht zustande gekommenen Gemeindesteuerrcform wird unaus gesetzt gearbeitet, im Zusammenhang mit dieser ist eine Reform der Bezirksorganisation und infolgedessen auch eine Reform des Organisationsgesetzes von 1873 und des A Gesetzes über die Zuständigkeit der Justiz- und Verwaltungsbehörden in Angriff genommen worden In dieser reichen und vielseitigen GesetzgebungSarbeit einen „reaktionären" Zug zu entdecken, dürfte selbst übelwollenden schwer fallen. Im Gegenteil: überall eine weise und energische Fortbildung des Bestehenden, Beseitigung erkannter Mängel und übelstände, Schutz gerade auch der mittellosen Klaffen und aller in wirtschaftlicher oder sozialer Bedrängnis befindlichen Stände. überall auch das Bestreben, vorhandene Rechts- unsicherheit zu beheben und der gesamten Verwaltung in Staat und Gemeinde diejenigen gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, welche die erste notwendige Voraussetzung des modernen Rechts staates sind. Dazu eine vielgestaltige unmittelbare Verwaltungs tätigkeit des Ministeriums, die Pflege der Kunst in der Akademie sowie im Ausstellungswesen, die Ausgestaltung der Fachschulen, die Schaffung der Unterstützungsfond« für indu strielle und landwirtschaftliche Zwecke, die Planung der Weißeritztalsperren, die Erweiterung der Landesanstalten, die seit 1891 um vier neue — die Heil- und Pflegeanstalten Untergöltzsch und Großschweidnitz, die Gefängnisstrafanstalt zu Bautzen und die Landeserziehungsanstalt für Blinde und Schwachsinnige zu Chemnitz-Altendorf — vermehrt worden sind Wie man einem Minister, dessen Fürsorge sich in so aus giebiger Weise allen Berufsständen und allen Teilen des sächsi schen Volkes zugewendet hat, einseitige agrarische Neigungen vorwerfen konnte, ist nicht zu verstehen, außer durch den Wunsch, um jeden Preis ein agitatorisch wirkendes Schlagwort für den politischen Kampf zu gewinnen. AIS volksfeindlich in ihrem Sinne haben aber auch die Sozialdemokraten nur zwei Gesetze namhaft machen können: da» Wahlgesetz von 1896 und die Novelle zum NereinSgesetze von 1898. Aber auch letztere brachte zunächst eine Erleichterung für da» Vereinswesen, indem sie das Verbot beseitigte, da« politische Vereine Hindette, mit einander in Verbindung zu treten. Wenn gleichzeitig minder- jährige Personen von der Teilnahme an politischen Versamm lungen ausgeschlossen wurden, so wird diese Maßregel schon allein durch die Verhandlungen der letzten sozialdemokratischen Landes konferenz in Zwickau gerechtfertigt, in denen die ausgesprochene Absicht, durch Schaffung von Jugendorganisationen schon die Kinder und jungen Leute politisch zu vergiften, in den eigenen Reihen der Partei warnendem Widerspruch begegnete. An die Änderung des Wahlrechts von 1868 ist Minister v Metzsch nur schweren Herzens gegangen. Aber sein hohes Pflichtgefühl und die klare Erkenntnis der politischen Lage überwanden seine Empfindungen und Bedenken. ES kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß nach 1896 die Landtagswahlen der Sozial demokratie, wenn auch vielleicht noch nicht gleich die Mehrheit, doch eine solche Stellung in der zweiten Kammer verschafft hätten, daß sie von da an jede Verfassungsänderung zum Schutze der bestehenden Rechtsordnung verhindern konnte. Damit würde eine Ära schwerster Kämpfe begonnen haben, die den Frieden und Wohlstand de« Landes erschüttern und vielleicht sogar seine politische Selbständigkeit gefährden mußten. Der Augenblick verlangte das „Vicksant oonsules" und es war eine Tat selbstlosen ManneSmuts, daß der Minister im vollsten Einvernehmen mit der Ersten und dem weitaus größten Teile der Zweiten Kammer die unpopuläre Wahlrcchts- änderung von 1896 durchsetzte. Aber sobald sich erwies, daß die Wirkungen des neuen Wahlrechts über das Ziel hinaus- gingen und der großen Maste des Volkes eine Vertretung im Landtage mehr, als zur Erhaltung des Staates unbedingt nötig war, verschränkt wurde, war er der erste, der eine Berichtigung dieses ungewollten Mißstands in Angriff nahm. Unmittelbar nach Schluß des Landtags 1901/02 bereits gab er Auftrag, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten und schon im Früh jahr 1903 — lange vor den damaligen Reichstagswahlen — war der erste Entwurf der späteren Denkschrift fettig und hatte auch schon die Genehmigung des Königs Georg erlangt. Daß die Vorschläge der Denkschrift in der Zweiten Kammer keine Zustimmung fanden, lag in der Schwierigkeit der Verhältnisse begründet. Aber da auch das von der Kammermehrheit nicht empfohlene, sondern nur zur Erwägung gestellte Pluralwahl recht sich nach gewissenhafter Prüfung nicht als ein gangbarer Weg erwies, ein anderer annehmbarer Vorschlag aber, der den Beifall der Kammer gesunden hätte oder auch nur als Wahl parole hätte dienen können, nicht gemacht wurde, so konnte der innige Wunsch des Ministers, die Wahlreform noch selbst zu bewerkstelligen, nicht erfüllt werden. Er hat ungern darauf verzichtet, ebenso wie auf die durch überspannte Forde rungen vereitelte Ergänzung der Ersten Kammer durch Vertreter von Industrie und Gewerbe sowie der Technischen Hochschule. Aber auch so ist cS ein reiches, gesegnetes LebenSwerk, von dem Minister v. Metzsch in die stillere Tätigkeit eines König!. HauS- ministerS zurücktritt. Der einheitliche Zug, der seine gesamte Arbeit durchzieht, ist, daß sie ihm Herzens- und Gewistens- sache war. Sein vornehmes, durch keine augenblickliche Ver stimmung beeinträchtigtes Wohlwollen, seine stete Bereitwillig keit überall zu helfen und allen Bedürfnissen gerecht zu werden, die Anerkennung fremder Leistungen, mit der er nie kargte, haben seinen Mitarbeitern und Untergebenen die eigene Wirk samkeit zur Freude gemacht und auch den politischen Gegner oftmals entwaffnet. Trotzdem ist auch ihm „der Parteien Haß und Neid", der jede öffentliche Tätigkeit verfolgt, nicht erspart geblieben. Aber die spätere Geschichte wird den Dank recht fertigen, den sein König und jeder wahre Vaterlandsfreund dem scheidenden Minister nachrufen.