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1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 3. September 1983, 20.00 Uhr Sonntag, den 4. September 1983, 20.00 Uhr ohiHnsrnnoniet Dirigent: Enrique Batiz, Mexiko Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Ottorino Respighi 1879-1936 Manuel de Falla 1876—1946 Impressioni brasiliane Tropische Nacht (Andante lento - Allegretto) Butantan (Lento non troppo) Lied und Tanz (Allegretto) Nächte in spanischen Gärten - Sinfonische Impressionen für Klavier und Orchester Im Generalife (Allegretto tranquillo e misterioso) Ferner Tanz (Allegretto giusto) In den Gärten der Sierra Cordoba (Vivo) PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Andante sostenuto - Moderato con anima, in movimento di valse Andantino in modo di canzona Scherzo (Pizzikato ostinato; Allegro) Finale (Allegro con fuoco) ENRIQUE BATIZ ist Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Staatlichen Sinfonieorchesters von Mexiko, dem besten Klangköper des Landes. Er begann seine Laufbahn als Pianist und gehörte im Jahre 1970 zu den Preisträgern des Internationalen Klavier-Wettbewerbes „F. Busoni" in Bolzano. Doch daneben neigte er dem Dirigentenberuf zu. Er debütierte beim Sinfonieorche ster Xalepa und wurde 1971 zum Dirigenten des Staat- L^sen Sinfonieorchesters von Mexiko ernannt. Gastdi- absolvierte er in Uruguay, Kolumbien, in den in Venezuela, Guatemala, Panama, Kuba und in anderen Ländern. ANNEROSE SCHMIDT studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musik hochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staatsexamen mit besonderer Aus zeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin des Piani stenwettbewerbes Leipzig 1955, an dem sich Pianisten aus beiden deutschen Staaten beteiligten, und 1- Preisträgerin im Internationalen Schumann-Wettbe werb 1956. 1961 erhielt die Pianistin den Kunstpreis sowie 1965 den Nationalpreis der DDR. Konzertreisen führten Annerose Schmidt in sämtliche Musikzentren Europas, des Nahen Ostens sowie Japans und der USA. Bei der Dresdner Philharmonie ist die pro minente Künstlerin ständiger Gast. Unter Kurt Masur spielte sie mit der Dresdner Philharmonie sämtliche Klavierkonzerte Mozarts für ETERNA ein, unter Prof. Herbert Kegel das 2. Klavierkonzert von Brahms. ZUR EINFÜHRUNG Ottorino Respighi, manchmal der Richard Strauss Italiens genannt, war einer der international erfolgreichsten italienischen Komponisten seiner Zeit. Schüler von F. Sarti und G. Martucci an der Musikhochschule in Bologna sowie von Rimski-Korsakow in Pe tersburg und von Max Bruch in Berlin, wirkte Respighi in den Jahren 1913 bis 1925 als Kompositionslehrer und seit 1923 auch als Di rektor am Konservatorium Santa Cecilia in Rom. Danach widmete er sich freischaffend seinem kompositorischen Werk, das besonders zahlreiche Opern, Ballette (u. a. „Der Zau berladen" nach Musik von Rossini), Kammer musik und sinfonische Arbeiten enthält. In den dreißiger Jahren führten den Komponisten triumphale Reisen durch ganz Europa, Nord- und Südamerika, bei denen er bedeutendste Musiker seiner Zeit traf und seine wichtigsten Werke aufführen konnte. Auch mit Übertra gungen älterer Musik trat Respighi bedeut sam hervor. Seine melodische, schwungvoll virtuose Musik ist mit Recht als Äußerung eines „vornehmen Eklektizismus" (A. Damerini) be zeichnet worden, die sich vielen Möglichkeiten europäischer Tonkunst angeschlossen hat. Sei ne stärksten Vorbilder waren wohl Richard Strauss, Claude Debussy und der französische Impressionismus; auch für Rimski-Korsakow und die alten Kirchentonarten hatte er eine Vorliebe. Respighi schuf einen eigenen Typ der sinfonischen Dichtung von beschreibendem Charakter („Römische Brunnen", „Römische Pinien", „Römische Feste"). Ein gut Teil ihrer Wirkung verdankt Respighis Musik seiner Fä higkeit, meisterhaft, ja raffiniert und mit glän zender Farbigkeit zu instrumentieren. Brasilianische Eindrücke gestaltet der Kompo nist in dem dreiteiligen Orchesterwerk „Im pressioni brasiliane", das 1927 in Sao Paulo uraufgeführt wurde. „Notte tropi- cale" - Tropische Nacht — ist der erste Satz überschrieben. Mit impressionistischen Klang mitteln beschreibt Respighi hier den Zauber einer Tropennacht. Verschiedene thematische Gedanken, die zum Teil wiederkehren, wer den aneinandergereiht; sie gleiten von Halb ton zu Halbton. Geheimnisvolle Akkordfigu ren der Holzbläser und der vielfach geteilten Streicher, Harfen-Glissandi, koloristische Farb tupfen der Celesta sind typische Klangmittel. — „Butantan", wie der zweite Satz heißt, ist ein Garten bei Sao Paulo, „wo sich unzählige Giftschlangen vereinigen: ein Todesknäuel in einer idyllischen Landschaft". Etwas Dekaden tes spricht aus dieser reizbar-nervösen „Ner venmusik", die den Gegensatz zwischen idyl lischer Landschaft und Todesknäuel der Schlangen darzustellen versucht. Mit gleich sam schlangenförmigen Bewegungen entfal ten sich Figuren der Holzbläser. — Die Be griffe „Canzone e Danza" — Lied und Tanz - weisen eindeutig auf den Charakter des dritten Satzes hin, dessen intime, feinfühlige wie illustrative Klanggesten dem Orchester zauberer Respighi ein glänzendes Zeugnis ausstellen. Durch den Welterfolg einiger Werke ist M nuel de Falla eine Art Repräsentant oder Idealtyp des spanischen Musikers ge worden. Dabei war er eine höchst empfind same, mimosenhaft zarte, leicht verletzliche Natur — kränklich und zurückgezogen lebend; sein Leben verlosch, als er längst die andalu sische Heimat und Europa verlassen hatte, irgendwo in der Emigration in den argenti nischen Bergen. Weniges nur und oft Wider sprüchliches ist an Dokumenten und Bildern aus seinem Leben bisher an die Öffentlich keit gedrungen. Doch ist de Falla, zu dessen Schülern übrigens der Dichter Lorca gehörte, zweifellos in der Musik des 20. Jahrhunderts neben dem frühen Strawinsky, neben Kodäly, Bartök, Janäcek, Chatschaturjan und an deren der bedeutendste Erneuerer aus dem Geist nationaler Volksmusik heraus. Das spanische Volkslied, der Volkstanz sei ner Heimat, der maurisch-exotische Rhyth mus sind in seinem umfangmäßig gerin gen, aber höchst bedeutenden Oeuvre zu einer genialen Synthese mit Einflüssen des französischen Impressionismus gebunden. Für den Stil de Fallas, dem mit Debussy, Rar und Dukas eng Befreundeten, der gewiss’ maßen der Ravel Spaniens wurde, ist neben dem Ballett „Der Dreispitz" vor allem sein volkstümlichstes Werk, die in den Jahren 1909 bis 1915 entstandenen sinfonischen Impressio nen „Nächte in spanischen Gär ten" für Klavier und Orchester, bezeichnend. Das virtuos behandelte Klavier ist dem Orchesterklang als Farbwert einge fügt. Der erste Satz trägt die Überschrift „Im Generalife". Der Generalife ist die nahe Granada gelegene uralte Residenz der mau rischen Könige - eine monumentale Architek tur, von Garten- und Wasserkünsten umge ben, in einer kargen Landschaft. Dieses na-