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ZUR EINFÜHRUNG Mit 17 Jahren, 1826, als Primaner gelang FelixMcndelssohn Bartholdy mit der Komposition der Sommernachtstraum-Ouvertüre (deren Par titur im Jahre 1835 als op. 21 erschien) ein Geniestreich, der seinen Namen zum ersten Male über Berlin hinaus bekannt werden ließ. Im gleichen Jahr, in dem Weber seinen „Oberon“ auf die Bühne brachte, wandte sich auch Mendelssohn Oberons Zau berreich zu. Zunächst lag die Ouvertüre lediglich in einer Fassung für Klavier zu vier Händen vor; erst einige Jahre später wurde sie, in dieser endgültigen Gestalt von Robert Schumann begeistert begrüßt, mit meisterhafter orchestraler Koloristik, Durch sichtigkeit und Charakteristik versehen. Die Shakespeare-Übersetzungen August Wil helm Schlegels und Ludwig Tiecks hatten Anfang des 19. Jahrhunderts die Werke de englischen Dichters in Deutschland bekannt gemacht. Die familiäre Beziehung de Mendelssohns zu Friedrich Schlegel mag dazu beigetragen haben, dem jungen Kom ponisten die Welt Shakespeares zu erschließen. Mit der Sommernachtstraum-Ouver türe fügte Mendelssohn dem Intonationsschatz der Musik des frühen 19. Jahrhundert eine höchst originelle, persönliche Leistung bei: den Ton der märchenhaft-heiteren hell-freundlichen Geistersphäre. Romantische Naturbeseelung, Waldesrauschen, de. Zauber der Mondnacht, das Flüstern der Elfen und Nixen - all das wird mit mär chenhafter Poesie in diesem Stück lebendig. Nicht minder genial und ursprünglich tritt uns Mendelssohn in der erst 17 Jahre später,, also 1843, komponierten und urauf geführten vollständigen „Musik zu Shakespeares Sommernachtstraum“ entgegen, in die er die Ouvertüre ohne jede Änderung über nahm. Als Richard Strauss in den Jahren des Faschismus neben anderen Komponisten aufgefordert wurde, eine „Sommernachtstraum-Ersatzmusik“ zu schreiben, wies er dieses Ansinnen zurück, da niemals etwas nur ähnlich Vollkommenes geschaffen wer den könne. Obwohl 17 Jahre zwischen der Komposition der Ouvertüre und der Bühnenmusik op. 61 vergangen waren, begegnet in den späteren Stücken der gleiche jugendliche Schwung, findet sich nirgends ein Stilbruch. In unserer Aufführung folgen der Ouvertüre drei Teile aus der Bühnenmusik. Das phantastische, bildhafte Scherzo, das den ersten Akt von Shakespeares „Phantastischem Traumbild“ beschließt, be schwört wieder die Feen- und Elfenwelt herauf mit Holzbläser-Gekicher und dem Pianissimo-Geflüster der Streicher. Dem empfindungstiefen Motturno schließt sich der in Trompetenglanz getauchte, festlich-pomphafte Hochzeitsmarsch an. Eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte war der große italienische Geigenvirtuose N i c c o 1 ö Paganini, der geradezu berauschende Wirkungen auf seine Zeitgenossen in Italien, Deutschland und Frankreich ausübte. Das Dämo-| nisch-Abenteuerliche seiner Person führte im Bunde mit seinen phänomenalen geige rischen Fertigkeiten dazu, daß man ihn sogar der Zauberei verdächtigte oder ihn mit Geistern und der Hölle im Bunde glaubte. Paganini, von gelegentlichem Geigen unterricht abgesehen, eigentlich Autodidakt, vereinte in seiner Person, „was andere vereinzelt auszeichnete: einen hinreißend ausdrucksvollen Vortrag, einen wunderbar großen und dabei doch der verschiedensten Stärkegrade sowie des mannigfaltigsten Timbres und Kolorits fähigen Ton, ein zauberhaftes, wie in Sphärenklängen verhallen des Flageolett, Gegensätze im Legato und Stakkato, wie man sie vor ihm nicht ge kannt, doppelgriffige Gänge, die niemand außer ihm auszuführen vermochte, Pizzi- katos, gleichviel, ob mit der rechten oder der linken Hand, deren springende Passagen jedem anderen Geiger den Hals gebrochen haben würde, und, außer seiner fabelhaften Technik, jene dämonische Leidenschaftlichkeit, die ihm allein eigen war. Sprang ihm eine Saite, ja zwei Saiten, so spielte er auf den übriggebliebenen, soweit es deren Um fang erlaubte, mit solcher Vollkommenheit weiter, daß der eingetretene Mangel selbst für den Kenner kaum hörbar wurde; auch stimmte er die Saiten, um gewisse besondere Effekte damit zu erreichen, nach Bedürfnis anders, als durch den Gebrauch vorge schrieben war (ein Wiederaufleben der früheren Scordatura), und da er das Ge schick besaß, eine Saite selbst während des Spiels unbemerkt einen halben Ton hinaufzuziehen, so begannen selbst manche ihm zuhörende Geiger an ein Wunder zu glauben. So steht dieser mysteriöse Mensch, der die seltsamste Mischung von Geniali tät und Scharlatanerie, von tiefstem, bis zu Tränen rührenden Ausdruck und tollen diabolischen Kunststücken in sich vereinigte, der täuschend jeden anderen Virtuosen wiederzugeben vermochte und dabei doch ein eigenes Spiel hatte, mit dem er niemand glich und alles übertraf, als ein Unikum in der Geschichte des Geigenspiels da“ (Nau- i mann/Schmitz). Da die Paganini-Zeit die extrem-subjektivistische Gefühlsbetonung liebte, vergötterte sic den genialen Einzelmenschen. Diesen Zeitgeist vertrat Paganini in typischster Weise, hatte er doch kein anderes Anliegen, als ein möglichst großes Publikum durch sein Spiel zu faszinieren. Seine wichtigsten Kompositionen - nicht alle der unter seinem Namen laufenden Werke sind echt - sind die 24 Capricci für Violine solo op. 1, die Liszt, Schumann, Brahms, Rachmaninow, Casella, Dallapiccola, Blacher und Lutoslawski zu eigenen Kompositionen anregten, die Violinkonzerte op. 6 D-Dur und op. 7 h-Moll sowie zwölf Sonaten für Violine und Gitarre, Zeugnisse eines Schaffens, das aus engstem Zusammenhang mit Paganinis sensationellem Virtuosentum hervor ging. Von den Violinkonzerten steht vor allem das heute erklingende unverwüstliche erste in D-Dur (1811) in der Gunst der Geiger unserer Tage. Naturgemäß interessieren uns heute an diesem Werk nicht so sehr die musikalische Substanz oder die satztech- nische Gestaltung (das Orchester ist zumeist „dürftig“ behandelt, damit der Solist um so mehr hervortreten kann), sondern vor allem die auf die Spitze getriebene Virtuosi tät des Soloparts. Dieser nämlich ist mit allen Kunststücken ausgestattet, mit denen Paganini seine Zeitgenossen begeisterte: Doppelgriffe in verschiedensten Lagen, Pizzi- kati der linken Hand und raffinierte Springbogenpassagen, Flageoletts, das bra vouröse Spiel auf einer Saite. Dennoch ist das Konzert nicht nur eine brillante An einanderreihung geigentechnischer Aufgaben und Effekte, auch die Musik kommt durchaus zu ihrem Recht. Man denke etwa an das innig-schlichte zweite Thema des ersten Satzes (Allegro maestoso), das nach dem markanten ersten Thema bereits in der Orchestereinleitung vorgestellt wird, ehe sich das Soloinstrument der Themen spielerisch-virtuos bemächtigt, oder an das cantable Adagio espressivo, das mit sei nem opernhaften Anklang an Rossini erinnert. Das Rondo-Finale (Allegro spirituoso) allerdings dient weitgehend virtuosen Zwecken, obwohl auch hier das thematische Material prägnant ist. Peter Tschaikowski schuf einschließlich der Programmsinfonie „Manfred“ sieben Sinfonien. Die 2. Sinfonie in c-Moll op. 17, die nur sehr selten in unseren Konzertsälen zu hören ist, übrigens gemeinsam mit Prokofjews „Klassischer Sinfonie“ als Jubiläumsgabe der Dresdner Philharmonie im November 1970 als Schallplatteneinspielung vorgelegt wird, entstand während eines Sommeraufenthaltes