Volltext Seite (XML)
3. PHILHARMONISCHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Mittwoch, den 30. November 1983, 20.00 Uhr Donnerstag, den 1. Dezember 1983, 20.00 Uhr Gastspiel der Prager Sinfoniker Dirigent: Jiri Belohldvek, CSSR Solist: Heinrich Schiff, Österreich, Violoncello Gustav Mahler 1860-1911 Adagio aus der Sinfonie Nr. 10 Robert Schumann 1810-1856 Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129 Nicht zu schnell - Langsam - Sehr lebhaft PAUSE Dmitri Schostakowitsch 1906-1975 Sinfonie Nr. 15 A-Dur op. 141 Allegretto Adagio Allegretto Adagio. Allegretto JIRI BELOHLÄVEK wurde 1946 in Prag geboren. 1960 bis 1966 studierte er am Prager Konservatorium die Fächer Violoncello und Dirigieren, 1966—1972 Dirigie ren bei den Professoren B. Liska, A. Klima und R. Brock an der Akademie der Musischen Künste in Prag. 1968 und 1969 nahm er an Dirigentenkursen Sergiu Celibi- daches in Stockholm teil. 1970 gewann er den 1. Preis in einem nationalen Wettbewerb junger tschechischer Dirigenten, 1971 den 5. Platz beim Internationalen Kcw-ajan-Wettbewerb in Westberlin. 1967 bis 1972 war ^^^eiter des Kammerensembles Orchestra Puellarum ^■fensis; 1972—1978 wirkte er als Dirigent der Staat lichen Philharmonie Brno. Seit 1977 ist Jiri' Belohldvek Chefdirigent der Prager Sinfoniker (FOK). Er dirigierte alle führenden Orchester seines Heimatlandes und ga stierte u. a. in der UdSSR, VR Polen, DDR, BRD, in den USA, in Österreich, Schweden, Norwegen, Japan, Finnland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, in der Ungarischen VR und in der SR Rumänien. Bei der Dresdner Philharmonie ist der Künstler seit 1975 stän diger Gast. HEINRICH SCHIFF wurde 1951 in Gmünden (Öster reich) geboren. Er entstammt einer traditionsreichen Musikerfamilie, Vater und Mutter waren Pianisten, sein Urgroßvater war der bedeutende Musikgelehrte Hugo Riemann. Seine Celloausbildung erhielt er zu nächst in Linz, seit 1967 dann an der Wiener Musik hochschule bei Tobias Kühne und später bei Andre Navarra in Paris. Nach seinem erfolgreichen Debüt 1972 bei der Wiener Konzerthausgesellschaft hat die internationale Konzerttätigkeit des hervorragenden jungen Künstlers einen großen Umfang angenommen. Er gastierte u. a. in der SR Rumänien, CSSR, Ungari schen VR, VR Polen (für die Interpretation des Cello konzertes von Lutoslowski erhielt er den Orpheus-Preis des „Warschauer Herbstes"), SFR Jugoslawien, DDR, in Großbritannien, der Schweiz, der BRD, in den Nie derlanden, in Griechenland, Italien, Norwegen, Frank reich, Portugal, im Nahen Osten. Die Konzertfreunde unseres Orchesters konnten Heinrich Schiff bereits im März 1979 erleben. Die PRAGER SINFONIKER, die neben der Tschechischen Philharmonie an der Spitze der Klangkörper unseres Nachbarlandes stehen, wurden 1934 auf Initiative ihres ersten Künst lerischen Leiters, des Dirigenten Rudolf Pekä- rek, gegründet. Entsprechend dem damaligen Wirkungskreis lautete der ursprüngliche Name des Orchesters FOK (Film — Oper — Konzert). 1952 erfolgte die endgültige wirtschaftliche Si cherstellung des Institutes, das nun als städti sche Einrichtung zum offiziellen und repräsen tativen Orchester der Stadt Prag ernannt wur de und sich in kürzester Zeit zu einem der be deutendsten Klangkörper der CSSR, ja Euro pas entwickelte. Drei Jahrzehnte stand Dr. Vaclav Smetäcek an der Spitze des Orchesters, das sein hohes künstlerisches Niveau auch auf zahlreichen Auslandstourneen und bei meh reren Hunderten Schallplattenproduktionen bestätigen konnte. Die Prager Sinfoniker ver binden seit dem Jahre 1962 freundschaftliche Beziehungen mit den Dresdner Philharmoni kern, die auf vielfältige Weise zu einer frucht baren Zusammenarbeit der beiden Orchester, zu gegenseitigem Austausch geführt haben. Seit 1963 gaben die Prager Sinfoniker 15 Kon zerte im Rahmen der Anrechtsreihen der Dresdner Philharmonie. Zuletzt gastierte das Orchester im September 1981 in Dresden. ZUR EINFÜHRUNG 1909, zwei Jahre vor seinem Tod, während seiner dritten Amerika-Reise arbeitete G u - stav Mahler an seiner 10. Sinfonie, deren ersten Satz — Adagio — er 1910 voll endet hat. Die übrigen vier Sätze der geplan ten, großangelegten „Dante-Sinfonie" blieben Skizze. Wie auch „Das Lied von der Erde" und die 9. Sinfonie ist die „Zehnte" in einer Zeit fühlt. Was seine Beethoven, Skiz- das werden wir tiefster gesundheitlicher und seelischer Krise entstanden. Entsprechend vollzieht sich im Kompositionsstil Gustav Mahlers nach der 8. Sinfonie (Sinfonie der Tausend) ein scharf Bruch. In seinem Spätwerk gerinnt der KM zu karger Herbheit, weit in die Zukunft v send, tendieren Harmonik und Kontrapunkt zur Auflösung. Es gibt keine die Gesamtheit ver klammernde Tonart mehr. Rücksichtslos und hart verhalten sich die Stimmen zueinander, nirgendwo herrschen mehr die Gesetze des Wohllauts. Die Stimmen hören auf, „Melodien" im alten Sinne zu sein. Das Orchester ist „kammermusikhaft" behandelt. Trotz gele gentlicher Kraft- und Schallsteigerungen strebt Mahler nach individueller Entfaltung der ein zelnen Instrumente, stellt an das Orchester spiel außerordentlich hohe Ansprüche und verlangt speziell von den Streichern extremq Lagen. „Das Stoffliche des Klanges, die Ge setzlichkeit der Materie tritt zurück vor geisti gem Schauen der Tonvision" (Paul Bekker). Der Komponist spricht aus der Perspektive von Rückschau und Erinnerung. Ein Inneres gerät gleichsam nach außen, hervorgerufen durch nichts anderes mehr als den Willen zum Aus druck. Mahler muß die Empfindung gehabt haben, daß alles, was er bisher geschaffen hatte, „nur schwacher Anfang sei", daß das „Eigentliche" jetzt erst beginne. Arnold Schönberg sagt über die 9. undl Sinfonie. „In ihr spricht der Autor kaum m als Subjekt. Fast sieht es aus, als ob es füi dieses Werk noch einen verborgenen Auto gebe, der Mahler bloß als Sprachrohr benützi hat. Dieses Werk ist nicht mehr im Ich-Ton ge halten. Es bringt sozusagen objektive, fast leidenschaftslose Konstatierungen, von einei Schönheit, die nur dem bemerkbar wird, der auf animalische Wärme verzichten kann und sich in geistiger Kühle wohl Zehnte, zu der, wie auch bei zen vorliegen, sagen sollte, so wenig erfahren wie bei Beethoven und