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6. ZYKLUS-KONZERT Johannes Brahms Zoltän Kodäly Karol Szymanowski Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonnabend, den 26. Februar 1983, 20.00 Uhr Sonntag, den 27. Februar 1983, 20.00 Uhr pHlhairnnonii^ Dirigent: Herbert Kegel Solisten: Eszter Perenyi, Ungarische VR, Violine Miklös Perenyi, Ungarische VR, Violoncello Zoltän Kodäly 1882-1967 Marosszeker Tänze Johannes Brahms 1833-1897 Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 Allegro Andante Vivace non troppo Ludwig van Beethoven 1770-1827 Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 (Pastorale) Allegro ma non troppo (Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande) Andante molto mosso (Szene am Bach) Allegro (Lustiges Zusammensein der Landleute) Allegro (Gewitter, Sturm) Allegretto (Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm) Die ausgezeichnete junge ungarische Geigerin ESZTER PERENYI, die in unserem heutigen Konzert gemeinsam mit ihrem Bruder musiziert, begann ihre musikalische ^lufbahn im Alter von 9 Jahren. Sie absolvierte 1967 Budapester Musikakademie „Ferenc Liszt" unter Anleitung des hervorragenden ungarischen Violin künstlers und Direktors der Akademie, Denes Kovacs. Sie gelangte recht schnell zu Popularität in den unga rischen Konzertsälen, trat mehrfach im Ungarischen Rundfunk und Fernsehen auf, und bald wurde ihr Na me auch im Ausland bekannt. 1968 gehörte sie zu den Preisträgern des Weltjugend-Festivals in Sofia und ge wann ebenfalls den ersten Preis im Violinwettbewerb des Ungarischen Rundfunks. Eszter Perenyi absolvierte bisher Gastspiele in der VR Bulgarien, der BRD, der CSSR, der DDR, in Finnland, Großbritannien, Italien, der SFR Jugoslawien, in Österreich, der VR Polen, in Portugal, Schweden, der Schweiz und der UdSSR. MIKLÖS PERENYI, 1948 geboren, gab bereits mit neun Jahren sein erstes öffentliches Konzert in Budapest und konzertierte als lljähriger bei den Salzburger Festspie len. Enrico Mainardi lud ihn zu Meisterkursen nach Luzern und Salzburg ein. Nach zweijährigem Studium erwarb er 1962 an der Accademia Santa Cecilia in Rom mit Auszeichnung sein Künstlerdiplom und legte 1964 — ebenfalls mit Auszeichnung — sein Staatsexa men an der Musikakademie in Budapest ab. 1965 und 1966 veranlaßte Pablo Casals seine Teilnahme an Mei sterkursen in Zermatt und Puerto Rico, nachdem er 1964 den 2. Preis beim Internationalen Casals-Wettbe- werb gewonnen hatte. Seitdem hat Perenyi eine über aus erfolgreiche internationale Karriere angetreten, die ihn durch ganz Europa (u. a. auch zu den Wiener Festwochen, Salzburger Festspielen und zum Prager Frühling) und in die USA führte. 1970 wurde ihm der Franz-Liszt-Preis verliehen; seit 1974 unterrichtet er als Professor an der Budapester Franz-Liszt-Akademie. Bei der Dresdner Philharmonie gastiert er bereits zum vierten Mal. ZUR EINFÜHRUNG Es sind vor allem die zwei Momente, die Zol tän Kodälys musikgeschichtliche Bedeu tung ausmachen: seine ungarisch-urwüchsige schöpferische Begabung, die seinen Namen in ternational bekannt werden ließ, und zum zwei ten seine — mit Bartok gemeinsam unternom mene — folkloristische Forscher- und Sammler tätigkeit. Aufschlußreich ist es, daß Bartok, der vom Komponisten bekanntlich nicht bloße Volksliedzitate, sondern eigenständige, leben dig-schöpferische Imitationen, Entwicklungen im Sinne der Folklore und ihrer Atmosphäre forderte, bescheidenerweise in Kodälys Schaf fen das beste Beispiel für solche Musizierhal tung sah. Ein Komponist dieses Typs hatte — sagt Bartok — „das Wesen der (ungarischen) Bauernmusik gänzlich in sich aufgesogen, sie zu seiner musikalischen Muttersprache ge macht”, „er beherrschte sie so vollkommen wie ein Poet”. Neben den „Tänzen aus Galanta” sind die heu te erklingenden „Marosszeker Tänze” die zweite große Tanzkomposition Kodälys und ein Paradebeispiel für seine im Volksliedgut verwurzelte Tonsprache in ihrer Farbigkeit, Sinnenhaftigkeit und temperamentvoll-über mütigen Frische. Der ungarische Musikwissenschaftler Zoltän Gärdonyi schreibt dazu: „Kodälys .Marosszeki täncok' gehen auf Motive aus der ungarischen Volksmusik Siebenbürgens zurück. Kodäly schrieb das Werk 1930 zunächst für Klavier, be arbeitete es dann aber auch für Orchester. Das Stück beginnt mit dem Hauptthema, einer lang sam wogenden Tanzmelodie, die als Rondo thema mit gegensätzlichen Episoden wechselt. Die erste Episode mit ihrem sprunghaft-lustigen Charakter, die zweite mit ihren träumerischen Schalmei- und Hirtenflötenweisen, endlich die lebhafte dritte Episode stellen die Reprisen des Themas jedesmal in eine andere Beleuchtung. Eine heitere, ausgelassen freudige Coda be schließt das Werk." „Von mir kann ich Dir recht Drolliges erzählen. Ich habe nämlich den lustigen Einfall gehabt, ein Konzert für Geige und Cello zu schreiben. Wenn es einigermaßen gelungen ist, so könnte es uns wohl Spaß machen. Du kannst Dir wohl vorstellen, was man in dem Fall alles angeben kann — aber stelle es Dir nicht zu sehr vor. Ich habe das hinterher auch gedacht, aber da war’s fertig", schrieb Johannes Brahms im August 1887 in einem Brief an Clara Schumann. Dieses Werk, das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orche ster a-Moll op. 102, sollte das letzte Orchesterwerk des Meisters werden. Es entstand 1887 während seines Sommeraufenthalts in der Schweiz am Thuner See und war von ihm als ei ¬ ne Art „Versöhnungskomposition" für seinen Jugendfreund, den berühmten Geiger Joseph Joachim, gedacht worden, da zwischen ihnen — infolge von Streitigkeiten, die den Scheidungs prozeß Joachims betrafen — eine starke Trü bung der Freundschaft eingetreten war. Brahms litt sehr unter diesem gespannten Verhältnfl und wollte versuchen, durch die Komposition des Doppelkonzertes die einstigen engen Beziehun gen zu Joachim wieder zu knüpfen, was ihm auch tatsächlich gelang. Es entspann sich eine ausgedehnte Korrespondenz um das neue Werk zwischen beiden, und am 21. September 1887 konnte Clara Schumann in ihr Tagebuch ein tragen: „Joachim und Brahms haben sich seit Jahren zum ersten Male wieder gesprochen." Bereits am 18. Oktober wurde das Doppelkon zert mit Joachim und Robert Hausmann als So listen unter der Leitung des Komponisten in Köln uraufgeführt. Leider hat das Werk aller dings bis heute im Vergleich zu den übrigen or chestralen Schöpfungen Brahms' immer einen etwas schweren Stand gehabt, was zum Teil viel leicht an einer gewissen Herbheit liegen mag, zum Teil aber sicher auch darauf zurückzuführen ist, daß das Konzert durch die Notwendigkeit, gleich zwei Solisten von Rang heranziehen zu müssen, seltener als die üblichen Instrumental konzerte des Komponisten zur Aufführung ge langt und den Hörern dadurch weniger vertraut ist. Dennoch offenbart das Brahmssche Doppel konzert, in dem sich kammermusikalische, konzertante und sinfonische Elemente organisch verbinden, eine Fülle mannigfaltiger Schönhei ten und steht als würdiger Ausklang des orche stralen Schaffens des Meisters gleichberechtigt neben seinen anderen großen Orchesterwerken. Von zwingender Einheitlichkeit ist der erste Satz des Konzertes, dessen Charakter durch Kraft und trotzige Energie bestimmt wird. Nach einer kurzen Orchestereinleitung, die bereits das Hauptthema andeutet, beginnt das Solo-Cello unbegleitet mit einem rezitativartigen, präludie renden Umspielen des Themas. In den darauf folgenden fünf Takten Bläsersatz und dem er sten Einsatz der Solo-Violine klingt schon das zweite Thema des Satzes auf. Es schließt sich