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Letzte BertzMImge» O Berlin. 16. Juli Die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten, die am Dienstag begannen, wurden am Mittwoch fortgeführt. Zwischendurch nahmen die Führer der Regierungsparteien zu den von der Sozialdemokratie gestellten Bedingungen Stellung. Die Sozialdemokraten formulierten ihre Bedin gungen dahin, daß die in der Deckungsvorlage enthaltene Kopfsteuer, die sog. Bürgerabgabe, fallen müsse und daß noch Verhandlungen über Aenderungen der Vorlagen zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung notwendig seien. ! von den Regierungsparteien wurden die Forderungen der Sozialdemokratie alsAbsage gewertet. Man teilte den Sozialdemokraten mündlich mit, daß man in ihrem Schrei- j den keine geeignete Grundlage für weitere Verhandlun- > gen über die Deckungsvorlagen erblicke. In der darauf fol- j genden Fraktionssihung der Sozialdemokraten wurde der , Ablehnungsbeschluß erneuert und die Einbringung eines i Mißkrauensantrages beschlossen. Die Episode mll s den Verhandlungen nach links war also am Nachmittag ab- ! geschlossen. i Vollmacht für den Reichskanzler Reichspräsident von Hindenburg hat dem Reichskanzler am Mitlwochvormiltaa die Ermächtigung erweitert und bestä tigt, den Artikel 48 anzuwenden, wenn die Mehrheit für die Veckungsvorlagen nicht zustande kommt, ferner den Reichs tag auszulösen, wenn er den Erlaß des Deckungsprogramms aus Grund des Artikels 48 wieder aufheben würde, oder wenn der Regierung das Mißtrauen ausgesprochen wird, oder wenn sich irgend eine politische Situation ergibt, die einen anderen Ausweg nicht zulaßt Entscheidung im Reichstag Vie Regierung verzichtet auf Weiterberatnng Berlin, 16. Juli. Auf der Tagesordnung der Mittwochsihung des Reichs- «g» stand zunächst der Einspruch des Reichsrat» gegen dS» ueue Amuefiiegeseh. Die namentliche Abstimmung er- ßlbt 296 Stimmen gegen, 146 sozialdemokratische Stimmen stir den Einspruch und 10 Stimmenthaltungen. Präsident Höbe eMrt, zur Zurückweisung de« Ein bruchs wären nach.der Geschäftsordnung in diesem Aalte Äo Llinzmen aolwendig gewesen. Da diese Zahl nicht er- ijWt würde, sei bÄ Reichsrats stattgegeben woMn. Dann wird das B a u k r e d i t g e s e tz für 1S30 ohne Aussprache in zweiter und dritter Beratung angenommen. Das Gesetz über die Verwendung von Inlands- gerste zur Herstellung von Malz wird dem Volkswirt schaftlichen Ausschuß überwiesen. hierauf wird die zweite Beratung der Deckungsvorlage fortgesetzt. Abg. Torgler (Komm.) fordert eine Millionärs steuer, eine 10prozentige Sondersteuer für alle Vermö gen über 500 000 M. Sozialdemokratische Kampfansage Abg. Dr. Breitscheid (Soz): Unsere Stellung nahme ist nicht so sehr bedingt durch dw Gestaltung der ein zelnen Artikel des Gesetzes, als d-rch die politische Gesam»- fituation. Einzelne Bestimmungen de- Gesetzes lehnen sich an die von uns veröffentlichten Richtlinstn. Ganz unannehmbar ist für uns die Bürgersteucr, die man besser Kopf- oder Negersieuer nennen mühte. Bleibt sie im Gesetz, dann lehnen wir die ganze Vor lage ab. Für uns ist die Vorlage auch unannehmbar, weil sie ver knüpft ist mit einer Verschlechterung der Sozialpolitik. Der Konsequenzen unserer Ablehnung sind wir uns bewußt. Die Regierung Brüning ist von Anfang an eine Minderheits- cegierung gewesen. Wir haben unzweideutig unsere Bereitwilligkeit erklär! an der parlamentarischer Verabschiedung der Deckungsvor lage mitzuarbeiten. Die Regierungsparteien scheuen sich offenbar, den Grund für ihre ablehnende Haltung öffentlich mitzuteilen. Die Verhandlungen sind gescheitert. Unsere ablehnend! Haltung zur Deckungsvorlage- steht damit fest. Der Reichskanzler beabsichtigt, zur Durchführung seiner Vor läge den Artikel 48 anzuwenden. Wir halten das für oer fassungswidrig, denn Artikel 48 soll dem Staat helfen, abei nicht einer Regierung aus der selbstverschuldeten Verlegen heit helfen. Wir werden sofort die Aushebung der Notverordnung beantragen und werden dann abwarlen, ob die Deutsch- nationalen ihre Oswositlonsstellung aufgeben werden. Abg. Esser (Ztr.): Tatsächlich sind die Verhandlunger dadurch zum Scheitern verurteilt gewesen, daß die Sozial demokraten den dritten Satz ihres Schreibens in eine ulti mative Form gekleidet haben. Abg. Dr. Lreitscheid (Soz.) erwidert, der dritte Saf habe lediglich die Ablehnung der Bürgersteuer ausgespro chen. Diese Steuer sei aber in der Regierungsvorlage gai nicht enthalten gewesen. Die entschetdeo-e AWmmuug Artikel 2 der Deckungsvorlage (Reichshilfe) kommt nur zur namentlichen Abstimmung. Die Abstimmung er gibt die Ablehnung des Artikels mit 286 gegen 204 Stimmen. Dagegen haben die Sozialdemokraten, Deutschnationa- len, Kommunisten, Nationalsozialisten und die beiden Mit- Akeder der Volkspartei gestimmt. Der Präsident stellt die Ablehnung fest und erteilt dem Reichskanzler das Wort. Reichskanzler Dr. Brünina: Namen» der Reich» regieruna habe ich za erNären, daß die Reichsregierungaus Fortführung der Behandlung der Vorlage keinen Werl Darauf wird der Antrag der Wirtschaftspartei aus Reichstagsouflösung gegen die Wirtschaftspakte! Md Ke Nationalsozialisten abgelehnl. Der tommunisäsche Mißtraueasantrag gegen d« B«Mablqeft mied in namentlicher Abstimmuna mit 244 gegen SS Stimmen bei 1S1 Stimmenthaltungen "abge lehnt. Die Deutschnationalen haben gegen den Antrag ge stimmt, die Sozialdemokraten haben Stimmenthaltung geübt. Die Sitzung wird sodann durch eine halbstündige Pause unterbrochen. Nach Wiedereröffnung der Sitzung wird die zweite Beratung des Osthilfegesehes fortgesetzt. Abg. Hergt (Dnt.) führt aus, im Ausschuß sei das Gesetz verschlechtert worden. Abg. Siegfried (Wirtschaftspt.) begrüßt die Vor lage. Die Osthilfe sei zu einer Herzensangelegenheit des gan zen deutschen Volkes geworden. Dar StaWelmoerbot Erfolgversprechende Einigungsverhandlungen. H: Berlin, 16 Juli (Eig Meld) Gleich nach dem Ausbruch des Konflikts zwischen dem Reichspräsidenten und dem preußischen Ministerpräsidenten wegen des Stahlhelmverbols, setzten versuche zur Beilegung ein, da bei allen Beteiligten die Auffassung bestand, daß es im Interesse Deutschlands liege, den Konflikt so schnell als möglich beizulegen, vom preußischen Minister des Innern waren dem Stahlhelm gewisse Bedingungen gestellt worden, nach deren Erfüllung die Aufhebung des Verbotes erfolgen sollte. Der Stahlhelm hat in einem Schreiben seine Ver handlungsbereitschaft betont, zunächst allerdings einen Teil der Bedingungen abgelehnl. Der preußische Minister des Innern, wäntig, hak dann die Leitung des Stahlhelm auf gefordert, bevollmächtigte Vertreter ins Innenministerium zu entsenden, um über die Aufhebung des Verbotes zu ver handeln. Diese Verhandlungen begannen am Mittwochmittag. Von vornherein stand fest, daß es zu einer Verständigung kommen würde. Die Bestürzung welche die Absage des Reichspräsidenten in den rheinischen Städten hervorgerufen hat, dürfte ihren Eindruck in Berlin nicht verfehlt haben. Die Auswirkungen des Konflikts aus die ReichÄolin'k sind bekannt und in der Oeffentlichkeit leidenschaftlich er örtert worden. Man wollte Hintergründe des Schrittes des Reichspräsidenten erkennen können und diese in einem An griff auf die preußische Regierungskoalition sehen. Eine Erklärung des Reichspräsidenten jedoch, wonach politische Motive ihn nicht zu seinem Schreiben veranlaßt hätten und daß es sich um einen persönlichen Entschluß handele, hat die sen Erörterungen ein Ende gemacht. EWMiboerMduis? Erklärungen Hindenburgs und Prevtzens zum Briefwechsel. Der Reichspräsident legt Wert aus die Feststellung, daß alle Beteiligten schon seit längerer Zeit, zum mindesten seit der Rückkehr des Reichskanzlers Brüning aus Neudeck An fang Juli, von seinem Entschluß Kenptnis gehabt haben, nicht in das Rheinland zu reisen, falls das Verbot des Stahl helms nicht rückgängig gemacht wird. Von preußischer Seite wird hierzu mitgeteilt, daß dem Ministerpräsidenten Braun von der Bedingung des Reichs präsidenten nichts bekannt gewesen sei. Es hätten nur pri vate Unterhaltungen zwischen dem Reichskanzler, dem Reichs innenminister und dem preußischen Ministerpräsidenten statt gefunden. hierbei habe der Reichskanzler gelegentlich ge äußert, es bestehe die Gefahr, daß wenn das Verbot nicht aufgehoben würde, der Reichspräsident seine Reise ins Rhein land aufgeben würde. Mederzulallnng des Stahlhelms in Rheinland und Westfalen Berlin, 17. Juli. Der preußische Minister des Innern bat die nachgeord nelen Behörden in der Rheinprovinz und in der Pronin- Westfalen davon unterrichtet, daß auf Grund der gesterr mit den bevollmächtigten Vertretern der Bundesleitung der Stahlhelms getroffenen Vereinbarung gegen eine etwaig, Neubildung des Stahlhelms in den genannten beider Provinzen keine Anständezu erheben sind. Der Schriti des preußischen Ministers des Innern erfolgte, nachdem ein, vom Ersten Bundesführer Seldte und dem Zweiten Bun desführer Duesterberg unterzeichnete Erklärung einge gangen war. die u. a. die Verpflichtung enthält, daß eine Ausbildung und Uebung der Mitglieder des Bun des im Wasfenhandwerk nicht geduldet wird und Zuwiderhandelnde Mitglieder aus dem Bunde aus geschlossen werden. Frankreich «atz die deutsche Antwort Paris, 16. Juli. Soweit die Morgenpresse sich mit der deutschen Ant wortnote beschäftigt, läßt sich ein deutlich erkennbarer Ge gensatz zwischen den Kommentaren der rechtsgerichteten Presse, die eine Gefahr in der deutschen Antwort erblickt, und der gemäßigten Presse feststellen, die die Antwort als ausreichende Diskussionsgrundlage betrachtet. „Petit Parisi en" meint, die deutsche Antwort note sei viel zufriedenstellender, als dies gewisse Berliner Meldungen hätten voraussehen lassen. „Petit Journal" bezeichnet die deutsche Antwort als ein ernst zu nehmende», in gemäßigten, vorsichtigen Wendungen ab- äesaßtes Dokument, da» man mit der größten Aufmerksam- mit prüfen müsse. „Oeuvre" stellt nach einem Hinweis auf den Grundsatz der Gleichberechtigung aller Ansprüche auf Sicherheit die Frage, ob Frankreich etwa nach 1871 auf dem Berliner Kongreß andere Ansprüche geltend ge macht habe. „VolontL ist der Meinung, daß die in Ton und Inhalt versöhnliche deutsche Antwort die allge meine Friedensströmung nur verstärken könne. Auch „M a- tin" sieht in der Antwort eine grundsätzliche An nahme und ein Angebot positiver Mitarbeit. Ganz anders urteilen die nationalistischen Blätter. > „Echo de Paris" schreibt, die deutsche Regierung habe ' natürlich wieder die Gelegenheit benutzen müssen, um die Revision der Friedensverträge zu verlangen. Mussolini . und sogar gewisse Franzosen seien ihr darin mit gutem Bei- ! iviel vorangegangen „Journal" vertritt den Stand- ' punkt, daß die Auffassung der Reichsregierung von der europäischen Föderation sehr verschieden sei von der Briands und sehr verschieden auch von der der Kleinen Entente und Polens. Auch „Journte Industrielle" befürchtet, daß Deutschland durch seine kühne Auslegung das Briandsch« Memorandum als Argument für die Abänderung der Status quo von Europa benutzen könne. „Figaro" meint, die deutsche Antwort habe nur den einen Zweck, die Revision der Friedensoerträge zu verlangen. Md dar Wort ward Stria... (Borobodur) Aus dem demnächst bei Georg Müller, München, er- heinenden Werke Willi Seidels „Ein Himmel der Farbi- sen" bringen wir mit Genehmigung des Berlages die fol- »ende Episode. Die Schristleitung. Auf der obersten Rundterrafse des Borobudur sitzt ein kuddha und doziert. Während die 71 anderen Abbilder des krhabenen ringförmig geordnet unter gegitterten Stein- «locken hocken, ist er der einzige, der im Freien sitzt, ohne aß schändende Moslemhand ihn köpfte. Seine Glocke ist ge- Das Schützenfest als Volksfest. Volksfeste kann man nicht künstlich machen, sie ent stehen, wachsen und werden unmittelbar aus der DoW- VM. Zu einem solchen Feste gehört in den meisten verlischest Gauen das Schützenfest, auch Vogelschießen genannt. Entstanden die Schützengilden aus der Not der Wehrhastmachung der Städte bereits im 14. Jahr- huudert, so waren die Schützenfeste Ausfluß der Freud« Wer den besten Schützen. „Er hat den Vogel ab geschossen," so verbreitete sich der Ruhm des treff sicheren Helden, und wie sehr das ganze Volk an die ser Freude teilnahm, beweist schon allein die Tatsache, daß diese Redensart als Kennzeichnung einer beson ders guten Leistung in unseren Sprachschatz ausgenom men wurde. Das Volk wollte das Wettschießen sehen und wollte den Sieger feiern. Immer stärker wurde das Leben und Treiben an diesen Festtagen. Wo sich aber das Volk versammelte, da war auch das fahrende Volk zur Stelle, und so ist auch heute vom Schützen fest die allgemeine Volksbelustigung nicht zu trennen. Drese Volksbelustigungen sorgten dafür, daß zum Schützenfest nicht nur die waffengeübten Männer, son dern alle Familienmitglieder aus ihre Kosten kamen Bis auf den heutigen Tag hat sich die anzie hende, alles vereinende Kraft der Schützenfeste er halten. In den Schützenvereinen lebt ein unverwüst- Ycher Kameradschaftsgeist, und der tüchtigste, unermüd lichste Handwerker kennt an den Tagen des Schützen festes nur die eine Pflicht, der Sache seiner Schützen gilde zu dienen. Da gibt es ernste und feuchtfröhliche Sitzungen, da ist der große Festzug, die Schützen- Parade, das Wecken und der Höhepunkt, das König- schießerr. Buntbewegt und froh rst das Treiben de« Menge auf der Vogelwiese. Ist der Königsschuß ge fallen, dann hört das Feiern nicht auf, dafür sorgt schon der Schützenkönig, der während seiner Regie rungszeit sich nicht etwa Sorgen um neue Steuern macht, sondern tief in seinen eigenen Beutel greift, um dem Wohl seiner Untertanen zu dienen. Es geht das Gerücht um, daß von den Untertanen einäs Schützenkönigs noch nie einer verdurstete, denn wi« sich bei den alten Germanen an das edle Kampfspiel «In Gelage mit Bärenschinken und kräftigem Met an schloß, so ist auch der Königstrunk kein harmloser Ge selle, aber der Schütze, der beim Königstrunk seins Zielsicherheit verliert, wird behütet und gepflegt, da mit er bald wieder zu Kräften kommt, denn gar man cher uralte Recke ist unter ihnen, dem die Schützen- Dameradschaft den Lebensabend vergoldet. Das Schützenfest als Volksfest ist eine Flucht doz dem Alltag. All das Beengende, Bedrückende dyl gegenwärtigen schlechten Wirtschaftslage wird einmal abgeschüttelt. In froher Lust tummelt sich Groß und Klein, Vereinen sich alle Stände auf der Vogelwiese und lassen Grillen und Sorgen daheim. So bedeutet das Schützenfest zugleich ein Krästesammeln für di« neue Fron des Werktags. Gute alte Sitten unsere- Urväter werden durch die Schützengilden von Gene ration zu Generation verpflanzt, und die Treue gegen» Uber dem alten Brauch erzeugt in den Herzen de- Schützen auch eine Treue der Gesinnung. Wo ein tüch tiges Schützengefchlecht dafür sorgt, daß die Treu« gegenüber der alten Ueberlieferung und die Treu« des Herzens nicht ermattet, ' w-^ ^as Schützenfest immer ein Volksfest bleib?n Guggenheimftistuug für Raketensorschung. er Bankier Daniel Guggenheim hat an Professor Goddard von er Clark-Univeüität zur schnellen Durchführung der Experi- irnte auf dein Gebiete der Raketensorschung eine hierfür aus eichende Riesensumme überwiesen Man hofft, dadurch schon in llerniichster Zeit eine Air die Wissenschaft wertvolle Rakete sertigzustellen.