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ZUR EINFÜHRUNG Siegfried Köhler, gebürtiger Meißner, studierte Komposition in den Jahren 1946 bis 1950 bei Fidelio F. Finke und Herbert Viecenz an der Staatlichen Akademie für Musik und Theater in Dresden sowie Musikwissenschaft (bei Walter Serauky) und Kunstgeschichte (bei Johannes Jahn) 1950 bis 1955 an der Karl- Marx-Universität Leipzig, an der er auch zum Dr. phil. promovierte. 1952 bis 1957 wirkte er als 1. Vorsitzender des Verbandes der Kompo nisten und Musikwissenschaftler der DDR im Bezirk Leipzig; 1972 übernahm er dieses Amt im Bezirk Dresden. 1957 bis 1963 war er Di rektor der Internationalen Musikbibliothek und des Verlages Neue Musik Berlin, 1963 bis 1968 Künstlerischer Direktor des VEB Deut sche Schallplatten in Berlin, 1968 bis 1980 Rektor der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" Dresden, an der er weiterhin als Professor für Komposition und Leiter einer Mei sterklasse tätig ist. 1982 wurde er zum Präsi denten des Verbandes der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR gewählt und Anfang Februar 1984 zum Intendanten der Staatsoper Dresden berufen. Prof. Dr. sc. Siegfried Köhler, einer der promi nentesten Komponisten und Musikwissen schaftler unseres Landes, ist Träger verschie dener Auszeichnungen (Kunst- und National preis der DDR 1974 bzw. 1979) und hat bisher ein reiches, mehr als 80 Kompositionen um fassendes kompositorisches Oeuvre vorgelegt, das vom Vokaischaffen ausging, in den 70er Jahren jedoch auch im Bereich der Instrumen talmusik — bei Auseinandersetzung mit neue sten Kompositionstechniken, die mit bewährten Gestaltungsmitteln verschmolzen wurden — im mer eigenständigeres Profil gewann. Außer dem publizierte er mehrere Bücher (u. a. „Mu sikstadt Dresden“), über das heute zur Ur aufführung gelangende, 1983 vollendete Werk PRO PACE — Fünfte Sinfonie für Sopran-, Alt- und Bariton- Solo, Sprecher, gemischten Chor und großes Orchester nach Wor ten von Ulrich G r a s n i c k und Siegfried Köhler o p. 78, das die bisherige Reihe seiner Sinfonien um einen gewichtigen Beitrag bereichert, teilt der Kom ponist mit: „Ulrich Grasnick hat der Sinfonie Worte von großer poetischer Kraft und Schönheit zugrun de gelegt. Er spricht von der sinnlosen Ver nichtung der Stadt Dresden im Kriege und ihrer Wiedergeburt, ihrer Auferstehung in den folgenden Jahren des Friedens. Die Dichtung stimmt nachdenklich; sie erinnert an die Schrecken der Vergangenheit: .Unermeßlicher Brand, als hätte die Sonne verlassen ihre Bahn und die Erde gestreift .. .' Aber der Dichter weist auch auf den Frieden hin als einzig mögliche Lebensform des Men schen. Der Gedanke an den Großen Garten kehrt in der Dichtung immer wieder: 1945 war es ein Garten der Trauer und der Tränen. Viele Menschen starben hier während des Bomben angriffs. Am Ende aber stehen die Worte: ,O Großer Garten der Freude, über unseren Ge danken für immer wölbe dein grünes Dach.’ Die Auseinandersetzung mit den Ereignisse' des 13. Februar 1945 hat mich als Kompo" jahrzehntelang beschäftigt. Selbst Zeuge des Angriffs, hielt ich lange Zeit dieses Gesche hen für künstlerisch nicht gestaltbar. Später wurde mir klar, daß eine künstlerische Aus einandersetzung mit diesen Ereignissen eine Musik erfordert, die es — wie Thomas Mann sagt — ,mit wachsender Bewußtheit verlangte, aus ihrer Respektvereinsamung zu treten, Gemeinschaft zu finden, ohne gemein zu wer den, und eine Sprache zu reden, die auch der musikalisch Unbelehrte verstand .. Und Mann fährt fort: .Ein heikles Beginnen! . . . Auf der Höhe des Geistes zu bleiben; die gesiebtesten Ergebnisse europäischer Musik entwicklung ins Selbstverständliche aufzulö sen, daß jeder das Neue fasse; sich zu ihrem Herrn zu machen, indem man sie unbefangen als freies Baumaterial verwendete und Tradi tionen spüren ließ, umgeprägt ins Gegenteil des Epigonalen; das Handwerk, hochgetrie ben, wie es war, durchaus unauffällig zu ma chen und alle Künste des Kontrapunkts und der Instrumentation verschwinden und ver schmelzen zu lassen zu einer Einfachheitswir kung, sehr fern von Einfalt, einer intellektuell federnden Schlichtheit, — das schien die gäbe . . .' Gewidmet ist die im Auftrag der Dresdner Philharmonie geschriebene Sinfonie den Ein wohnern der Stadt Dresden in der Hoffnung, daß nie wieder ein Krieg diese schöne und kunstreiche Stadt zerstört. Das Werk will somit verstanden werden als ein Beitrag zur Erhal tung des Friedens in der Welt.“ Anton in Dvoraks Te Deum für Soli, Chor und Orchester o p. 103 entstand anläßlich des 400. Jahrestages der Entdeckung Amerikas. Zur Komposition die ses Werkes wurde er 1891 durch die Aufforde rung der amerikanischen Pianistin Jeanette Thurber angeregt, als Direktor des National konservatoriums nach New York zu kommen. Die Pianistin, die diese Institution im Jahre 1885 gründete, um die amerikanische Musik entwicklung voranzubringen, bat Dvorak zu gleich um ein geeignetes Werk für die bevor stehenden Festlichkeiten. Vorgesehen war eine Festkantate mit einem Text von J. R. Drake „Die amerikanische Fahne“. Als jedoch der versprochene Text auf sich warten ließ, be schloß Dvorak ein Te Deum für diese Gele genheit zu komponieren. So schrieb er in den Sommermonaten 1892, noch vor seiner Ab- ^pise nach Amerika, das Werk zu Ehren von Älumbus. Es wurde aber nicht zur Columbus- ieier am 12. Oktober 1892 uraufgeführt, son dern neun Tage später vom Bostoner Sinfonie orchester unter Leitung des Komponisten. Der freudig jubelnde Charakter der Kompo sition gemahnt an die Hochgestimmheit alter tschechischer Pastoralmessen. Im Hinblick auf Tempo, Harmonik und Orchesterbehandlung ist das Te Deum reich differenziert. Seine Vier- sätzigkeit erinnert an einen Sonatenzyklus. Durch die Wiederkehr der Hauptgedanken in den verschiedenen Teilen ist es musikalisch festgefügt. Der 1. Satz (Allegro moderato, maestoso) beginnt mit einer kurzen Einleitung, deren Paukenwirbel, bewegte Streicherläufe und markante Bläsereinwürfe den freudigen, fanfarenartigen Choreinsatz „Te Deum lau- damus“ vorbereiten. Das Sanctus erklingt im Gegensatz dazu im Pianissimo. Lyrisch entfal tet sich das „Te Martyrium" als liedhaftes So pransolo. Es verbreitet eine weihevolle Ruhe, die vom Vortrag des „Sanctus Domine Deus“ durch den Männerchor unterbrochen wird. Am Schluß des 1. Satzes nimmt der Chor, unter stützt vom Orchester, die freudige Te-Deum- Melodie wieder auf. B ewichtige Blechbläserakkorde leiten im 2. Stz (Lento maestoso) zum Baritonsolo „Tu Rex gloriae, Christe" hin. Der 3. Satz (Vivace) macht durch seine Ganztonharmonik und die unruhevolle Bewegtheit in den Streicher- und Singstimmen aufmerksam. Dem Sopransolo zu Beginn des 4. Satzes (Lento), das von Oboen und Flöten begleitet wird, stellt Dvorak wieder chorischen Wechselgesang gegenüber. Das „Miserere nostri“ im Männerchor wird von gezupften Streichern begleitet. Ein Duett der Solostimmen „Benedicamus patrem" mündet in den Allelujaruf des gesamten Chores. Das Orchester, vor allem der Paukenwirbel, bekräf tigt die Wirkung des „Alleluja“ nachdrücklich. Aus dem lapidaren, sogar monumentalen Tonfall des Dvofäkschen le Deum wie aus der innigen Schlichtheit seines Ausdrucks klingt unverkennbar die tschechische Note hervor. Anlaß für die Komposition des 10 0. Psalms „Jauchzet dem Herrn alle Welt" o p. 106 für Chor, großes Orchester und Or gel war für Max Reger die Aufforde rung von Prof. Fritz Stein, dem Akademischen Musikdirektor der Universität Jena, für das 350jährige Jubiläum dieser Universität im Juli 1908 eine Festmusik zu schreiben. Zum Fest gottesdienst am 31. Juli 1908 konnte aber nur die fertiggestellte erste Hälfe des Psalms vom Akademischen Chor unter Steins Leitung in der Jenaer Stadtkirche uraufgeführt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde dem damals noch sehr umstrittenen Komponisten die Würde eines Doktor honoris causa der Philosophischen Fakultät verliehen und somit die offizielle An erkennung seiner Künstlerschaft bestätigt. Erst im Sommer 1909 vollendete Reger die Kompo sition, und die Uraufführung des gesamtem Werkes fand am 22. Februar 1910 in der St.- Lukas-Kirche zu Chemnitz unter Leitung des Komponisten statt. Die für Max Regers musikalische Sprache so bezeichnende meisterliche Beherrschung der kontrapunktischen Satzkunst, die Kraft der Er findung, die Neigung zu freizügiger Modula tion wie zu gleichsam barocker Klangüberla dung haben dieses sein bedeutendstes vokal sinfonisches Werk, das heute leider kaum noch zu hören ist, geprägt. Es handelt sich nach Aufbau und Form um eine sinfonische Kan tate, die der Komponist in vier nach Tempo und Charakter unterschiedene, attacca auf einanderfolgende Sätze gliederte. Im 1. Satz (Maestoso, animato) entfaltet sich zu den Textworten „Jauchzet dem Herrn alle Welt“, die vom Chor zuerst unisono vorgetra gen werden, über einen 16 Takte umfassenden Orgelpunkt ein mächtiger Dithyrambus. Zu dem Aufschrei „. . . alle Welt“, der einen er sten dramatischen Höhepunkt bringt, kontra stiert der folgende Abschnitt „Dienet dem Herrn mit Freuden" durch seine Melodie, die sich achtstimmig leise und zögend emporhebt. Mit einer großen dynamischen Steigerung, bei der sich die einzelnen Stimmen förmlich ge genseitig überbieten, findet der 1. Satz sei nen Abschluß. Gegenüber der entfesselten Stimmkraft des 1. Satzes erstrebt der 2. Satz (Andante sostenuto) intimere Wirkungen. Die Worte „Erkennet, daß