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in Leipzig ausgebildet, setzt in dieser von nach drücklichem Ernst erfüllten Komposition neben dem vierstimmigen Chor ein kleines Orchester mit Flöte, zwei Oboen, Fagott, Glockenspiel, Kleiner Trommel und Triangel sowie Streichern ein. Das einleitende Motiv hat grundlegende strukturelle Bedeutung für das Ganze wie auch das B — A — C — H — Motiv. Die kontrapunkti- sche Verdichtung des Materials, fern von „neo barocker" Erstarrung, löst sich am Ende im Zi tat des Chorales „Verleih uns Frieden gnädig lich" von Martin Luther und Johannes Walter in der Bachschen Harmonisierung, mit sparsa men „Verfremdungen" zum verhaltenen Schluß führend. Ein bedeutungsvoller Text wurde in dieser Komposition musikalisch überhöht. Die zweite Strophe des Bobrowski-Gedichtes be zieht sich auf Bachs Aufenthalt bei Dietrich Buxtehude in Lübeck. Das Instrumentalkonzert, in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts noch eine junge Gattung, spielt in Johann Sebastian Bachs Gesamtwerk eine wesentliche Relle. Wie in den „Brandenburgischen Konzerten" übernahm der deutsche Meister die von den Italienern ge schaffene Form. Speziell Antonio Vivaldis So lokonzerte zogen ihn immer wieder an; zahl reiche Konzerte dieses Komponisten bearbeite te er. Schon in der Art, wie sich Bach die Anre gungen seiner Vorbilder zunutze machte, liegt seine Größe beschlossen: nicht nur, daß er die se an Reichtum und Tiefe der Gedanken, an Kühnheit der Phantasie übertraf, ihm genügte auch nicht das bloße Dialogisieren zwischen Tutti- und Solopartien. Er verschränkte Soloin strument und Orchester aufs innigste, indem er eine enge kontrapunktisch-motivische Verflech tung der Solo- und Tuttiteile vornahm und so die spätere Form des klassischen Instrumental konzerts vorwegnahm. Neben Bachs Violinkonzerten a-Moll und E-Dur ist das heute erklingende Konzert für zwei Violinen, Streichorche ster und Basso continuo d-Moll BWV1043 in seiner Originalgestalt erhal ten. Es gehört zu den lautersten und bedeutend sten Zeugnissen Bachscher Kunst. Einen männ lich-bestimmten Charakter hat der erste Satz. In strenger Kanonführung setzen die Tuttivio linen ein, stimmen die beiden Soloviolinen ihr eigenes Thema an. Ein unerhört schöner, ab wechslungsreicher Zwiegesang entfaltet sich — gefühlsmäßig sofort erfaßbar, trotz aller kon- trapunktischer Verflechtung des thematischen Materials. Der langsame Mittelsatz des Dop pelkonzerts, ein Largo in F-Dur, darf zu den herrlichsten Eingebungen Bachs gezählt wer den. Es ist ein wunderbar friedvolles Duett der sich im Quintkanon folgenden Soloinstru mente, die im Satzverlauf ihre Themen gegen seitig tauschen, sich mit teils bewegten, teils ruhigen Figuren umschlingen und einander ablösen. Aus der beglückend edlen Melodik dieses Largo spricht stärkste menschliche Ge fühlskraft, Herzenswärme, die einfach verzau bernd wirkt. Einen dramatisch-stürmischen Ak zent in das musikalische Geschehen des Kon zerts bringt der Schlußsatz, obgleich es auch hier nicht an ruhigeren Seitengedanken fehlt. Wieder sind die Tuttistellen des Orchesters mit den Solopartien aufs engste miteinander zahnt. Im Verhältnis zu dem reichen Schatz an Bach schen Kantaten ist die Zahl seiner Motetten kompositionen gering, obwohl diese in den bei den Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nicolai allscnntäglich gesungen wurden. Nachweislich komponierte Bach für die Gottes dienste keine eigenen Motetten, sondern nutz te lateinische Werke älterer Meister. Seine 7 erhalten gebliebenen Motetten in deutscher Sprache schrieb der Komponist für besondere Anlässe, meistens für Begräbnisse. Der Tradi tion gemäß verwendete er als textliche Grund lage keine freien Dichtungen, sondern Bibel sprüche und Choralverse. Die Motette „Lobet den Herrn alle Heiden" BWV 230 über den Psalm 117 gestaltete Bach trotz der Kürze des Bibelpsalmes zu einem umfangreichen poly phonen Chorsatz. Mit diesem Werk griff er die überlieferte Kompcsitionsform des 16. Jahrhun derts auf und behielt das Grundgerüst des motettischen Reihungsprinzips bei. Jeden neuen Textabschnitt kennzeichnete er durch den Eu^ satz neuer Themen. Ihre Verarbeitung in Fud^H und Doppelfugen ist charakteristisch für d^n gesamten Satz. Eine im traditionellen Dreier takt stehende Alleluja-Fuge beschließt die Mo tette, die möglicherweise noch vor Bachs Leip ziger Amtszeit entstanden ist, zu welchem An laß, ist unbekannt. Es ist auch denkbar, daß es sich um einen Satz aus einer verlorengegange nen Kantate handelt, nicht um eine selb ständige Motette. Nach 1750 wurde es zur Tradition, Motetten a cappella aufzuführen. Neueste musikwissen schaftliche Untersuchungen brachten aber zu tage, daß ein reiner Vokalstil den deutschen Komponisten der Bachzeit fremd war. Sie führ ten die Motetten zumindest mit Orgelbeglei tung auf, oftmals auch mit Orchester, wobei dieses keine selbständige Rolle spielte: Strei cher und Bläser gingen colla parte mit den ihrer Lage entsprechenden Singstimmen. Heute erhält die Aufführungspraxis mit Orgel- und Orchesterbegleitung wieder ihre volle Bedeu tung, nachdem die zu den Bach-Motetten „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" und „Fürchte dich nicht" überlieferten Instrumen talstimmen Anlaß waren, solche auch für die anderen diesbezüglichen Werke Bachs zu re konstruieren (für „Lobet den Herrn" existierte immerhin noch die originale Continuobeglei- tung). Bach hat zu einer Zeit, da die Motette jMireits zum Absterben verurteilt schien, die ^■Bärtigsten Werke dieser Gattung geschaf fen. Zu voller Wirkung kommen sie erst, wenn sie originalgetreu mit Singstimmen und In strumenten aufgeführt werden, wofür der Bach- Spezialist Helmuth Rilling Pionierarbeit gelei stet hat und wovon auch unsere heutige Wie dergabe zeugen möchte. Die „Wassermusik" ist Georg Friedrich Händels umfangreichste In strumentalkomposition; zugleich gehört sie zu seinen volkstümlichsten und meistgespielten Werken, über Entstehung, Bestimmung und Verwendung gibt es manche authentische Be richte, auch manche Anekdoten; in vielem sind wir aber auf Vermutungen angewiesen. Ein vollständiges Autograph ist nicht vorhanden; nur für 3 Sätze des 22 Sätze umfassenden Wer kes gibt es Varianten in Händels Handschrift. So muß manches ungeklärt bleiben; auf der anderen Seite ist gerade dieses Werk aufs engste mit Händels Leben und Wirken in Eng land verbunden, hat also zahlreiche zeitgenös sische Abschriften und Frühdrucke, die, wenn •:h in begrenztem Umfange, authentischen ellenwert besitzen. Es hat zwei, vielleicht sogar drei königliche Wasserfahrten auf der Themse gegeben, zu de nen Händel die „Wassermusik" (oder Teile daraus) geschrieben haben kann. Die erste Fahrt fand am 22. August 1715 zwischen White- hall und Limehouse statt: auf dem Rück weg wurde eine „Wassermusik" gespielt. In frühen Biographien (insbesondere bei John Mainwaring 1761) wird berichtet, daß es bei dieser Gelegenheit zu der legendären „Ver söhnung" zwischen Georg I. und Händel ge kommen sei; denn dieser hatte einige Jahre vorher wegen seiner englischen Verpflichtun gen seinen Hofkapellmeisterposten in Hanno ver angeblich ohne Zustimmung Herzog Ge orgs (der seit 1714 englischer König geworden war) verlassen, was irgendwie bereinigt werden mußte. Die zweite Fahrt fand am 17. Juli 1717 statt; über sie gibt es noch ausführlichere Berich te, und diesmal wird Händel als Komponist genannt. Auch die Stärke des Orchesters wird angegeben: Es waren 50 Mann, ausdrücklich werden u. a. Trompeten, Hörner, Querflöten und Blockflöten erwähnt. Es gibt schließlich einen Bericht von einer Wasserfahrt am 26. April 1736, wofür Händel wahrscheinlich wiederum die Musik beigesteuert hat. Alles in allem kommt die heutige Händel-Forschung zu dem Schluß, daß es drei „Wassermusiken" gegeben haben dürfte, was nun auch mit dem tonartli chen Bestand gut harmoniert: Eine Suite steht in F-Dur, eine zweite in D-Dur (diese mit den bezeugten Trompeten), eine dritte in G-Dur, so daß sich alles nach den sogenannten drei Wasserfahrten aufs beste ordnet. Ganz sicher ist das zwar nicht, es wird, wie die zahlreichen Varianten zeigen, auch manche Überschnei dungen und Doubletten gegeben haben; aber zumindest ist es eine hübsche, nicht ohne wei teres widerlegbare These. Nur die heute erklingende F-Dur-Suite hat eine eigentliche Ouvertüre (die für größere Suiten obligatorisch war, weshalb die obige These zweifelhaft bleibt). Es ist ein stolz ausgebau ter Komplex mit punktiertem Maestoso-Klang und nachfolgendem fugiertem, heiter be schwingtem Allegro. Stützt sich dieser ziemlich breit ausgeführte Satz wesentlich auf den Strei cherkörper, so läßt sich im Adagio e staccato in breitgelagertem d-Moll die ausdrucksvolle Klage der Oboe vernehmen. An dritter Stelle melden sich zwei Hörner in einem munteren, chorisch gearbeiteten Satz, der zu immer stär kerer Bewegung tendiert. Das d-Moll-Andante stimmt das Duett beider Oboen an; gegen- chörig wirken die Violinen mit. Ein Presto mit Hörnernachklängen schließt im Dacapo einen feinen d-Moll-Mittelsatz ein. Zu den schönsten Stücken gehört das Air im wiegend punktier ten Viervierteltakt, das in einer Klavierfassung in Händels Handschrift erhalten ist. Die beiden Hörner eröffnen im engen Kanon ein prächtiges Minuet, das wiederum einen feinen Moll-Ge gensatz (f-Moll) einfaßt. Je dreimal werden eine schnelle Bourree und ein nicht minder bewegliches Hornpipe gespielt.