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Scherzi ist eine tiefe, höchst persönliche und ausdrucksstarke Aussage von echt romantischer Prägung verschmolzen mit einer glänzenden Virtuosität, die jedoch niemals wie in den Schöpfungen anderer bekannter Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, beispielsweise Fields, Hummels und Kalkbrenners, zum Selbst zweck wird. Von größter Bedeutung für Chopins Schaffen war die Volksmusik seiner polnischen Heimat, von der er sich schon seit frühester Jugend angezogen fühlte. Ein glühender Patriot, schöpfte der Komponist, den Freiheitsbestrebungen und dem nationalen Erwachen seines Volkes stets eng verbunden, aus den polnischen Volkstänzen und -liedern die farbige Harmonik, die gesangvolle, figurationsreiche Melodik und die erregende, leidenschaftliche Rhythmik, die seine Werke auszeichnen, und gab als erster dem nationalen polnischen Stil in der musikalischen Literatur Weltgeltung. Neben den von ihm besonders ge pflegten intimen, lyrisch-poetischen kleinen Formen der Klaviermusik besitzen wir von Chopin auch einige wenige größere Werke für Klavier und Orchester, in denen die spezifischen Eigenschaften seines durch nationale Tradition, roman tische Haltung, virtuosen Glanz und unerschöpfliche Phantasie gekennzeichneten Stiles gleichfalls zum Ausdruck kommen; so außer den zwei bekannten Klavier konzerten, die heute zur Aufführung gelangen, und der Grande Polonaise Es-Dur ein Rondo ä la Krakowiak, eine Fantasie über polnische Lieder und Variationen über ein Thema aus Mozarts „Don Giovanni". Chopin vollendete sein Klavierkonzert e-Moll op. 11 ebenso wie das f-Moll- Konzert op. 21 im Jahre 1830. Da das e-Moll-Konzert op. 11 1833 als erstes veröffentlicht wurde, trägt es allgemein die irreführende Bezeichnung 1. Klavier konzert, obwohl es nach dem f-Moll-Konzert entstanden ist. Das am 11. Oktober 1830 in Warschau mit dem Komponisten als Solisten uraufgeführte Werk ist dem damals hochgeschätzten deutschen Klaviervirtuosen und Pädagogen Fried rich Kalkbrenner gewidmet. Diese Widmung erklärt auch die betont virtuose Anlage des klar und übersichtlich geformten Konzertes, das bezeichnendes Licht auf den typisch romantischen Geist seines Schöpfers wirft. Ein längeres Orchestervorspiel stellt das thematische Material des ersten, in Sonatenform angelegten Satzes vor (Allegro maestoso). Zwei Themen mit elegant-sentimentalem Charakter bieten Chopin Gelegenheit zu ornamentaler, figurativer, phantasievoll-virtuoser Arbeit. Das Klavier bemächtigt sich bald der führenden Rolle, während das Orchester fortan — wie überhaupt in den Kon zerten Chopins - nur noch untergeordnet in Erscheinung tritt. Der ganze Reich tum der schöpferischen Phantasie Chopins entfaltet sich im Klavierpart. Ein zauberhaftes Klangbild stellt der zweite Satz, eine Romanze, dar mit typischem Nocturne-Charakter. Der Komponist schrieb über diesen Satz, das seine Stim mung „romanzenhaft ruhig und melancholisch" sei, daß er „den teuren Anblick des Fleckens Erde vor uns erstehen lassen soll, wo tausend liebe Erinnerungen sind ... So ein Hinträumen von einer herrlichen Stunde im Frühling, bei Mon denschein." Dem Rondofinale (Vivace) gibt der Rhythmus des feurigen polni schen Volkstanzes Krakowiak sein sprühendes Gepräge. Virtuose Passagen und Läufe des Solisten führen am Schluß des Konzertes zu einem wahren brillanten Feuerwerk, zu tänzerischer Entfesselung — konsequenter Gipfelpunkt eines aus gärender, jugendlicher Leidenschaftlichkeit heraus geborenen Werkes, das die erste Schaffensperiode des polnischen Meisters beschloß. Auch sein Klavierkonzert f-Moll op. 21 vollendete Chopin im jugendlichen Alter von kaum 20 Jahren. Die Uraufführung des Werkes, bei der der Komponist gleichfalls den Solopart selbst übernommen hatte, fand am 17. März 1830 in Warschau statt. Obwohl das f-Moll-Konzert bei seiner späteren Veröffentlichung im Jahre 1836 der polnischen Gräfin Delfina Potocka gewidmet wurde, war es ursprünglich unter dem Eindruck seiner Jugendliebe zu Konstancja Gladkowska, einer Opernsängerin am Warschauer Nationaltheater, entstanden. Das Konzert, mit dem Chopin übrigens auch in Paris debütierte, knüpft zwar in seiner for malen Anlage und in technischer Hinsicht an die virtuosen Klavierkonzerte der Zeit an, zeigt sich aber in seiner Tiefe des Gefühls, seiner Poesie, seiner reich figurierten typischen Melodik und in seiner bezaubernden jugendlichen Frische und Leichtigkeit bereits als echtes Werk seines Schöpfers. Der erste Satz (Maestoso) entwickelt sich in seinem Verlauf zu einem ausgeprägt virtuosen Musikstück. Auf zwei kontrastierenden Themen, einem betont rhyth mischen und einem eher lyrisch-ausdrucksvollen, aufbauend, bringt der Satz in seiner Durchführung statt einer Verarbeitung dieser Themen im Sinne drama tischer Spannung und Entspannung eine reiche Ausdeutung des thematischen Materials durch die Erzeugung wechselnder Stimmungen, wobei das Soloinstru ment mit glitzernden Passagen, brillanten Läufen und feinen, arabeskenhaften Ornamenten die Grundgedanken virtuos umspielt. Das folgende Larghetto ge hört zu Chopins poetischsten Einfällen überhaupt. Dieser schwärmerisch-innige Satz, der von einem bezaubernden Nocturne eingeleitet wird, scheint in seiner wundervollen, liedhaften Melodik, seiner damals ganz neuartigen harmonischen Sprache den von verhaltener Erregung durchglühten Ausdruck reinster, zärt lichster Gefühle widerzuspiegeln. Nach einem leidenschaftlich-bewegten Mittel teil (Appassionato) erklingt noch einmal, jetzt ganz zart und verträumt, der Ein leitungsteil des Larghettos. Das Finale des Werkes (Allegro vivace) ist ebenso wie der Schlußsatz des e-Moll-Konzertes in freier Rondoform angelegt und von tänzerischem Schwung erfüllt. Drei polnische Volkstänze bestimmen die rhyth mische Gestaltung des wirkungsvollen, elegant-bravourösen, aber auch lyrischer Episoden nicht entbehrenden Satzes. Neben dem ständig wiederkehrenden Hauptthema, einer Melodie im Rhythmus des Kujawiaks, eines nicht übermäßig schnellen Tanzes im 3 / 4 -Takt mit unregelmäßigen Akzenten auf dem zweiten oder dritten Taktteil, begegnen Teile in Mazurkaform und endlich in der feuri gen, glanzvollen Schlußcoda auch der Rhythmus des wirbelnd dahinjagenden, raschen Obereks. Urte Härtwig / Dr. Dieter Härtwig Vorankündigung: 13./14. Februar 1965, 19.30 Uhr Sonderkonzert Dirigent: Takashi Asahina, Japan Beethoven-Abend 20./21. Februar 1965, 19.30 Uhr 11. Außerordentliches Konzert Dirigent: Gerhard Rolf Bauer Solist: Gabor Gabos, VR Ungarn H. W. Sachse Sinfonia serena J. Haydn Klavierkonzert D-Dur J. Brahms Klavierkonzert d-Moll Vorverkauf: Konzertkasse Postplatz; Ziegenbalk, Schillerplatz; Theater und Musik, Rosa-Luxemburg-Straße 7 S °NDER KONZ ER1 III 9 14 EMZ 165 05 It-G 009/9/65