Volltext Seite (XML)
2. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kultui palastes Dresden Freitag, den 2. November 1984, 20.00 Uhr Sonnabend, den 3. November 1984, 20.00 Uhr dresdner oNllnarnoorni^ Dirigent: jiri Belohlävek, CSSR Solist: Maxim Fedotow, Sowjetunion, Violine Ragnar Söderlind geb. 1945 Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 2 op. 30 (Sinfonia breve) DDR-Erstaufführung Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 Allegro moderato Canzonetta (Andante) Allegro vivacissimo PAUSE JiRi BELOHLÄVEK wurde 1946 in Prag geboren. 1960 bis 1966 studierte er am Prager Konservatorium die Fächer Violoncello und Dirigieren, 1966—1972 Dirigie ren bei den Professoren B. Liska, A. Klima und R. Brock an der Akademie der Musischen Künste in Prag. 1968 und 1969 nahm er an Dirigentenkursen Sergiu Celibi- daches in Stockholm teil. 1970 gewann er den 1. Preis in einem nationalen Wettbewerb junger tschechischer Dirigenten, 1971 den 5. Platz beim Internationalen Karajan-Wettbewerb in Westberlin. 1967 bis 1972 war er Leiter des Kammerensembles Orchestra Puellarum Pragensis; 1972—1978 wirkte er als Dirigent der Staat lichen Philharmonie Brno. Seit 1977 ist Jiri Belohlävek Chefdirigent der Prager Sinfoniker (FOK). Er dirigierte ake führenden Orchester seines Heimatlandes und ga- ^Brte u. a. in der UdSSR, VR Polen, DDR, BRD, in BUn USA, in Österreich, Schweden, Norwegen, Japan, Finnland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, in der Ungarischen VR und in der SR Rumänien. Bei der Dresdner Philharmonie ist der Künstler seit 1975 stän diger Gast. Robert Schumann 1810-1856 Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 Sostenuto assai - Allegro ma non troppo Scherzo (Allegro vivace) Adagio espressivo Allegro molto vivace Der junge sowjetische Geiger MAXIM FEDOTOW entstammt einer namhaften Leningrader Musikerfamilie. Er studierte zunächst an der Spezialschule des Konser vatoriums in seiner Heimatstadt bei B. Sergejew und wurde 1975 2. Preisträger des Internationalen Wettbe werbes „Concertino Fraga". 1979 setzte er seine Aus bildung am Moskauer Konservatorium als Schüler von Prof. D. Ziganow fort. 1981 errang er den 3. Preis sowie den Sonderpreis für die beste Darbietung des Violin konzertes von Peter Tschaikowski beim Allunionswettbe werb der Geiger in Riga. Ein Jahr später wurde er mit dem 4. Preis des Internationalen Paganini-Wettbewer- bes in Genua ausgezeichnet. In der Sowjetunion konzer tierte Maxim Fedotow mit Spitzenorchestern wie der Le ningrader Philharmonie. Mit Erfolg gastierte er auch be reits in der CSSR und in der DDR. ZUR EINFÜHRUNG Ragnar Söderlind, Jahrgang 1945, ist einer der angesehensten Jüngeren Komponi sten Norwegens. Er studierte Komposition und Dirigieren an der Staatlichen Musikakademie Oslo und an der Sibelius-Akademie in Hel sinki. Sein bisheriges kompositorisches Schaf fen umfaßt eine Oper, zwei Ballette, zwei Sin fonien und sieben weitere Orchesterwerke so wie Vokal- und Kammermusik. Alle seine Wer ke erlebten erfolgreiche Aufführungen und etliche von ihnen wurden bereits für die Schall platte eingespielt. Während der letzten Jahre entstanden hauptsächlich Kompositionen im Auftrag skandinavischer Orchester und Insti tutionen. Ragnar Söderlind ist auch als Diri gent mit der Interpretation eigener Werke bei verschiedenen Orchestern hervorgetreten. Seine 1980/81 komponierte 2. Sinfonie — ein Auftragswerk des Philharmonischen Orche sters Oslo — wurde am 23. April 1981 außer ordentlich erfolgreich uraufgeführt. In einem Kommentar zu seinem Stück erklärte der Kom ponist, daß die sogenannte Alta-Fluß-Angele- genheit, ein Konflikt zwischen der lappischen Minderheit und der norwegischen Regierung das auslösende Moment für das Werk gewesen sei. Die Sinfonie ist kurz und dramatisch. Sie besteht aus nur einem Satz mit rasch wechseln den Tempobezeichnungen. Drei Motive bilden das thematische Material: ein dramatisches Hauptmotiv, ein Joik-Motiv (Joik ist die Be zeichnung für ein traditionelles Lied der Lap pen) und ein resignierendes Motiv in fallender Bewegung. Das Werk endet pessimistisch — als Ausdruck der Furcht des Komponisten über das ungewisse Schicksal kleiner Völker und ihrer Kulturen in den Ländern des Kapitals. Peter Tschaikowski, der große russi sche Meister, schrieb wie Beethoven und Brahms lediglich ein Violinkonzert, das allerdings wie deren Werke gleichfalls zu den Glanzstücken der internationalen Konzertlite ratur gehört. Das in Ausdruck und Stil charak teristische, eigenwüchsige Werk, in D-Dur ste hend, wurde als op. 35 Anfang März 1878 in Clärens am Genfer See begonnen und bereits Anfang April vollendet. Tschaikowski widmete das ausgesprochene Virtuosenstück ursprüng lich dem Geiger Leopold von Auer, der es aber zunächst als unspielbar zurückwies und sich erst viel später für das Werk einsetzte. Die Ur aufführung wagte schließlich Adolf Brodski am 4. Dezember 1879 in Wien unter der Leitung Hans Richters. Unfaßbar will es uns heute er scheinen, daß das Werk vom Publikum ausge zischt wurde! Die Presse war geteilter Mei nung. Der gefürchtete Wiener Kritiker Dr. Eduard Hanslick, Brahms-Verehrer und Wag ner-Feind, beging mit seiner Rezension des Tschaikowski-Konzertes wohl einen seiner ka pitalsten Irrtümer. Er schrieb u. a.: „Da wird nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebleut. Ob es überhaupt möglich ist, diese haarsträubenden Schwier^« keiten rein herauszubringen, weiß ich nicM wohl aber, daß Herr Brodski, indem er es ver suchte, uns nicht weniger gemartert hat als sich selbst . . . Tschaikowskis Violinkonzert bringt uns zum erstenmal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken (!) hört." Haarsträubend, schauerlich mutet uns heute dieses Fehlurteil Hanslicks an, das der Kompo nist übrigens jederzeit auswendig aufsagen konnte, so sehr hatte er sich darüber geär gert, während das Konzert inzwischen längst zu den wenigen ganz großen Meisterwerken der konzertanten Violinliteratur zählt. Das Werk wird durch eine kraftvolle Männlichkeit im Ausdruck, durch eine straffe Rhythmik ge kennzeichnet und ist betont musikantisch ohne Hintergründigkeit, Pathos oderSchwermut. Die Quellen, aus denen Tschaikowski hier u. a. schöpfte, sind das Volkslied und der Volkstanz seiner Heimat. Betont durchsichtig ist die In strumentation, die beispielsweise auf Posaunen verzichtet. Aus der Orchestereinleitung wächst das groß artige, tänzerische Hauptthema des stim mungsmäßig einheitlichen ersten Satzes (A legro moderato) heraus, das dem ersten ■ des Konzertes, teils im strahlenden Orcheste klang, teils in Umspielungen der Solovioline, seine faszinierende Wirkung verleiht, während das zweite, lyrische Thema demgegenüber et was in den Hintergrund tritt. Auf dem Höhe punkt des Satzes steht eine virtuose Kadenz des Soloinstrumentes, dem das ganze Konzert überhaupt höchst dankbare Aufgaben bietet. Der zweite Satz (Andante) trägt die Über schrift: Canzonetta. Kein Wunder, daß das Hauptthema innigen Liedcharakter besitzt und die Stimmung dieses Satzes weitgehend trägt, ohne dem geschmeidigen Seitenthema größe ren Raum zu geben.