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II Kadenzartiger Teil des Solohorns, dem Har fe und Schlagzeug gegenübertreten und der mehrmals von Blechbläsern unterbrochen wird. Die Solostimme enthält alle melodi schen Bausteine, die im späteren Verlauf des Stückes eine Rolle spielen. III Breitangelegte Kantilene des Soloinstru mentes, die von Streichern eingeleitet und mit ihnen gestaltet wird. Später treten Holzbläser, Harfe und Schlagzeug hinzu und führen zu einem dynamischen Höhe punkt des vollen Orchesters. IV Das Solohorn greift auf den freien Charakter des kadenzartigen Teiles II zurück. Hier wird der musikalische Ausdruck bedeutungsvol ler, und alle Gruppen des Orchesters wir ken nun mit. V Ein ziemlich langer Abschnitt in sehr schnel lem Tempo, der virtuosem Spiel Raum gibt und die Farbigkeit der Orchestergruppen in diesem Sinne nutzt. Drei Spieler am Schlag zeug lassen diesen Teil ausklingen. VI Der letzte Abschnitt ist ein Epilog, ein ru higer, besinnlicher Ausklang. Das Solohorn nimmt Bezug auf seine erste Aktion am An fang des Stückes. Weiche Linien und Far ben der Streicher sind ihm zugeordnet. Harfe und zartes Schlagzeug ergänzen die Grundstimmung." Die Ouvertüre zu Goethes Gedichtpaar „Meeresstille" und „Glückliche Fahrt“ op. 27 komponierte Mendels sohn 1828, feilte jedoch noch längere Zeit daran und übergab die endgültige Fassung 1834 der Öffentlichkeit. Am 4. Oktober 1835 führte er sich mit diesem Werk und der 4. Sin fonie Beethovens als Gewandhauskapellmei ster in Leipzig ein. „Tiefe Stille herrscht im 'asser“, die „ungeheure Weite" des Meeres — as ist der Eindruck, den die Adagio-Einleitung durch langausgehaltene Töne und langsam da hinschleichende Motive vermitteln will. Sech- zehnteltriolen in den Flöten über ruhendem a der Violoncelli leiten zum lebhaften zweiten Teil über: „Die Nebel zerreißen, der Himmel ist helle und Äolus löset das ängstliche Band. Es säuseln die Winde, es rührt sich der Schiffer ge schwinde, geschwinde. Es naht sich die Ferne, schon seh ich das Land!" Schwungvoll, frisch wird das Spiel von Wind und Wellen, die „glückliche Fahrt" und Landung geschildert, letztere verkünden fanfarenartige Trompeten stöße. Carl Nielsen (1865—1931) galt zu seiner Zeit in den skandinavischen Ländern als Däne marks „größter Sohn auf dem Gebiet der Kün ste nach Hans Christian Andersen". Aber dieser Ruhm überschritt zu Nielsens Lebzeiten die Grenzen Skandinaviens nicht, und seine Lei stungen wurden vom Ausland nur wenig be achtet. 1922 dirigierte er zweimal in Berlin eigene Werke, und auch Fritz Busch und Wil helm Furtwängler setzten sich für ihn ein. Furt wängler dirigierte Nielsens 5. Sinfonie 1927 mit großem Erfolg während eines internationa len Musikfestivals. Erst nach dem Tode des Kom ponisten, insbesondere nach dem zweiten Welt krieg, gelangte Nielsens Schaffen mehr und mehr zu internationalem Ansehen. Der Kom ponist gilt heute als eine bemerkenswerte Per sönlichkeit der Musikgeschichte des 20. Jahr hunderts, die mit eigenwilligen Neuerungen der Musikentwicklung vorausgegriffen und zur Erweiterung der melodisch-harmonischen Aus drucksmittel beigetragen hat. Charakteristisch ist seine rhythmisch kraftvoll-akzentuierte, po lyphon-lineare und polytonale Schreibweise. Anregungen für sein Schaffen fand Nielsen bei Mozart und Brahms, aber auch bei Bach und Händel. Ferner verarbeitete er Einflüsse des dänischen Volksliedes sowie solche aus Wer ken von Gade, J. Svendsen und J. P. E. Hart mann. Seine Hinwendung zu Kontrapunkt und Linearität wirkt anregend auf Komponisten der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nielsens Schaffen umfaßt nahezu alle musika lischen Genres. Er schrieb u. a. Lieder, vier Streichquartette, drei Instrumentalkonzerte, sechs Sinfonien, zwei Opern. Es gelang ihm auf allen Gebieten, Werke von hoher künstlerischer Qualität zu schaffen. Erste musikalische Anlei tungen erhielt Nielsen von seinem Vater, der von Beruf Anstreicher war und sich als Dorf musikant Geld hinzuverdiente. Als 17jähriger begann Nielsen, von Niels W. Gade gefördert, am Konservatorium in Kopenhagen Violine und Komposition zu studieren. Noch während des Studiums erlebte er die erste öffentliche Auffüh rung einer seiner Kompositionen. 1890 91 führ te ihn eine Studienreise nach Deutschland, Österreich und Frankreich, und er traf sich u. a. auch mit Brahms. 1894 wurde Nielsens 1. Sin fonie durch das Kopenhagener Hoforchester mit großem Erfolg uraufgeführt. Mit den Auf führungen seiner beiden Opern, „Saul und Da vid" (1902) und „Maskerade" (1906), die be geisterte Aufnahme fanden, hatte er sich Ko penhagen erobert. 1908 bis 1914 war Nielsen Hofkapellmeister in Kopenhagen. Während dieser Zeit entstanden seine 3. und 4. Sinfonie. Sie machten Nielsen in ganz Skandinavien be rühmt. 1915 bis 1927 leitete Nielsen den Ko penhagener Musikverein. Später wurde er auch Direktor des Konservatoriums der Stadt und übernahm außerdem ab 1918 die Leitung der Göteborger Konzerte. Als Dirigent eigener Werke besuchte er verschiedene europäische Musikzentren. Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, blickte Carl Nielsen ohne Sympathie auf die aus den Fugen geratene Bourgeoiswelt, fühlte er Ab scheu vor dem „fürchterlichen Faktum, daß Europas Männer des Geistes ihren Verstand verloren haben" und daß „das Nationalge fühl ... zu einer geistigen Syphilis geworden" ist, „welche die Gehirne aufgefressen hat und in blödsinnigem Haß aus den leeren Augen höhlen grinst". Die 4. Sinfonie, im Herbst 1914 begonnen und im Januar 1916 vollendet, ist als künstlerische Auseinandersetzung mit diesen Erschütterungen, als brisant-streitbare, zukunftsgläubige Reaktion auf sie zu verstehen. In der Bewältigung eines großen sinfonischen Konflikts behauptet sich der „elementare Wille zum Leben", denn: „Musik ist Leben, unaus löschlich wie dieses." Das Werk ist in vier Sätze gegliedert, die aber pausenlos einander folgen. Die explosive Kon fliktspannung wird sogleich von dem rabiaten Hauptgedanken des ersten Allegrosatzes aus gelöst. Nach intensiver Auseinandersetzung zwischen Bläsern und Streichern läßt das zwei te Thema Entspannung eintreten. Die rück sichtslos dissonante Verarbeitung des Themen- und Motivmaterials löst streckenweise tonale Bindungen auf, läßt den Rhythmus als Gestal tungsmittel zunehmend hervortreten und ver deutlicht einen Kampf zwischen destruktiven und formbildenden musikalischen Elementen. Schließlich erfolgt eine Überleitung zum zwei ten Satz (Poco allegretto), einem kammer- VORANKÜNDIGUNG: musikalischen Holzbläseridyll, das innerhalb der großdimensionierten Gesamtarchitektur des Werkes lediglich die Rolle eines Intermez zos, eines Ruhepunktes hat. Dann türmt der Komponist den hochdifferenzierten, in seiner Grundhaltung von tiefer Lebensgläubigkeit und Humanität erfüllten dritten Satz (Poco ada gio, quasi andante) auf, dessen für diese Zeit einzig dastehende Orchesterpolyphonie von seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit der Bachschen und vorbachschen Musik zeugt, ohne dabei historisierend zu erscheinen. Doch der Kampf ist hier noch nicht zu Ende. Nach einer rasenden Zweiunddreißigstelbewe gung der Streicher und jähem Einfall des 2. Paukenpaares, das vorn im Orchester pos^rt ist, bricht das Final-Allegro hervor, bald ein verbissen chromatisches Thema ergänztem: hochbrisanten Zweikampf der beiden Pauken paare wird der Rhythmus als Ausdrucksträger für die Konflikthaftigkeit streckenweise eman zipiert. Am Ende eines piano verlaufenden, nur unterschwellig erregten Mittelteils greifen die Holzbläser das Seitenthema des ersten Satzes wieder auf, scheinbar beiläufig nur, doch in der Coda schwingt es sich zum triumphalen Blechbläserhymnus auf, freilich nicht im Sinne einer vordergründig lösenden Schlußapotheo se, denn die Haltung gespannter, fast drohen der Aktivität und Entschlossenheit wird bis zum Ende bewahrt. FOYERGESPRACH Nach dem Konzert am 25. Februar 1984 findet in den Klubräumen der Dresdner Philharmonie (2. Obergeschoß, links) ein Besuchergespräch zur Uraufführung des Konzertstückes für Horn und Orchester von Johann Cilensek statt. Die Garderobe ist bitte unmittelbar nach Kon zertende abzuholen. Freitag, den 30. März 1984, 20.00 Uhr (Anrecht C 1) Sonnabend, den 31. März 1984, 20.00 Uhr (Anrecht B) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 7. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Therese Dussaut, Frankreich, Klavier Werke von Webern, Mendelssohn Bartholdy und Beet hoven Programmblätter der Dresdner Philharmonie Spielzeit 1983.84 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die 4. Sinfonie von C. Nielsen Druck: GGV, BT Heid. III-25-16 493005 2,85 JtG 009-9-84 schrieb Erich Brüll für das Konzertbuch II, Leipzig 1973 EVP —,25 M 6. ZYKLUS-KONZERT 1983 84