Suche löschen...
Dresdner Journal : 12.03.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190603123
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19060312
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19060312
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-03
- Tag 1906-03-12
-
Monat
1906-03
-
Jahr
1906
- Titel
- Dresdner Journal : 12.03.1906
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
vr»u»SprrtS: Beim Bezüge durch die Geschäftsstelle innerftalt Presdeu» 2,50 M (rinschl- Zulragung), durch die ün Teuischen Reiche » M. (au-schließlich Bestellgeld) vierteljährlich Einzelne Nummern 10 Pf. Wird Zurücksendung der für die Schriftleitung bestimmteu, aber von dieser mchl em» aefordcrten Beiträge bean sprucht, so ist das Postgeld beijufügen. Herausgegeben von der König!. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Große Zwingerstrahe 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1298. Orsch^nmr Werktags nach« v Nhr. — Orlginalbertchtr »ud VNtteilnngen dürfe» nur mit voller Quellenangabe nachgedruckt werden. AukÜudigun,»gebühren: Die Zeile kleiner Schrift der 7 mal gespaltenen Aukündi- gung-seite oder derenRaum 20 Pf. Bei Tabellen- und Ziffernlatz 5 Pf. Ausschlag für die Zeile Unten» Re- baklionsst.ich (Eingesandt) oie LezczeUe mittler Schrift oder deren Raum 50 Pf. Gebühren-Ermäßigung bei öfterer Wiederholung. Annahme der Anzeigen bi» mittag» l2 Uhr für dre nach mittag» erscheinende Nummer. Montag, den 12. März nachmittags. 1906 Amtlicher Teil. Die Ausgabe neuer ZinSbogen zu den König!. Sachs. Staatsschuldverschreibungen über 3prozentige jährliche Renten von 1878, 1887 und 1892, bestehend aus Erneuerungsschcin und Zinsscheinen auf die 20 Halbjahrstermine 30. September 1906 bis mit 31. März 1916 (Reihe V) findet gegen Rückgabe der im Termine 31. März 1906 abgelaufenen ZinSleisten vom 15. dieses Monats an bei der Staatsschuldcnbuchhalterei in Dresden statt. Ten Umtausch der abgelaufenen ZinSleisten gegen neue Zinsbogen vermitteln die LotteriedarlehnSkasse in Leipzig, Herr S. Bleichröder in Berlin, die Direction der Disconto Gesellschaft in Berlin und Frankfurt a M, die Norddeutsche Bank in Hamburg, die Dresdner Bank in Dresden und Berlin und Filialen, die Deutsche Bank in Berlin und Filialen, die Nationalbank für Deutschland in Berlin, die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt und Zweigniederlassungen sowie der A. Schaaffhausen'sche Bankverein in Berlin und dessen übrige Nieder lassungen. Die abgelaufenen ZinSleisten sind, nach den Ab schnitten getrennt und nach der Nummernfolge ge ordnet, zum Umtausche cinzureichen, auch sind den selben bei den Umtauschstellen durchgehends und bei der Staatsschuldenbuchhalterei in dem Falle, daß der Umtausch nicht sogleich abgewartet werden kann, die gleiche Ordnung einhaltende Nummernverzeich nisse, zu denen Vordrucke bei der Staatsschuldcn buchhalterei und den Umtauschstellen zu beziehen sind, in doppelter Ausfertigung beizufügen. Ein Exemplar des Nummernverzeichnisses wird, mit Empfangs bestätigung versehen, dem Einreichenden sofort wieder ausgehändigt, gegen dessen Rückgabe die neuen ZinS- dogen 14 Tage später verlangt werden können. Der Umtausch ist von den Beteiligten oder ihren Beauftragten persönlich, nicht auf dem Postwege, zu bewirken. Dresden, den 10. März 1906. Der Landtagsausschuß zu Verwaltung der Staatsschulden. 1712 (Behördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Dresden, 12. März Se Königl. Hoheit Prinz Luitpold, des König reichs Bayern Verweser, vollendet am heutigen Tage Sein 85. Lebensjahr. Der greise Fürst, der nun schon seit fast zwei Jahrzehnten die Geschicke des Bayernlandes leitet, ist der Nation ein hohes, leuch tendes Vorbild geworden für den Besitz von Fürsten- und Mannestugenden In dem Charakterbilde des erlauchten Herrn finden wir scharfumrissen die Züge des hochsinnigen Fürsten wie des edlen Menschen; unter Seiner weisen Regierung blüht und gedeiht das herrliche bayrische Land, er hat Sich bewährt als treuer deutscher Patriot, der in der Größe und Wohlfahrt des Reiches allezeit eine der höchsten Auf gaben Seiner Lebensarbeit erblickt hat, und in edler Menschlichkeit lebt Er ein Leben, wie es gottgefälliger aber auch rcichgesegneter nicht gefunden werden kann. Der Freudentag, den dar Volk der Bayern heute feiert, ist ein Freudentag für die ganze Nation, ist ein Freudentag im besonderen auch deS Sachsen- volkS, dem das Volk der Bayern durch dynastische Beziehungen enge verbunden ist. Mit unserem aller- gnädigsten König und Herrn, Der an dem Ehrentage des greisen Fürsten heute im Geiste herzlichen An teil nimmt, bringt das Volk der Sachsen seine ehr erbietigen Wünsche für das Wohlergehen des er lauchten Herrn dar. Möchte es Ihn« beschieden sein, noch lange Jahre hindurch in Gesundheit und Kraft Seines erhabenen Amtes zu walten, zum Segen Seine- Landes, zum Heile auch der Nation! Tagesgeschichte. Dresden, 12. März Se. Majestät der König wohnte am gestrigen Sonntag dem BormittagsgotteS- dienste bei und promenierte nachmittags mit den Prinzen-Söhnen in der Dresdner Heide. Um 6 Uhr nahm Allerhöchstderselbe an der Familien tafel bei Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Johann Georg im Palais Zinzendorfstraße teil. Heute vormittag empfing Se. Majestät mehrere militärische Herren zu Meldungen und hörte die Vorträge der Herren Staatsminister und deS Königl. KabinettSsekretärS. Um 6 Uhr findet bei Sr. Majestät im Residenz schlosse eine größere Tafel statt, zu der folgende Herren mit Einladungen ausgezeichnet worden sind: Se. Exzellenz der Staatsminister v. Schlieben, der Präsident der Zweiten Kammer der Ständeversamw- lung Geh. Hofrat I)r. Mehnert, Ihre Exzellenzen General der Infanterie v. Minckwitz und Wirkt. Geh. Rat Or. Diller, Ministerialdirektor Geh Rat Or. Waentig, die Geh. Räte Or. Börner und v. Mayer, Kreishauptmann Or. Rumpelt, Senatspräsident Vie weg, die Königl. Kammerherren Graf v Rex auf Zehista und v. Metzsch-Reichenbach, Geh. Justizrat Ortmann, Geh. Kriegsrat Sturm, Geh. Finanzrat Härtig, Oberverwaltungsgerichtsrat vr. v. Gehe, die Geh. Regierungsräte Königsheim und Ur. Krischc, der Kommandeur des 2. Grenadierregiments Nr. 101 Oberst v. Schlieben, Geh. Baurat Grimm und Ober- konsistorialrat Or. Benz. Ferner von den Mit gliedern der beiden hohen Kammern der Stände versammlung die Herren Stiftssenior und Scholastikus Or Baumgärtner, Domherr Geh. Kirchenrat Prof. I)r. Hofmann, erster Sekretär der Ersten Kammer Oberbürgermeister vr. Kaeubler, vr. Pfeiffer auf Burkersdorf, Geh. Finanzrat vr. ing. Jenke, Geh. Okonomierat Andrä, Stadtrat Bochmann, Gemeinde- Vorstand Däbritz, die Gutsbesitzer Frenzel und Harter, Fabrikbesitzer Kluge, Handelskammersyndikns Rollfuß und stellvertretender zweiter Sekretär der Zweiten Kammer Bürgermeister Wittig. Dresden, 12. März. Ihre Königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde empfing gestern mittag die ncuernannten Kreishauptlcnte Dr. Rumpelt und v. Craushaar in Audienz. Deutsches Reich. Berlin Gestern vormittag besuchte das Kaiserpaar den Gottesdienst in der Garnisonkirche. Später empfing Se. Majestät der Kaiser im Beisein des Chefs des Zivil- kabinettS und des Geh. Hofbaurats v Ihne, den Bild hauer Prof. Schott und andere Künstler. Zur Früh stückstafel beim Kaiserpaare waren geladen Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen, Graf und Gräfin Scheele-Plessen, Fürst Eulenburg-Hertzfeld, Major v. Mutius und Oberst Graf zu Dohna-Schlobtttcn. Gestern abend fand bei Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin im Königl. Schloß aus Anlaß des heutigen Geburtstags Sr. Königl Hoheit des Prinz- Regenten von Bayern eine 'Tafel statt Hierzu waren geladen Gesandter Graf Lerchenfeld-Köfering und die Herren der Königl Bayr. Gesandtschaft Oberst Frhr. v. Gebsattel^LegationSrat Graf v. Ortenburg und LegotionS- attachee Graf v Almeida; ferner vom III. Senat des Neichsmilitärgerichts Senatspräsident Richter und General major Erhard; sodann die Königl. Bayr. Bevollmächtigten zum Bundesrat Staatsrat v Herrmann, Ministerialrat v. Burkhard und Ministerialrat Kohl, sowie endlich der Königl. bayrische Generalmajor Fasbender. Es waren ferner geladen Reichskanzler Fürst v Bülow, Staats sekretär des Auswärtigen v. Tschirschky und Bögendorff und die Chefs der Kabinette. Se Majestät der Kaiser saß zwischen dem Reichskanzler und dem Grafen Lerchen- seld, gegenüber saß Ihre Majestät die Kaiserin zwischen dem Prinzen August Wilhelm von Preußen und dem Fürsten zu Solms-Baruth. Abends um 11 Uhr 15 Min. reiste Se. Majestät der Kaiser vom Lehrter Bahnhof nach Wilhelmshaven ab. Im Gefolge befanden sich Generaladjutant Admiral Frhr v Senden-Bibran, Generaladjutant General der Kavallerie v. Scholl, Admiral ä I» suits Konteradmiral v Müller, Hofmarschall Graf v Zedlitz-Trützschler, Flügel adjutant Major v. Neumann-Cosel und Leibarzt General oberarzt Vr. Jlberg. — Die vereinigten Ausschüsse des BundeSratS für Handel und Verkehr und für Zoll- und Steuerwesen und die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen hielten am vergangenen Sonnabend Sitzungen ab. — Die „Nordd. Allg.Ztg." begleitet das Hinscheiden Eugen Richters mit folgenden Worten: Die Nachricht vom Hinscheiden des Führers der Freisinnigen Volks- Partei wird in weiten Kreisen Deutschlands aufrichtige Teilnahme Hervorrufen. Der Tod dieses hervorragenden Parlamentariers reißt eine Lücke in den Reichstag, die noch lange empfindlich zu spüren sein wird. Schon während seiner letzten anhaltenden Krankheit ist im Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhause auch seitens von Führern gegnerischer Parteien, wie auch seitens des Reichskanzlers Fürsten v. Bülow das tiefe Bedauem darüber zum Ausdruck gebracht worden, daß der Abg Richter verhindert sei, an den parla mentarischen Verhandlungen teilzunehmen. Eugen Richter war eine der markantesten und bekanntesten Persön lichkeiten im Reichstage; er genoß allgemeine Wert schätzung, weil er sich auch bei denen, die seine politische Richtung grundsätzlich für verfehlt, unfruchtbar und für das neue Reich verhängnisvoll hielten, doch persönlich Sympathien als zuverlässiger politischer Charakter zu erwerben verstand. Er war ein ausgezeichneter Kenner des Verfassungs- und VcrwaltungsrechtS, des Budget- und Steucrwescns. Vermöge seiner seltenen Kenntnisse auf finanzpolitischem Gebiet hat er jahrelang bei den Etatsberatungen im Reichstag wie im preußischen Ab geordnetenhaus? eine hervorragende Rolle gespielt. Außer durch sein umfaßendes Wissen auf den wichtigsten politi schen Gebieten war Richter aber auch ausgezeichnet durch ungewöhnliche Rednergaben In der Debatte bewährte er Gewandtheit, Übung und Schlagfertigkeit in hervor ragendem Maße Politisch bewährte er sich in seiner Stellungnahme gegenüber der Sozialdemokratie. Die Versuchung, der andere freisinnige Politiker erlegen sind, die Ziele deS Freihandels auf einem dem tiefsten Geiste des Parlamentarismus zuwiderlausenden Weae zu ver ¬ wirklichen, hat er widerstanden. Trotzdem er im Jahre 1902 da» deutsche Zolltarifgesetz auf das entschiedenste bekämpfte, nahm er mit seiner Partei doch nicht an der Obstruktion teil, durch welche die Sozialdemokraten und die Freisinnige Vereinigung das Gesetz zu Fall zu bringen suchten. Hieraus entsprang ein scharfer Kamps der Frei sinnigen Volkspartei gegen die Sozialdemokratie wie auch gegen einige Führer der Freisinnigen Vereinigung, bei dem die letzteren, wie sich bald herausstellte, den kürzeren gezogen hatten. Richters Programm enthielt im Gegen satz zu der Barthschen Auffassung den Kampf nach rechts und nach links, und wenn er als eifriger Gegner der auf den Ausbau unserer Wehrmacht zu Lande und zu Wasser gerichteten Polltik, der WirtschastS-, Steuer- und Kolonialpolitik der Regierung auch lange Jahre eine den Interessen de» Reiches nicht förderliche Tendenz verfocht und als Parlamentarier sich vorzugsweise in einer negierenden und darum oft unfruchtbaren Opposition? stellung hielt, so hat er anderseits doch auch in Wort und Schrift seine markante Stellung gegenüber der Sozialdemokratie stets mit aller prinzipiellen Schärfe aufrechterhalten und sich durch seine einschneidende Kritik der Ziele und Wege dieser Partei zweifellose Verdienste erworben. Die „Deutsche Tageszeitung", das Organ des Bundes der Landwirte, weist darauf hin, daß nicht nur die engeren Parteifreunde, sondern auch die Konservativen der Bahre Richters nicht fern bleiben werden. Auch die Regierung werde den Verlust eines in seiner Art unersetzlichen Mitarbeiters schmerzlich empfinden. Nach dem das agrarische Blatt sodann die Stellung Richters zu dem Fürsten Bismarck und zur Sozialdemokratie ge schildert hat, fährt es fort: „Sicherlich war Eugen Richter ein glänzender Redner, und das in der Zeit der Blüte des deutschen Parlamentarismus, aber er war noch mehr, er war das, was man im modernen politischen Leben immer seltener findet, er war ein politischer Charakter. Ein mannhafter Streiter, ein auf rechter Geselle, der gerade in seiner Steifnackigkeit ein gut Stück echten Teutonentums verkörperte, der m seiner gedrungenen Gestalt mit den breiten Schultern und dem starken Nacken an den deutschen Bauer erinnerte, von dem ihn je länger je mehr seine wachsende Verständnis losigkeit für dessen natürliche Lebensinteressen trotz aller Annäherungsversuche trennte." — Der dem Reichstage zugegangene Geschäfts bericht deS Reichsversicherungsamts für 1905 läßt erkennen, daß wieder die beträchtlichsten Summen für die staatliche Unfall-, sowie Invaliden- und Alters versicherung verwendet worden sind. Die Entschädigungen, die für die Unfallversicherung im Berichtsjahre gezählt wurden, beliefen sich auf 136,2 Mill. M und waren um 9,5 Mill. M. gegen 1904 gestiegen. Die Zahl der erstmalig entschädigten Unfälle betrug 141277. Ent schädigungen wurden an 812 817 Verletzte, 69 698 Witwen und Witwer Getöteter, 100 563 Kinder und Enkel Getöteter, sowie 3805 Verwandte der aussteigenden Linie Getöteter gezahlt. Außerdem erhielten noch rund 47 900 Ehefrauen, Kinder re. von Verletzten, die in Heil anstalten untergebracht waren, Unterstützungen, so daß im Berichtsjahre zusammen 1034 773 Personen Bezüge auf Grund der Unfallversicherung zuteil geworden sind Die Entschädigungen aus der reichsgesetzlichen Invaliden versicherung im Jahre 1905 sind einschließlich des Reichszuschusses auf etwa 160 Mill M. zu schätzen. Die Zahl der bewilligten Renten belief sich auf 145412. Hiervon kamen aus die Invalidenrenten 122 869, auf die Krankenrenten 11 871 und auf die Altersrenten 10 672. Die Zahl der bewilligten Invalidenrenten ist gegen die Vorjahre, von denen 1903 mit 152 871 die Höchstzahl erreicht hatte, bedeutend zurückgegangen, sie steht hinter der des Jahres 1900, die sich auf 125 739 belief, zurück. Hieraus wird man entnehmen können, daß die Befürchtungen, eS würde sich die Erhöhung der Beiträge nötig machen, unbegründet ist Die Zahl der am 1. Januar 1906 laufenden Renten machte 934 983 aus, wovon 780 762 auf die Inva liden-, 20141 auf die Kranken- und 134 080 auf die Altersrenten kamen Rechnet man zu dieser Gesamt- Annst und Wissenschaft. Nefidenzthcater. — Am 10 d. M : „Don Cesar". Operette in drei Akten (mit teilweiser Benutzung eine» Stoffes von Dumanoir) von O. Walther. Musik von Rudolf Dellinger Für den mit Ablauf dieser Spielzeit aus dem Lperettcnensemble des Residcnztheaters scheidenden Hrn. Schwaiger bewarb sich Hr. Bruno Bellmann in der vorgestrigen Aufführung des Dcllingerschen Werkes in der Partie des Königs um das Fach des Baritons. Der Künstler führte sich vorteilhaft ein. Er hat ein nicht allzugroßes, aber sehr sympathisch beschaffenes, in den mittleren und tiefen Chorden volles, in den höheren genügend ergiebiges Organ von echt baritonaler Färbung, da» wohlgebildet ist und geschmackvoll gebraucht wird. Alle Wahrnehmungen in Gesang und Spiel weisen darauf hin, daß Hr Bellmann entweder bisher noch gar nicht oder erst seit kurzer Zeit der Operette angehört; sein Spiel ist infolgedessen zunächst noch nicht beweglich, sein GesanaSvortrag nicht flüssig und leicht genug, um im Ensemble des Residenztheaters voll bestehen zu können; aber dieser scheinbare Mangel bedeutet in Wahrheit einen Gewinn, insofern eS nie von Schaden sein kann, «inen Sänger mit höherem künstlerischen Fonds zu ge winnen Dem Engagement des Künstlers kann, soweit die kleine Partie, in der er gastierte, ein kritisches Urteil zuläßt, zugestimmt werden. » Nefidenzthcater. — Matinee der „Literarischen Ge sellschaft", Sonntag, den 11. März 1906: vormitagS '-y12 Uhr „Die Kindermörderin". Ein Trauerspiel von Heinrich Leopold Wagner. Bühnenbearbeitung von Josef Ettlinger. Auf Grund der Mitteilungen in Goethes unsterblicher Selbstbiographie ist der früh aus dem Leben geschiedene Heinrich Leopold Wagner der Gruppe talentvoller Dra matiker der Sturm- und Drangpcricde unserer Literatur angegliedert und auf Grund seiner biherzten Wirklichkeits- schilderungcn als Vorläufer und Bahnbrecher des Natu ralismus gefeiert worden. Zwischen die Charakteristik von Lenz und Klinger schaltet Goethe im vierzehnten Buche von „Dichtung und Wahrheit" die Sätze ein: „Vorübergehend will ich nur der Folge wegen noch eines guten Gesellen gedenken, der, obgleich von keinen außer ordentlichen Gaben, doch auch mit zählte. Er hieß Wagner, erst ein Glied der Straßburger, dann der Frankfurter Gesellschaft; nicht ohne Geist, Talent und Unterricht. Er zeigte sich als ein Strebender, und so war er willkommen Auch hielt er treulich an mir, und weil ich aus allem, was ich vor hatte, kein Geheimnis machte, so erzählte ich ihm wie anderen meine Absicht mit Faust, besonders die Katastrophe von Gretchen. Er faßte das Sujet auf und benutzte es für ein Trauer spiel, Die Kindesmörderin. Es war das erstemal, daß mir jemand etwas von meinen Vorsätzen wegschnappte; es verdroß mich, ohne daß ich's ihm nachgetragen hätte. Ich habe dergleichen Gedankenraub und Vorwegnahmen nachher noch oft genug erlebt und hatte mich, bei meinem Zaudern und Beschwätzen so manches Vorgesetzten und Eingebildeten, nicht mit Recht zu beschweren." Man muß zweifeln, ob der Dichter des „Faust", al« er des Vorgangs gedachte, noch eine lebendige Erinnerung an Wagners Trauerspiel hatte, sonst müßte ihm bei- gesallen sein, daß der Gedankenraub an seiner Faust dichtung dem Kollegen in der Frankfurter Advokatur und in Apoll nicht viel mehr zugute gekommen mar, al« dem wackeren Ofentöpfer der Tonklumpen, den er au« der Werkstatt eine« großen Bildhauer« davonträgt Das begrenzte Verdienst der „Kindermörderin" H. L. Wagners liegt in ganz anocrer Richtung als in der Wegschnappung des Goetheschen Grctchenmotivs, von dessen seelischer Tiefe, poetischem Vollgehalt und er schütternder Macht der Vorwegnehmer trotz seines Ver kehrs mit Goethe keine Ahnung hatte Heinrich Leopold Wagner gehörte zu den Strebenden, die schlichte und derbe Genrebilder, die sie unmittelbaren Lebenseindrückcn entnehmen, nicht dichterisch zu beseelen, sondern durch die Tendenz aufzuhöhen trachten. Die Tendenz aber ist keine andere, als die, von der Goethe gleichfalls im Werke „Aus meinem Leben" ironisch berichtet. „Von dieser Zeit an wählte man di: theatralischen Bösewichter immer aus den höheren Ständen; doch mußte die Person Kammer junker oder wenigstens Geheimsekretär sein, nm sich einer solchen Auszeichnung würdig zu machen. Zu den aller- gottlosesten Schaubildern aber erkor man die obersten Chargen und Stellen des Hof- und Ziviletats im Adreß kalender, in welcher vornehmen Gesellschaft denn doch noch die Justitiarien als Bösewichter der ersten Instanz ihren Platz fanden " In diesem Sinne darf man den Verfasser der Trauer spiele „Die Reue nach der Tat" und „Die Kinder mörderin", ebensowohl als einen GeisteSgenossen Groß manns und Ludwig Philipp Hahns, denn als einen solchen Lenzens und Klingers bezeichnen, in diesem Sinne ist er unzweifelhaft einer der Vorläufer des jugendlichen Schiller, wie August Wilhelm Ifflands, in diesem Sinne läuft eine Wellenlinie verwandter Tendenz von Heinrich Leopold Wagner bis zu Sudermann und Han« Adam Beyerlein Und die Tragik, die auf den Gegen sätzen dünkelvoller und genußsüchtiger vornehmer Schlechtig keit und kleinbürgerlicher Bravheit, auf den Wirkungen des feindseligen Selbstgefühl» schroff geschredener Stände und Lebenskreise beruht, kehrt unablässig wieder. Für die tendenziöse Lebensschilderung und für die Empfänglichkeit, die von Geschlecht zu Geschlecht sich an dieser Schilderung erbaut, ist Hebbels großes Werk von der Notwendigkeit das bürgerliche Trauerspiel aus seinen inneren, ihm allem eigenen Ele menten, aus der schrecklichen Gebundenheit des Lebens in der Einseitigkeit herauszubilden, noch immer nicht ge sprochen. Oder vielmehr die Lebensdarstellcr der be zeichneten Art samt ihrem Publikum glauben nach wie vor jene eigensten Elemente im „Mangel an Geld bei Überfluß an Hunger und im Zusammenstoß des dritten Standes (zu dem seitdem der vierte hinzugekommen ist) mit dem zweiten und ersten in Liebesaffären" zu erkennen. Vergegenwärtigt man sich dies, so liegt ein kulturhisto risches Interesse an dem Grundton, wie an gewissen Einzelheiten der Werke H L Wagners auch der Gegen wart nahe Nimmt man hinzu, daß der Tcndenzdrama- tiker der Sturm- und Drangzeit die Wirkungen de« Dialekt» zu denen seiner Handlung und Gestalten hinzugemischt hat, daß die Schicksale tendenziöser Sensationsstücke von heute: leidenschaftliche Proteste der entrüsteten Honettität, und Polizeiverbote der theatralischen Vorführung seines Trauer spiels auch ihm nicht erspart wurden, so bedarf es gar nicht einmal der Berufung auf Goethe und Schiller, um die gestrige Darbietung der Waznerschen „Kindermörderin" an die Mitglieder der „Literarischen Gesellschaft" vollauf zu rechtfertigen Ob zur Zurückversetzung in die Atmosphäre der großen Gärungsepoche im letzten Drittel de« 18. Jahrhunderts nicht die Wahl eines Drama» von Lenz oder Klinger noch interessanter gewesen wäre, kann man dahingestellt sein lassen. Die Zuschauer fühlten sich lebendig angeregt und gefesselt, ihrer etliche sogar von der Verwandtschaft der „Kindermörderin" mit Schiller» „Kabale und Liebe" überrascht Mit Verlaub, meine Damen und meine Herren Kritiker! Gewiß steckt in dem Metzger Humbrecht ein Keim zum Ctadtmusiku« Miller und im Leutnant v. GroningScck auch ein Keim zum Ferdinand v. Walter Allein e« gibt em
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite