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Wenn wir heute mit „Kind und Kegel" ins Bad reisen, ob mit Badezug oder Auto, und es uns dort gemütlich und so zwangslos, wie möglich, machen, dann empfindet das die heutige Jugend als etwas ganz selbstverständliches. Dabei brauchte sie nur Mutter oder - gar Großmutter zu befragen, um zu hören, daß dies in deren Jugend absolut nichts selbstverständliches war.. ES geht hier, wie in allen Dingen, die dem Wandel' der Zeiten unterworfen sind, und was wäre das nicht?!. So haben auch Badereisen und Badeleben ihre beso-n-i dere reichhaltige Geschichte. Daß unsere Altvordeven, die Männer und Frauen der Germanen, gemeinsam Flußbäder genommen haben, ist eine bekannte Tatsache. Auch im klassischen Altertum, war das Bad, das man dem mit dem Staub der Landstraße bedeckten Gast freund bot, — besser notwendiger Weise bieten mußte, — das erste, das ihn beim Betreten des Hauses er wartete. Hiermit ist allerdings nichts von dem Vev- bunden, was die „Mode" des Badens betrifft. Nch> doch gab es schon ein „Altrömisches Modebad", und daS war der auch heute noch reizvolle Golf von Bajä. Heute sind allerdings außer den Reizen der Natur wenig Erinnerungen mehr vorhanden von den üppigen Gärten, dem Blumenflor und den Hainen, die einst hier zum Genießen cinluden; nichts mehr von dem Kunstanlagen und der unzähligen Menschenmenge, die sich an ihnen und der Natur erfreute. Alle Lobreden der damaligen Zeit auf Bajä galten hauptsächlich den verfeinerten Genüssen des Bades. Durch Kunst und Aufwand hatten die Römer der ersten Kaiserzeit sich Bajä zu einem Ort des Vergnügens und des Wohl lebens gemacht, wie es allerdings in seiner Art keinen zweiten in der ganzen Welt gab und wie er der Be schreibungen jener Lobreden zufolge würdig gewesen ist. Daß selbst im sechsten Jahrhundert Bajä noch im Rufe eines heilsamen und gesunden Aufenthaltes stand, beweist ein Schreiben des Königs Athalarich, worin er einem seiner Offiziere, einen Urlaub nach Bajä zur Wiederherstellung seiner Gesundheit gewährte. Der König preist darin den ^lieblichen Zufluchtsort", die „hellere Sonne", die „schmeichelnde Natur", das treff liche Wasser, die schöne Umgebung und schließt mit den Worten: „Den Strand von Bajä kann nichts über treffen, denn dort kann man sowohl die angenehmsten Zerstreuungen, als das unschätzbare Gut der Gesund heit genießen. Genieße es also, ohne etwas von dem Deinigen zu entbehren. Dein Gehalt werden wir Dir in Gnaden weiter bewilligen." Die nötigen Moneten waren also auch damals schon zur Badereise unent behrlich. s daß wir auch in diesem kaum überholt haben, so z. B. das „römische Bad", das Schwitzbad, Uebergießen mit kaltem Wasser, Ganzpak- kuugen ru-a. Es ist begreiflich, daß beiMwer' derartigen dierBadevet^Om Mütelalter sehr-^brüMBH-Mwvseu sind.. ArnÄMmu testen waren ^junter den dDitschen Badeorten Gic^eku, Wiesbaden, Ems, Wil^adKPMffers stmd ZumtEllnbogen bei Eger. MrM>Hder*Pvstt>itscherWls«erMroheItern war sdas ReistnMs^Bad ganz'bestümrlt kein großes Ver- jgnügen und'doch- gehörte die sommerliche Badereise in ein KmVad zum' guten Tone und allerdings auch zu einer gesundheitlichen Auffrischung. Familiäre Züge waren diesem Badeleben ausgeprägt; man bevorzugte, vor allem nach der Bekömmlichkeit und der Einwirkung auf besondere Leiden, die speziellen Kurorte und traf sich dort oft jahrelang. Der ständige Besuch gewisser Kurorte hcttte eine starke Anziehungskraft, wenn Grö ßen des öffentlichen Lebens auch ständig zu Besuch kamen. So ging Bismarck bekanntlich regelmäßig nach Ktssingen und Gastein, der alte Kaiser Wilhelm I. be vorzugte Bad Ems, der ehemalige König Eduard von England war als langjähriger Kronprinz ein ton angebender Gast in vielen Badeorten der internati onalen eleganten Welt. Der Badeaufenthalt hatte so Werren, noch in seiner umfassenden Korresponoenz, noch in Eckermann's Gesprächen auch nur eine Andeutung. Ja, in „Dichtung und Wahrheit" sagte Goethe einmal: „Unter die damaligen Verrücktheiten gehörte auch das Baden im freien Wasser unter offenem Himmel," — an anderer Stelle meint er, daß das Baden in freier Luft „zu den modernen Sitten nicht Paßlich erscheine". Goethe erzählt uns aber auch, welches Aufsehen die Brüder Stolberg dadurch hervorriefen, daß sie am hellerlichten Tage nackt badeten, was sich aus dem Be griff herleite, man müsse sich in einen Naturzustand zurückversetzen. Dabei gesteht er, daß er der Ver suchung nicht widerstehen konnte, sich seinen Gesellen anzuschließen. Die Erzieher traten dann mit Eifer für das kalte Bad ein, so daß sich die Blicke deutscher Männer nunmehr auch aufs Meer richteten. Schon 1785 hatte ein Prediger Janus den Vorschlag gemacht, auf der Insel Juist bei Norderney ein Seebad zu schaffen. Er aber mit seiner Idee nicht durch gedrungen. Den entscheidenden Anfwg zur Grunonn« veu»-- scher Seebäder gab der geistvolle Georg Christoph Lich tenberg, der 1793 in seinem Göttingischeu Taschen- kalender den vielbeachteten Aufsatz mit dem Titel ver öffentlichte: „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?" Er sagt darin u. a.: „Ein Spaziergang am Ufer des Meeres, an einem Hektaren Sommermorgen, wo die reinste Luft Ehlust und Stär kung zuträgt, macht daher einen sehr starken Kontrast, mit einem in den dumpfigen Alleen der inländischen Kurplätze." Der weitschauende Hufeland trat gegen über einigen ängstlichen Stimmen sehr lebhaft für die Anregung ein. Das erste deutsche Seebad entstand in Mecklenburg, wo auch zuerst kleine Schilderhäuser zum Ausziehen am Ufer errichtet und Brücken in Lie See hinaus gebaut wurden. Nun war der Bann georruyen. rue Naturjawn- heiten des Meeres wurden dann erst durch Heine, Wienbarg und andere Dichter des jungen Deutschlands entdeckt. Bald besaßen die Seebäder alle die gesell-! schaftltchen Einrichtungen der anderen Luxusbäder, ständige Spielbanken, tägliche Bälle, große Tees, splen dide Feste. Die Seebäder haben sich in den hundert Jahren ihres Bestehens wohl zu behaupten gewußt. Jedes Bad, selbst im kleinsten Dorf, rühmt sich, heute besonderer Einrichtungen, die großen wetteiferm in Attraktionen, die in ihrer Vielgestaltigkeit auch eins Bild ausgeprägten Unternehmungsgeistes zeigen. Ditz, IM Mittelalter, Las wir als eine Zett der schllmm- sten geistigen Umnachtung aufzufassen gewohnt sind, herrschten auch sehr vorbildliche hygienische Zustände, eS gab Keinen, ob Alt, ob Jung, der nicht das Baden akS «in Lebensbedürfnis angesehen hätte. Die Verbrei tung der Badestuben war im Mittelalter außerordent- Sch groß. Man kannte in jener Zeit kein größeres Vergnügen als das Bad. Die heiterste Geselligkeit Wmche tu Len Badeanstalten gepflegt und auch die sozi- ÄMWMerfchiede hatten hier zum großen Teil ein Ende. Ameießßiut ist LS übrigens, daß die mannigfaltigen «LWyr^der Bäder schon damals bekannt waren, und starke Reize, aber die Hin- und Rückreise brachten auch Eindrücke, die einen großen Raum in den zahlreichen ReisebLschreibungen von vor Hundert und mehr Jahren einnehmen. Heute wie damals sagte man sich zu Ende des Aufenthalts aus Wiedersehen im nächsten Jahre, und außer den technischen Badeeinrichtungen gab «S auch ganz eigenartige gesellschaftlicher Natur, so kannte man vielfach die „Lästerpromenade", den „Berlobungs- gang" u. a. Goethe war ein treuer und gläubiger An hänger der Kurbäder, er war mit Erfolg mehrfach zur Kur in Karlsbad, er besuchte ost Martenbad, er war in Teplttz und Fvanzensbad heimisch, in Pyrmont uud in Wiesbaden suchte er Erfrischung. Der Besuch deutscher Seebäder, der jetzt überall eine so große Ausdehnung angenommen hat, ist noch nicht viel älter als hundert Jahre. Nach dem Geburts datum käme von einzelnen bekannteren Seebädern un serer Nord- und Ostseeküste zuerst Kolberg, es wurde 1802 gegründet, dann Putbus auf Rügen 1816, Wyk auf Föhr 181-9, Zoppot 1821, Swiuemünde 1825 und Helgoland 1826. Trotz der kleinen Verschiedenheiten der Gründung kann man also die Mode des Badens im Meer auf rund 100 Jahre veranschlagen. Vorher galt eö in Deutschland, und auch anderswo, für ein ebenso kühnes, wie absonderliches Unterfangen, sich den kühlen Meeresstuten anzuvertrauen. So finden wir, um wieder bei Goethe zu bleiben, von Seebädern weder in seinen Ferien an der See sind heute zu einem BedÄrsiM Wester Volkskreise geworden, unbemittelten Kreise« wird nach Möglichkeit zum Seeaufenthalt verholsÄ« namentlich den Kinder«. Alle die bei den Seebäder« üblichen Einrichtungen haben auch Eingang irr örtliche« Strandbädern gefunden, wo teil» natürliche Anlage«! benutzt, teils kirchliche geschaffen wurden. Die Zeiten! der Postkutschen sind vorbei, Wasser und Lust, die bil ligsten Heilkräfte der Natur, werden mutziübig ausge-, nutzt. Das deutsche Badewesen hat sich zu einem Ge sundheitsfaktor ersten Ranges entwickelt, möge « MS Stärkung der Natton in reichstem Maße beitrage«-