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. Ovp^rigdt bv Martin keucdtvsoger. NaNs (Saals) LSortsetzung. Nachdruck verboten. „MH meine es gut mit Ihnen. Sie tonnen das Geld Ächt zahlen. Sie müssen fort, wenn Sie nicht wollen, daß Kte Ihre Stellung verlieren und der Herzer Sie ins Ge- fängnis bringt, weil Sie das Geld unter falscher Vor- fpiegelung genommen haben. Doch ich weiß, Sie sind ein reeler Mann. Warum soll nicht auch ein reeller Mann, ein mal Unglück haben? Ich reise diese Nacht nach Polen. In Polen ist sehr viel Geld zu verdienen. Ich brauche einen jungen Mann als Sekretär. Ich werde Sie mit mir neh men und werde Ihnen im Monat tausend Mark geben; zudem werden Sie drüben in Warschau viel'Geld ver dienen. Sie werden dem Herzer seine zweitausend Mark und Zinsen schicken. Warschau ist schön. Warum sollen Sie Ihr Glück in Warschau nicht machen?" „Aber das ist ja unmöglich. Ich habe doch keinen Patz. Ich kann ja nicht über die Grenz^und ich bin ein Deut scher - „LaS weitz ich! Ich habe einen jungen Mann engagiert, namens Göldner und der hat mir seinen Patz gegeben, ist aber krank geworden. Reisen Sie mit mir als Göldner; die Photographie werde ich ändern, Es ist auch ganz gut, wenn man nicht weitz, wo der Otto Krüger steckt, bis Sie Henn H-rzcr bezahl« haben." Krüger hatte den Kops verloren. Der Gedanke, vatz Herzer zu vem allen Wehn gehen könne, datz er vielleicht verhojle« wurde, vatz er mit Schande seine Stelle verlor, machie ihn kopfscheu. Er wutzte, datz der alte Wehn nach träglich von Vein Geschäft erfahren upd es nichi gebilligt hatte. Kam alles heraus, dann wurde auch bekannt, datz er es war, ver Friedrich Wehn verleitet hatte. „Was überlegen Sie? Ich reise in ver Nacht! Wenn Sie warten wollen, bis es zu spät ist..." In seiner Angst sagte er zu allem „ja'. Dann kam das schwerste: er mutzte noch einmal tn seine LAohnung. Er wohnte ja bei der Mutter seiner Braut. Den ganzen Tag, ven er. mit Mischek in der Eisenbahn ver brachte, dachte er an Annas verweinte Augen. Dann kamen sie tn K. an der polnischen Grenze an. Er sürchtete sich vor jedem Polizisten. Mischek sührte ihn in die Spelunke, ven ganzen Tag mutzte er dort bleiben und die furchtbare Nacht. Er mutzte den schmutzigen Kaftan anziehen, und sehen, wie sich auch Mischek verwandelte. „Es ist wegen der Grenze. Es ist, weil die Polen Deutsche nicht hereinlassen." Und jetzt stand er oben auf dem früheren Heuboden dem Polen gegenüber. „Wissen Sie, was geschehen ist? Sie sind schon hinter Ihnen her." - Er zuckte zusammen. „Hinter mir?" „Habe ich Ihnen nicht gesagt, datz der Herzer ein schlech ter Kerl ist? Er ist gleich zur, Polizei gegangen. Er hat das Gericht aufgehetzt. Ich habe die Zeitung gelesen. Es ist bereits ein Steckbries gegen den Otto Krüger erlassen." Krüger erbleichte. Er konnte kaum lallen „Ein Steckbrief?" „Wenn Sie nicht glauben wollen; hier, lesen Sie selbst. - Da stand es wirklich — ein Steckbrief. Er glaubte zu sammenbrechen zu müssen. Er wußte ja nichts von vem, was zu Hause geschehen war, daß er der Unterschlagung der hunderttausend Mark beschuldigt und deswegen der Steckbrief erlassen war. Er glaubte an Herzer. Was wußte er von Gerichten! „Und was soll jetzt geschehen, Herr Mischek?" Er weinte beinah. „Eine schwere Sache! Die Hauptfrage ist: Wie sollen wir über die Grenze kommen? Die Gendarmen werden alle den Steckbrief in Händen haben. Sie werden glauben, daß Sie einen falschen Paß haben. Sie werden den Patz genau untersuchen und werden sehen, »aß vie Photogra- phie in Ihrem Patz »ich, richtig ist. Sie werden merken, .daß Sie nicht ver Göldner sind, sondern der Krüger." „Aber..." „Sie werden den falschen Göldner verhaften und «hm Handschellen anlegen und ihn nach Berlin zurückbringen. Wir können nicht über die Grenze. Ich mutz allein fahren." „Aber ich kann doch nicht if, K. bleiben!" „Sie haben recht. Jeden Augenblick kann vie Polizei kommen und Sie finden.- „Herr Mischek. ich flehe Sie an, helfen Sie mir, daß ich über die Grenze komme." „Ja, freilich; wenn Sie drüben in Polen sind, dann fragt niemand danach, ob Sie der Göldner sind. Aber wie sollen wir hinüberkommen?" „Ich weitz nicht. Ich bin ja so unerfahren. Ich habe ja nur Sie." Mischek tat, als überlege er. Er schritt auf und ab und schüttelte dek« Kopf. „Schwer, sehr schwer! Aber Sie sollen nicht lagen, datz der Mischek ein Mann ist, der den Freund in der Not ver- läßt. Ich will denken, Sie sind nicht mein Freund, son dern mein eigener Prüder. Ich mutz mich selbst in Ge fahr begeben; nur so kann ich meinen Freund retten. Wir werden nicht mit der Bahn sahren, sondern zu Fuß über die Grenze gehen. Wir werden uns hinüverschmuggeln. Freilich, einfach ist die Geschichte nicht. Es wird sehr ge- fährlich sein." „Wird eS gehen? »ES müß gehen! Haben Sie eine Ahnung, was alle Tage geschtnuggelt -wird. Ich selbst bin schon mehr als einmal gegangen.' .Und da« wollen Sie für mich tun?" „Weil ich Ihr Freund bin!' „Aber dann schnell?' „Was heißt schnell? Glauben Sie vielleicht, man kann- am hellichten Tage über die Grenze. Wir müssen warten, bis es Nacht geworden ist." „Aber wenn man mich inzwischen findet?" „Es wird Sie niemand finden, wenn der Mischek seine Hand über Sie hält. Aber Sie müssen hier oben bleiben und sich nicht rühren, bis es Nacht geworden ist." „Aber die anderen unten?" „Es wird Sie keiner verraten. Sind alles Freunde und reelle Männer." Sie sahen nicht vanach aus, die schmutzigen polnischen Gestalten. Aber tn seiner Angst klammerte sich Krüger an jede Hoffnung. Mischek stieg die Treppe hinunter. Bald wurde es unten still. Sie schienen fort zu sein. Krüger verbrachte furchtbare Stunden. Endlich, am Nachmittag, hörte er unten wieder einzelne Stimmen; Mischels Stiinme war nicht varunter. Er fühlte sich matt und elend. Er vergaß, vatz er den ganzen Tag nichts gegessen hatte. Gegen Abend wurde unten die Tür aufgerissen. «Er hörte die schnellen Worte, die ein Knabe sprach; er konnte ihn nicht verstehen, venn es war polnisch. Dann war unten ein paar Minuten ein eifriges Durcheinander; dann aber sprachen einige Männer laut und in deutscher Sprache über gleichgültige Dinge. Wieder ging die Tür — es war wohl ein Mann eingetreten. „Zeigen Sie Ihre Papiere." Ein Genvarm! Jetzt war es zu Ende. Krüger kroch unter vas Heu, er hielt ven Atem an; jetzt mußte ja die Entdeckung kommen. Er litt Folterqualen. Tausendmal zuckte es ihm in den Gliedern, die Pein abzukürzen, hin- unterzusteigen und sich selbst auszuliefern, aber seine Glieder versagten den Dienst, die Minuten erschienen ihm Stunden. Jetzt war unten wieder Bewegung. Nun stieg der Gendarm wohl hinaus. Nein, die Tür wurde zu geschlagen. Krüger wagte es, sich aufzurichten und zu dem kleinen Fenster zu kriechen. Er sah einen Gendarm, der über den Hof ging. Er blieb stehen!! Wollte er umkehren? Er ging weiter, und verschwand im Vorderhause. Krüger brach zusammen. In diesen Minuten hatte er Todesangst gelitten! Es dauerte auch nicht lange, da kam ein Mann die Leiter hinauf. „Gölvner!" Gott fei Dank, es war Mischels Stimme. „Endlich, Herr Mischek I" „Er ist gegangen. Hat gesehen, daß er es mit ehrlichen Leuten zu tun hat!" „Wann können wir fort?" „Wenn es dunkel ist. Hier, Sie haben nichts gegessen und wir haben eine schwere Nacht vor uns. Essen Sie." Es war ein Stück fragwürdiger Wurst, die schauder haft roch, und etwas Brot, das ihm der Mann bot, und ein fuseliger Schnaps. Er überlegte nicht, er aß und trank; dann war er gefaßter. Es war dunkel geworden, es regnete stark; ein Ge witter zog heran. „Nun schnell. Nehmen Sie Ihren Kösser." Sie eilten hinaus. Draußen stand ein Mietwagen. Sie stiegen auf, krochen unter das Dach und ein Junge fuhr. Er wunderte sich, daß es fast alle die Männer waren, die schon in der vorigen Nacht in der Herberge gewesen. Sie hockten und lagen wie die Heringe übereinander; die Lust war kaum zu ertragen. Eine halbe Stunde dauerte die Fahr«, vann stiegen sie aus. Jetz« goß es in Strömen. Im Augenblick waren sie vollkommen vurchnäßl. Keiner der Männer schien daraus zu achten. Krüger zitterte vor Kälte. Sie blieben einen Augenblick stehen, dann leuchtete vorn ein Fünkchen auf. Eine Taschenlaterne, die im Kreise geschwungen wurde. „Jetzt vorwärts!" Sie liefen querfeldein über einen Sturzacker. Der weiche, schlammige Boden klebte an den Füßen. Plötzlich fiel irgendwo ein Schuß, der Krüger erschauern ließ. Da standen sie auch schon an einein breiten Bach. Mischek war an seiner Seite. , „Schnell, wir müssen durch, drüben ist die Grenze. Nicht zweihundert Meter, dann sind wir in Polen." Die Männer liefen, Heitz wie sie waren, in das kalte Wasser, das ihnen bis an die Brust ging. Krüger war schon erschöpft, seine Lungen keuchten. Wie er in das Wasser kam, glaubte er, der Schlag müsse ihn treffen. Mit Mühe arbeitete er sich drüben empor. Die anderen waren schon voraus, nur Mischek war an seiner Seite. „Schnell, schnell! Sie sind schwach. Geben Sie mir Ihren Kösser, ich bin stärker; nehmen Sie meine Tasche." Wie gut doch der Mann war. Er nahm das leichte Täschchen, Mischek den Koffer. „Nun schnell, eS gilt unser Leben." , Sie rannten, datz Krüger jeden Augenblick glaubte, er müsse zusammenbrechen. Ein greller Blitz leuchtete auf. Einen Augenblick erleuchtete er die ganze Gegend, dann folgte ein furchtbarer Donnerschlag; unter seinein Grollen glaubte Krüger eine menschliche laute Stimme zu hören. Im nächsten Augenblick knatterte in nächster Nähe eine Salve. Die Männer rasten, was sie tonnten. Eine zweite Salve — Krüger fühlte einen stechenden Schmerz in der Brust, dann warf er die Hände in die Luft und stürzte zu sammen. Die Besinnung schwand ihm. Als er wieder zu sich kam, war das Gewitter so schnell, vergangen wie es gekommen, der Regen hatte aufgehört und Heller Mondschein lag über dem Gelände. Er sah einen Osfizier und ein paar Soldaten neben sich stehen. Er war unfähig, einen Ton von sich zu geben, aber er hörte, was sie sprachen. Es waren deutsche Laute; er hatte die Grenze nicht erreicht. „Donnerwetter, das war et» Fangt Ich glaube, wir haben den Hauptkerl gekriegt. Das siud für eine Viertel Million Brillanten hier in der Tasche und ein tüchtiger Pack Banknoten." Er wollte sprechen, aber Blut kam aus seinem Munde. „Nehmt ihn vorsichtig auf; es wäre gut, wenn wir ihn wieder aus die Beine kriegten." „Wir müssen eine Trage holen." „Dumm, datz die anderen entwischt sind." Die Männer gingen, bis auf zwei Soldaten, die bei dem Verwundeten blieben. Krügers Hirn arbeitete fieber haft. Man hatte ihn gefangen, man hatte Schmugglerware bei ihm gefunden, Mischek war ein Schmuggler. Er rich tete sich aus. < „Ich weitz ja nichts." „Liege nur still, mein Junge!" „Es ist ja nicht meine Tasche!" Der Soldat lachte gutmütig. - „I wo, hast sie zufällig gefunden; das rennt man. Bist so ein Unschuldslamm, das nur spazierengehen wollte." „Jch "Es wurde ihm schwindlig, ein roter Nebel stieg vor seinen Augen auf; ein Heitzer Strom ergötz sich über sein Gesicht, ohnmächtig brach er zusammen. Wie er zu sich kam, lag er in einem Bett, ein Arzt beugte sich über, ihn, eine Schwester stand daneben und wieder der Osfizier. „Schwerer Lungenschutz. Jede Vernehmung ist aus- geschlossen. Er darf kein Wort sprechen.' „Werden wir ihn durchkriegen?" „Sehr fraglich. Wissen Sie, wie er heitzt?" *„Jn der Tasche war ein Patz, der auf Adam Mischet lautet, aber das ist er wohl kaum; allerdings, es war ein polnischer Ausweis und hat kein Bild. Das Gesindel heißt ja alle Tage anders." Der Offizier und her Arzt gingen, die Schwester beugte sich über ihn. Sie hatte ein gutes Gesicht. „Schwester ' „Still, Sie dürfen nicht sprechen." Er lag ruhig, seine Gedanken verwirrten sich; er sah den alten Wehn an seinem Bett, drohend, hoch aufgerichtet, neben ihm den Wucherer Herzer. Er wollte schreien, da schwand ihm wieder das Bewußtsein. * * * Pünktlich um neun Uhr trat Fritz Wehn auf dem Polizeipräsidium in das Bureau des Kriminalkommissars Doktor Schlüter. Es war ein ziemlich behaglich aus gestatteter Raum, in welchem die Lampe brannte. Der Kommissar erhob sich an seinem Tisch. Er hatte den Be amten vollkommen abgelegt und sprach liebenswürdig, fast freundschaftlich, als begrüße er einen alten Bekannten. „Das ist ja vorzüglich, daß Sie so pünktlich sind, ver ehrter Herr Wehn; nun bitte, nehmen Sie einmal Platz, und wir wollen uns ganz gemütlich ein wenig unter halten." Er führte ihn zu einem bequemen Polstersessel und setzte sich ihm gegenüber.' , „Zigarre gefällig? Nein, wirklich, Sie können sie ruhig nehmen. Ist ein Präsent, das mir der reiche Handelsherr Sörensen aus Stockholm gemacht, als ich damals die Ge schichte des Herrn im gelben Mantel ausklärte, einen Un schuldigen vom Mordverdacht lösen und ihm zu einem Kompagnon verhelfen konnte. Ja, man erlebt so allerhand in seiner Praxis. Wenn ich Zeit hätte, zu erzählen, oder gar nach berühmten Mustern Memoiren zu schreiben! Das ist gerade bei den interessantesten Fällen so gewöhnlich, es kommt immer alles ganz anders, als man denkt." Er steckte sich selbst gemächlich eine Zigarre an. Unwill kürlich griff auch Fritz zu. Es wurde ihm freier zu Sinn. Doktor Schlüter hatte seinen Zweck erreicht: bei der schein bar freundlichen Unterhaltung löst sich die Zunge oft leichter als bei einem Verhör mit Protokollführer und Amtsstil. „Nicht wahr, Sörensens Kraut ist gut." „Vorzüglich, Herr Doktor." „Na, dann wollen wir mal sehen, ob wir nicht auch in vie dumme Geschichte Licht bringen. Nicht wahr, wir haben doch beide nur den einen Zweck und die eine Absicht, die Wahrheit an den Tag zu bringen." „Das ganz gewiß." Schlüter, der bei seiner scheinbaren Lässigkeit genau beobachtete, empfand den ehrlichen Ton tn Fritz' Stimme. „Ich habe Sie zu mir gebeten, weil ich denke, daß Sie mir über einige Kleinigkeiten unter vier Augen lieber Auskunft geben werden. Sie sagten vorhin, Sie wären in der Lage, zu beweisen, daß Sie tn jener Nacht nicht inehr mit dem Polen Oletzkt zusammen waren, nachher zogen Sie es zurück. Das ist schade. Wenn Sie etwa nicht allein waren, vielleicht gar einen Zeugen hatten, dann wäre nicht nur Ihre Schuldlosigkeit erwiesen, sondern auch vem Gericht die ganze Arbeit wesentlich erleichtert. Wollen Sie nicht jetzt sprechen?" „Herr Kommissar!' „Herrgott, ich habe Sie ja vorhin verstanden. Ich weiß, der Mensch ist nur einmal jung und eS gibt Dinge, die man nicht gern erzählt, besonders vor einem Manne, einmal der Schwiegervater werden sollte." „Sie wissen?" „Der Herr Kommerzienrat hat mir Andeutungen ge macht. Aber jetzt find wir unter uns. Sie können über zeugt sein, daß ich diskret bin, soweit es meine Pflicht irgend erlaubt, und schließlich — eS ist doch besser, eS kommt heraus, daß man einmal eine Dummheit begangen, als wenn man im Verdacht eines Verbrechens steht. Also?' Fortsetzung folgt.