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II Die 1VV-Dollarnote W Roman von Edward Stttgebauer Oop^rlAkt b^ Martin kvucktvauger, ttslls (Laste) 18. Fortsetzung. Nachdruckverboten. Hatte nicht gener» «rgenoeiner ..was von hundert Millionen Jahresumsatz gefaselt, die der alte Wilkins auf dem Markte tu Milwaukee in die Wege leiten sollte? Hundert Millionen! Wieviel Zinsen waren das eigentlich; das war ja gar nicht auszurechnen, dazu mußte man schon vom Stamme Feldberger sein, um hier richtig kalkulieren zu können! Da ging die große, aus der Halle auf die Terrasse führende Tür. Horst wandte sich um. Es war Alice, die, von Angst und Ungeduld getrieben, es aus ihrem Zimmer nicht mehr ausgehalten hatte. Er grüßte förmlich. Und sie näherte, sich ihm und sah ihn aus ihren ernsten, dunkelbraunen Augen mit einem langen, vorwurfsvollen und doch noch fragenden Blick an. Aber er hielt diesem Blick stand. Und so sagte sie leise: „Sie entschuldigen, Herr Graf, wenn ich nicht irre, dann habe ich hier meinen englischen Roman liegen lassen!* „Wenn ich Ihnen beim Suchen behilflich sein darf, meine Gnädigste * „Ich danke, da ist er schon!" Eben wollte sich Alice entfernen, als Vtotei vte Treppe wieder heraufkam. Alice ging nach der Tür. Dort blieb sie stehen, um die beiden zu beobachten. Ein Blick voll Verständnis traf sie nun aus Violets Augen. Die kleine Amerikanerin stand vor der hohen Gestalt des Grasen. „Nun?" kam es angesichts Alices in festem Ton von ihren Lippen. Keines Wortes mächtig, reichte ihr Horst die Hand und zog sie an sich. „ „Mein Graf, mein Graf, mein lieber Graf!" jubelte die Kleine. Aber sofort war sie wieder Herrin der Situation. Sie legte ihre Hand in den Arm Horsts und schritt an seiner Seite auf Alice zu. „Sie erlauben, daß ich Ihnen meinen Verlobten vor stelle, Miß Feldberger", kam es nun in einem entzückend boshaften Ton von ihren Lippen. Keinen Moment verlor Alice die ihr anerzogene gesell schaftliche Haltung. „Ich danke Ihnen, Miß Wilkins", lautete ihre Erwide rung. „Ich glaube, Ihnen schon erzählt zu haben, daß ich in Berlin ven Vorzug hatte, die flüchtige Bekanntschaft des Herrn Grasen zu machen!" Schars betont, wie aus des Messers Schneide, wußte sie jedes ihrer Worte hcrvorzubringen, so daß Horst sich beim besten Willen zu keiner Antwort emporzuraffen vermochte. Und Alice fuhr fort: „Sie erlauben doch, Miß Wilkins, daß ich Ihnen dazu aufrichtig und von ganzem Herzen gratuliere!" „Ich danke, Miß Feldberger!" Alice sprudelte weiter: „Meinen Eltern wird es ganz bestimmt eine außer ordentliche Freude sein, Sie als die Verlobte des Herrn Grasen begrüßen zu dürfen! Nicht wahr, Papa?" Sic hatte Feldberger bemerkt, der eben nach dem Ge spräch mit dem Professor dis Terrasse betreten hatte, ossenbar um sie zu suchen. „Was sagst du dazu, Papa!" ries sie mit auffallend lauter Stimme. „Miß Wilkins hat sich soeben mit dem Herr» Grasen von Stecklingen verlobt! Welche Freude, welche Ueberraschung!" „Na, Gott sei Dank!" polterte Feldberger heraus. Lin vorwurfsvoller Blick aus den Augen Alices war oie Antwort. „Ach so", verbesserte sich Feldberger, „da kann ich nur gratulieren! Sie machen eine glänzende Partie, Herr Graf, und Jie, meine Gnädigste, Sie tauschen den auf dem Geld markt so hochgeschätzten Namen Wilkins gegen ein Krön chen ein, das nicht von Pappe ist!" Glückselig lächelte Violet. Sie freute sich wirklich ihres Sieges. Horst war die ganze Situation so unendlich peinlich, daß er es vorzog, sich in völliges Schweigen zu hüllen, und sich damit begnügte, Violets kleine Hand zärtlich zu streicheln. Da fiel Michael Feldberger der Professor ein, der ja noch immer im Lesezimmer wartete. Er warf Alice einen vielsagenden Blick zu, deutete mit der Hand in der Rich tung des Hotels und zuckte mit den Schultern. Alice verstand ihn wohl. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie an einen der Tische und klingelte. Alsbald erschien der Kellner. „Sagen Sie", wandte sich Alice an diesen, „sitzt Herr Professor Kurz noch immer im Lesesaal?" Ein malitiöser Ton, den sie vergeblich zu unterdrücken bemüht war, klang deutlich durch diese Frage. „Ich werde sofort nachsehen, gnädiges Fräulein!" „Sagen Sie dem Herrn Professor, daß ich ihn auf der Terrasse erwarte, Kellner, wenn Sie ihn gefunden haben!" „Schön, gnädiges Fräulein!" Fünf lange Minuten vergingen. Endlich erschien der Herr mit der goldenen Brille im Rahmen der Tür. Er hatte sich erst sorgsam die GlacL- handschuhe über die Hände gezogen und trug das herrliche Bukett La-France-Rosen in seiner Linken. Wie er so hastig auf sie -ukam, trat Alice unwillkürlich eine» Schritt zurück Aber schon hatte sie ihm wieder verziehen. In der Lür wäre er nämlich um ein Haar über den Läufer gestolpert; utid nun war es doch an ihr, den ander"- gegenüber für pe beide Haltung zu bewahren. So ging sie ihm entgegen. . „Die herrlichen Rosen, Herr Professor", begann sie, „die sind doch nicht am Ende für mich?" „Wenn das gnädige Fräulein die Güte haben, sie an zunehmen, das gnädige Fräulein würden mich " Beteuernd legte Kurz seine Hand auf die Brust. Er schien die anderen gar nicht zu bemerken, er räusperte sich vielmehr, und Alice ging wohl nicht fehl in der Annahme, daß er jetzt drauf und dran war, mit einer längeren An sprache zu beginnen. Um eine solche zu vermeiden, ergriff sie das Wort: „Aber ich habe doch, wie ich Ihnen gestern abend schon sagte, Ihren lieben Brief gelesen, Herr Professor! Ich bin mit mir ins reine gekommen, hier " Sie reichte ihm ihre Hand. „Gnädiges Fräulein, Alice, Alice!" stammelte Kurz. „Gott sei Lob und Dank!" sagte Feldberger. Alice ließ den völlig überwältigten Professor gar nicht zu Worte kommen. Sie hielt es für richtiger, in diesem Falle selbst den gesellschaftlichen Förmlichkeiten zu genügen, und deshalb wandte sie sich nun an Horst und Violet mit den Worten: „Sie gestatten, daß auch ich Ihnen meinen Verlobten vorstelle, meine Herrschaften! Herr Professor Doktor Kurz!" Horst, dem ihre ironische Gratulation noch immer in den Ohren summte, war nun wieder völlig Herr der Situation. Er sagte: „Ich kann Ihnen dazu nur aufrichtig und von ganzem Herzen gratulieren, Herr Professor; ich hatte nämlich den Vorzug, in Berlin die flüchtige Bekanntschaft Ihres Fräu lein Braut zu machen!" Der Professor verneigte sich schweigen!. Michael Feldberger hatte dem Kellner geklingelt. „Sie befehlen, Herr Feldberger?" „Bringen Sie Sekt, Kellner, viel Sekt!" „Heidstck, Herr Feldberger?" „Natürlich, Heidsick!" „Aber Papa!" verwies Alice. „Na, wenn man daraus nicht anstoßen soll!" meinte Feldberger vergnügt. Da ward in einem der Hotelsenster der noch unfrisierte Kopf Frau Irmas sichtbar. „Alice", ries sie hinunter, „komm doch endlich herauf, die Friseuse ist jetzt da!" „Sie kann nicht, sie hat sich verlobt, Jrmchen!" ver kündete Michael Feldberger. Frau Irma bemerkte erst jetzt, daß sich einige Herr schaften drunten aus der Terrasse um Alice versammelt hatten, unv mit einem: „Um Gottes willen, wie sehe ich aus!" fuhr ihr unfrisierter Kopf wieder in das Dunkel des Zimmers zurück. „Na prost, Kinder!" sagte jetzt Feldberger, dem der Kellner eben das silberne Tablett mit den gefüllten Cham pagnerkelchen präsentierte. „Bitte keine Rede, Papa", bat Alice. „Wie du befiehlst, mein Herz!" „Champagner am Vormittag?" Es war die Stimme Mister Wilkins', der soeben von seinem Morgenspaziergang zurückgekehrt war und nun die Terrasse betrat. „Ich habe mich verlobt, Papa!" jubelte Violet.- Sie deutete auf den Grafen, und Horst verneigte sich förmlich. Kein Zug veränderte sich in Wilkins' unbeweglichem, glattrasiertem Gesicht. „Dann darf ich Sie wohl um eine Unterredung bitten, Herr Gras", sagte er in ganz geschäftsmäßigem Tone, als ob man ihm soeben einen Kunden mit zehntausend Zentner Weizen gemeldet hätte. Schweigend folgte Horst dem Amerikaner. Ehe Wilkins ging, hatte er Violet leise aus die Stirn geküßt und gesagt: „Dir wünsche ich alles Glück, mein Kind!" Die Unterredung zwischen Horst und seinem zukünf tigen Schwiegervater fand in Wilkins' Privatsalon statt, der zu der Flucht von Zimmern gehörte, die der Ameri kaner für sich und Violet schon vier Winter durch im Grand Hotel mit Beschlag zu belegen pflegte. Sie währte weit über eine Stunde, denn der Weizenkönig schenkte dem jungen Edelmanne nichts. Mit der ihm eigentümlichen Gründlichkeit, die immer die beste Gewähr für die Erfolge der von ihm entrierten Geschäfte geleistet hatte, ging er auf alles ein, und als Horst schließlich ganz kleinlaut seine Beichte geendet, lagen seine ganze in Leichtsinn und Genuß verschleuderte Vergangenheit und die trostlose finanzielle Lage, in der er sich augenblicklich befand, wie ein offenes Buch vor den Augen dieses nüchternen Geldmenschen unv Beherrschers des Getreidemarktes von Wisconsin da. Horst hatte geendet. Verlegen, fast beschämt schaute er vor sich hin. In der ersten Minute nach diesem Bekenntnis, durch das ihm die ganze Nichtigkeit seines vergangenen Lebens eigentlich so recht zum Bewußtsein gekommen war, wagte er es gar nicht, die sonst so kühn und kalt in die Welt blickenden Augen zu dem immer noch unbeweglichen Gesicht des Mannes emporzuschlagen, der Violets Vater und das Schicksal seiner eigenen Zukunft war. Wilkins erhob sich. Langsam setzte er die kurze Pfeife mit dem scharf duftenden englischen Tabak, die ihm wäh rend der Beichte des Grafen ausgegangen war, wieder in Brand. Und dann fragte er: . „Wie alt sind Sie eigentlich jetzt, Herr Graf?" „Ich bin im November achtundzwanzig geworden", lautete Horsts Antwort. „Sie haben also zehn geschlagene Jahre Ihres Lebens vertrödelt!" kam es nun von Wilkins' Lippen. Einen Moment schien es, als wolle Horst nun doch auf begehren. Aber die ruhige und sachliche Art, i» ver Wilkins ohne jede Erregung, nicht den leisesten Ton ves Vorwurfs in seiner Stimme, mit ihm sprach, ein Blick in daS freundlich-ernste, in dieser Minute von dem Glanz der Güte überstrahlte Antlitz belehrten ihn rasch eines Besseren, und so senkte er, vielleicht zum ersten Male in seinem Leben, vor einem anderen errötend den Kopf Wilkins fuhr fort: „Sie haben mir und meiner Tochter einen unvergeß lichen Dienst erwiesen, Herr Graf: Sie haben meiner Tochter ihr Wohlbefinden, vielleicht ihr Leben gerettet!" „Bitte, das war nur meine Pflicht, Mister Wilkins!" Wilkins beachtete diesen Einwand nicht, sondern ließ sich nicht irre machen. „Aus diesem Grunde will ich Ihnen die Hand reichen! Sie werden viel nachzuholen haben, denn zehn Jahre sind eine lange Zeit. Aber zunächst muß ich Ihnen ein feier liches and ehrenwörtliches Versprechen abnehmen!" „Bitte, Mister Wilkins!" „Sie versprechen mir, den Spielsaal nicht mehr zu be treten und weder hier noch in Amerika wieder eine Karte anzurühren! Ich nehme das als ersten Paragraphen in den Kontrakt auf, den ich mit Ihnen abschließen will!" „Ich verstehe Sie nicht Mister Wilkins'!" „Sie werden mich sogleich verstehen, Herr Graf, sobald Sie mir das Versprechen gegeben haben!" „Ich gebe Ihnen feierlich dieses Versprechen!" „Gut. Sie wollen doch nicht mein Schuldner werden und bleiben, ein Ehrenmann wie Sie doch nicht!" Horst schwieg. Noch immer hatte er keine Ahnung davon, wo dieser spleenige Amerikaner denn eigentlich hinaus wollte! Deshalb zog er es vor, aus diese Frage nichts zu erwidern, sondern mit gespannter Erwartung den weiteren Ausführungen Wilkins' zu lauschen. Unv diese folgten denn dieser Frage auch auf dem Fuße. „Wenn ich mich recht entsinne, Herr Gras, dann waren es etwa dreiundachtzigtausend Frank, die Sie gestern wäh rend unserer Abwesenheit in Nizza an der Roulette ver loren haben?" „Das habe ich Ihnen rückhaltlos anvertraut, Mister Wilkins!" „Und ich danke Ihnen nochmals für Ihre Offenheit, weil die Offenheit die einzige Basis ist, aus der ich Ge schäfte abzuschließen pflege. Dreiundachtzigtausend Frank sind eine große Summe für ven, Herr Gras, der sich vieses Geld durch seine Arbeit verdienen will. Aber ich will Ihnen die Gelegenheit geben, dieses Geld zu verdienen! Sie waren aus dem Wege nach Amerika! Werden Sic Direktor meiner Getreidemagazine in Milwaukee! Ich zahle Ihnen zehntausend Dollar Gehalt und Sie erhalten eine Tantieme von einrinhalb Prozent!" Momentan stutzte Horst. Aber sein klarer Verstand sagte ihm doch, daß es wohl in der Lage, in ver er sich eben befand, das klügste sei, zunächst auf die Schrullen ves alten Mannes, wie er dessen Vorschläge eben noch in seinem Innern nannte, cinzugehen. Deshalb fragte er: „Halten Sie mich denn für einen solchen Posten ge eignet, Mister Wilkins!" „Wenn ich Sie nicht dafür geeignet hielte, dann hätte ich Ihnen wohl einen anderen Posten in Vorschlag ge bracht. Wenn Sie fleißig und umsichtig sind, Herr Graf, dann werden Sie die verlorene Summe in etwa Jahres frist wieder eingebracht haben! Sie sind also bereit, aus meine Vorschläge einzugehen?" „Ja, Mister Wilkins, wenn Sie die Güte haben werden, mich in den Kreis meiner dortigen Pflichten einzuweihen", sagte jetzt Horst. „Das wird mein Manager. Mister Bcllowtown, mit Vergnügen besorgen." „Schön, Mister Wilkins!" „Also abgemacht!" Wilkins stand vor dem Grafen. Er griff in die Tasche seines Nankingrockes und zog sein Scheckbuch Eine halbe Minute schrieb er. Dann riß er ein Blatt ans dem Bucke und sagte: „Hier, Herr Graf!" „Was ist das?" „Ich pflege die Gehälter ein Vierteljahr pränumerando zu zahlen, Herr Graf! Das ist ein Scheck auf den Credit Lyonnais in Höhe von zweitausendfünfhundert Dollar. Ich werde an die Bank telephonieren, damit Ihnen das Geld anstandslos ausgezahlt wird!" „Ich danke, Mister Wilkins!" „Bitte sehr! Die Pränumerandozahlung ist in meinem Hause in Milwaukee und in allen meinen Filialen üblich! Dafür bedarf es keines Dankes!" Schweigend steckte Horst den Scheck in seine ach so leere Brieftasche. Es war ihm wirklich in diesem Augenblick, als fiele ihm angesichts der zu erwartenden Rechnung des Grand Hotels eine Zentnerlast vom Herzen. „Noch eins, Herr Gras!" „Bitte, Mister Wilkins!" „Sie werden wohl gut varan tun, Ihren Diener zu entlassen?" „Meinen Wilhelm?" „Wie er heißt, tut wohl nichts zur Sache! Ich halte das für geboten, weil Sie doch jetzt noch nicht in der Lage sind, einen Diener zu halten! Wenn ich Ihnen aber damit einen Gefallen tun kann, dann bin ich bereit, Ihren Wilhelm auf Ihre Empfehlung hin in die Reihen meiner Dienerschaft aufzunehmen." „Ganz wie Sie das bestimmen!" „O nein, nur um Ihnen einen Gefallen zu erweisen!" „Sie tun mir einen Gefallen damit!" „Gut! Vielleicht schicken Sie Ihren Wilhelm gleich heute nachmittag nach Genua? Er könnte dann im Liinse des morgigen Tages zurück sein!" „Nach Genua?" Schluß svlgt