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18. Fortsetzung Bertram tzossner hatte noch immer den alten Eisenkopf — und was nicht wollte wie er, das ward beiseite geschoben äußerlich und im Herzen. Und so schob er auch Eberhard beiseite. Noch einmal wandte er das Briefblatt, noch einmal las er: „Mein teurer Vater! In derselben Stunde, in welcher Du Dein Haus wieder betrittst, werde ich es verlassen. Es ist keine heimliche Flucht, kein feiges Dir aus dem Wege gehen — es ist eine Notwendigkeit, Vater, und die felsenfeste Ueberzeugung, daß wir uns jetzt nicht Auge in Auge gegenübersteheu dürfen. Mein Gewissen ist rein, Vater! Was auch gegen mich sprechen mag — mein Gewissen ist rein. Die Bücher und die Gutskasse wirst Du in Ord nung finden. Non dem Erlös für die Nemonten liegen zwei tausend Mark in dem Geheimfach Deines Schreibtisches — zwanzigtausend habe ich von der Summe veraus gabt für eine Angelegengei., deren Regulierung so, wie ich gehandelt habe, für die Ehre unseres Namens und Hauses notwendig war. Notwendig, Vater! Weiter rann ich nichts sagen. Einen Beleg für die Wahrheit dieser Angabe kann und werde ich nicht erbringen — und ich kann Dich nur bitten: Glaube mir! Und verzeihe mir, daß ich gehen muh! Es ist nicht Wortbruch, nicht Lieblosigkeit gegen Dich und Deine gewiß väterliche Fürsorge für mich — es ist einfach Selbsterhaltungstrieb — ein Natur gesetz. Das Leben, in das Du mich, ich wiederhole, ge wiß in bester Absicht — hineinzwtngst, ist für mich kein Leben. Das Stümperhafte, Halbe, Unbrauchbare in all meinem Tun der letzten Zeit war kein böser Wille, Vater — es ging eben jedes gegen meine Natur — und die Natur läßt sich nicht spotten. So gehe ich denn, Vater! Ich kann nicht anders. Professor Hochauf wird mein Lehrer sein. Er kennt Arbeiten von mir — Erdmute hat sie ihm gebracht. Die paar tausend Mark, das Patengeschenk von Mutters Schwester, nehme ich mit mir. Und noch eins geht mit mir, Vater: Die Hoffnung auf Deine Verzeihung, auf Deine Anerkennung. Ja, ruhig und voll Ueberzeugung schreibe ich das. Denn Du denkst groß, Vater, und die Anerkennung eines Menschen von Deinen Dimensionen soll mein Ziel und mein Stolz sein. Ich werde sie erringen, Vater! — Ich weiß es — und dann wirst Du mir verziehen haben. Jetzt bitte ich nur, ich bitte es voll Inbrunst: Vater, glaube an mich! Vertraue mir! Nie werde ich Deiner und unseres Namens un würdig sein. Ich bin Dein Sohn, dessen bleibe ich mir bewußt - allezeit. Eberhard." Da saß nun der einsame Mann in seinem großen, leeren, vornehmen Hause und sah sich seine Zimmer < an, eines nach dem andern, und wunderte sich, daß > aus keinem ein Laut des Lebens zu ihm drang — und . wunderte sich noch mehr, daß er so unsinnig leiden konnte um Menschen, die ihm alles vor die Füße war fen, was er Gutes und Gedeihliches an ihnen hatte tun wollen sein Leben lang. Und er zwang sein Herz mit eisernen Fäusten und knebelte seine Vaterltebe, daß sie den einen, fein Ebenbild, verachten lerne, der auch diesen Kamps nicht mit Ehren bestanden. Mit bitterem Hohn wiederholte er sich: „Glaube mir! Vertraue mir!" Jawohl! Und die zwanzig tausend Mark? Wo waren die? Für die Ehre des Hauses geopfert! Wer aber hatte sie aufs Spiel ge setzt? Felix? Warum deun nicht offen sprechen? War's doch nicht die erste Summe, die aus solcher Notwendigkeit gezahlt wurde. Und immer wieder zermarterte er sich das Hirn mit Fragen und wollte doch den Verdacht gegen sein eigen Fleisch und Blut nicht auskommen lassen. Und manchmal in aller Qual sprang er auf und rief in sein großes, leeres Zimmer hinein: „Hüte dich, mein Sohn! So wirft man nicht mit gegebenem Wort umher. Wir Alten sind noch da und halten das Recht in unserer Hand, das ihr euch will kürlich als alleiniges Eigentum nehmen wollt." Was half es? Keiner hörte ihn, keiner gab Ant wort. So war das nun, und so würde es bleiben. Er las den Brief noch einmal, richtete sich aus seiner zusammengesunkenen Haltung auf, seine Glieder strafften sich — er verschloß mit sicherer Hand die Ab schiedsworte seines Sohnes und sprach fest: „Abgetan! Weiter!" Wohl strich er sich noch einmal über Stirn un<- Augen und sammelte seine Kraft manch liebes Mal, ehe er sich dem Hausgesinde zeigte — aber es sollte gehen — denn noch war Bertram Höffner Herr über Haus und Hof — und in seinem Herzen. Und wieder wie vor dreißig Jahren klangen seine Befehle knapp und klar, nur daß jetzt sein Haar grau und die aufrechte Gestalt ein wenig gebeugter ward. ! » Am Eingang zur Reitbahn traf Ruth Ernheim - mit Konsul Brückner zusammen. Sie trug ihr Reit- > Neid schon lose in der Hand. unrer vem kleinen Filzhut sah ihr Gesicht blasser und ernster als sonst hervor. Brückner hielt ihr die Hand hin. „Guten Tag, Fräulein von Ernheim!" Er nannte sie nie „Gnädigste" oder „Baronesse". Ruth hielt den Kops etwas geneigt. Ein feines Rot lag Plötzlich auf ihrer Stirn. Mit einer nervösen Bewegung steckte sie an ihrem tadellos befestigten Hut. „Wollen Sie mir nicht die Hand geben?" Es war ein wenig der Ton, mit dem man einem eigensinnigen Kinde zuredet. Und obwohl Ruth innerlich das fühlte und sich dagegen empörte, reichte sie ihm doch die schlanke Hand hin. „So." Er fakte sie fest. „Ich dachte schon, Sie wären mir noch böse." „O!" Sie sah plötzlich sehr hochmütig aus. „Des halb —? Warum nicht deshalb doch? Bei guter Dressur — —" Paul unterdrückte ein Lächeln. „Tun Sie doch nicht, als ob Sie sich willig einem fremden Willen fügten! — Wären Sie mir wirklich noch böse, so hätten Sie mir sicherlich nicht die Hand gegeben. - Also Frieden?" Sie senkte wieder die Stirn. ES war eine tiefe, matt machende Traurigkeit in ihrem Herzen. Längst hatte sie den Streit bei ihrem letzten ZusammAlsein und die Feindseligkeit, in welcher sie sich dann ge trennt — ihm verziehen — aber nicht sich selbst. Es war stets so. Nach jedem Begegnen mit ihm quälte sie sich tagelang mit jedem Wort, das sie ge sprochen, in der Rückerinnerung herum. Fand alles, was sie gesagt, banal, blasiert oder seiner überlegenen Schlichtheit gegenüber affektiert, wurde ganz für sich allein glühend rot und haßte sich selbst dafür. Dies letzte hatte sie wochenlang ohne Unterlaß gequält. Heiß und kalt ward ihr noch bei der Vor stellung. In Astas Zimmer war's gewesen. Ruth hatte Brückner und seine Nichte wieder bei der Arbeit ge troffen. Und sie, wie geplagt von hundert kleinen Spott teufelchen, die sie so oft widerstandslos dazu brachten, etwas anderes zu tun und zu sagen, als ihre innerste Meinung war, hatte eine witzelnde Aeußerung nicht unterdrücken können. Paul Brückner hatte ruhig, beinahe wie nebenher, eine Gegenbemerkung gemacht. „Man soll das Spötteln lassen über jede Arbeit und jeden Beruf, mit dem ein Mensch ehrlich strebt, sein Leben zu bereichern. Nur wer weder Ernst noch Ziele hat, gönnt sich dies billige Vergnügen." tFsrkfedLno iotw) Drucksachen aller Art liefert die Buchdrucktret von Carl Hohr.«,