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Zschopauer Tageblatt : 24.12.1942
- Erscheinungsdatum
- 1942-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1780081065-194212245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1780081065-19421224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1780081065-19421224
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Zschopauer Tageblatt
-
Jahr
1942
-
Monat
1942-12
- Tag 1942-12-24
-
Monat
1942-12
-
Jahr
1942
- Titel
- Zschopauer Tageblatt : 24.12.1942
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Str. zur Zfch.pauer Tageblatt Weihnacht«« 184» 2wkl Nriese, mitgoteilt Rußland, November 1941. Lieder! Lein letzter Brief liegt vor mir und der, den Du mir an» Beginn des vorigen Wahres geschrieben hast. Damals hielten wir die Wacht gegen Westen. Ich war gerade zur s^eldtruppe gekommen. Vorher hatten wir In Eurer schönen Stadt in Garnison ge legen. Wenn ich damals die Stunden in Deinem Heim nicht gehabt hätte! Alles war ungewiß. Jeder Tag brachte neue Losungen. Wir rücken ab; wir rücken nicht ab. Ich ver^ wllnfchte das eine wie das andere. Denn meine Frau erwartete ihr erstes Kind. Von der Garnison bis zu ihr waren es fünfzig Kilometer. Vielleicht konnte ich sie noch ein mal sehen; ich würde wissen, wie alles abge laufen war. Ich könnte das Kind noch sehen. Aber lebe einer in Ruhe, wenn ringsum alles im Fieber ist! Mir kam es wenigstens so vor. Jeder Tag in der Garnison ver längerte das Fieber, das in uns war. Ka meraden, nicht länger Soldat als ich, hatten sich auf östlichem Boden bewährt. Wir aber saßen noch hinter den gelben Mauern. von Lrivin Ko8ner die Stunde der Stille, des Auswerfens in die Tief«. Ich glaubte wenigstens sie zu brauchen. Da kam Dein Brief, und da stand das Wort von Dwinger. Ja, man denkt manchmal, es geht nicht mehr, und dann ist Pllötzlich ein neuer Anfang da, und man spiirt, wie einem Kräfte zuwachsen. Ich kann also getrost sagen, daß es mir gut geht. Ich bin Soldat, wenn ich auch den grauen Rock nicht trage. Mit der Brücke, das hast Du schön gesagt. Meine Frau hat bei den Kindern viel Arbeit; wir können uns keine langen Briefe schrei ben. Aber da steht manchmal eiü Wort und ein Ruf, das wiegt schwer wie Gold. Das sagt uns, wie unausgeschöpft auch eine lange Ehe ist. So findet tiefer zusammen, was «ine Weile getrennt ist. Man lernt es, mitt«n in seiner Arbeit in die Tief« zu lot«n, und man lernt es auch, di« kleinen Steine des Tages so zusammen zufügen, daß ein finnvolles Mosaik entsteht. Man kann schöpferisch sein dort, wo «s keiner steht und niemand vermutet. So ist mir dieser Ort meines Dienstes doch noch vertraut geworden. Ich schicke Dir etwas mit, was Du viel leicht gern hast: ein Buch, au dem ich hing, und'etwas zu beißen. Du brauchst uichtSorge zu haben, daß ich den Pfefferkuchen entbehre. Was ich Dir wünsche ist dies: Daß Du mit Deinen Kameraden weiter in gutem Schutz stehen mögest und daß die Brück« in der Heiligen Nacht zu einem Gelvebe des Frie dens werden möge! Einen faulen Frieden, den wollen wir alle nicht, aber einen Frie den, der uns zu neuen, größeren Möglich keiten ruft! Das Reich, an dem wir bauen dürfen, bedarf noch vieler Werkleute. ES gilt, wir halten stand, was auch kommen möge! Und wir halten uns bereit! Dein Walter. Du mahntest zur Einsicht. Man müsse warten können. Man müsse die Kraft, die sich verzehren will, zur Ruh« zwingen. Deine Frau aber hatte die heilenden Niste eines gläubigen Vertrauens gegen das Fieber. Dann kam alles so, wie sie vorausgesagt: Ich durfte Wider Erwarten noch einmal nach Hause fahren, saß am Bett meiner Frau; sie wollte meine Hände nicht loslassen, so froh war sie. Und ich sah auch das Kind. Das beißt, ich sah ein Bündel mit einem roten Gesicht, das schlief. Glücklicher Schlaf! — Es ging alles so schnell. Als ich zurückkam, wur den wir verladen. Ich bin wohl erst aus meinen Träumen erwacht, als wir im Vor feld die Granaten singen hörten. Dann bau ten wir Blockhütten gegen die Kält« und ge- legentllich waren wir einem Spähtrupp zuge teilt. Das war noch das Best« an diesem Winter. Danach wurden wir ein paar Meilen zurückgenommen und begannen zu exerzieren, schlimmer als zu Hause. Meine Einsicht war klein; ich fragte: Warum? Verdammt g«, salzen war der Dienst. Die Zeit schien nichts als Widersinn zu gebären. Dil mußt meine Stimmung wohl in mei nem damaligen Weihnachtsbrlefe gespürt ha ben; denn Du schriebst mir Neujahr, was ich jetzt wieder vor mir liegen habe. Es sind schon vergilbte Blätter; sie haben weite Wege hinter sich. Aber es gibt Worte und Briefe, die begleiten «inen immer. Tu erinnertest mich an Dwinger, an sein Epos vom letzten Reiter: Wie Rittmeister Truchs seine Schwa dron durchexerziert; kein Faden bleibt trocken. Sie sind «in wenig schwer geworden in der Ruh«, Roß und Reiter, und es ist junges Blut hinzugekommen, das sich noch nicht bewährt hat. Der große Vormarsch ins öst liche Reich steht bevor. Sagt nicht einer, es ginge nicht mehr? Und was sagt Truchs?' Es fange erst an. Es fing wirklich erst an.j Sie mußten das Letzte hergeben in Marsch, Ritt und Kampf. Wie hätten sie, ohne zu wissen, daß sie mehr leisten können, das! Kommende ausgehalten? I Wie hätten wir sonst das Tempo durchge halten? Durch Deinen Brief begann ich, zu begreifen. Wenns nicht mehr geht, dann fängt es erst an. Es ist immer so im Leb«n, wenn eine Leistung groß sein soll. Bei uns Deutschen wenigstens ist es so. Als wir Frankreich durchgcjagt hatten, war die Probe der Bewährung bestanden. Wir waren müde, aher stolz, und wir rüsteten ! uns auf kommende Dinge. Und nun sind wir! in diese Hölle geraten. Was soll ich Dir! ^agen? Es hat uns mehr als einmal ange-i idert; wir haben Vertierte gegen uns. Aber; i' halten etwas aus; uns wirft kein noch 'stli<:er Wind. Nun nutze ich diesen Ruhetag, und er ent führt mich weit. Du hast Recht: Man bleibt denen nah, die man liebt. In der Tiefe der Seele werden Abgründe überbrückt. 1500 Kilometer mögen uns trennen: dort ist meine Frau und die Kleine. Sie ist an die zwei Fähre alt und läuft wie ein flinker Zwerg. Ich schreibe hier in einer jammervollen Hütte. Wie hat man dieses Volk so grauenvoll be trogen! Der Sturm jagt über die Weiße Ebene. Aber da ist eine Brücke, eine Brücke aus Licht. Man wagt sich drauf und ist zu Hause. Es sind noch mehr auf der Brücke, nicht ich allein. Wenn ich mich umschaue, — die Kameradcu haben ihre besinnliche Stunde. Dort schreibt auch einer, da liest einer, und einer liegt und träumt; keiner spricht. Nebenan ist Lärm und Gelächter, nachher ist das vielleicht bei uns so. Aber jetzt sind wir auf der Brück«. Du bist also jetzt auch in der Fremde und mußt Dich an slawische Leut« gewöhnen? Dienstverpflichtet. Ja, der Krieg wirbelt uns alle durcheinander. Ich muß Dich an Deine eigenen Worte erinnern: „Wir sind zu einer großen Leistung aufgerufen. Wenn wir ge horchen, klingen die besten Kräfte in uns." Mögest Du Dich gut zurrchtfinden in der ueuen Umgebung! Schreibe mir wieder! Es ist ein Geschenk für Deinen Ludwig. * * .... Dezember 1941. * Mein lieber Ludwig, Dein Brief hat mich beschämt. Ich wollt« kein Lehrmeister sein, mit dem erhobenen Finger. Ich Ivar ja auch kein Soldat, leider; wie hätte ich in die Härte Deines Daseins htneinleuchten kön nen? Dock manchmal trifft man wohl dc»S Wort, das der Andere braucht. Seltsam aber ist, daß Du gerade jetzt mich erinnerst. Ick hohe mich nämlich nicht so schnell zurechd- gcfundcn. ES waren schwierig« Verhältnisse, und es ist ^nanchmal so, daß man die vielen Nadelstiche des Tages, den Wust, den Klein kram schwerer nimmt als einzeln« große Schläge. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, Dei nen Brief zu beantworten. Ich brauche aber 8üöor Dult 3U8 Zer Von Nikolaus Schwarzkopf Mein Onkel war Bäcker. Das Backhaus stand unweit der Kirche; sicher hatte an seiner Stelle «Hedem, als das Dorf noch ganz klein war, der Gemeindebackofen gestanden. Der Backofen des Onk«ls heizte sommers und winters das ganze Haus, machte es jederzeit behaglich und gleich mäßig warm. Ueber ihm lag die Schlafstube, links ans einer Flanke die Backstube, hinter ihm die Wohnstube, die zugleich Verkaufsladen war, und rechts an seiner Flanke, durch «ine beson ders dicke Mauer getrennt, der Kuhstall. D«r Ofen wurde mit Kiefernreisig geheizt, das, zu Wellen gebündelt, im Hof saß. Ich schleppte sie herbei, der Onkel schob sie, ohne sie aufzubündeln, in den eisernen Rachen. Daselbst sah es aus wie in einer kleinen Hölle: Flamme loderte auf Flamme, Flamme fraß Flamme in sich ein. Flammen bissen an den schmalen Back steinen der gewölbten Decke umher und züngel ten in die ausgefugten Mauerritzen, um gebän digt in den Hintergrund zu laufen nach dem Kamin. Brach das Holz in sich zusammen, dann wurde die Schiebetür geschlossen, und die Glut verweilte. Mit einem riesigen Eisengriff zog der Onkel auch die Klappe zu, die hinten den Kamin verriegelte. Nach einer Viertelstunde riß er die Tür auf, stieß mit.einer Eisenstange, an deren Ende eine Eisenplatte stand, in die heiße Asche und fegte sie heraus. Sie fiel zu seinen Füßen nieder, und ich schüttete Wasser drauf. Wenn die Glut sodann verlöscht war, nahm der Onkel «ine Holzstange, an der ein nasser Lumpen hing, und schleuderte den Lum pen da drinnen im Kreis auf den breiten Steinplatten herum, daß die letzten Köhlchen auf und davon stoben und herausflogen aus dem Ofen. Jetzt wurden die Brote eingeschossen, diese runden, weichen Laibe, die, an der Luft getrocknet, von einer festen Haut umgeben wa ren. Liebreich faßte der Bäcker sie in Hand und Unterarm, «inen jeden einzelnen apf den Schie ber zu setzen, und drinnen sauber in Reih und Glied nebeneinander zu zeilen. Saßen sie, sich schon bräunend, wie ein liebliches Wcllenspiel in der Glut, dann schoß der Onkel das Kleinzeug noch ein, di« weißen Brötchen, immer ein! Dutzend auf einen Schieber. Dann ließ er die Schiebetür vor der Herrlichkeit herunterfallen,! zündete ein Oellämpchen an und stellte es in ein« Luke, und von vorn angestrahlt, von hin ten her beschattet, strömte das Wellenspiel schon di« ersten Düfte links und rechts von der Lampe heraus. Solang die Brote im Ofen saßen, lief mein Onkel aufgeregt in Haus, Scheune und Stall umher, barfuß, ohne Hemd, und die mehligen Hosen schlumperten um seine mageren Beine, als wollten sie jederzeit aus dem mehligen Gür tel rutschen. Aber dann, wenn mein Onkel den Ofen aufbrach, und das Gebäcks«! saß braun und hochgewölbt in den gelben Strahlen der Lampe, dann rieb er sich die Hände und hob mich, daß ich hineinsehen konnte in das ge lungen« Werk. Die köstlich duftenden Dämpfe, die mir da entgegen quirlten, habe ich heute noch in der Nase, wenn ich daran denke, und wenn ich in der Stadt an «iner Bäckerei vor- übergehc, bleibe ich ein Weilchen stehen und spüre «in Stück des Kinderlandes. Das Korn birgt neben dem Wein die besten Düfte der Welt. Schad«, daß man es späterhin nur noch in den Kasernen so stark und unverfälscht rie chen konnte, so unvermischt mit Weizen, so ge sund, d«rb, und bäuerisch bewahrt, und so voll breiter Kraft, die starke Muskeln verbürgt und Mut, den Fährnissen des Lebens herzhaft zu begegnen. Heraus kamen zuerst die weißen Brötchen, und ich stand mit einem Pinsel bereit und überstrich sie sofort, da st« noch auf dem Schieber saßen, mit Zuckerwasser, denn die weißen Brötchen wa ren für die vornehmen Leute des Dorfes; den Herrn Doktor, den Herrn Apotheker, den Herrn Lehrer, waren auch für die Kranken und waren für die Kinder, die Namenstag oder Geburtstag hatten. Sie bekamen durch mich «inen süßen Glanz. Der Onkel ließ sie sodann in den weißen Korb purzeln und holte neue heraus. Ich trug den Korb in die Stube, und dann schob ich die runden braunen Laibe ins Gestell. Große Tage waren für den Bäcker Kirchweih und Weihnacht. An Kirchweih „machte" jede Familie den Teig selber. Da kamen aus den Nachbardörfern die Väckerburschen und liefen mit der „Kratz", dem Eisen, das den Teig aus dem Trog kratzte, im Dorf umher, barfuß, hemd ärmelig, und guter Dinge, aber die Mädchen liefen ihnen aus dem Weg wie dem Schorn steinfeger. Sie trugen auf den breiten Hüsten die zu Haus fertig gemachten Kuchen in das Backhaus und trugen di« gebackenen auch wieder heim. Da duftete das ganze Dorf, da hörte man die Hellen Mädchenstimmen lachen, singen, plaudern, die Buben kehrten die Gassen, der Bartschaber warf den verbrauchten Seifenschaum in weitem Vogen in die Gaste, und die Glocken läuteten den Feiertag «in. Auf der Gaste stan den die Verkaufsbuden hinter grauen Zelt- tüchern, und die Reitschule, genannt das Ka- rustel, ließ dieh ölzernen Nüstern ihrer Gäule rundum ein klein wenig ins eigene Zelttuch vorstoßen, daß die Gassenbuben einstweilen ihre Freude hatten. Um die Weihnachtszeit aber war mein Onkel ein geheimnisvoller Mann. Er schaffte Tag und Nacht, aber er ließ mich weder in die Back stube noch an den Ofen, und was er buk, das bekam niemand zu sehen. Viel Honig verar beitete er da. Das Honigfatz stand im Schup pen, versteckt hinter den Wellen. Hinschleichen, den Finger hineinstecken, also naschen, das wäre eine schwere Sünde gewesen, ein« Sünde an irgend etwas volkhaft Geheiligtem. Aber ein mal, des entsinn« ich mich, lockte das Faß «inen richtigen Dieb an, «inen ausgewachsenen. Er schleppte «inen ganzen Eimer voll Honig fort, aber — der Eimer leckte: der Honig tropfte, der eilige Dieb merkte es nicht, die Spur führt« märchenhaft «infach ins schlimme Haus, und kein Vöglein pickte sie weg. Am Nikolaustag versammelten sich alle vermummten Gestalten beim Dieb, und sie hieben ihm das Leher weich, wie kein Staatsanwalt es weicher hält« schla gen können. Brezeln buk mein Onkel, Lebkuchen aller Art, Anis, Buttergebackcnes, Vubenschenkel und Bobbe. Die Lebkuchen waren herzförmig und trugen alt« Wunderzeichen, die damals kein Mensch mehr deuten konnte, die aber heute wie der jedermann zu deuten vermag: das Feuer rad, den Lebensbaum, die vielblätterige Rose, di« zweiästig aus den Hüften eines artigen Weibleins sproßte. Di« Brezeln waren gefloch ten wie Mädchenzöpfe, di« Bobbe, die zwei Köpfe hatten, strotzten in vollen Brüsten, und auf Buttergebackenem und Armsgebackenem zeig ten sich andeutungsweise allerlei Reste gesunder Fruchtbarkeit unter Mensch und Vieh. Mir die Neujahrsnacht Luk mein Onkel mürbe Kuchen, wie kein Bauer sie im Haus duldete. Diese Schleckereien wurden in dieser Nacht im Backhaus ausgewürfelt. Man kam zum Bäcker wie ins Wirtshaus, man trank Kaffee bei ihm und aß Kuchen, man sang, tanzt« und würfelte. Ich weiß von einer übermütigen Bäuerin, die im Backhaus alles verwllrfelth att«, was sie an Taschengeld besaß, ohne etwas gewonnen zu ha- ben. Um nun wieder Geld zum Weiterwürfeln zu bekommen, rief sie in die Stube: „Hier, mein Philipp: wer setzt auf ihn?" Es fanden sich viel«, die auf den Philipp setzt«n, die Würfel rollten, und stehe: dieB äuerin selbst gewann ihren Mann, ihren Philipp, hatt« nun wieder Geld, und die Freude verdoppelte sich im Lärm der Neujahrsnacht. Frau von Stael hatte sich in Weimar bei Goethe angemeldet, und dieser sah dem Be such mit Spannung entgegen, mit nicht ge ringerer Erwartung natürlich die Französin. MS man einige Tag« später Go«the fragte, wie der Besuch verlaufen sei, erwidert« er: „ES war mir wertvoll, Frau von Stael kennen zu lernen. Sie sprach freilich so viel, daß ich kaum zu Wort gekommen bin. Aber wenn jemand so gescheit zu sprechen weiß wie sie, hört man ja gern zu." Auch von Madam« de Sta«l wollte man wissen, wie ihr Goethe gefallen habe, und sie antwortete! „ES war eine unvergeßliche Stunde. Al lerdings sprach er fast ohne Pause, so daß ich zur Aeußerung einer Meinung kaum ge kommen bin. Aber wenn einer so gehaltvoll wie Goethe spricht, — wer hört« da nicht mit Veraünaen zu?" Kans Bethoe. Aus der Heimat erhalte ich dann und wann eine Kunstkarte. Das ist ein schöner Brauch und tut dem Geist ebenso gut, wie das Feldpost päckchen dem Magen. In den Illustrierten, von denen sich hin und wieder eine zu uns verirrt, gibt es zwar auch Abbildungen von Kunstwer ken. Neulich, als es noch Sommer war und wir so weit hinten lagen, daß wir das Artil leriefeuer kaum noch hörten, hatte ein Bildbe richt über die Münchener Kunstausstellung «inen ganzen Kunstverein vor dem Zelt versammelt. Aber eine Kunstkarte ist höheren Ranges, st« steht hier draußen über dem Zeitungsbild, wi« daheim das Original über der Reproduktion. Nicht jeder hat das Glück des Obergefreiten C., der in einem verbrannten Haus ein alt«» Holzrelief gefunden hat und zur näheren Be stimmung seines Fundes nach und nach di, Kunstkenntniste der gesamten Kompanie bemüht hat. Mir genügen in den beengten Verhält nisten die Kunstkarten, auf deren Rückseiten al les Wissenswerte verzeichnet ist. Zu Weihnachten werde ich mein Quartier, so fern es eines gibt, mit meiner Bildersammlung in «ine Kunsthalle verwandeln. Der Gedanken an Weihnachten kam mir heute, als ich aus dem Postsack eine Karte mit «ine» an Weihnachten erinnernden Szene erhielt. Einen Ausschnitt aus einem großen berühmten Mtarwerk in Wildungen stellt sie dar, ein» Eck«, die sonst wohl nicht sehr beachtet wird. Der bärtige Joseph kauert auf dem Erdboden und bläst in das Holzfeuer, um das Süpplein für das Kind zu kochen. Der Meister Konrad von Soest hat vor 500 Jahren mit derbem Wirklich keitssinn den besorgten Hausvater gemalt, der mich ins «iner Tracht an di« ruffischen Bauern erinnert. Vorhin beim Kartoffelbraten, als das Feuer nicht anging in dem Erdloch — unser modernes Feuermittel: «in Guß erbeuteten Benzins über Tannenreisig, war gerade nicht zur Hand — habe ich genau so auf der Erde gelegen und unter der Bratpfanne, dem kostbarsten Stück unseres Trupps, die Flamm« geschürt. Di menschlichen Urgebärden gewinnen draußen an der Front ihr« unvergängliche Kraft zurück. Auch «inem Fest strömt hier die Erwartung stärker und in tieferer Schicht entgegen, als im geruhsamen Alltagsleben. Ein Feiertag wird «rwartet wie Sonnenschein nach wochenlangem Regen und Dreck. Unter Tannen, so mächtig wi« im Schwarzwald, schreibe ich. Wenn wir Weihnachten solche Tannen um uns haben, wi» in der gegenwärtigen Stellung und alle Ka meraden noch lebend beisammen sind, wollen wir «ine ehrfürchtig« deutsche Heilig« Nacht feiern. Paul Hübner. Von Helmholtz, dem berühmten Physiker, wird berichtet, er habe sich, anläßlich einer gesellschaftlichen Veranstaltung, einer Viel zahl von Damen gegenüber gesehen, di« von ihm, der Autorität, unbedingt wissen wölb ten, was vom Spiritismus zu halten sei. Helmholtz, allem Okkulten aufs heftigst« abgeneigt, suchte sich der Fragestellung zu entziehen. Di« Damen indessen erwiesen sich als hartnäckig. Insbesondere versteifte sich eine Baronin S. auf das Phänomen des Tischrückens. Sie versuchte auf Grund eige ner Erlebnisse nachzuweisen, daß zwischen dem Erscheinen des Geistes und der Bewe gung des Tisches ein Zusammenhang bestehen müsse. Helmholtz, der ohne eine Miene zu ver ziehen, geduldig zugehört hatte, erwidertet „Gnädige Frau, der Klügere gibt nach." Ernst Dechent. Lessing hatte einem Bekannten aus seiner Bibliothek Wei Bände der großen Aristoteles. Ausgabe geliehen. Der Entleiher machte keine Anstalt, di« Bücher zurückzugeben. Lessing ärgert« sich, und als vier Monate vergangen waren, nahm er die gesamten übrigen Bände der Ausgabe des großen Griechen, packte st« ein und li«ß sie dem säumigen Bekannten zugehen. Er legte ein Schreiben Lei, in dem er darauf hin wies, Laß «ine Trennung dieser wertvollen Ge samtausgabe auf di« Dauer unmöglich sei; damit das Werk sich wieder in einer Hand vereint be fände, «rlaube er sich daher, di« restlichen Bänd« zur Vervollständigung zu übersenden. Am nächsten Tage schon hatte der Dichter sämt liche Bänd« seines Aristoteles zurück. Hans B«thg« ^z«?z Ludwig llhland besuchte «inst seinen Lands mann Justinus Kerner, als dieser in Wildbad eine ärztliche Praxis ausgenommen hatte. Da bei hielt der Dichter es für angebracht, die Tu genden der Hausfrau zu preisen. „Die Leut loben dein Rickele sehr, Justinus. Es wär« ein arg gelehrte Frau, sagen sie. Bist du nicht stolz darauf? Eie ist doch gelehrt!" Da schüttelt« Justinus Kerner entschieden den Kopf: „Das ist «in Irrtum, Uhland, gelehrt ist sie nicht." Der Besucher wunderte sich nicht wenig über den un- galanten Bruder in Apoll. Aber Kerner lächelte: „Nein, gelehrt ist meiv Nickel« nicht. Dazu ist sie viel zu schlau!"
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