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STEINSAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Dienstag, den 9. Februar 1965, 19.30 Uhr .KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Mitwirkende: Anita Popken, Sopran Gerhard Rolf Bauer, Cembalo und Klavier Helmut Rucker, Flöte; Johannes Hendel, Flöte Hans-Joachim Bauer, Flöte; Helmut Nittel, Oboe Werner Metzner, Klarinette; Helmut Radatz, Fagott Günter Erbstößer, Horn; Alfred Brunn, Horn Peter Schikora, Viola; Erhard Hoppe, Violoncello Barbe Seydel, Harfe Georg Philipp Telemann 1681-1767 Trio für Flöte. Oboe, Violoncello und Cembalo Affettuoso - Allegro - Dolce - Vivace Johann Sebastian Bach 1685-1750 „Jagen ist die Lust der Götter“ Arie für Sopran, 2 Hörner, Cembalo und Violoncello „ Hört doch der sanften Flöten Chor “ Arie für Sopran, 3 Flöten, Cembalo und Violoncello — Pause — Claude Debussy 1862-1918 Sonate für Flöte, Viola und Harfe Pastorale (Lento dolce rubato) Interlude (Tempo di Minuetto) Finale (Allegro moderato ma risoluto) Franz Schubert 1797-1828 „Der Hirt auf dem Felsen“ op. 129 für Sopran, Klarinette und Klavier Paul Hindemith 1895-1963 Kleine Kammermusik für fünf Bläser (Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott) op.24, Nr, 2 Lustig (mäßig schnelle Viertel) Walzer (durchweg sehr leise) Ruhig und einfach (Achtel) Schnelle Viertel Sehr lebhaft ZUR EINFÜHRUNG In seiner Zeit berühmter als Bach war ein Zeitgenosse des großen Thomaskan- tors, Georg Philipp Telemann. Dieser äußerst vielseitige und produk tive Komponist, der in wechselnder Folge höfische, städtische und kirchliche Ämter innehatte — Hauptstätten seines Wirkens waren Leipzig, Sorau, Eisenach und Frankfurt/Main, bevor er seit 1721, schon hochberühmt t die Lebensstellung eines Musikdirektors der fünf Hauptkirchen in Hamburg einnahm — hinterließ uns, obwohl von seinen Werken vieles nicht erhalten blieb, eine unermeßliche Fülle von Kompositionen. Mit ungeheurem Fleiß begabt, schrieb Telemann insgesamt mehr Noten als Händel und Bach zusammen; keine Werkgattung seines Jahrhunderts, die er nicht gepflegt hätte. Sein zu seinen Lebzeiten in fast ganz Europa verbreitetes Werk, das u. a. neunzehn Passionen, mehrere hundert Kantaten und Motetten, über fünfzig Opern sowie etwa sechshundert Instrumentalkompositionen umfaßt, erfreut sich im heutigen Musikleben mit Recht wieder einer immer noch zunehmenden Beachtung und Pflege. Unter den überaus zahlreichen Instrumentalwerken Telemanns für Kammer musikensembles begegnen wir den verschiedenartigsten, oft sehr interessanten Besetzungskombinationen und Formen. Das heute erklingende, viersätzig ange legte reizvolle Trio für Flöte, Oboe, Violoncello und Cembalo gehört als Nr. 4 zum 2. Teil (1733) der berühmten „Musique de table" („Tafelmusik") des Mei sters, deren drei Teile, aus je sieben Nummern bestehend, in unterschiedlichsten Besetzungen und Formen (u. a. Ouvertüren-Suiten, Quartette, Concerti, Soli) einen außerordentlichen Reichtum an geistvoller, erfindungsreicher und farbiger Musik enthalten. Zwei Sopranarien aus weltlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs setzen unser Programm fort. Die Arie „Jagen ist die Lust der Götter" entstammt der sogenannten „Jagdkantate" („Was mir behagt, ist nur die muntre Jagd"), von Bach in seiner Weimarer Zeit als Geburtstagskantate für eien Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels zum 23. Februar 1716 komponiert, der an diesem Tage ein großes „Kampff-Jagen" veranstaltete. Nach dem Geschmack der Zeit bringen in diesem musikalisch sehr fein gearbeiteten Werk, das übri gens Bachs erste weltliche Kantate war und in der Folge — mit kleinen Ände rungen — noch für mehrere ähnliche Anlässe verwendet wurde, verschiedene Gottheiten der griechischen Mythologie dem Geburtstagskind ihre Huldigungen dar; sc- auch Diana, die Göttin der Jagd, der die von zwei Hörnern begleitete erste Arie der Kantate zugewiesen wurde. Gleichfalls als Huldigungskantate ist die Kantate „Schleicht, spielende Wellen" geschrieben worden, aus der die Arie für Sopran, drei Flöten und Continuo „Hört doch der sanften Flöten Chor" entnommen ist. Diese Komposition Bachs entstand wesentlich später, zum Geburtstag seines damaligen Landesherren August III. von Sachsen am 7. Oktober 1733. Der textliche Vorwurf (vier Flüsse, Donau, Elbe, Pleiße und Weichsel, huldigen hier dem Fürsten und preisen das Glück der von ihnen durchströmten sächsisch-polnischen Lande) gab dem Kom ponisten Anlaß, in vielgestaltiger, meisterhafter Weise das wechselnde Wellen spiel zu malen. Die melodische, sanfte Flöten-Arie, die neunte Nummer der Kantate, stellt die Arie der Pleiße dar. Wie die impressionistischen Maler die feinen Linien zugunsten der Farbe zu rücktreten ließen, gab Claude Debussy, der größte musikalische Impres sionist, die formale Logik im Musikalischen zugunsten der Farbwerte der Klänge auf. Seine Musik wendet sich weniger an den Verstand als vielmehr an das Gefühl, an die Empfindungswelt des Hörers. An der ihn umgebenden Umwelt reizte ihn nicht das Konkrete, Greifbare, sondern vielmehr das Atmosphärische