Volltext Seite (XML)
I Die 1VV-Dollarnote W Roman von Edward StHgebaMer 6opv»8kt bv Martin keucktwanxer, ktsUs (Saale) ^^Fortsetzung. - . Nachdruck verboten. 7 Aber nun! Sie hatte ihn wiedergesehen, wiedergesehen an der Seite einer anderen, die durch Las Riesenvermögen, über das sie verfügte, weit mächtiger als sie selber war. Und sie kannte, doch Horsts Zage nur allzu gut. Wie W Kreist Monte Carlo über Wasser hielt, das war ihr f dn Rätsel; eS sei denn das eine geschehen, daß er, wie die Mutter erzählte, gewonnen hatte, gewonnen — und Ein Gedanke durchzuckte sie da. Wenn er am Ende wieder verlor, wenn ihn das launige Glück, das ihm viel leicht in den ersten Stunden hold gewesen, im Stich ließ? Wenn er gespielt und gewonnen hatte, dann würde er auch weiter spielen und verlieren; dafür kannte sie seinen leichtfertigen Sinn! Vielleicht lag darin noch eine letzte Hoffnung für sie; gut, daß sie den an ihrer Seite um Be denkzeit gebeten hatte, sagte sie sich gerade, als die Stimme des Professors wieder ihr Ohr traf: »Woran denke» Sie, Alice?" „Ich sinne nach, mein lieber Herr Professor, über Sie and über mich, über Jena und Berlin", log sie. Und er, dem aus diesen Worten schon wieder ein Schimnier schöner Hoffnung leuchtete, meinte: „Könnten Sie sich denn wirklich in das kleine Jena tzineinfinden, Fräulein Alice?" „Und Sie in das große Berlin, Herr Professor? Doch kommen Sie!" „Wohin?" „In den Spielsaal; das Glück noch einmal auf die Probe stellen. Es soll ein Omen für morgen sein! Spielen Sie Noir!" „Warum Noir?" „Weil Sie doch einmal zu meiner Mutter sagten, daß Sie in Miß Wilkins und mir Rouge und Noir verkörpert sähen! Also spielen Sie in Gottes Namen Noir!" „Ich will es probieren, Fräulein Alice, und es soll ein Omen sein!" * Als Kurz an Alices Seite einen der Noulettcsäle betrat, fiel cs ven beiden sofort aus, vaß eine Menge Menschen sich um einen der Tische drängten. „Was ist denn dort drüben los?" wandte sich der Pro fessor an das junge Mädchen. „Es wird wohl wieder einer jener berühmten Hasar deure sein, die es sich in den Kops gesetzt haben, in einer Nacht die Bank zu sprengen", sagte Alice. Mir Mühe gelang es den beiden, sich endlich durch den dichten Menschenknäuel einen Weg zu bahne», um so wenigstens in die Nähe des umlagerten Spieltisches zu gelangen „Ter macht allerdings ganz so den Eindruck, wie Sie das soeben angedeutet haben, meine Gnädigste", sagte nun Kurz. „Aber eine Chance bietet er; wenn man gegen ihn spielt, dann gewinnt man sicher. Nichts ist nämlich so ver führerisch, wie das Pech des lieben Nächsten", scherzte der Professor. Jede Antwort erstarb auf Alices Lippen. Der dort in der Mitte des Spieltisches saß mit hoch- geröteiem Kopfe, nervös mit den Fingern seine Haare durchwühlend, sie stieren Augen wie in Gier auf die rollende und klirrende kleine Kugel gerichtet, der hier einen Tausendsrankschetn nach dem anderen auf die verhängnis volle Farbe schob, der verlor und immer wieder verlor, das war kein anderer als Horst. Geschworen hatte er es sich noch diesen Morgen, den Spielsaal unter keinen Umständen mehr zu betreten; aber als der Abend gekommen, als Wilkins und seine Tochter nach Nizza zu einer befreundeten Familie eingeladen waren, und er so allein und sich selbst überlassen war, hatten alle guten Vorsätze nichts gefruchtet, waren die schönsten Aussichten, die er sich als Helle Zukunft schon in seinem Innersten ausgemalt, verflogen vor der ihn plötz lich wieder erfassenden Gier, hier mühelos das Kapital, das ihm gestern der Zufall in die Hand gespielt, verdoppeln »md verdreifachen zu können. Der nie versagende Magne» Monte Carlos hatte auch auf ihn seine geheimnisvolle Zauberkraft ausgeübt, und er war dieser, wie sie alle, muerlegen. „Sehen Sie nur, gnädiges Fräulei»*, vernahm nun Alice wieder die Stimme des Professors an ihrer Seite, „nur ein Narr kann so spielen, mit Einsätzen in dieser Höhe, ohne die geringste Versicherung, immer auf Rouge rmd immer wieder auf Rouge, als ob es die Farbe in sich hätte!" Alice biß sich auf die Lippen, und schwieg. Blitzartig wie eine Erkenntnis flog es angesichts dieses «tzer Rand und Band gekommenen Spielers, dem der Schweiß in Hellen Tropfen auf der Stirn stand, durch ihren Kopf, daß vielleicht für sie noch nicht alles verloren sein könne, wenn Horst sich hier seiner letzten Barmittel ent- hlößte, wenn sie ihn, dessen sie auf andere Weise nicht mehr habhaft werden konnte, durch seine völlige Mittellosigkeit tu die Hände bekam. Denn mit nichts in der Tasche würde er sich dem wildfremden Amerikaner und dessen Tochter hoch nicht so leicht zu nähern und sich diesen zu offenbaren wagen, kalkulierte sie mit der ihr vom Vater her an- gÄorenen Schlauheit in dieser ersten Minute ganz richtig. Kurz, der seine ganze Aufmerksamkeit aus den Spieler richtete, hatte keine Ahnung von dem, was da in dem Löschen seiner Angebeteten vor sich ging. Er hatte Horst Mr einmal flüchtig im Speisesaal des Grand Hotels ge- heheu. Und er war viel zu kurzsichtig und zerstreut, um Dha hier wiederzuerkennen, In diesem Augenblick kam ihm plötzlich die Erinnerung DM AlioeS BorsMag, es doch setzt einmal mit Noir »u ver suchen, well dieses Noir an diesem Abend für ihn ein Omen bedeuten sollte! Und so schob er denn in dem gleichen Moment, da Horst sechs Tausendfrankscheine auj Rouge deponierte, einen Louisdor auf Noir. Die Stimme des Croupiers ertönte, wie mahnend und warnend: „8ix -Mills kranos sur kouge!" Äie Scheibe begann sich zu drehen, die Kugel sprang und surrte; der Bruchteil einer Minute, währenddessen aller Augen gespannt auf das kleine Ding aus Elfenbein gerichtet waren, verrann; dann wurden die Drehungen der Scheibe langsamer, die . Kugel sprang und fiel. „I>e Sure preiniöre, noir, impair et msngue", rief der Croupier. Der ganze Saal begann sich vor Horsts Blicken zu drehen, sein Ohr vernahm nur das einzige Wort „Noir". Es war ihm unmöglich, einen Menschen zu erkennen; auch Alice, die ihm gerade gegenüber am Tische stand, sah er nicht, für ihn gab es in diesem Augenblick nichts als die Krücke des Croupiers, die eben seine sechs Tausendfrank noten einzog. Es waren seine letzten. Zum Platze des Professors flog ein Goldstück. Der Croupier begann aufs neue: „sile88ieurs, kaltes vvtre jeu!" Da erhob sich Horst. Wankenden Schrittes, todblaß, ein Gezeichneter, durchschritt er den Spielsaal. „Sehen Sie", begann Kurz, „das Pech des lieben Nächsten " Und erst jetzt bemerkte er, daß Alice an seiner Seite fehlte, daß er sie im Menschengedränge, während seine Aufmerksamkeit auf das Spiel gerichtet gewesen,, verloren haben mußte. Einen der Saaldiener in hochroter Livree, der ihm mit den stereotypen Worten: „Wasser, mein Herr?" entgegen getreten war, hatte Horst beinahe umgerannt. Mit einem „Sapristi!" war der rasch zur Seite ge sprungen und hatte Horst den Weg zum Korridor frei gegeben. Jetzt stand er draußen und atmete schwer und tief. Es war geradezu unglaublich! Am Anfang hatte er Glück ge habt. Dann hatte er verloren, und im Verlaufe von knapp drei Stunden hatte er die 83 000 Frank und sein Kleingeld verspielt. Die Situation, in der er vorgestern abend in Monte angckommcn, trat wieder vor seine Seele. Instinktiv, ohne in dieser Minute an Wilkins, dessen Tochter und die ame rikanischen Millionen zu denken, griff er nach seiner Brust tasche. Das heute nachmittag noch so pralle Portefeuille war leer Wie ein Traum, ein Spuk der Nacht war das alles gewesen, alles, was er in diesen kurzen achtund vierzig Stunden hier in Monte Carlo erlebt hatte. Aber dort auf der anderen Sette seines Rockes, da stak er noch, der letzte Tröster, an den er ja auch schon vorgestern abend immer und immer wieder gedacht hatte, der Beförderer in eine bessere Welt ohne Geldnot und Sorgen, das Frei billett ins Jenseits, der Revolver, das letzte, was ihm aus den Tagen einstigen Glanzes und ehemaliger Herrlichkeit und Größe geblieben war! Seine Finger umkrallten die Waffe, deren Umrisse sich deutlich auf der Außenseite seines Rocks abzeichneten. Da vernahm er plötzlich in unmittelbarer Nähe eine zitternde Stimme, die seinen Namen nannte. „Was machen Sie, Horst, was haben Sie vor? Sie haben Verluste geyabt!" Wie eine Woge der Erinnerung stieg es da momentan aus dem Meer der Verzweiflung, das ihm in dieser Minute sein ganzes Inneres zu überschwemmen schien, empor. „Alice", stammelte er, „Sie sind hier, Fräulein Alice!" „Das wissen Sie doch, Herr Graf, wir haben uns doch aus der Ferne im Grand Hotel begrüßt", sprach diese Stimme weiter. Erst jetzt fiel ihm eigentlich wieder alletz ein, wo er sich befand, wie er hierhergekommen, was sich in diesen letzten Tagen ereignet hatte. Und als spräche ein Nachtwandler, kam es nun von seinen Lippen: „Ach ja, Sie sind ja mit Ihren Eltern im Grand Hotel, Fräulein Alice!" „Gott sei Dank!" hauchte sie. „Sie haben Verluste ge habt, Horst! Haben Sie viel verloren?" „Alles, Fräulein Alice, alles!" stöhnte er. Er bemerkte nicht, wie es bei dieser Eröffnung wie ein Leuchten über das Gesicht des Mädchens huschte. Er ver nahm nur ihre Frage: „Und was gedenken Sie jetzt zu tun? Meine Eltern und ich glaubten Sie schon in Amerika." Er schwieg. Finster blickte er vor sich hin. „Unsere Wege hätten sich nicht noch einmal kreuzen sollen, Fräulein Alice", sagte er bitter. „Es war genug!" Sie lächelte. „Wer weiß?" „Ich weiß es, Fräulein Alice, nie mehr wieder nach dem, wie sich Ihr Herr Vater mir, uns beiden gegenüber benommen hat!" „Mein Vater hatte keinen Einblick in die Situation, Horst", flüsterte sie, und sie fühlte, wie sich bei diesen Worten die Purpurglut der Scham über ihre Wangen ergoß. Horst glaubte sich gefaßt zu haben. „Und er soll niemals einen vollen Einblick haben, Fräulein Alice; das verspreche ich Ihnen. Die Sache ist zu Ende, sie muß zu Ende sein! Sobald Gras über meine Knochen gewachsen sein wird, ist sie zu Ende!" Da löste sich ein leiser, angstvoller Schrei aus dem Munde Alices. „Was planen Sie, Horst?" „Nichts Außergewöhnliches, Alice; ich werde den Weg geben, den Kavaliere in meiner Lage zu gehen aerwunaen sind, den schon viele vor mir nahmen und noch mehr nach mir nehmen werden! Es wäre ja doch ein Wahnsinn ge- wesen, in Amerika als Kellner oder Stiefelputzer ein neues Leben beginnen zu wollen. Sehen Sie sich meine Hände an und urteUen Sie, ob diese Hände für derartige Arbeit geschaffen sind!" „Ich kenne Ihre Hände, Horst!" Es entging ihm nicht, daß sich in diese Erwiderung Alices ein schmerzlich-wehmutsvoller Ton eingeschlichen hatte, den er aus den Rendezvous in der Tauentzienstraße noch so deutlich im Gedächtnis hatte. „Was Sie da planen, Horst, ist schimpflich, ist feige, ist elend", vernahm er nun wieder ihre Stimme. „Mag sein, aber es ist besser, als noch einmal betteln zu müssen, wie ich vor Wochen bei Emmerich von Reck lingen gebettelt habe!" „Sie lassen den Vorwurf der Feigheit auf sich sitzen, Horst? Das hätte ich von Ihnen am allerwenigsten er- wartet!" „In der Lage, in der ich mich jetzt befinde, Alice, ist es vielleicht mutiger, das Leben von sich zu werfen, als es weiter zu leben!" „Damit entschuldigen sich alle Feiglinge, Horst, wen» sie die Waffe gegen sich selbst richten wollen!" „Mag sein!" „Sie sind also fest entschlossen?" „Fest entschlossen!" „Und so soll ich Sie sich und Ihrem Schicksal über lassen?" Ein weher Ton, durch den ihm aller Schmerz der ent täuschten Jugendliebe zu zittern schien, mischte sich bei dieser Frage in Alices Stimme. Es entstand eine lange Pause. Alice überlegte. Endlich kam es von ihren Lippen: „Und wollen Sie mir noch einen Wunsch erfüllen, Horst, wollen Sie mir noch ein Versprechen geben, ehe ?" „Wenn es in meinen Kräften steht, Alice, gern", er widerte er schlicht. „Dann stellen Sie das Glück noch ein einziges Mal ans die Probe!" „Ich nenne keinen Fünffrankschein mehr mein Eigen tum." „Spielen Sic um meinetwillen! Wenn Sic gewinnen sollten, dann geben Sie mir meinen Einsatz zurück, uns wenn " „Und wenn — und wenn ich verliere?" „Wenn Sie verlieren, Horst, sann soll es ein letzter Versuch zu Ihrer Rettung gewesen sein!" „Einverstanden, Alice!" Sie zog die Börse. Eine Hundertfranknote in der Hand, sagte sie nun: „Seien Sie vorsichtig, Horst, es ist ver letzte Schein, den ich bei mir habe! Vater hält mich noch immer knapp. Aber spielen auch Sie noch einmal auf Noir!" „Auch ich?" „Auch Sie!" Er fragte nicht weiter, wer wohl der andere Spieler auf Noir sein könne, sondern schritt wieder rasch ent schlossen der Tür des Roulettesaales zu. „Noch eins, Horst", vernahm er da wieder Alice' Stimme. „Und das wäre?" „Sie spielen auf Noir, und wenn Noir herauskommt, dann versprechen Sie mir, Ihr Vorhaben nicht aus zuführen, mag auch weiterhin geschehen, was da wolle, mit Ihrem Vorhaben bis morgen zu warten. Sie geben mir Ihr Ehrenwort darauf, Horst?" „Wenn Noir herauskommt, Alice, dann gebe ich Ihnen mein Ehrenwort darauf, daß ich zum mindesten bis morgen mit der Ausführung meines Vorhabens warten werde! Und nun vorwärts!" Er hatte sich wieder vollkommen in der Hand. Seine eiserne Energie, seine Lebenskraft und auch sein göttlicher Leichtsinn schienen momentan zurückgekehrt zu sein, va er Alices Hundertfranknote in seinen Händen hielt, mit der man hier unter Umständen alles Verlorene wieder zurück erobern konnte. Er sah nach der Uhr. Halb zehn Uhr! Noch zwei volle Stunden wurde hier heute abend gespielt. * * * Kurz ging es, wie es ihm bei seiner Augenschwäche ge wöhnlich zu gehen pflegte: er durchsuchte alle Säle nach Alice und fand diese nicht. Endlich verließ er das Kasino, in der Meinung, daß die junge Dame wohl mit ihren Eltern in das Grand Hotel zurückgekehrt sei. Raschen Schrittes war Horst wieder an den Spieltisch herangetreten. Ein paar erstaunte Gesichter maßen ihn von oben bis unten. Offenbar hatte man richtig erraten, daß er vorhin am Ende seiner finanziellen Kräfte an« gelangt sein müsse, und war nun betreten, daß er sich trotz dem, mit neuen Mitteln zur Wiederholung seiner vergeb« lichen Glücksversuche versehen, wieder einfand. Alice fühlte sich außerstande, dem verwegenen Coup, von dem das Leben des einst Geliebten und noch imuM nicht Vergessenen abhängig sein sollte, selbst beizuwohvM In einer seltsamen Erschlaffung, wie ihr eine solch» bislang fremd gewesen, hatte sie sich auf einen der leere» Diwans an der Wand des Roulettesaales niedergefetzt. Als Horst die Hundertfranknote aus Noir schob, zittert« seine Hand. Das elsenbeinerne Schicksal sprang. „I^s ckix-sept, ooir, impair et waoguv", verkündete «V, Alice hatte in der Ecke die Ohren gespitzt, kein »mW war ihr entgangen. Wie eine Zentnerlast fiel eS v-m i-MD Herzen. „Noir, »vir, noir!" tönte es in ihrem Inner»nach» Die Croupiers zahlten aus. Lortletzmur WM