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an seine Eltern vom November 1885 findet sich die erste Mitteilung über dieses Werk, das er seiner Mutter gegenüber später als sein „Klavierkonzert“ bezeich nete. Die Burleske wurde von Strauss ursprünglich für Hans von Bülow kompo niert, der sie aber für unspielbar erklärte und dazu äußerte: „Jeden Takt eine andere Handstellung, glauben Sie, ich setze mich vier Wochen hin, um so ein widerhaariges Stück zu studieren?“ Strauss widmete das Werk dann Eugen d'Albert, von dem es 1890 in Eisenach unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt wurde. Die einsätzig und in der traditionellen Form eines Sonatensatzes angelegte Komposition erfreut sich dank ihres musikantischen Schwunges und der Brillanz ihres sehr anspruchsvollen Solopartes bis heute der Gunst der Pianisten. Obwohl das geistvoll-virtuose, fröhlich-charmante d-Moll-Stück in seiner musikalischen Sprache noch deutlich den Einfluß großer Vorbilder — namentlich Brahms’ — erkennen läßt, zeigt es in vielem doch bereits den originellen Stil des jungen Komponisten (der allerdings später meinte, daß es „miserabel instrumentiert" sei und ihm keine Opuszahl zuerkannte). Zwischen Soloinstrument und Orche ster kommt es zu einem munteren, launigen Wettstreit, wobei das kecke Pauken- Kopfmotiv des Anfangs eine große Rolle für den Verlauf des Werkes spielt. Für die Besetzung-Klavier und Orchester komponierte Bela Bartök in allen Schaffensperioden: 1904 entstand als op. 1 die Rhapsodie für Klavier und Orchester, 1926 — in der mittleren Schaffensphase — das 1. Klavierkonzert, dem 1931 das auf unserem heutigen Programm stehende zweite folgte. 1945 schließ lich schrieb er als eine seiner letzten und ergreifendsten Schöpfungen das 3. Klavierkonzert. Bartöks 2. Klavierkonzert wahrt die klassische Dreisätzigkeit, wenn auch der zweite Satz ein von Adagio-Teilen umschlossenes Scherzo ist (Adagio - Presto — Adagio) und somit eigentlich beide Innensätze des sinfonischen Zyklus in sich vereinigt. Indem Bartök im Schlußrondo thematische Gedanken des ersten Satzes erneut verarbeitet, spannt sich über das ganze Werk ein für den Komponisten bezeichnender einzigartiger Spannungsbogen. Die bestimmenden Kräfte in dieser Komposition sind eine wahrhaft elementare Rhythmik und musi- kantische Vitalität, die dem sehr bedeutenden, substanzreichen Konzert das ganz eigene Gepräge verleihen. Große Sorgfalt hat der Komponist offenbar der geschliffenen formalen Seite gewidmet. Gegenüber dem 1. Klavierkonzert füllt ein größerer Reichtum an orchestralen klavieristischen Farbwerten auf, eine stärkere Einbeziehung diatonischer Elemente im Melodischen und Harmonischen, Bereiche, die vorher vor allem chromatisch orientiert waren. Kontrapunktischer Gestaltungen bedient sich Bartök besonders im geistvollen, lediglich von Bläsern begleiteten ersten Satz (Allegro). Im Mittelsatz kontrastiert eine erregende Presto-Episode zu den getragenen Streicherklängen, dem Klavier-Rezitativ mit Pauke des Adagios. Im Finale (Allegro molto) walten wieder entfesselte musi kalische Urkräfte, fasziniert der Gedankenreichtum des großen ungarischen Meisters. Maurice Ravel (1875—1937), einer der prominentesten Vertreter franzö sischer Musik um die Jahrhundertwende, begann zunächst in direkter Nachfolge Debussys. Später erst fand er zu einem eigenen Stil. „Ravel ist ein typischer französischer Musiker: auf dem gleichen Boden erwachsen wie Couperin und Rameau, und wie der letztere verbirgt er meisterhaft die Kunst eben durch die Kunst selbst“, schrieb einmal H. Prunieres. Was ist es, das an Ravels Musik so fasziniert? Das Unbeschwerte, Graziöse, Charmante, Zauberhaft-Leichte, Witzige, aber auch das klanglich Rauschhafte. Charakteristisch sind für sein Schaffen auch die Beziehungen zur spanischen Folklore, die sich am erregendsten wohl in dem berühmten „Bolero“ niederschlugen, aber auch in der „Rhapsodie espagnole“, in der einaktigen Oper „Eine spanische Stunde", in „L’Alborado del Grazioso“ zum Ausdruck kommen. „Das Spanische bedeutete im Lebenswerk von Maurice Ravel mehr als eine pittoreske Note, eine farbige Nuance. Der Sohn eines Franzosen und einer spanischen Mutter fühlte sich seinem Wesen zutiefst ver bunden" (Armand Hiebner). In seinem Spätschaffen, das u. a. von Strawinsky und Schönberg nicht unbeeinflußt war, wurde sein Stil — im Gegensatz zu Debussys — kräftiger, realistischer und erstrebte wieder klare Formen. Ravel, der Spätromantiker, typischer Verteter des fin de siede, verkörpert die abklin gende bürgerliche Musikkultur seines Landes wie in Deutschland Richard Strauss etwa oder in Spanien Manuel de Falla. über sein volkstümlichstes Werk, den „Bolero“, der unser heutiges Konzert beschließt, schrieb der Komponist: „1928 habe ich auf Wunsch von Frau Ida Rubinstein einen .Bolero' für Orchester komponiert. Es ist ein Tanz in sehr gemäßigter Bewegung und stets gleichförmig, sowohl in der Melodie und der Harmonie wie in seinem Rhythmus, den die Trommel unaufhörlich markiert. Das einzige Element der Abwechslung bringt hier das orchestrale Crescendo.“ Das Werk, das man einmal treffend ein „erstaunliches Karussell der Klänge" genannt hat, wurde zum erstenmal am 20. November 1928 zusammen mit „La valse“ als Ballett in der Choreographie Ida Rubinsteins an der Pariser Oper aufgeführt. An diesem Tage trat es seinen wahrhaft triumphalen Weg durch die Konzertsäle der Welt an, seinen Schöpfer schlagartig berühmt machend, der es auch selbst gern dirigierte, eigenartig trocken, gleichförmig, beinahe langsam im Tempo. Die Interpretation des „Bolero" hat die Musikwissenschaft vor ein interessantes Problem gestellt. Nennt ihn Roland-Manuel eine „Spielerei seines Schöpfers", so wirft der Musikwissenschaftler Jules van Ackere den Begriff „Mystifikation" in die Debatte, erwähnt aber zugleich selbst die Möglichkeit, daß es sich auch um eine einfache Schaustellung einer faszinierenden Kenntnis des Orchesters handeln könnte. Sucres vermeinte sogar, im „Bolero" das klin gende Bild des unheilbaren Leidens zu sehen, das Ravels Verstand an seinem Lebenabend zerquälte, eine Art tragischen Totentanzes, das Bekenntnis eines Alpdruckes. Diese Deutungsversuche streben bewußt über die Angabe des Kom ponisten hinaus, der seinen „Bolero" lediglich als Instrumentationsstudie auf faßte. Obwohl diese Bescheidenheit sehr für den Autor spricht, hat er doch mit dem Werk sehr viel mehr gegeben, ein faszinierendes, aufwühlendes Stück Musik,