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ZUR EINFÜHRUNG Es dürften grundsätzliche Diskussionen und Ab handlungen, Lexika oder Enzyklopädien über neue Musik schwerlich noch ernst zu nehmen sein, wenn sie die Persönlichkeit und kompo sitorische Leistung Luigi Nonos nicht ins Zentrum einer solchen Thematik rücken. Diese zentrale Position billigen ihm längst all jene zu, die die Musikgeschichte der letzten 30 Jahre zu einer Vollzugsgeschichte einer vermeintlich autonomen historischen Tendenz des musikali schen Materials verengen, ihnen gilt Nono in einem Atemzug mit Stockhausen und Boulez als exponierter Material„revolutionär“ der zweiten Generation von Komponisten, die, ausgehend von Schönberg, aber vor allem von Webern, nach 1945 die Entwicklung der Mu sik unter dem Aspekt der mehr oder weniger umfassenden seriellen Determination ihrer Strukturen vorantrieb und diesen Aspekt zum Kriterium des musikalisch Neuen, Fortschrittli chen, Avantgardistischen schlechthin erhob. Wohl hat Nono an diesen Prozessen einen prägenden, eigenständigen Anteil. Sein schöpferischer Avantgardismus war und ist aber nicht ursächlich an Materialdenken und Formkonstruktion geknüpft, sondern ist unmit telbar Folge seines Bedürfnisses nach künstle rischem Ausdruck, wissend um die kommunikati ve Kraft der Musik, zielend auf ihren notwendi gen Beitrag zu den sozialen und geistigen Emanzipationskämpfen in unserer Zeit. In dem Maße, wie sich der komponierende Kommunist Nono durch seine konsequente politische Par teinahme, unter den Bedingungen seines Lan des, aus den herrschenden kompositionsästhe tischen Normen und den Mechanismen des kapitalistischen Musikbetriebes selbst ausbür gert, stellt sich auch ihm das wirkliche schöpfe rische Problem des musikalischen Fortschritts: Wie soll und muß Musik beschaffen sein, die diese revolutionären Emanzipationskämpfe un serer Epoche nicht nur dokumentiert, sondern aktiv mitvollzieht, in sie eingreift, ohne Verlust an Wahrheitsgehalt und appellierender Kraft, ohne ihre gedankliche und technische Höhe preiszugeben? Nono teilt dieses Problem mit vielen progres siven und revolutionären Künstlern vor und ne ben ihm. Er wäre besser in einem Atemzug mit Picasso und Eisenstein, Brecht und Eisler zu nennen. Aber er hat seit einem Vierteljahrhun dert in zahlreichen überzeugenden Kompositio nen Lösungen angeboten und einen Typus po litischer Musik entwickelt, der in dieser Konse quenz seinesgleichen sucht. Er selbst umreißt seine Position wie folgt: „Es gibt Komponisten, die meinen, daß Musik nichts verändern kann. Aber die Wahrheit ist anders. Musik kann eine Intervention in einer geschichtlichen Situation sein. Sie kann technisch, ideologisch, psycho logisch und sozial Stellung nehmen. Musik und Politik sind für mich eine Einheit. Dazu ist al lerdings nowendig, daß man die nur ästheti sche Haltung aufgibt, ebenso wie die passive Bindung an kapitalistische Institutionen, daß man ein neues Verständnis für die Aktivität und die Mitwirkung der Arbeiterklasse hat. Musik ist für mich ein Mittel, als Komponi.^^F der Gesellschaft Stellung zu nehmen. Ich habe von den Arbeitern gelernt, das Leben anders zu organisieren und in der Kultur eine neue Phantasie zu finden, eine neue Konzeption vom Leben und vom Denken, vom Entdecken und vom Lieben". Sein Verhältnis als Kompo nist zu den Kämpfen des Proletariats näher bestimmend, sagt er: „In dem Maße, in dem er seinen Beitrag leistet — nicht als in der ei nen oder anderen Weise verzerrender Spiegel, sondern in eigenständiger und unabhängiger Weise durch seine Studien, sein Suchen, sei ne Experimente, seine schöpferische Phantasie, in dem Maße also, in dem er das ideelle Mo ment mit dem technisch-sprachlichen dialek tisch verbindet, kann sich der Musiker gerade in dieser Weise völlig verwirklichen." Diese kreative Freiheit bindet sich aber, wie Nono sagt, an eine neuartige „Arbeitsmethode", die mit den sozialen Kräften vor, während und nach ihrer Anwendung ständig geprüft und be stätigt wird. Vorher, damit man versteht, wer man ist, wo man steht, was, wie und weshalb man als gemeinsame Arbeitsgrundlage wählt — das heißt, wie man Kommunist wird . . . WtUj- rend, um zu verstehen, wie und von welcI^B Gesichtspunkt her man schreibt, in Ver^ff düng mit wem, weshalb und für wen. Nachher, um das Ergebnis in einer anderen Verbreitung, in einer anderen Verwendung durch ein ande res Publikum prüfen zu lassen, dem man Provo kation und Teilnahme anbietet und von dem man sie bekommt." Der Komponist, heute der bedeutendste Ita liens, seit 1952 Mitglied der KPI, lebt in Vene dig. Dort ist sein unmittelbares und politisches Wirkungsfeld. Dort wurde er 1924 geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymna siums studierte er in Padua und promovierte SLAVKA TASKOVA stammt aus Sofia. Sie war zunächst Pianistin und studierte dann Gesang in Italien bei Gina Cigna und Lina Pagliughi. Ihrem Debüt als Rosina in Rossinis „Barbier von Sevilla" in Florenz schlossen sich Engagements an den großen italienischen Opernhäu sern sowie Gastspiele u. a. in Paris, Hamburg, Amster dam, Berlin (West), Schwetzingen, München, Spoleto an. Neben ihren Bühnenerfolgen (im italienischen Fach, in den Koloraturpartien Mozarts, in Alban Bergs „Lulu" und in Aribert Reimanns „Melusine") fiat sie sich inter national auch als Konzertsängerin einen Namen ge macht, wobei sie Werke der zeitgenössischen Musik be vorzugt. GIUSEPPE LA LICATA wurde in Palermo geboren und studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt bei Antonio Trombone. Seine Ausbildung vervollständigte er 1960 durch Teilnahme an einem Meisterkurs von Magda Tagliaferro in Paris. Der Künstler wurde wie derholt mit Preisen ausgezeichnet: 1961 in Paris, 1963 in Treviso, 1968 in Brüssel („Recontres Musicales Inter nationales"). Soloabende und Verpflichtungen bei füh renden Orchestern Italiens und des Auslandes sowie Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen machten seinen Namen weithin bekannt. In der ETERNA-Schallplat- tenproduktion von Nonos „Como una ola de fuerza y luz" mit dem Leipziger Rundfunk-Sinfonieorchester unter Prof. Herbert Kegel im Jahre 1976 spielte er bereits den Klavierpart des Werkes. zum Dr. jur. (1946). Die musikalische Ausbildung begann 1941 bei G. F. Malipiero und wurde 1946, nach ersten Anfängen kompositorischer Tätigkeit, intensiver und umfassender bei Bru no Maderna fortgesetzt. Durch den Kontakt mit Hermann Scherchen seit 1948 kam Nono unmittelbar auch mit den Techniken, Tendenzen und Problemen der neuen Musik in Berührung. Scherchen förderte den jungen Komponisten und führte 1950 dessen op. 1 (Kanonische Va riationen über die Zwölftonreihe aus Schön bergs op. 41) während der Darmstädter Fe-