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«trmWmMMim, «rW>,ert Berlin. 11. Juli. Das Gesetz über die Vermahlung von Inlandsweizen tritt mit dem 31. Juli d. I. außer Kraft. Da die Regierung jedoch den Versuch mit dem Vermahlungszwang als geglückt betrachtet, hat sie dem Reichstag ein Gesetz vorgelegt, durch welches der Vermahlungszwang auf unbestimmte Zeit ver längert wird Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichs tages nahm diese Novelle gegen die Stimmen der Sozial- dewakratcn und Kommunisten an. gege« die LeüungsVökiagen Benin, 11. Juli. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beschäftigte sich am Dvnuerstag mit der durch die Deckungsvorlage» der Regierung, die Anträge der Regierungsparteien über die Einschränkung der Darlehnspflicht des Reiches bei der Ar beitslosenversicherung sowie der Einführung der Kopfsteuer rnd der durch die Beschlüsse des Sozialpolitischen Ausschusses geschaffenen Lage. Es herrschte Aebereinstimmung, daß alle diese Maßnah men. die die Lasten der Wirtschaftskrise fast ausschließlich den unteren Volksschichten ausbürden, den schärfsten Widerstand der Sozialdemokratie herausfordern. Die vom Sozialpolitischen Ausschuß vorgenommenen Verschlech terungen der Leistungen der Arbeitslosen- und Krankenver sicherung sowie die Aufhebung der Darlehnspflicht des Rei ches werden für die Stellung der Fraktion von entscheiden der Bedeutung sein. Die Katastrophe von Neurode über 150 Tote.. Hausdorf, 10. Juli. Ein klarer Ueberblick über die Lage auf dem von dem Kohlensäureausbruch betroffenen Schacht der Wenzeslaus grube in Hausdorf konnte bisher noch nicht gewonnen werden. Von der 1SZ Mann starken Belegschaft der Abteilungen 17 und 18 konnten bisher nur 49 gerettet werden, die im Reuroder Knappschaftslazarett Aufnahme fanden und für die nach ärztlicher Ansicht auch noch keine Lebensgefahr be- stcht. An Toten wurden 81 geborgen. Alle, die bisher noch nicht über Tag befördert werden konnten, befinden sich in der Abteilung 18, die vollkommen unter Kohlensäuregas liegt, weshalb die Rettungsarbeiten nachts um 12 Uhr abgebrochen wurden, da ein weiteres Vordringen der Rettungsmannschaft mit Lebensgefahr ver bunden war. Die Leitung der Rettungsaktion ist der Ansicht, daß sämtliche noch unter der Erde befindlichen Bergleute als tot zu betrachten feien. Es ist demnach anzunehmen, daß die Zahl der Todesopfer über 150 betragen wird. 2m knavpschaslslazarett wurden 59 Tote aufgebahrk, von denen bisher 51 identifiziert werden konnten. Da es an Raum mangelte, muhten die Toten zum Teil im städti schen Krankenhaus untergebracht werden. Die Erregung unter der Bevölkerung ist naturgemäß sehr groß. Die Belegschaft ist nicht eingefahren, sondern trat, ob wohl sie auf der Grube erschienen war, den Heimweg an. Gefährliche Rettungsarbetten In den frühen Morgenstunden wurden die Rettungs arbeiten mit allen Kräften wiederaufgenommen. Es ist aber noch nicht gelungen, an die Unglücksstelle heranzukommen Der Luftdruck ist noch so stark, daß selbst das Rellungs- gerät versagt und den. Mannschaften die Masken vom Gesicht gerissen werden. Zahlreiche Personen wurden betäubt, andere schwer verletzt. Zwei Steiger mußten ihren Opfermut mit dem Leben bezahlen; der eine er stickte, der andere kam mit einer Hochspannungsleitung in Berührung. In den Mittagsunden war ein Teil der giftigen Gase aus dem Schacht abgezogen; es wurde sofort ein neuer Stoßtrupp eingesetzt, um das Flöz von den herausgeris- fenen Steinen zu befreien. Die Leute kommen jedoch, ob wohl jeder von ihnen mit einem Saueroffapparat ausge rüstet ist, nur sehr langsam und sehr schwer vorwärts. Ein Bild von dem gewaltigen Ausmaß der Katastrophe kann man sich machen, wenn man bedenkt, daß die Gase fast 3000 Meter von dem eigentlichen Ursprung der Kohlensäureexplosion in den hauptschacht der Wen zeslausgrube nach Mölke getrieben wurden. Trotzdem wird immer wieder versucht, die mit Gas verseuchte Grube mit Kompressoren und anderen Mitteln zu ent lüften. Wann die Bergung der Eingeschlossenen gelingt, weiß zur Stunde noch niemand. Wachsende Erregung Die Erregung in Hausdorf, wo fast jede Familie einen oder mehrere Tote beklagt, ist beispiellos, wobei besondere Gerüchte eine Rolle spielen. Der einzige Ueberlebende aus der Abteilung 17, der etwa 500 Meter von dem Ort der Katastrophe entfernt war, erzählt, daß er versucht habe, den Steiger telephonisch zu benachrichtigen. Es fei ihm aber nicht geglaubt worden, daß seine Meldung zuträfe. Später sei er dann mit der Rettungsmannschaft erneut wiedereingefahren. Am vormittag wurde versucht, eine der Wettertüren mit Gewalt zu öffnen. Die Rettungsmannschaften konnten fedoch nicht vordringen, da ihnen erneut Kohlensäuregase entgegenkamen. Roch 70 Bergleute eingeschlossen Hausdorf, 10. Juli. 92 Tote geborgen. — 70 Eingeschlossene. Hausdorf, 10. Juli. Unter Führung von Bergrat Werne fuhren am Don nerstagnachmitkag fünf neue hllfsmannschaften in den Kurt Schacht ein. Es gelang, eine Wettertür zu öffnen und fünf Tote, die dahinter lagen, zu bergen. Gegen 5 Uhr nachmit tag» konnten weitere sechs Mann geborgen werden. Amtttch wird jetzt mitgeleilt, daß zur Belegschaft nicht 193, sonder« 211 Leute zählten, von denen bisher 92 ° tot geborgen sind und 70 als noch eingeschlosseu gelten. Min hofft, daß es möalisein wird, im Laufe der Rächt noch ' ie lobten Toten zu bergen. Die Rente des knaposchaftslazaretts hoffen, die Geret teten in kurzer Zeit entlassen zu können. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen die Leichen frei gegeben. Sonnabend früh 9 Uhr soll im Zechenhaus Mölke eine Tcanerfeier stattsinden. Die Leichen sollen dann in der Rächt zum Sonntag auf dem Reuen katholischen Friedhof in Hausdorf überführt und dort am Sonntag in Massengrä bern beigesetzk werden. M Ursache der Katastrophe Ueber die Ursache der Katastrophe wird von sachverstän diger Seite der Bergverwaltung mitaeteilt, daß diese Katastrophe einzig dasteht. Die Gefahr der Koh- lenfäureausbrüche in Steinkohlengruben ist allerdings seit 1894 bekannt, aber nur etwa drei oder vier Gruben im Waldenburger Bezirk sind der Gefahr des Kohlensäuregases ausgesetzt. Außerdem gibt es nur noch in Südfrankreich eine Steinkohlengrubr, die durch Kohlensäureausbrüche gefährdet werden kann. Das Gas kommt aus den tieferen Schichten der Erdrinde, steigt in den Gesteinsspalten auf und verbrei tet sich über die Kohlenflöße und das benachbarte Gestein. Beim Abbau kann es herausdringen. Im allgemeinen fin det nur eine allmähliche Entgasung unter geringem Druck statt, manchmal sammelt sich aber das Gas an und kommt dann zum Ausbruch. Die Gefahr der Kohlensäureausbrüche hat in den letzten Jahren zugenommen, im Jahre 1929 sind , allein 35 K o h l e n s ä u r e a u s b r ü ch e oorge- , kommen, jedoch ohne ein Menschenleben zu kosten. Die- ! ser Erfolg war den Sicherheitsmaßnahmen zu verdanken, die ' - kr-l- einoeknhri worden sind Die Sick"!-b-its- j maßnahmen bestehen darin, daß man starke Ladungen von Sprengschüsscn von gesicherter Stelle aus elektrisch fernzün- > det, wobei die Mannschaft sich zurückzieht. Damit erschüttert i man das Gebirge und ruft den Kohlensäureausbruch hervor. Diese Einrichtung hat den Erfolg gehabt, daß in den letzten vier oder fünf Jahren keine Unglücksfälle mehr sich ereignet j haben. Worauf der jetzige Ausbruch in der Wenzeslaus- Grube zurückzuführen ist, ist noch nicht geklärt, denn die i Grubenräume sind in weitem Umfange vergast, und man > kann an die Unglücksstelle noch nicht heran. Diese liegt wahr scheinlich in der Abteilung, wo die achtzig Bergleute noch ein- i geschlossen sind. Hindenburgs Teilnahme Der Reichspräsident hat an den Regierungspräsidenten in Breslau folgendes Telegramm gerichtet: „Tief erschüttert durch die Nachricht von dem schweren Unglück, welches das schon so schwer heimgesuchte Neuroder Bergrevier durch die Katastrophe auf der Wenzeslaus Grube erneut betroffen hat, bitte ich Sie, den Hinterbliebenen der ums Leben gekommenen Bergleute den Ausdruck meiner - aufrichtigen Teilnahme und den Verletzten meine besten j Wünsche für baldige Wiederherstellung zu übermitteln. Gott > gebe, daß die noch in der Grube eingeschlossenen Bergleute i' gerettet werden. Als Beitrag zur ersten Hilfeleistung für , die Hinterbliebenen lasse ich Ihnen sofort einen Betrag von zehntausend Mark überweisen. gez. von Hindenburg, Reichspräsident." ! Silfsmabnahmen und Betteidslundgebunge« Das Preußische Slaalsminisierium hat sofort einen Be trag von 100 000 Mark zur Linderung der Rot der Hinter- > bliebenen und der verletzten bereitgestellt. Auch der preußische Ministerpräsident Braun hat tele- s graphisch der Zechenverwaltung und dem Betriebsrat sein j Beileid mit einer Spende von 2000 Mark übermittelt. Weiter haben der Reichskanzler und der Reichsarbeits- j Minister der Gewerkschaft konsolidierte Wenzeslausgrube und dem Betriebsrat der Gesellschaft ihre Teilnahme durch Beileidstelegramme ausgedrückt. Der sozialdemokratische Parteivorstand übermittelte tele graphisch 5000 M. zur ersten Hilfeleistung. Die Not des Waldenburger Reviers Lie Wenzeslaus-Grube hat eine Belegschaft von 2400 i Mann und befindet sich in nicht leichter wirtschaftlicher Lage, wie überhaupt der Waldenburger Bergbau, der schon Mann- lcbaftsteile entlassen wollte. Die Frage, die gesayroelen Gru ben im Waldenburger Revier stillzulegen und die Mann schaften anderweit unterzubringen, wird in Erwägung ge zogen, ist aber kaum zu lösen, da jenes Gebiet, in dem in alten Zeiten die Weber ihren Unterhalt fanden, jetzt fast ganz auf den Bergbau angewiesen ist. Frühere ichmere BergMttsimglücke Das Grubenunglück in Hausdorf ist eines der schwersten, das den deutschen Bergbau heimgesucht hat. Folgende schwere Bergwerksunglücke sind zu erwähnen: 1908 Kohlenstaubexplosion auf der Zeche Radbod bei Hamm, 360 Tote, 1912 Schlagwetterexplosion in Bochum, 117 Tote, 1921 Kohlenstaubexplosion auf der Zeche Mont Cenis bei Hamm, 79 Tote, 1923 Kohlenstaubexplosion in der Heynitzgrube bei Beu- j then, 112 Tote, - 1925 Kohlenstaubexplosion auf der Zeche Minister Stein bei Dortmund, 135 Tote, 1929 Schlagwetterexplosion in der Glückhilf-Friedens- Hoffnungsgrube bei Waldenburg, 25 Tote Neichstagsanträge zum Grubenunglück ' Im Reichstag haben die Regierungsparteien ! folgenden Antrag eingebracht: Angesichts der Bergwerks- , katastrophe auf der Wenzeslausgrube bei Hausdorf richten j wir an die Reichsregierung das Ersuchen 1. mit größter i Beschleunigung die Ursache des Unglücks festzustellen, 2. alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Katastrophen j dieser Art zu verhindern, 3. für eine ausreichende Unter- i stützung der Hinterbliebenen Sorge zu tragen. j Die sozialdemokratische Reichstags- : fraktion hat beantragt, die Reichsregierung zu ersu- 1 chen, aus Anlaß der Grubenkatastrophe in Neurode sofort j , mit ausreichenden Mitteln einzugreifen, um den Angehö- i rigen der Verunglückten in ihrer schweren materiellen Not ! . beizustehen. i Di« kommunistische Reichtstagsfraktion- fordert, sofort den vorläufigen Betrag von 1 Million M. bereitzustellen, um die Notlage der durch das furchtbare Grubenunglück auf der Wenzeslausgrube bei Neurode be troffenen Bergarbeiterfamilien zu lindern. Dss UWMWWM in der Mee Berlin, 11. Juli. Das Reichsverkehrsministerium hat eine amtliche Un tersuchung der Katastrophe des Seeflugzeugs bei Bornholm eingeleitet. In diesem Fall kann die übliche Untersuchung durch die Flugplatzbehörden nicht Platz greifen und deshalb hat der Reichsverkehrsminister den Reichskommissar beim Seeamt in Stettin angewiesen,, die amtliche Klarstellung des Unglücks in die Wege zu leiten. Als Ursache des Unglücks kann aber schon jetzt der Bruch der Gekriebewelle angesehen werden. Dieser Bruch hat das Abstiegen der Luftschraube und die Beschädigung des Flugzeuges zur Folge gehabt. Bei dem Motor handelt es sich um den Typ Bristol-Jupiter. Der Motor in dem verunglückten Flugzeug war ein von der französischen Firma gelieferter Original-Motor. Die eine verunglückte Dame soll dadurch ums Leben gekommen sein, daß der Rettungsring, den sie anhatte beim Zugreifen mit einem Bootshaken gerissen ist. Die Rettungsringe sind eng lische Typen, wie sie überall verwandt werden. Das Seeamt wird erst nachprüfen müssen, ob in diesem Falle richtig da mit umgegangen ist. Kapitän Kuring über das Flugzeugunglück bei Bornholm Berlin, 11. Juli. Der Flugkapitän des bei Bornholm verunglückten Flug zeugs, Ku ring, und Bordwart Friedrich trafen ge stern hier ein und erstatteten der Direktion der Lufthansa Bericht über das Flugzeugunglück bei Bornholm. Danach ist am Flugzeug nicht die kurbelwelle, sondern die Gelriebe welle am Propeller gebrochen. Durch den abfliegenden Pro peller wurde das Funkgerät außer Tätigkeit gefetzt. Eine Uebergabe der Passagiere an die „Maja" war nach überein stimmenden Aussagen des Kapitäns der „Maja" und Ku- rings unmöglich. Sämtliche Insassen des Flugbootes verlie ßen mit angelegten Schwimmwesten das Flugboot, als die Gefahr des Kenterns erkannt wurde. Durch das Kentern riß das Schleppseil und verfing sich in der Schraube der „Maja", die infrlgedessen längere Zeit am Rettungswerk verhindert wurde, während gleichzeitig die hohe Dünung die Treibenden abdrängte. Der Kapitän und vier Matrosen be mühten sich um die Rettung der Treibenden, die nur noch bei den unmittelbar am Wrack befindlichen Personen nm^lich war, d. h. bei dem Schweden Ericson und b»-' den die „Maja" schwimmend erreichenden Kuring und Friedrich. Die inzwi schen herangekommne „Spes" versuchte vergeblich, Fräulein Nortrov an Bord zu nehmen. Andere Treibende sah die „Spes^ nicht mehr. Gegen 9 Uhr abends mußte die „Maja" das Suchen aufgeben, da sie Segel-, Ruder- und Schrauben schaden hatte. Die Besatzung der „Maja" war überzeugt, daß die „Spes" wenigstens zwei, wenn nicht auch die übrigen Personen gerettet habe. Die „Spes" kreuzte noch eine Vier telstunde an der Unfallstelle, ehe sie ihre Fahrt fortsetzte. In folge der Entfernung und sprachlicher Schwierigkeiten konnte der Besatzung der „Spes" nicht klar gemacht werden, daß ein Flugboot mit acht Personen gekentert war. Das Seeamt Stettin ist vom Reichsverkehrsminister mit der amtlichen Untersuchung der Vorgänge beauftragt worden. Schweres AütomwW Zwei Tote, drei Verletzte. Berlin, 11. Juli. Ein schweres Unglück ereignete sich auf der Chaussee Potsdam—Geltow in der Rähe des Luftschifshafeno, al» ein Auto aus Brandenburg a. d. H. mit einem Motorrade zu» sammenstieß. Der Zusammenprall war ko furchtbar, daß der Fahrer de» Motorrades und eine Mitfahrerin auf der Stelle getötet wurden. Line zweite Mitfahrerin trug Armbrtiche und Fleischwunden davon. Der Führer des Kraftwagens kam mit leichten Ver letzungen davon, seine Frau erlitt schwere Gesichtsverletzun- gen. Der Führer des Kraftwagens, ein Kaufmann au» Brandenburg, wurde festgenommen, weil ihn nach den bi»- herigen Ermittelungen der Kriminalpolizei die Schuld an dem Zusammenstoß treffen soll. 2u staben in cler »uöickruckerel Feluie