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CILENSEK: KONZERTSTÜCK Das Werk, Anfang des Jahres 1984 von Peter Damm und der Dresdner Philhar monie unter Johannes Winkler uraufge führt, entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Solisten, dem ich einzelne fertige Teile übersandte und der sich gern und genau dazu äußerte. Das Konzertstück für Horn und Orchester verläuft ohne größere Pause durchgehend in einem Satz, der jedoch deutlich in sechs Abschnitte gegliedert ist. I: Orchestereinleitung in schneller Bewe gung — hier klingen einige musikalisch strukturelle Elemente an, die in späteren Abschnitten formbildende Funktion erhal ten. II: Kadenzartiger Teil des Solohorns, dem Harfe und Schlagzeug gegenübertreten und der mehrmals von Blechbläsern unter brochen wird. Die Solostimme enthält alle melodischen Bausteine, die im späteren Verlauf der Komposition eine Rolle spie len. III: Breitangelegte Kantilene des Solo instruments, die von Streichern eingeleitet und mit ihnen gestaltet wird. Später tre ten Holzbläser, Harfe und Schlagzeug hin zu und führen zu einem dynamischen Höhepunkt des vollen Orchesters. IV: Das Solohorn greift auf den freien Charakter des kadenzartigen Teils II zurück. Doch nun wird der musikalische Ausdruck bedeutungsvoller, und es wirken alle Grup pen des Orchesters mit. V: Ein ziemlich langer Abschnitt in sehr schnellem Tempo, der virtuosem Spiel Raum gibt und die Farbigkeit der Or chestergruppen in diesem Sinne nutzt. Drei Spieler am Schlagzeug lassen diesen Teil ausklingen. VI: Der letzte Abschnitt ist ein Epilog, ein ruhiger, besinnlicher Ausklang. Das Solo horn nimmt Bezug auf seine erste Aktion am Anfang des Stückes. Weiche Linien und Farben der Streicher sind ihm zugeordnet. Harfe und zartes Schlagzeug ergänzen die Grundstimmung. Johann Cilensek KUNAD: STIMMEN DER VÖLKER Rainer Kunads Oratorium nach Johann Gottfried Herder für Soli, Chor, Orgel und Orchester, bei den Dresdner Musikfest spielen 1983 mit großem Erfolg uraufge führt, entstand 1979/80. Auftraggeber war der Beethovenchor der Elbestadt, ein pro filiertes Laienensemble, das heute dem VEB Elektromaschinenbau Sachsenwerk an geschlossen ist und aus dem traditions reichen Dresdner Lehrergesangsverein her vorging. Sein Leiter Christian Hauschild erbat dieses Werk für die Feier des 100- jährigen Jubiläums. Das Oratorium ordnet sich ein in den Zyklus jener Kunadschen Werke, die seit 1980 bei den Musikfestspielen ihre Ur aufführungen erlebten. Der Kantate „Me- tai" mit Peter Schreier, dem Philharmoni schen Kinderchor und Orchester als natur bildhafte Betrachtung der „Jahreszeiten" aus dem Litauischen von Donelaites folg ten 1981 die Bobrowski-Motette mit dem Kreuzchor als Begreifen menschlicher Ver antwortung in einer apokalyptisch gespannt ten Zeit und 1982 mit Theo Adam und der Staatskapelle die „Klopstockode" als Bekenntnis gegen den Krieg, für das Le ben, den Frieden als Verheißung. Das Herder-Oratorium krönte den inhalt lich und anfangs auch thematisch ver knüpften Zyklus von Aufklärungsdichtun gen des 18. Jahrhunderts wie Donelaites und sein Vorbild Klopstock, als dessen Verbindungsglied hier Bobrowski einge woben ist, der Schöpfer des Donelaites- Buches „Litauische Claviere", das Rainer Kunad als Oper für Schauspieler faßte. Und schließlich wirkte in Riga auch Herder längere Zeit, dessen Sammlung „Stimmen der Völker in Liedern" die Textgrundlage des Oratoriums bildet, ergänzt durch Pas sagen aus des Dichters „Briefen zu Be förderung der Humanität". So entstand ein vierteiliges Werk, dessen Anfang („Komm Aurore") Liebeslieder aus Frankreich, Lappland, Peru, Spanien, England vereint, dessen 2. Teil („Sprüche") Trink- und Spott lieder einbezieht. Die Frage „Was sind die Menschenvölker einander?" wirft der 3. Teil auf. Im Finale siegt die „Große. Friedensgöttin Vernunft" über die apoka lyptischen Visionen der „Nordischen Weis sagung", der Götterdämmerung Odins, eines heidnischen „Dies irae". Und so bemerkte der Komponist anläßlich der Uraufführung: „Indem die ewigen Mo tive Liebe — Tod — menschliche Existenz — Frieden besungen werden, entsteht sicher ein hoher Verallgemeinerungsgrad, wie er mir für ein Oratorium erforderlich er scheint. Aber erst die Installierung der Gegerimotive Haß — Vernichtung — Nicht existenz — Krieg ermöglicht mir die heu tige Sicht und rechtfertigt mein Unterneh men. Daß dies alles besungen wird in den Zungen so vieler Völker, schafft zu- 66