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eines Vaters der jungen polnischen Kompo nistengeneration. Für sein Land hat er die gleiche Bedeutung wie Bartök und Kodäly für Ungarn. Zoltän Kodäly, über den ein größerer Beitrag im Programmheft zum 2. Zyklus-Kon- zert näher informieren wird, komponierte die „Tänze aus Galänta“, nach den Marosszeker Tänzen seine zweite große Tanz komposition für Orchester, im Jahre 1933 an läßlich des 80jährigen Bestehens der Buda pester Philharmonischen Gesellschaft. Galän ta ist ein kleiner ungarischer Marktort an der alten Bahnstrecke Wien—Budapest, in dem der Komponist sieben Jahre seiner Kindheit verbrachte. Damals wirkte dort eine berühm te, seither verschollene Zigeunerkapelle, die dem Knaben ersten „Orchesterklang" vermit telte. Um 1800 erschienen in Wien etliche Hefte ungarischer Tänze im Druck, unter de nen sich auch eines „von verschiedenen Zi geunern aus Galänta" befand. Kodälys „Tänze aus Galänta" greifen auf dieses alte, überlieferte Volksgut zurück, denn die Haupt motive des Werkes entstammen jener erwähn ten Sammlung. Die Einleitung der temperamentvollen Kompo sition wird von einem kurzen Ruf der Celli be stimmt, dem die übrigen Streicher und Instru mente spielfreudig antworten. Nach einer So lokadenz bringt die Klarinette das im An dante maestoso stolz daherschreitende Hauptthema, dessen zurückgehaltene Leiden schaftlichkeit in der Wiederholung bereits zum Ausdruck kommt. Anschließend erklingt ein ungarischer Werbungstanz in mäßiger Bewegung. Der ersten Reprise des Haupt themas folgt ein anfangs zierlicher, dann sich immer mehr steigernder Tanzsatz. Buntwir belnd ist der Charakter des nächsten musika lischen Geschehens. Nach einem lustigen In termezzo wird der feurige Sporentanz ange stimmt, der den Abschluß des Werkes bildet. Wie von fern tönt noch ein letztes Mal das Hauptthema herein. Das Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll o p. 1 5 von Johannes Brahms gehört zu den Jugendwerken des Meisters. Es wurde in sei ner Urform als Sonate für zwei Klaviere ent worfen (1854), auch Pläne für eine Sinfonie hatte der Komponist ursprünglich damit ver bunden. Die ersten Aufführungen des dann endgültig zum Klavierkonzert umgestalteten Werkes fanden mit Brahms als Solisten kurz nacheinander Anfang 1859 in Hannover und im Leipziger Gewandhaus statt, wobei es al lerdings besonders in Leipzig zu einem völli gen Durchfall des Konzertes kam. Der Kompo nist äußerte sich darüber in einem Brief an seinen Freund, den berühmten Geiger Josef Joachim, recht sarkastisch: „Ohne irgend eine Regung wurden der erste Satz und der zweite angehört. Zum Schluß versuchten drei Hände, langsam ineinanderzufallen, worauf aber von allen Seiten ein ganz klares Zischen solche Demonstrationen verbot. Weiter gibt's nun nichts über dieses Ereignis zu schreiben, denn auch kein Wörtchen hat mir noch jemand übuL das Werk gesagt! Dieser Durchfall machte übrigens durchaus keinen Eindruck . . . Icn glaube, es ist das beste, was einem passieren kann: das zwingt die Gedanken, sich ordent lich zusammenzunehmen, und steigert den Mut. Ich versuche ja erst und schaffe noch. Aber das Zischen war doch zuviel ..." Die Gründe für diese überaus schlechte Auf nahme der ersten bedeutenden Orchester schöpfung des jungen Brahms bei seinen Zeit genossen mögen besonders darin zu suchen sein, daß es sich hier nicht um eines der üb lichen Virtuosenkonzerte, sondern um ein rein sinfonisch angelegtes Werk handelte, bei dem das Klavier — kein virtuos konzertierendes So loinstrument mehr — ebenso wie die anderen Orchesterinstrumente der sinfonischen Ent wicklung nutzbar gemacht wird. Daneben mö gen auch die Monumentalität und die drama tische Schroffheit besonders des ersten Sat zes, der unter dem Eindruck des Selbstmord versuches des verehrten Robert Schumann ge schrieben sein soll, zunächst befremdet haben. Und doch müssen wir in diesem Werk, bei des sen Entstehung wohl persönliches Erleben des jungen Komponisten eine wichtige Rolle spiel te, eines der großartigsten Beispiele sei^fe Gattung erblicken, das uns durch seine düstj^r Größe und seinen starken Gefühlsreichtum aufs tiefste zu fesseln vermag. Der erste Satz (Maestoso) wird mit dem groß artigen Hauptthema des Orchesters eröffnet. Nach einem Zwischenspiel und einer kontra- punktischen Steigerung setzt das Klavier piano espressivo mit klagenden Terzen- und Sexten gängen ein. Sparsam begleitet das Orchester. Die 1 ernste, schmerzliche Stimmung konzen triert sich. Dann erklingt — im Klavier allein — das edle zweite Thema, das zu Brahms' schön sten Einfällen gehört. Das Orchester greift die Melodie auf, das Klavier umspielt sie figura tiv. Die Durchführung bemächtigt sich dieses Materials und mündet in einer Verarbeitung des Hauptthemas. Düster klingt die Reprise aus. Wie faszinierend die melodischen Entfal tungen, der großflächige Aufbau, der herbe Mollklang des Satzes wirken, läßt sich kaum mit Worten sagen. Der Einsatz des Solokla viers erfolgt sinfonisch-konzertant und stellt an den Solisten höchste physische Anforde rungen. Andere Gefühlsbereiche eröffnen sich schon mit dem zweiten Satz (Adagio), den Brahms ursprünglich — wohl im Gedenken an Schu mann — mit „Benedictus, qui venit in nomine Domini" überschrieben hat. Ein innig-gesang- ^Kes Geigenthema steht im Vordergrund des ^Bees. Einen weiteren edlen Gedanken bringt das Klavier. Die Anlage des Adagios ist drei ¬ teilig. Der mittlere Teil wird von elegischen und schmerzlich-trotzigen Stimmungen be herrscht. Die variierte Wiederholung des er sten Teiles — mit einer Kadenz des Klavieres — schließt im Pianissimo. Das Rondo-Finale (Allegro non troppo) steht inhaltlich im Gegensatz zu den vorangegan genen Sätzen. Rhythmisch und melodisch be gegnet fast ungarischer Schwung. Kraftvoll, stürmisch setzt das rhythmisch pointierte Hauptthema ein. Welch einen Kontrast schafft dazu das wunderschöne zweite Thema in F- Dur, das besonders wirkungsvoll in einer fu- gierten Episode mit Klavier und Horn zum Ausdruck kommt. Die Gestaltung des Rondos meidet insgesamt belastende Problematik. Nach einer konzertanten Kadenz verklingt das Werk mit hellem Dur-Klang.