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' Nr. 142 96. Jahrgang Sonnabend am 21. Juni 1930 Beilage zur WeHeritz-Zettung Durch Wahrheit zur Freiheit l Es hat einer einmal gesagt: Wahrheit, Freiheit, um diese beiden ewigen Sterne kreisen alle geistigen Bewegungen. Sicherlich ist das richttg. Welche unge« heuren Anstrengungen hat die Menschheit Jahrhun derte hindurch geleistet, um der Wahrheit näher zu kommen. Keine Mühe hat sie gespart, kein Opfer ge. scheut, ihr verschleiertes Bild zu enthüllen. Und vom Ringen um die Freiheit brauchen wir heutzutage erst gar nicht zu reden, wo rings um uns die Lust erfüllt ist von Freiheitsrusen, Seinen Jüngern hat der Heiland verheißen: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihm meine rechten Jünger. Und werdet die Wahrheit er kennen, und, die Wahrheit wird euch stet machen.* Diese Wahrheit tritt uns im Worte Gottes entgegen. Sie bezeugt sich als solche in unserem Gewissen, sie faßt uns innerlich an. Oft mag sie uns unbequem werden, denn sie zeigt uns unsere Fesseln und zerreißt alle Schleier, in die wir uns hüllen, zerstört die Selbsttäuschung, mit der wir uns beruhigen. Sie kann sehr bitter sein, aber aus der bitteren Wurzel wächst eine» süße Frucht. Wer die Mahnung des Herrn: „Bleibet an meiner Rede!" beherzigt, der merkt, wie die Wahrheit Kräfte der Erhebung, des Trostes und der Befreiung in sich trägt, daß in ihr ewige Liebe waltet, daß sie retten will und retten kann, weil sie Kraft ist, Kraft Gottes zu unserem Heile. — Laß erst einmal einen Menschen die Geschichte vom verlorenen Sohne durchleben vom Anfang bis zu Ende, daß er sein Elend empfindet und die Liebe detz Vater fühlt, du wirst sehen, er wird ein neuer Mensch, dankbar, giuaucy und frei. Latz erst einmal das Wort GotteL wie dues so oft gehört hast, in dir zur Tat werden, du wirst spüren, wie es dich innerlich umwandelt und neugestaltet. Das Alte verschwindet, neues Leben wächv empor: es geht durch Wahrheit zur Freiheit' Sie MMMer IM in Mendorf Nach alten Akten sgekürzt Don Pfarrer Fügner, Possendorf). lieber bi« Augustanofeier in den früheren Jahrhunderten be finden fich' in den Pfarrarchiven olle >Akten. Da all« dies« Fest- iichkeiten auf höchste Anordnung hin geschehen sind, ist anzu- nehmen, dotz im Wesentlichen in allen unseren Gemeinden das Fest in gleicher Weise begangen Wurde. Es dürste deshalb von Inter esse sein, darüber einmal etwas Nähereslesen, zumal unsere Zeit heute sich recht gut Vorbild und Beispiel daran nehmen könnte. i Nach Angaben über die Sitzungen d«S Festausschusses, den : die weltlichen Behörden in der Hauptsache bildeten, Erneuerungen in der Kirche, Schmücken von Altar, Kanzel, Schiff usw. heisst es dann in unseren Akten: Eins große Anzahl Menschen war am Johannistag« nach mittags in der Kirche, um teils bei Aufhängung der Girlanden und Blumen hilsteich« Hand zu leisten, teils aber auch, um sich umzu- sthen. Wie schon am IohanniSfest« früh 10 Uhr das Jubelfest mit allen Glocken zum Anfang der allgemeinen Beichte eingeläutet worden «war, so wurde auch wieder mit allen Glocken Abend ge- lauten. Am Morgen des Jubelfestes, den LS. Juni, ertönten früh 3 Uhr alle Glocken und riefen das schlafende Bold zu Aufgange eines neuen geistigen Tages. Um 7 Uhr wurde wie gewöhnlich das erste und '/B Uhr das andere Mal mit allen Glocken zum Gottes dienste geläutet. Nach dem zweitenmal Lauten '/-8 Uhr kamen die Hierher eingepfarrten Gemeinden mit Musch und Gesang noch Possendorf und versammelten sich auf dem freien Platze bei dem Gasthofe der herrschaftlichen Gemeinde Possendorf. Um 8 Uhr be gab sich der Pfarrer und Schulmeister, nebst den Schulkindern der «rsten Klasse unter Begleitung der vier Posaunisten aus Burgk, w«tche einen Ghoral bliesen, auf genannten Platze der herrschaft lichen Gemeinde Possendorf. Hier stimmte der Herr Schulmeister Hayn das Morgenlied an: Gott, Urquell alles Lichtes, alles Segens, wir, deine Kinder bringen dir die Opfer unsres Dankes, die Opfer der Anbetung dar. Mir freuen unS der Freiheit j und des Lichtes, der Kraft und auch der Uebung unsres Glaubens. Latz, unsern Jubel dir, Herr, Wohlgefallen, Vernimm den Donk, den alle Jubelchöre, zu deines großen NamenS Ehr«, dir itzt dein Volk mit Freuden bringt .... Der Pfarrer sprach: Groß sind die Merke des Herrn! Er spricht, und es geschieht, i wenn er oebcut, so steht es da. — Durch Irrtum war das EhristuS- ! wort verdunkelt, dein Evangelium beherrschte Menschenwahn, j Doch von der Obrigkeit der Finsternis hat uns der Herr errettet, j Von Gott ist dieses Werk, «S Kanns der Mensch nicht dämpfen. , Wir freuen unS der Himmelsgnade und preisen Gottes Wohltat laut: Der Herr hat alles wohlgemacht, und alles alles recht be dacht. gebt unserem Gott die Eyre .... Die Gemeinde sang: An einen Gott nur glauben wir ... . Mit diesem Gesang riefen die Glocken die Versammlung zur Kirche und der Zug bildete sich in gehöriger Ordnung als: Die Schulknaben und -Mädchen der ersten Klass«, die Musik svier Posaunisten), der Kinderlehrer, Johann Gottfried Böthig in Quohren, der Schulmeister, 'Herr Friedrich August Hayn, allhier, der Pfarrer Friedrich Leberecht Lehmann, allhi«r, die Ndanm und Weibsoersonen in gehöriger Ordnung. Mit dem Eintritt in die Kirche spielte der Kinderlehrer Jo hann Gottlob Huhle aus Rippien eine Fuge auf der Orgel. Die Kerzen und die drei kleinen Wachslichter brannten aus dem Al täre. Der Blumen und Weihrauch Geruch duftete lieblich ent gegen und auf ollen Gesichtern sprach sich Erstaunen, Bewunderung und Freude aus. , Der Gottesdienst begann in folgender Ordnung .... Am Abend L«S 25. Juni wurde mit allen Glocken geläutet und um 10 Uhr brannten um Possendorf herum mehrere Freudenfeuer, als auf dem Gpitzberg«, nach BrSsgen zu hatte der Herr von Otto «inen Holzstoß anbrennen lasten, desgleichen hatte die Gemeind« Börnchen auf dem zwischen Possendorf, Wilmsdorf und Börnchen gelegenen Berge, sowie die Gemeinde «Wilmsdorf auf dem Käfer berge an der Straße von Postendorf nach Dresden zu, einFreuden- feuer angezündet, bei welchen letzter n abwechselnd gesungen und geblasen wurde. Auch sah man in der Ferne mehrere solche Freudenfeuer. Der zweite Jubelfestlag war der Verordnung gemäß für die Schulkinder, als für die hoffnungsvollen Zöglinge der Kirche be stimmt. Ein feierliches Morgengeläuk« begrüßte nach 3 Uhr den zwei ten Jubelfesttag als den 28. Juni, Sonnabend. Um 7 Ubr und */-8 Uhr wurde zum Gottesdienst geläutet. Nachdem stch di« Kinder aus der Kirchgemeinde Possendorf in hiesiger Schule versammelt und in gehöriger Ordnung gestellt waren, ging der Zug das Dorf hinunter bis zum Richter Töpfer seinem Gut«, Nr Don da ging der Zug auf dem von Rippien nach Possendorf führenden Wege fort durch die herrschaftliche Gemeinde Possendorf. Etliche 30 Knaben trugen Marschallltäbe mit Kränzen von Eichenlaub, Rosen und Bändern geschmückt. Drei Knaben auS Rippien ließen ihre Kränze an den drei Gäulen der Kirch« aushängen. Dio Mädchen trugen Girlanden und Kreuze. Der Zug gelangte unt«r Ndusik und Gesang um 9 Uhr in der Kirch« an, wo di« «rsten 30 Knaben und Mädchen auf Bänken am Mtarplohe, die übrigen Kinder aber in den Frauenständen saßen. Die Ordnung «des Gottesdienstes war folgenderweise .... Hierauf hielt der Herr Schulmeister Hayn mit den am Altar- platz versammelten 'Kindern eine Katechisalion über di« Reforma tion und Augsburgische Konfession. Gegen 1 Uhr mittags endete der Gottesdienst. Die Kinder zogen in gehöriger Ordnung mit Musik in ihre Schulen zurück, w» sie Semmel, Bier und Musik hatten. Wie die Kirchgemeinde Possendorf überhaupt, so haben stch einzelne Gemeindegneder an diesem Kinderfeste rühmlichst ausgezeichnet. Herr von Okto gab dazu einen Thaler, Herr Kreller in 'Kleincarsdorf einen Thaler nebst Semmel und Butter. 'Herr Sahr in Zschechwitz hat zu dem Kinderfeste vier Thaler der Schule zu Quohren gegeben. Herr Partzsch, Gutsbesitzer in Rippien, hat die Kinder daselbst gespeist und ein Freudenfeuer gegeben. Alle Kinder sind mit tiefem Eindruck und unvergeßlicher Er innerung an dieses Fest fröhlich und heiler in ihre Behausung zu rückgegangen. Das Abendläuten geschah an diesem Tage eben falls mit allen Glocken. Der brüte Jubelfestlag, den dritten TrinitatiSlonntag, als den 27. Juni, wurde ebenfalls früh nach 3 Uhr mit allen Glocken be grüßt. Um 8 Uhr begann der Gottesdienst in fotzender Ordnung .... Nachmittags hielt der Herr Schulmeister Hayn der Anord nung nach di« Betstunde.