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Beilage zur WeitzerM-Zeilung Nr. 79 Donnerstag am 3. April 1939 96. Jahrgang Chronik des Tages. — Reichspräsident von Hindenburg richtete an de« scheidenden Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht ein Dank- schreiben. — Nach Abschluß der Aussprache über die Kanzler- Erklärung stimmt der Reichstag am heutigen Donnerstag über die Mißtrauensanträge ab. — Der Preußische Staatsrat beschloß, gegen die Ein beziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer keinen Einspruch einzulegen. — Der Reichsverband Deutscher Dentisten e. V. hält seine Hauptversammlung vom 26. bis 29. Mai in Berlin ab. Mit der Tagung ist die Feier des 50 jährigen Be stehens des Reichsverbandes verbunden. — Bei Rom ist ein Flugzeug ohne Besatzung aufge stiegen, abgestürzt und verbrannt. Kein Einspruch des Staatsrats. Zustimmung zu der Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer. ' — Berlin, 3. April. Der preußische Staatsrat beschloß i» namentlicher Abstimmung mit 38 gegen 2S Stimmen bei acht Ent- Haltungen, gegen die Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer »einen Einspruch zu erheben. Die Sozialdemokraten und die Wirtschaftspartei stimmten geschlossen gegen den Einspruch, die Kommu nisten geschlossen dafür. Die anderen Fraktionen stimmten geteilt, wobei der größte Teil der Arbeits gemeinschaft (Deutschnationale und Deutsche Volks partei) für den Einspruch stimmten. Der Hauptausschuß des Staatsrats hatte die Ein legung des Einspruchs empfohlen. Schacht verabschiedet sich. Dankschreiben des Reichspräsidenten. Rcichsbankpräsident Dr. Schacht hat sich nunmehr oon dem Gencraldirektorium der Reichsbank verab schiedet. Reichspräsident von Hindenburg richtete ein Schreiben an Dr. Schacht, in dem er auf die hohen Verdienste hinweist, die sich Schacht in seinem Amte und vordem als Reichswährungskommissar erworben hat. Schachts Name werde immer in der vordersten Reihe derer stehen, die das Verdienst der Wiederschaf- fung einer gefestigte» Währung für sich in Anspruch nehme« könnten. Gerade im gegenwärtigen Augenblick bedauere der Reichspräsident sehr, daß Schacht aus geschieden le» Kommunisten und Reichswehr. Drei Kommunisten in Neuruppin verhaftet. Um die Mitte Januar dieses Jahres wurden über die Mauern der Kaserne des 2. Bataillons des In fanterieregiments 5 in Neuruppin kommunistische Zer setzungsschriften geworfen und dann an die Mann schaften verteilt. In den Schriften wurden die Solda ten aufgefordert, sich ihrer Offiziere zu entledigen and der Kommunistischen Partei beizutreten. Auf Beranlassuug des vberreichsanwalts in Leip zig wurden jetzt in Neuruppin drei Kommunisten, unter ihnen der Leiter der Neuruppiner Ortsgruppen der K P. D. festgenommen. Auf die Festnahme folgte der Haftbefehl. Ferner ist ein vbergefreiter des Bataillons geständig, Beziehungen zu diesen Kommunisten unter halten z« haben. Bon seiner Verhaftung wurde, da Kluchtverdo^ nicht besteht, vorläufig Abstand ge nommen. Schülertumulte in Berlin. — Berlin, 3. April. Schüler der 15. und 16. Gemeindeschule und dei 31. und 32. Gemeindeschule in Berlin-Neukölln ver anstalteten wegen angeblich „zu strenger Sparmaß nahmen" des Magistrats einen Schulstrerk. Mit rote« Fahnen marschierten sie unter Absingen kommunisti scher Kampflieder durch die Straßen und versuchte« dann in den Schulen Schülertumulte hervorzurufen, indem sie, unterstützt von älteren Kommunisten, di« „arbeitswilligen" Schüler zum Verlassen der Schuh aufforderten und Mütter und Kinder, die zur Schuh wollten, daran hinderten. An mehreren Stellen ver- prügelten sie Kinder und deren Mütter. Der Landbund für Schiele. Ein Appel» an die Landbund-Parlamentarier. Der Bundesvorstand des Reichslandbundes Hai folgenden Beschluß gefaßt: Der Bundesvorstand des Reichslandbundes sprich! seinem Präsidenten, Minister Schiele, einmütig de« Dank für sein mannhaftes Handeln aus, gelobt ihm d« Unterstützung des Landbundes mit allen Mitteln i« seinem schweren Kampse für die Rettung der Land- Wirtschaft nnd erwartet demgemäß von allen parlamen tarische» Vertretern des Landbnndes eine Haltung die dem Kabinett Brüning-Schiele die Möglichkeit zui Durchführung des Agrarprogramms bietet * Die Deutschnationalen für Vertagung. In der Fraktionssitzung der Deutschnationcuev Dvlkspartei wurde ein Beschluß gefaßt, der einstweilen noch geheimgehalten wird. Wie in parlamentarischen Kreisen jedoch verlautet, wird die Fraktion den An trag erbringen, die Abstimmung über die Vertrauens- uno Mißtrauensanträge zu vertagen, bis die Agrar- gesetze dem Reichstag vorgelegt sind. Diesen Antrag hatte der Reichskanzler bereits einmal abgelehnt. Man rechnet deswegen damit, dag er die Abstimmung über diesen Antrag und über di« Mißtrauensanträge dadurch verhindern wird, daß er die AuslösnngSerklärung verliest. Dieser Ausweg scheint nach der ganzen Sachlage wahrscheinlich, denn wenn das Kabinett durch die An nahme eines Mißtrauensantrages gestürzt würde, wäre es nicht mehr in der Lage, den Reichstag aufzulösen. Vor der Entscheidung der Deutschnationalen Berlin, 3. April. Lie parlamentarische Lage wird im Reichstag dahin be urteilt, daß die Entwicklung der nächsten Tage von der heu tigen Entscheidung der Deutschnationalen abhängt. Schon die Tatsache, daß die Fraktion gestern neun Stunden beraten hat, zeigt, daß die Entscheidung ihr nicht leicht wird. Die Behauptung, daß eine Probeabstimmung vorgenommen worden sei, wird von deutschnationaler Seite entschieden be stritten. Angeblich sollen bei dieser Abstimmung etwa 37 Abgeordnete für das Mißtrauensvotum, 17 dagegen sein und 7 oder 8 sich der Stimme enthalten haben. Wenn die Ab stimmung selbst auch dementiert wird, so wurde doch zu gegeben, daß dieses Verhältnis ungefähr der Stimmung ent spreche, die in der Fraktion herrschte. Inzwischen ist auch der deutschnationalen Fraktion mitgeteilt worden, daß der Reichskanzler auf dem Standpunkt steht, das Ostpro gramm lasse sich nicht mit dem Ermächtigungsparagra phen verwirklichen. Dazu kommt noch, daß der Landbund sich mit Nachdruck für Minister Schiele eingesetzt und die Erwartung ausgesprochen hat, daß alle Vertreter des Land volks zur Verwirklichung des Agrarprogramms beitragen werden. Diese beiden Tatsachen dürften die Stimmung in der Deutschnationalen Fraktion weiter verschoben haben, so daß jetzt noch niemand weiß, wie die Entscheidung ausfällt. Die Abstimmungen über die Mißtrauensvoten im Plenum des Reichstages werden für heute bestimmt erwartet. Vorher wird der Reichskanzler noch einmal das Wort nehmen, um sich mit dem sozialdemokratischen Fraktionsführer Dr. Breit scheid auseinanderzusetzen. Politische Rundschau. - Berlin, den 3. April 1S3O. — Rektor und Senat der Technischen Hochschule Aache« haben dem Oberbürgermeister der Stadt Essen, Brecht, di« Würde eines Dr. Ing. ehrenhalber verliehen. :: OsterauSschüttung der Hindenburg-Spende. An läßlich des bevorstehenden Osterfestes schüttet die Stif tung Hindenburg-Spende bestimmungsgemäß wieder um 425 000 Mark an rund 2200 notleidende Kriegs beschädigte, Kriegshinterbliebene und Veteranen aus. Rundschau im Auslande. ; Die griechische Kammer stimmte dem im Haag abgeschlossenen Abkommen über die Frage der Ostrepara tionen zu. k Im Interesse der Erleichterung der Lebensmittel versorgung der Städte ordnete die Sowjetunion mit sofor- tiger Wirkung die Wiedereinführung der freien Lebens- mtttelbeförderung an. ; Wohl mit englischer Hilfe wurde in Poon ein« „revolutionäre" indische Partei gegründet, die von Ghandi die Einstellung des UnabhängigkettsfeldzugeS und die Ver besseruna der Lage der untersten Volksklassen fordern soll. anruhen in Kalkutta. Fünf Tote. ; In Kalkutta kam es zu erusten Zusammenstöße« zwischen Polizei und Hindus, in deren Verlauf funs Hindus getötet und drei europäische Polizisten verletz« wurden. Gegenstand der Kundgebung war der Protest gegen die Inkraftsetzung einer Polizeiverordnung, die da» Herausbringcn von Büffeln während der heißen Stunde« des Tages verbietet. Dabei versuchte die Menge, de« Verkehr durch Umwerfen von Karre« und Hcrbcischaffung von alle» möglichen Hindernissen aufzuhalten. Obwohl diese Unruhen in Kalkutta in keiner Weise mit dem Um abhängigkeitsscldzng Gandhis in Verbindung stehe«, kann die Rückwirkung sehr ernst sei«. Aus Stadt und Land. „Erdkunde auf Briefmarke«" heißt die neue Son derschau der Postwertzeichenabteilung des Reichspost- mufeums in Berlin. Es sind hier aus einer Reihe von Ländern Briefmarken zusammengestellt, derer Schauseite Bildnisse von Entdeckern und kleine Land karten wiedergeben. Die Marken sind mit kurzen Er läuterungen versehen, so daß die Zusammenstellung dem Beschatter ein Viertelstündchen anregenden ge schichtlichen und erdkundlichen Unterricht vermittelt. Mord uud Selbstmord. In Königsberg i. Pr, fand man den Arbeiter Kurt Kirchner und seine Ge liebte, die 20jährige Meta Falk, in ihrer Wohnung in der Drummstraße tot vor. Allem Anschein nach hat Kirchner zuerst das Mädchen und dann sich selbst getötet. Dem Mord scheint ein Kampf vorangegangen zu sein. Hausbewohner hörten bereits am Vormittag gellende Hilferufe aus dem Zimmer, denen sie jedoch keinen Wert beilegten, da derartige Szenen öfter vor gekommen sein sollen. Als man sich am Abend Eingang in das Zimmer verschaffte, fand man die Falk mil durchschnittener Kehle und den Arbeiter Kirchner mit durchschnittenen Pulsadern vor. Bus NahruugSsorge» verzweifelt. In Köln- Deutz versuchten ein Zivilingenieur, dessen Frau und 18jähriger Sohn wegen Nahrungssorgen ihrem Leben durch Einnehmen einer größeren Menge Veronal ein Ende zu bereiten. Sie hatten vorher an alle Ver wandten und Bekannten Abschiedsbriese geschrieben. Als die Briefempfänger auf die Nachricht hin sofort zu der Wohnung der Lebensmüden eilten, fand man alle drei bewußtlos vor. Man benachrichtigte sofort die Feuerwehr, die für die Ueberführung der bedenk lich Erkrankten in das Krankenhaus Sorge trug. Alle drei schweben noch in Lebensgefahr. Eisenbahnanschlag in Bayern. Die ReichSbahn- > dircktion Nürnberg teilt mit: In der Nacht wurde am Halteplatz Busendorf der Nebenbahn Breiten- ! güßbach-Dictersdorf ein verbrecherischer Anschlag aus i den Nebenbahnzug B. R. 20 durch Auflegen von Schwel- j len auf das Gleis zu verüben versucht. Die Schwellen ' konnten vor Ankunft des Zuges B.R. 20 noch recht- ; zeitig beseitigt werden. Die Untersuchung ist im Gange. Die Grönland-Expedition «msgefahren. An Bord des dänischen Grönlanddampfers „Disko" ist die groß« deutsche Grönland-Expedition unter Leitung von Pro fessor Dr. Alfred Wegner-Graz von Kopenhagen aus ! über Reykjavik nach Grönland abgegangen. Die Expedition besteht aus vierzehn Mitgliedern und ist die größte Expedition, die jemals zur Erforschung des Inlandeises auf den Weg gebracht worden ist. Die ! Expedition wird bis Ende 193V auf dem Inlandeis Grönlands Untersuchungen vornehmen. In Reykjavik wird die „Disko" u. a. dreißig Pferde an Bord nehmen, da die Expedition zum Teil Bagage durch Pferde, zum Teil durch Motorschlepper befördern wird. DaS Ende vom Liede. Bei der Filiale der Unions bank in Borga (Süd-Finnland) sind Unterschlagun gen in Höhe von über einer Million Mark entdeckt worden. Die Unterschlagungen werden dem Bankdirek- tor Linderos zur Last gelegt, der vor einigen Tagen verstorben ist. Nach Bekanntwerden der Veruntreu ungen nimmt man an, daß der Bankdirektor nicht, wie man zuerst geglaubt hatte, einem Unglücksfall zum Opfer gefallen ist, sondern Selbstmord verübt hat. Billigere Lebensmittel tu Italien. Am 1. April ist die kürzlich erlassene Verordnung über die Ab schaffung der Stadt- und Kommunalzölle in ganz . Italien in Kraft getreten, die eine staffelweise Her- - absetzung der Preise für Lebensmittel zur Folge hat. j Milch, Butter, Eier und Geflügel sind bereits im Preis gesenkt worden. Am 20. April folgen Gemüse, ! Oele, Zucker, Kaffee usw. Die Verbände des Groß- und ! Kleinhandels haben in den letzten Tagen zahlreiche Beratungen abgehalten, um zu den festgesetzten Zeiten ' den neuen Vorschriften entsprechen zu können. Die Durchführung der Verordnung stellt gewissermaßen eins Probe für den faschistischen korporativen Aufbau des Handels dar. Holzerei in Patras. Im Hafen von Patras , (Griechenland) kam es zu einer Schlägerei'zwischen « einem Griechen und einem Italiener, dem Mattosen j eines im Hafen liegenden italienischen Handelsschiffes i zu Hilfe eilten. Die Polizei drängte die Italiener i aus ihr Schiff zurück und nahm acht Verhaftungen vor. ' Der italienische Konsul in Patras forderte den Be fehlshaber des Hafens aus, sein Bedauern auszuspre chen. Letzterer wies jedoch darauf hin, daß sich die l Polizei einwandfrei benommen habe. j Großfeuer i« Wien. Im Teppichhaus Meitzner ist ! Wien brach ein großer Brand aus, an dessen Be- ! kämpfung die Feuerwehr nahezu zwei Stunden arbeiten mutzte. Infolge eines Kurzschlusses entstand in den Schaufenstern ein Brand. Die Flammen griffen sofort auch aus das Innere des Geschäftslokals über und breiteten sich mit rasender Eile aus. Die Angestellten des Geschäfts und die Kunden mutzten durch einen rück wärtigen Ausgang auf den Hof flüchten. Unter gewal- tigem Getöse zerbarsten die Spiegelscheiben. Die Flam- men stiegen bis zum zweiten Stockwerk an der Außen- front des Hauses hinauf. Der Brand griff auch auf i das benachbarte Bankgeschäft Joseph Kugel und Eo, - über. Der Schaden, den der Brand anrichtete, ist seh, groß, da fast die gesamten Vorräte des Teppichhause- durch die Flammen vernichtet wurden. Er dürste siöj - auf mehrere Hunderttausend Schilling belaufen. , Klein« Nachricht««. * In Berlin hat der Staatsanwalt gegen den Frei« spruck im Mensurprozetz Berufung eingelegt. Die Staats- , anwaltschaft will auf Grund der Reichsgerichtsentscheidun, i aus dem Jahre 1926 eine Verurteilung wegen Zwei, - kampfes mit tödlichen Waffen herbeiführen. ! * Wie das britische Arbeitsministerium bekanntgibt > betrug die Zahl der Arbeitslosen in Großbritannien in bet - mn 24. März zu Ende gegangenen Woche 1 638 800, wai gegenüber der Vorwoche wiederum eine Steigerung uw 17 042, gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres uw , 505 944 bedeutet. * Meldungen aus Moskau berichten, daß Anfang April die telephonische Verbindung zwischen Moskau und Li« tauen und im Laufe des Monats auch zwischen der Sowjet union und Deutschland sowie der Tschechoslowakei hergestelli werden soll. * Auf dem Gütcrbahnhof in Toledo im Staate Ohtt wurden durch ein riesiges Schadenfener 400 neue Auto mobile, die zum Abtransport bereit standen, vernichtet Der Schaden wird ans zwei Millionen Dollar geschätzt i Zeppelin-Fahrten. ' Besuch Londons? Am 12. oder 13. April wird „Graf Zeppelin'' die erste Passagierfahrt in das Alpengebiet auSführett. Der Fahrpreis für diese Schweizer Fahrt beträgt 40« Mark. i