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1. PHILHARMONISCHES KONZERT Sonnabend, den 2. Oktober 1982, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden Sonntag, den 3. Oktober, 20.00 Uhr plnillnsmnonii^ Dirigent: György Lehel, Ungarische VR Solistin: Klara Havlikovä, CSSR, Klavier Bela Bartök 1881-1945 Zwei Bilder für Orchester op. 10 In voller Blüte (Poco Adagio) — Dorftanz (Allegro) Bohuslav Martinü 1890-1959 Fantasia concertante (Konzert Nr. 5) für Klavier und Orchester in B Poco allegro. Risoluto Poco andante Poco allegro Erstaufführung PAUSE GYÖRGY LEHEL, einer der prominentesten ungari schen Dirigenten unserer Tage, wurde 1926 in Buda pest geboren. Seine musikalischen Studien absolvierte er bei den Professoren Pal Kadosa und Läszlo Somo- gyi. Er ist seit 1947 Dirigent und seit 1962 als Gene ralmusikdirektor Chefdirigent des Sinfonieorchesters des Ungarischen Rundfunks und Fernsehens in Buda pest. Konzertreisen führten ihn in die Musikzentren aller Kontinente, außerdem konzertiert er regelmäßig bei internationalen Festivals. Bei der Dresdner Phil harmonie ist er seit 1965 ständiger Gast. Zahlreiche von ihm dirigierte Schallplattenaufnahmen wurden bei Qualiton, Supraphon, bei Westminster und der Deut schen Grammophon-Gesellschaft aufgenommen. 1955 ^nd 1962 wurde dem Künstler der Liszt-Preis ver- Johannes Brahms 1833-1897 Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 Allegro non troppo Adagi(pnon troppo Allegretto grazioso Allegro con spirito KLÄRA HAVLIKOVÄ, die slowakische Nationalkünst lerin, wurde von den Professoren Anna Kafendovä und Rudolf Macudzinski in Bratislava ausgebildet. Erfolgreiche Gastspiele führten die Künstlerin in die bedeutendsten kulturellen Zentren Europas und nach den USA. Sie produzierte zahlreiche Schallplatten-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen. Ganz besonders fühlt sich die Pianistin der zeitgenössischen Musik, vor allem dem Schaffen slowakischer Meister, verbun den. Manches Werk wurde durch sie uraufgeführt oder erklang in ihrer Wiedergabe erstmalig in der CSSR. 1966 wurde sie mit dem Preis „Frico Kafenda" für die beste Interpretation von Werken slowakischer Kompo nisten ausgezeichnet. Sie musizierte bereits 1973 und 1979 mit den Dresdner Philharmonikern. ZUR EINFÜHRUNG Bela Bartöks „Zwei BilderfürOr- ehester" o p. 10, der frühen Schaffens periode des ungarischen Meisters entstam mend, wurden im August 1910 in Budapest kom poniert und erlebten am 25. Februar 1913 durch das Orchester der Philharmonischen Ge sellschaft Budapest unter Istvän Kerner ihre Ur aufführung. In den zwei Sätzen dieser Kompo sition verschmelzen impressionistische und fol- kloristische Einflüsse zu einer liebenswürdigen Synthese. Besonders gelang dem 29jährigen Komponisten die Orchesterbehandlung: „Spar samkeit in den Farben, Reinheit und Raffine ment der Verdopplungen, Wechsel zwischen luf tigem und vollem Satz .die glückliche Wirkung der Perspektiven — alles verrät den Meister der Instrumentierung" (S. Moreux). Dennoch hat Bartök hier nicht etwa nur mit schillernden Har monien ein luftiges, unverbindliches Farben spiel getrieben. Indem er sich an kräftig durch gebildete Melodien und eindeutige literarische Bilder hielt, verlieh er dem Werk unbedingte Wirklichkeitsnähe. „Der erste Satz (Poco Ada gio) mit seinem charakteristischen Anfang trägt mit Recht den Titel ,ln voller Blüte'. Er beginnt mit einem Säuseln und Summen, einem Effekt, der bei Bartök der Ausdruck der freien Natur ist und den er damit erreicht, daß er die Strei cher (ohne die Violinen) tremolieren läßt. Die se Stimmung wird noch erhöht, wenn die Flöte wie Vogelgezwitscher leise ertönt. Der zweite Satz (Allegro), der .attaca' folgt und .Dorftanz' betitelt ist, charakterisiert mit seinem Eingangs thema ein ausgelassenes ländliches Fest. Es ist eine Musik, die eher an rumänische als an un garische Volkstänze erinnert" (L. Lesznai). Bohuslav Martinü, der bedeutendste tschechische Komponist der Mitte unseres Jahr hunderts, verbrachte den größten Teil seines Le bens fern von der Heimat. 1923 bis 1940 weilte er in Paris, dann floh er vor dem Hitlerfaschis- mus in die USA und lebte nach dem zweiten Weltkrieg abwechselnd in Frankreich, Italien und der Schweiz. Trotz seines Aufenthaltes im Ausland verlor er jedoch nie seine innige Bin dung an die Heimat, was sich in vielen seiner Werke, in der Emotionalität seiner national ge prägten Tonsprache äußerte. Oft waren es Ge danken an die okkupierte tschechische Heimat, an das Schicksal des tschechischen Volkes im zweiten Weltkrieg, die Martinü zu Kunstwerken anregten: im Jahre 1939 komponierte er eine „Feldmesse", im Jahre darauf einen „Militär marsch", beide für die freiwilligen tschechoslo wakischen Einheiten, die in Frankreich gegen die Hitlerarmee kämpften; 1943 entstand die sinfonische Dichtung „Lidice" — ein Protest ge gen die Ausrottung des gleichnamigen tschechi schen Dorfes durch deutsche Faschisten. Die schrecklichen Ereignisse jener Zeit erfüllten die Ideen- und Gefühlswelt des Komponisten. So ist auch das 1938 entstandene Doppelkon zert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauken, sein erstes Werk des Protestes gegen den Faschismus, von Vorahnungen, von tief, ernsten Gedanken bestimmt, die gleichwohl sei, nen entschlossenen Widerstand gegen alles ausdrückten, womit der Faschismus drohte. Trotz und energische Härte lösen in der „Sinfonietta giocosa" (1940) die zunächst angestrebte freu dige Stimmung ab, Melancholie überschattet das Violinkonzert von 1943 und weitere Kom positionen jener Jahre. Martinüs 5. und letztes Klavierkonzert, das end gültig als Fantasia concertante in B bezeichnet wurde, entstammt der letzten Schaf fenszeit des Komponisten und entstand im Ja nuar 1958 in Schöneberg-Pratteln (Schweiz), während er noch an der Oper „Griechische Pas sion" und an seinem vorletzten Orchesterwerk „Parabeln" arbeitete. Er schrieb es für die Schweizer Pianistin Margrit Weber, die es im gleichen Jahr in Westberlin zur Uraufführung brachte. Dem Solisten bietet das dreisätzige, also in klassischer Form gehaltene Werk reich lich Gelegenheit, seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Die Bezeichnung „Konzertante Fan tasie" weist auf die zahlreichen, die Form auf lockernden phantastischen Komponenten hin, die dem Stück zugleich eine staunenswerte ge dankliche Dynamik verleihen. Auf den sonatenartigen ersten Satz mit seiner» resoluten 1., dem gesanglichen 2. Thema folgt ein sich aus schlichter, fast naiver Thematik entfaltendes, zu Leidenschaftlichkeit gesteiger tes Andante. Im musizierfreudigen, vitalen und mitreißenden rondohaften Finale findet das Werk seine Krönung, dessen stilistische Welt sich aus der persönlichen Synthese verschieden ster Elemente ergibt. Da vernehmen wir nach impressionistische Klangkünste seines Pariser Lehrers und Freundes Albert Roussei, die Ein flüsse der genialen „Rhythmiker" Igor Strawins ky und Bela Bartök und nicht zuletzt der natio nalen tschechischen Tradition eines Leos Janö- cek, an die Martinü eigenständig angeknüpft hat.