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Beilage zur Weitzeritz-Jettung MI«-.----.- — ——' . » —>, " Nr. 57 Sonnabend am 8. März 1930 96. Jahrgang Paffionszeit! i Die Glocken des Sonntages Jnvokavit läuten die heilige Passionszeit ein. Die kirchliche Sitte ruft uns auf, diese ernste, stille Zeit des Kirchenjahres auch dadurch recht zu feiern, daß wir uns still und andächtig in das Leiden und Sterben Jesu versenken. Nicht, um uns das Aeutzere daran in der Phantasie auszumalen, seine Schmerzen, seine Munden, seine Seelenkämpfe, - da mit ist weder ihm noch uns gedient —, sondern, um in die Art und Weise einzudringen, wie er litt, und um das Matz der Liebe zu erwägen, das ihn in sein Leiderr trieb Es g . Kraft vom Heilande aus, wann immer wir im Gebet zu ihm aufschauen, aber die größte Gewalt über unsere Seelen gewinnt er, wenn wir ihn auf seinem Passionswege sehen. Vor dem Kreuze Christi wird ein Doppeltes er lebt: Der Ernst Gottes und das Erbarmen Gottes, eine richtende und eine rettende Wirkung, eine, die uns ! innerlich erschüttert und demütigt, und eine andere, ! die uns innerlich erhebt und mit Vertrauen segnet. Das ist es, wessen die Jünger trotz allem Rätsel vollen doch von Anfang an gewiß waren: Er leidet um Gottes und um unseretwillen. In beiden, war er treu bis in den Tod, im Gehorsam gegen den Vater und in der Liebe zu den Sündern. ! Daß er von Gott nicht ließ, das ist sein Sieg! Daß > er von den Sündern nicht ließ, das ist unsere Rettung! Aber sein Werk an uns ist vergeblich, wenn uns vom Kreuze her nicht die Frage ins Gewissen trifft, und zu einem Leben dankbarer Gegenliebe treibt: „Das tat ich für dich, was tust du für mich?" Strafrechtskonferenz Für Angleichung des österreichisch-deutsche» Strafrechts. - Wien, 5. März. i Im Gebäude des österreichischen Parlaments tagt gegenwärtig eine österreichisch-deutsche Konferenz, deren Ausgabe es ist, in Vorbereitung des späteren An schlusses für beide deutschen Länder ein einheitliches Strafrecht zu schaffen. Bekanntlich ist die Beratung des neuen Strafgesetzbuches im Reichstag und im National rat jetzt soweit gediehen, daß die Verabschiedung des »?uen. Strafgesetzbuches für den Herbst zu erwarten 'N. «is oaytn müssen dann auch die abweichenden Be schlüsse der beiden Parlamente im Wege gegenseitigen Entgegenkommens einander angepaßt werden. Die Führung der deutschen Delegation hat der greise Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des Reichs tags, Prof. Dr. Kah l; ferner gehören der Abordnung an: die früheren Reichsjustizminister Bell und Emmin ger, die Reichstagsabgeordneten Dr. Alexander, Dr. Eh- lermann, Landgerichtsdirektor Hahnemann, Dr. Jö rissen, Marum, Frau Pülff, Dr. Rosenfeld und Land gerichtsdirektor Wunderlich. Als Regierungsvertreter nimmt u. a. der frühere Oberreichsanwalt Dr. Eber- mayer an der Konferenz teil. Eröffnet wurde die Tagung durch eine Ansprache des Obmanns der österreichischen Delegation Dr. Wa ber, der besonders warme Worte der Begrüßung an den Führer der deutschen Abordnung Dr. Kahl rich tete. Dr. Waber gab dann seiner Freude über die Beendigung der ersten Lesung des Gesetzgebungswerrs im Reichstag und im Nationalrat Ausdruck und ver wies dann kurz auf die bedeutsame Arbeit ,die noch zu leisten ist. „Ueber die Grundfragen", so fuhr der Redner fort, „sind wir uns einig. Wenn auch jetzt der größte Komplex an Einzelsragen zu be handeln ist, so werden wir doch unter der Führung des Geheimrats Kahl wiederum zu einem positiven Ergebnis kommen." Der Leiter des österreichischen Justizministeriums, Minister Dr. Slama, würdigte die große Bedeutung der gemeinsamen StrafrechtSkonserenz und bezeichnete als ihre wichtigste Ausgabe die Ueberbrückung der bei der ersten Lesung des Gesetzes zutage getretenen Mei nungsverschiedenheiten. Geheimrat Dr. Kahl beendete seine Rede mit den Worten: „Seien Sie davon überzeugt: der gute Wille, den Sie bei uns vyraussetzen, wird von uns dieser neuen Aufgabe in hohem Maße entgegengebracht. Auch mir haben den dringenden Wunsch, aber auch die ab solute Zuversicht, daß es uns gelingen wird, aus dem Boden und in diesem Saale, in dem wir die ersten verheißungsvollen Anfänge machen durften, auch den richtigen Schluß zu finden." Dann begannen die sachlichen Verhandlungen. In ver strafrechtlichen Behandlung des Zweikampfes wurde unter Verzicht auf die deutsche Formulierung sie österreichische Fassung nach langer Debatte und mir uv gegen v Stimmen angenommen. Die neuen Bestimmungen lauten nunmehr: „Wer jemand zu einem Zweikampf mit einem anderen anreizt, insbesondere dadurch, daß er ihm Verachtung bezeigt oder androht, wird mit Ge fängnis bestraft. Ebenso wird bestraft, wer je mand Verachtung bezeigt, weil dieser eine Heraus forderung zum Zweikampf unterlassen oder nicht angenommen hat, oder wer zu bewirken sucht, ihm andere aus diesem Grunde Verachtung be zeigen." Dis schwierigste Frage, nämlich die der Bestrafung »es Mordes und der Tötung, wurde zurückgestellt. Gegensätze bestehen hier deshalb, weil auch das neue deutsche Strafgesetzbuch nach dem Regierunasentwurs die Todesstrafe enthalten wird, während Deutsch-Oester reich die Todesstrafe abgeschafst hat. Eine klare Ent scheidung für ober wider die Todesstrafe konnte übri gens auch bei der ersten Lesung im Reichstag nicht erzielt werden. Auch der vom österreichischen Ausschuß gestrichene Paragraph 274a gab Anlaß zu einer lebhaften De batte. Hier lag die vom deutschen Reichstagsausschutz beantragte Fassung vor: „Wegen der in diesem Ab schnitt mit Strafe bedrohten Handlungen muß di« Amtsfähigkeit ohne Rücksicht auf Art und Höhe der Strafe aberkannt werden." Nach längerer Debatte wurde mit 32 zu 12 Stim men folgender Kompromitzantrag zum Beschluß er hoben: „Wegen der in diesem Abschnitt mit Straf« bedrohten Handlungen kann die AmtSsähigkeit ohne Rücksicht aus die Höhe der Strafe aberkannt werden. In besonders schweren Fällen ist hierauf neben jeder Gefängnisstrafe zu erkennen." Mögen denn auch die weiteren Verhandlungen der österreichisch-deutschen StrasrechtÄrmferenz zu eine« Einigung führen und damit die Rechtsanglelchung zu einem neuen Meilenstein auf dem Wege der öster reichisch-deutschen Vereinigung werden Drucksachen «1 „in» KW ieöer Äk! «oOMmi MI Nm