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Weißeritz-Zeitung : 01.04.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1761426109-193004017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1761426109-19300401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1761426109-19300401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Weißeritz-Zeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-04
- Tag 1930-04-01
-
Monat
1930-04
-
Jahr
1930
- Titel
- Weißeritz-Zeitung : 01.04.1930
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IM-Dollarnote !>!>!!' Roman von Edwarh Stilgebaner Oopxrlgkt by Martin keucktvvaoger, Nails (Saale) 17.Fortsetzung. ' "k > Nachdruck verboten. , »Sie erzählten mir doch, daß Sie Passage aus der ,Lom- bardta' genommen haben, und daß der Dampfer über morgen wieder in See geht. Meine Violet hat Sie ein« geladen, die Fahrt nach Neuyort auf unserer Jacht mltzumachenl Ich wiederhole diese Einladung. Sie werden dann Gelegenheit haben, während der Ueberfahrt Violet näher lennenzulernen, denn Sie beide kennen sich doch eigentlich noch nicht, und Violet wird erst achtzehn! Sie hat dann Zeit, über ihre Zukunft nachzudenken. Auch in Milwaukee und auf Rhode Island werde ich Ihnen zu der für eine Ehe notwendigen Bekanntschaft mit Ihrer Freundin Zeit geben/ »Ich danke Ihnen, Mister Wilkins!" Ohne auf das schon wieder wärmere, tn Horsts Worten zum Ausdruck kommende Gefühl zu achten, fuhr der Amerikaner in seinen rein sachlichen Anordnungen -fort: »Ich halte es also für notwendig, daß Sie Ihren Wilhelm nach Genua schicken, damit er aus dem Bureau der Schiffsgesellschaft den Ihnen zustchenden Teil des Reisegeldes der von Ihnen bezahlten und nicht benutzten Passage einfordert und sich Ihr Gepäck aushändigen läßt. Der Direktion einer Transportanstalt, die solche Divi denden zahlt, schenkt unsereins doch nichts.* Horst schwieg. In seinem Leichtsinn, in dein Glücks taumel, der ihn bei Violets Erklärung ersaht, hatte er in der Tat die .Lombardia", die Passage und das Gepäck total vergessen. »Ich werde Wilhelni noch heute nachmittag nach Genua schicken*, erwiderte er jetzt rasch. »Dann wären wir also einig, Herr Graf! Kommen Sie, ich darf Sie doch zum Lunch bitten!* Schweigend folgte Horst. AIS sie in Violets Gesellschaft den Speisesaal betraten — es war bereits ein Uhr vorbei —» ging es dort ganz gegen die vornehmen Gepflogenheiten des Grand Hotels sehr laut zu. Die Feldbergers und der Professor saßen an ihrem Fenstertisch, die Pfropfen knallten und die Gäste des Hotels schienen alle an der Familienfeier mehr oder weniger Anteil zu nehmen. „Wollen wir nicht lieber im kleinen Saal speisen, Papa?' wandte sich Violet an ihren Vater, als ihr die Prosit- und Hochrufe der Gäste, um die sich die Wilkins' während ihres Aufenthalts im Grand Hotel so gut wie gar nicht gekümmert hatten, entgegentönten. »Mir wäre es ja auch lieber, mein Kind*, sagte Wilkins. Und Horst bemerkte: „Gemütlicher dürfte es in dem kleinen Saale schon sein! Diese Leute sollen einem in der Tat aus die Nerven." Michael Feldberger hatte die Wilkins und den Grafen bemerkt. Nur ein bitterböser Blick Alices hielt ihn in letzter Sekunde davon ab, den Sektkelch in der Hand, aus den Amerikaner zuzugehen und mit ihm, wie er sich das schon zurechtgelegt hatte, auf die neueste deutsch-amerika nische Allianz anzustoßen. „Kellner, noch eine Pulle Heidsick!" rief er. Aber Alice bestimmte: »Da ist dein Fachinger Wasser, du weißt! Bringen Sie gleich den Kaffee! Für diesen Lunch hast du wirklich genug getrunken, Papa!* * * * Etwa drei Wochen später stach die „Violet* von der Reede von Monaco aus, wohin sie Wilkins beordert hatte, in See. Es war ein herrlicher, tiefblauer Morgen. Auf dem Promenadendeck stand der Gras an VioleiS Seite und hielt oie Rechte des jungen Mädchens zärtlich in seiner: Hand. Rasch gewann das schlanke Schiff die hohe See. Montes entzückendes Panorama, die Felsen von Monte Carlo und Monaco, BordigheraS Palmenhügel, das düstere Kap Martin zeigten sich den beiden noch einmal im Glanze der unbesieglichen Mittelmeersonne in ihrer ganzen märchen haften Pracht. Da bog die „Violet* um den scharfen Vorsprung des Kap d'Ail. Der Felsen von Monaco versank. Fester faßte Horst Violets Hand. Dann kam es von seinen Lippen: „Ich fange dich mit beiden Armen auf! So klammert sich der Schiffer endlich noch Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.* Leise hatte er die Verse Goethes gesprochen. — Un gehört war Wilkins zu den beiden getreten. „Sie irren, mein junger Freund", sagte er ernst, »wenn Sie den trügerischen Felsen von Monaco wirklich meine» sollten! — Das Schiff nimmt ven Kurs nach Westen! Und dort werden Sie, wie ich hoffe, einen neue» Felsen finden, aus den man in Ruhe bauen kann! Wenn Sie erst gelernt haben, daß man vurch Arbeit vie Frucht dieser Erde in Nahrung für Tausende, in Leben, und dieses Leben für sich selber in Gold verwandeln kann." „Ich will Ihr Schüler werden, Vater!" erwiderte Horst. Und seine Worte klangen in dieser Stunde zum ersten Male, als kämen sie aus innerster Ueberzeugung. — Ende. — Skandalaffären. Sein zweites Wort war ögalite, libertö; er schrieb gegen die Ehe, verteidigte die Scheidung, predigte Ver achtung jeglicher Moral, und sah in der allgemeinen Gemieden- heit, in der er lebte, nur einen Beweis seiner geistig höheren Stellung. Er erkannte weder eine Gottheit an, noch Elternrechte, er haßte die Reichen, die ihm ihr Haus verschlossen, er war neidisch, er gönnte sich und anderen nichts. Wenn man ihn cinlud, ver schloß man ärgerlich das Silber vor seinen umhersuchendcn Blicken, und verbarg das schöne Porzellan vor ihm. Seine Tante, bei der er lebte, beklagte sich über ihren Neffen, den sie erzogen hatte, er verbreitete Ungemütlichkeit, Kälte; eine Atmosphäre der Disharmonie War um ihn. Und so wäre dieser Winkeladvokat zu den Schurken dunkelster Gattung zu zählen. Wenn nicht die Revolution gekommen wäre. * Er drängt nach Paris, er hat nicht einmal Geld zum Platz in der Reisekutschc, nicht einen Koffer, keine Garderobe. Die gutherzige Madame Marchand, eine Nachbarin, leiht ihm alles, und er reist ab, mit seinem geliehenen Koffer, zerrissener Wäsche, abgenutzten Stiefeln. Er läuft in die Versammlung, drängt sich in die Sitzungen, sucht alte Beziehungen auf, selbst feine Lehrer sucht er für sich einzunehmen. Mirabeau behandelt ihn sehr von oben herab. Er ahmt ihn» nach, in seiner Kleidung, seiner Haartracht, seinen Manieren, er setzt sich neben den großen Redner, lauscht ihm seine geschickten Wendungen ab. Mirabeau spielt ein doppeltes Spiel. Während er dem König gesteht: ich bin tn meinem Herzen Royalist und wünsche nur einen starken Damm zwischen den Stürmern und dem Thron zu errichten, hetzt er in den Versammlungen gegen den Hof. Allmählich dringt Nobespierre durch. Mit seiner weithintragenden Stimme verkündet er den Parisern die Freiheit. Vive Xobespierre, le» aristoorats ä la lauterns! Noch 1792 schrieb er: „Die Monarchie ist das einzige, was für ein Königreich, das so alt ist wie Frank reich, in Betracht kommt." Wenige Monate später: „Wenn Ludwig XVI. den Tod nicht verdient, verdienen wir ihn." Der König fällt unter der Guillotine. Nous avons Krise uos kers, schreit er dem jauchzenden Pöbel zu. Ihr habt keinen König mehr, ihr seid frei! Die verheißene Freiheit bricht an. Aber anders wie die Pariser sie sich gedacht. Despotismus ist Robes- Pierres Ideal, er hat es erreicht. Alles beugt sich seiner Macht, ein rößime rLvolutiounairo beginnt, ein Tyrann hat den Thron bestiegen, schrecklicher als alle römischen, ein Taumel beginnt, die Guillotine arbeitet, sie dampft, sie knarrt, und der Karren raffelt durch die Straßen, und bringt Opfer um Opfer herbei. Das Volk sieht zu, jubelnd, blutberauscht, die Schreckenszeit breitet sich aus über die Provinz, die Guillotine reist, die Flüsse sind gefärbt von dem Blut der Opfer, die man nicht mehr be. erdigen kann; Robespierre lächelt und herrscht. Dreihundert Personen läßt er in acht Tagen morden, aus Eifersucht auf eine Frau, die viele Anhänger im Volke hatte, sein Einfluß muß un angetastet bleiben. Mirabeau ist nicht mehr, er starb vergiftet nach einem Souper. Früher qper später wäre auch er geendet unter diesem Henker. Robespierres Seele brennt, sie lodert, der Blutraufch hat ihn gepackt, er greift um sich wie eine Pest. Man beklagt sich über einen Provinzdeputierten, einen Komman danten, der fo viel Menschen ermorden läßt, daß die Stadt verwaltung das Geld nicht mehr aufbringt, den Fluß von den Leichen säubern zu lassen; sie schwimmen treibend neb-n- einander her. Robespierre lächelt: Ich bin sehr zufrieden mit diesem Kommandanten, er tut nur seine Pflicht. Der Tod geht um, die Denunziationen durchschwirren die Lust, anonyme Briese, die den Tod tn die Häuser tragen... man braucht nur einen Feind zu haben, nur einen neidischen Nachbar, nur Ver mögen zu besitzen, ein Gelehrter zu sein, dem Hose verwandt, so ist man auf dem Karren. Aber Nobespierre lächelt nicht, wenn er die Briefe öffnet» die ihm ins Haus fliegen. Nieder mit dem Tyrannen, dem Tiger, bedeckt mit Frankreichs Blut... Ein leichtes Frösteln überfliegt seinen Rücken; er zerreißt sie, aber sie kommen wieder. Er schläft unruhig, er läßt sich bewachen von Hunderten von Kriminalisten; sie sind vorsichtig verteilt, wohin er geht, folgen ihm einige. Alle Revolutionäre hätte der Hof kaufen können, sagt Le Blond, wenn er sich ernstlich darum bemüht hätte. Mirabeau ließ sich bezahlest, Marat nahm mit einer Hand, mtt der anderen schrieb er gegen die Regierung, Danton kostete dem König hunderttausend Taler, ohne daß der Hof einen Nutzen davon hatte, nur Nobespierre galt für unbestechlich. Und seine Stunde kommt; eines Tages fordert man ihn auf, denselben Karren zu besteigen, auf den er so viele andere ge schickt. Er springt aus dem Fenster, verletzt sich auf dem Pflaster, mit einer blutigen Binde fährt er zum Richtplatz. Ma» war seiner Herrschaft satt. Ein Geheul erhob sich, wo er vor« überkam, Schreie des Haffes, der Verachtung, der Wut. Allons, Sire, rtefen oie Weiber ihm zu, voll- votro tour. Rieder miß dem Henker. Man applaudierte, als sein Kopf fiel. Niemand beklagte ihn. Alles atmete auf, und aus den überfüllten Kerken^ die man jetzt öffnete, strömten dte Gefangenen heraus, die fich schon gerichtet sahen. Ja; Wein RM-iem;. Von LieSbet Dill. (Nachdruck verboten.) Breitschultrig, mit kleinem Kopf, dunkelblond, etn rundes Gesicht, von Blatternarben bedeckt, kleine, runde Nase, wässerige blaue Äugen mtt stechendem, unruhigem Blick, kaltem abweisen den Ausdruck, schildert ihn Le Blond. Er lachte nie, er lächelte ganz selten, und dieses Lächeln bedeutete immer etwas Schlimmes, es kostete etwas... In Arras geboren, als Sohn eines Advokaten, srüh verwaist, im Hause einer frommen Tante erzogen, dte Großes von dem begabten Neffen erhoffte, unter den Schülern unbeliebt und verhaßt, von den Lehrern, seines kritischen Wesens wegen, gefürchtet, einsam und un zugänglich, ein Junge, der niemals mit anderen spielt, sich nie vergißt, an keinem Vergnügen teilnimmt, gegen Schmeiche leien schwach. Wer sein Vertrauen erringen wollte, mußte ihn loben, ein häßlicher Mensch, mit ewig verdrossenem Gesichts ausdruck, einem höhnischen Zug um den Mund: die Mütter warnen ihre Söhne vor dem »mausvais sujet*. Krankhaft ehrgeizig; seinZiel istParts, eineRolle zu spielen, tn der Welt, nicht in der Provinz. Er beugt sein Haupt nicht vor irgendeiner Autorität, weder vor einem Altar, einer Fahne noch einem Heiligenbild; er betrachtet Religionsstunden als ver schwendete Zett. Sein Umgang ist wie dte Pest, sagen die Lehrer, er verhöhnt die Schüler, die sich mit den Lehrer gut stellen. Die Briese, in denen er reiche Verwandte um abgelegte Kleider bittet, sind in einem derartig überhebenden Ton ge schrieben, dem man den Widerwillen des Bittstellers gegen seine Wohltäter anmerkt. Dankbarkeit war für ihn ein Begrifs. Die Frau spixlt keine Rolle in seinem Leben, nicht früher und nicht später. Mit Camille Desmoulin, dem Feuerkops, har er heiße Kämpfe, sic sind Klaffenkameraden, lieben sich aber nicht. Wen liebte Robespierre? Niemanden, weder seine Schwester, noch seine Schulgenoffen, weder seine Lehrer noch eine Frau. Er kompromittierte sich nie. darauf legt er den größten Wert; ist er gezwungen, einer kirchlichen Feier beizuwohnen, beteiligt er sich weder am Gebet noch am Gesang, er bleibt stehen, kniet nicht nieder, ein sarkastisches Lächeln um die Lippen. Seine Lehrer halten große Eigenschaften römischer Feldherren tn ihm entdeckt, in der Rhetorik zeichnete er sich aus, er deklamierte gut. Als Ludwig XVI. seinen Einzug in Paris hielt, schreibt Le Blond, erinnere ich mich des Empfangs in einer Kirche, bei dem der junge Nobespierre auserseheu war, den König mit einem Gedicht zu begrüßen. Und ich sehe noch den jungen Regenten, gerührt und voll Güte, einen Blick aus ko jeune monstro werfen, der dazu bestimmt war, ihm eines Tages den Todesstoß zu versetzen. Nobespierre studierte dte Rechte, und wurde Advokat, zunächst in seiner Hetmat Arras. Um Geld zu machen, wie er sagte. Ihn interessierten nur dte ungewöhn lichen Fälle, er hat wenig zu tun Unter dem frommem be schränkten Provinzpublikum stel er auf. Seine Pariser Sitten, seine Religionslosigkeit isolierten ihn. Er mokierte sich über dte braven Bürger, über alle Autorität, die Schule, dte Lehrer, das Gericht, die Gesellschaft, den Staat, den Hof, die Könige und dte Bourgeoisie. Man hielt sich ihm fern, die Bürger miß trauten ihm, seine aberhebende Art zog ihm den Haß der Kollegen zu. Setn Bureau blieb leer. Er begann sich ven faulen Sachen zuzuwenden, die seine Kollegen ablehntcn, er lebte von Da kam eben der Oberknecht heran. Anfangs glaubte er, dte beiden wollten ihn necken; doch als er dte vergtlbte Schrift und den bleichen Ernst in den beiden Gesichtern sah. wurde er blaß vor Erregung. »Mir den halben Hof? Großbauer soll ich werden?" Ein wenig Jubel klang doch in seiner Stimme. — Da stand die Marie in der Haustür. Er verstummte. Dann rang er sich es ab: ^ch will nicht!" »Warum?* fragte die Marie. Ihr Blick lag fest tn seinen Augen. »Vater und Oheim behalten genug, und mir nimmst du nichts. Denn dort, wo ich bald hinkomme, braucht man kein Feld und kein Haus, nur ein paar Bretter!* „Marie!' stöhnte er. Aber sie lächelte weltabgewandt. »Set denen da ein Sohn! Hörst du?" Ure Stimme kämpfte gegen den auszuckenden Herzkrampf. »Nimm — eine — brave — Frau." Der Vater trug sie in ihre Stube hinaus. Gust warf sich an vie weißgetünchtc Hausmauer und schluchzte. »Was nützt mir der Hos? Sie stirbt!' Der Oheim der Marie legte ihm die Hand aus die Schulter. »Ja, keiner bleibt. In ein paar Jahren sind dte Rüttlerbauern ausgestorben. Der Hierher gehört wird Herr. Und das bist vu! Zu ändern ist da nichts. Jetzt kommt deine Zeit. Das Geld kommt wieder an den, dem es eigentlich gebührt." Er nickte mit schwerer Stirn und stieg die Treppe hinauf zu der Stube, wo die Jüngste aus dem Geschlecht der Rüttler zu Verben anstng. Sremdes Geld Von Wilhelmine Baltinester. (Nachdruck veröden.) Die Rttttlerbauern. deren großes Anwesen über eine riesige Hochebene ausgebreitet war, zählten zu den angesehensten Fa milien des Bergdorfes. Ihr Großvater war vom Knecht zum Großbauer aufwärts gerückt, und zwar in wenigen Stunden. Es hieß, eine unerwartete Erbschaft hätte ihm dieses Glück gebracht. Nun war er längst tot, auch seine Söhne waren ihm ins Grab gefolgt. Seine beiden Enkel wirtschafteten aus dem Rüttlcrhofe. Der eine war unverheiratet geblieben; dem an deren hatte eine kränkliche Frau ein Mädchen geboren. So war kein Mitarbeiter und männlicher Erbe aus dem Hose. Der Häuslersohn Gust, welcher ihr bester Knecht war. bewährte sich als stramme Stütze. Trotz seiner Jugend machten sie ihn zum Oberknechl. »Wenn meine Marie nicht so krank wäre, bekäme er sie zur Frau!" sagte der ältere der Nüttlerbauern. Und sein Bruder nickte. Geldstolz kannten sie nicht, ihnen gatt nur Arbeitseifer achtenswert. Gust verbrachte seine Sonntage zu meist auf dem Hofe. Besonders seit seine Eltern gestorben waren, ging er nur selten ins Dorf. An den stillen Sonntaa- nachmittagen saßen die beiden Bauern, der Gust und die Marte vor dem Hause. Hin und wieder tröpfelte etn Wort. Die Marie war kränklich, wie ihre Mutter es gewesen war. Im Herzen sah es, sagte der Arzt. Sie wußten, daß sie sie nicht lange behalten würden. Gern suchte sie einsame Winkel; ihr Lieb lingsplatz war der Dachboden mit seinen alten Truhen, in deren verstaubtem Kram sie ost wühlte. Vergilbte Papiere waren da. uralte Dokumente, die Brautkränze der Rüttler- bäuerinnen und viele kleine Kleidchen für Kinder. Das stille Wesen der Kranken lebte in der Vergangenheit, da sie für Er lebnisse der Gegenwart zu schwach war. Eines Sonntags kam sie lange nicht vom Boden herab. Der jüngere Rüttlerbauer, ihr Oheim, stieg hinauf, um das Sorgen kind zu holen. Die Marie hockte auf einer Truhe und las mit verzerrtem Gesicht einen mürb gewordenen Bogen, der in ihren Händen zitterte. Der Oheim trat hinter sie. Sie schrak zusammen. Er nahm ihr das Papier aus der Hand und trat unter das kleine Fenster des schies abfallenden Daches. Sein Großvater hatte diese Schrift verfaßt. .Beichte" stand darüber. Mit großen Augen las der Bauer. Der Alte erzählte zuerst, wie schlecht es ihm als Knecht ergangen war. Er hatte einen Freund, der neben ihm diente. Dieser Konrad war ein guter unv braver Kerl. Von seiner Liebsten bekam er zum Namens tage ein Los geschenkt. Aber er lachte über solche Glücksproben, und schob das Blättchen in die Bibel Er vergaß überhaupt, daß er es besessen. Aber dem Rüttler ging die Zahl im Kopfe herum: 1813. Immer stand sie vor ihm. Am Tage nach der Ziehung kaufte er eine Liste und studierte sie heimlich. Die Nummer 1813 war gezogen worden. Eine ungeheure Summe entfiel aus den Gewinner. Wie um dem Freunde bei seinem Vorhaben zu helfen, ließ der Konrad sein Fenster offen, und der Rüttler stieg in die Stube, zog das Los aus der Bibel and verbarg den Raub auf seiner Brust Ein Jahr lang ging rr mit dem Geld, das er einkassierte, umher. Es kam die Nachricht, daß einer seiner Verwandten gestorben sei und ihm ein kleines Erbe hinterlassen habe. DaS bauschte er aus, legte fein Geld dazu und erstand nun frech den großen, eben frei- gewordenen Hos aus der Hochebene, den größten unv besten kn Umkreise. Konrad und seine Braut schindeten sich weiter alS Knecht und Magd. Spät erst konnten sie heiraten. Als arme Häusler fristeten sie ihr Leben. Der Rüttler aber war Großbauer. Als dann das Alter kam, wurde die Neue lebendig. Aber zu stark saß ihm die Geldsucht im Blute, als daß er es hätte eingestehen wollen. Und da er selbst den Mui zum Ver richt nicht aufbrachte, schrieb er die Beichte nieder und versteckte ste auf dem Dachboden. Er überließ es den» Schicksal, zu ent- stheiden, ob sie jemand nach seinem Tode fände. So leicht machte er es sich. Der Enkel hatte entsetzt zu Ende gelesen. Der jähe und furchtbare Tod des Großvaters flog wie ein grausiges Schreckensbild an ihm vorbei. Der Alte war eines Tages ver- schwunden. Erst eine Woche später hatte man ihn nach langem Snchen in einer Felsspalte gefunden, wo er an seinen Wunden, vor allem aber an Hunger, gestorben war. Jetzt erst verstand der Enkel diese Strafe ganz: der auf dem Wege des Diebstahls reich gewordene Bauer, der doch den Hungertod sterben mußte! Mi» schweren Schritten ging der Rüttlerenkel zu seinem Bruder hinab, der aus der Hausbant saß und ven Frieden genoßt Als der zweite Rüttler die Schrift gelesen hatte, sagte er lest: »Zurückzahlen müssen wir es mit allen Zinsen!" Ste rechneten. Ihr Bargeld reichte nicht. »So müssen wir den Erben des Betrogenen den halben Hos verschreiben, so viel macht es gerade aus", sagte der Jüngere »Wer sind die Erben?" fragte der Aeltere. »Laß mich denken... Der Häusler Konrad hatte einen Sohn. Der war — Bruder — er war der Vater oes Gust!
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