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Fritz Liebscher, geboren 1907 in Dres den, war 1917—26 Mitglied des Dresdner Kreuzchores, absolvierte seine musikalischen Studien in Dresden (sein Kompositionslehrer war Prof. Hans Fährmann) und wirkte von 1945—72 als Chordirektor an der Volks- bzw. späteren Landesoper Sachsen. Seit 1935 ist er auf verschiedenen Gebieten mit kompositori schen Arbeiten hervorgetreten, insbesondere mit einem umfangreichen Liedschaffen sowie mit Chor- und Orgelwerken. Verschiedentlich vertonte er Texte aus dem „Heiteren Herba rium“ des österreichischen Schriftstellers Karl- Heinrich Waggerl; diesem entstammen auch die Gedichte, die den heute zur Uraufführung gelangenden 3 Liedern op. 93 zugrunde liegen, gleichsam „Miniaturen", die eine klangliche Fotografie der betreffenden Blume darstellen. Auch von der Lyrikerin Irma Brandes vertonte Fritz Liebscher bereits zahlreiche Dichtungen. Die heute erklingenden 2 Lieder, 1981 ent standen, wurden 1982 bei der Tagung der Humboldt-Gesellschaft in Schlangenbad mit Erfolg uraufgeführt. Sie leben von romanti schem Empfinden und wollen schöne sängeri- sche Aufgaben stellen. Rudolf Wagner-Regeny, 1903 in Szäsz-Regen (Siebenbürgen) geboren,1969 in Berlin verstorben, Nationalpreisträger, Ordent liches Mitglied der Akademie der Künste, lehrte 1950—68 als Professor für Komposition an der Deutschen Hochschule für Musik in Berlin. Er errang vor allem mit seinen gesellschaftskriti schen Opern „Der Günstling“ (Dresden 1935), „Die Bürger von Calais“ (Berlin 1939) und „Johanna Balk" (Wien 1941), die dem epischen Musiktheater verpflichtet sind, bedeutende Er folge. Er komponierte weitere Bühnenwerke, Orchesterstücke, Kantaten, Kammer- und Kla viermusik sowie Lieder. Das Streichquartett entstand 1948 in seiner Rostocker Zeit (er tete 1947—50 die dortige Musikhochschule, heüW Rudolf-Wagner-Regeny-Konservatorium). Es handelt sich um eine überaus zarte, durchsich tige, in glänzender Schöpferlaune entworfene Musik von nur 8 Minuten Dauer, gleichsam um eine Serenade in Sonatenform. Elegante Leich tigkeit und ausgelassene Heiterkeit bestimmen die schnellen Ecksätze (Allegretti), die das (aus der „Kleinen Gemeinschaftsmusik" von 1929 übernommene) kunstvolle Andante als lied haften, beinahe etwas melancholisch-elegischen Mittelpunkt des Werkchens umschließen. Fritz Liebscher: 3 Lieder nach Dichtungen von Karl-Heinrich Waggerl Steinbrech Wir wissen nicht, womit der Steinbrech Steine bricht. Er übt die Kunst auf seine Weise, und ohne Lärm. Gott liebt das Leise. Vergißmeinnicht Wie ist doch das Vergißmeinnicht ein unbedankter Held der Pflicht! Von jedem, der vorübergeht, wird es beschworen, angefleht, als wäre, wen es nicht behält, schon abgetan und ausgezählt. Das Blümchen fragt nicht wie und was, verschwiegen steht’s im kühlen Gras, wirft sinnend einen Blick ins Blau, und merkt sich alles ganz genau. Schierling Der Schierling dient dem Wiederkäuer zur Kost. Als Most (im Becher) ist er nicht geheuer. Getrost! Die Weisheit wird im Tod unsterblich, die Dummheit nicht, die ist nur erblich. Fritz Liebscher: 2 Lieder nach Dichtungen von Irma Brandes Spätsommerabend über den Wiesen wogen der Dämm’rung grauende Nebel. Nur in den Gärten am Hang blinkt noch das scheidende Licht, glüht in den Kronen gilbender, fruchtdurchsprenkelter Bäume. Apfel, rotbäckig und blank, lachen aus müdem Gezweig. Unter den Stämmen am blätterverschütteten Weg verströmen Astern ihr trunkenes Blau. Da, ein Klopfen im Laub! Löst selbst der scheidenden Sonne Kuß den Gereiften? Oder lockte der Blumen Glut Äpfel, süß duftend ins Gras? Die Heide blüht Es hebt die Ebene seufzend ihre Lider. Am Fuße nachtgrün steigender Wacholder, blankhäutger Birken, struppiger Kiefernstämme öffnen sich weinrot-schwer winzige Blütenaugen, Blütenmünder! Sehen, singen: Die Erde singt. Das ganze ebene, karge Land glüht auf wie eine spät erblühte Braut, die — vor der Erfüllung bang — zurück den Laut will halten, daß er nicht den Neider rufe, der das Licht, das blühende, mit seiner Nacht bedrängt. Erst wenn das Glück versengt von Schwermut, dann ist's unser ganz, die wir nicht wissen, wann das Hochzeitsmahl bereitet, wann der Klang, der uns die Welt geweitet, verstummt. Peter Tschaikowski: 3 Lieder Voll Eifersucht stehn dir im Äug' die Tränen Voll Eifersucht stehn dir im Aug’ die Tränen o weine nicht, noch immer lieb’ ich dich; doch nur in Freiheit geht nach dir mein Sehnen, denn wie das Meer so groß ist meine Liebe. Sie kennt nicht Grenzen, nein, sie kennt nicht Grenzen, so unendlich. O traure nicht, muß ich dich hier verlassen, die Fessel sinkt, der Kerker öffnet sich. Und ew’ge Lieb’ wird alle uns umfassen, groß wie das Meer, groß, groß wie das Meer und so unendlich.