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Erzgebirgischer Volksfreund : 29.09.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-188209291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-18820929
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-18820929
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-09
- Tag 1882-09-29
-
Monat
1882-09
-
Jahr
1882
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 29.09.1882
- Autor
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913 hätte. Freycinet werde dabei voraussichtlich Minister des Aeußern, auch der jetzige Kammerpräsident Brisson erhielte ein Portefeuille, Clemenceau würde zu den 250 Deputaten, welche sich um Freycinet und Brisson gruppirten, noch die übrigen, an der Majorität fehlenden 50 Deputirten bei bringen und ebenfalls in'S Kabinet treten. Auf diese Weise hoffe der Präsident Grevy ein lebensfähiges Ministerium zu bilden. Die „National-Zeitung" sagt, ein solches Kabinet werde die friedliche Politik Frankreichs noch mehr wie bis her betonen. Gera. Im Kemeinderathe führte Herr Wartenburg aus: ES habe ein Einjährig-Freiwilliger im deutschen Hause beim Glase Bier geäußert, er brauche sich nicht um den Zapfenstreich zu kümmern, sein Feldwebel drückte ein Auge, wenn man ihm eine Gefälligkeit erzeige, zu. Diese Aeuße- rung sei nun von ein paar städtischen Schutzleuten, die nebenan gesessen, gehört und denuncirt worden. Jetzt be haupteten sie zwar, daß sie die Sache nur auf der Polizei wache erzählt hätten und daß die Anzeige von einem ihnen unbekannten Schutzmann erstattet worden sei, aber einer der Schutzleute, die das Gespräch im deutschen Hause gehört, sei doch „zufällig" am andern Morgen zu dem Compagnie- Appell gekommen und habe da jenen Einjährig-Freiwilligen recoanoscirt, gegen den nun Untersuchung geführt werde. Er schütze die Polizei auf dem Gebiet der Wohlfahrtspolizei, verkenne auch nicht, daß ihr Amt schwer sei, wenn aber die Polizei den Versuch mache, das Spitzelthum hier einzufüh- ren, wenn hier Anzeigen über beim Glas Bier gefallene Aeußerungen erstattet würden, die oft mehr Unbesonnenheit als einen moralischen Defect beurkundeten, so müsse dagegen energisch Front gemacht wreden. Er habe das Vertrauen zu dem Stadtrath, daß er solche Elemente aus der Schutz mannschaft entfernen werde. Herr Oberbürgermeister Ruick erklärt, daß der Stadtrath sich in voller Uebereinstimmung mit den von Herrn W. dargelegten Grundsätzen befinde. Die Angelegenheit werde weiter verfolgt, die Schuldigen entfernt werden. Eine schwache Entschuldigung hätten die Schutzleute darin, daß sie, selbst frühere Militärs, geglaubt hätten, daß durch jene Aeußerungen die militärische Ehre verletzt sei. Immerhin bleibe der Vorgang ein widerwärtiger und dürfe in einer Stadt, in welcher ein freies Bürgerthum sich ent wickeln und gedeihen solle, nicht geduldet werden. Der Stadt rath werde alles thun, die Schuldigen zu strafen. Der Herr Vorsitzende Hartig erklärt, er werde beim Etat eine» Antrag wegen Verringerung der Polizeimannschaften stell-n, denn wenn sie Zeit hätten, derartige Dinge zu berichten, so be weise das, daß wir zuviel Polizei hätten. Herr Oberbürger meister Ruick theilt noch mit, daß die betreffenden Schutz leute instruktionswidrig während der Dienstzeit im deutschen Haus Bier getrunken. Deshalb hätten sie .auch dem Po- lizei-Jnspector nichts berichtet. Der Antrag wird darauf einstimmig angenommen. Greiz. In der letzten Sitzung des landwirthschaft- lichen Vereins zu Rosenrbal betonte der Herr Vorsitzende, Kammergutspachter Werner von Dölen, in seiner Einlei- tungsrede u A.: „Wenn auch das ganze Jahr betreffs der Witterung für den Landwirth ein sehr sorgenvolles, ein schweres Jahr war, so wollen wir aber doch nicht klagen, wir wollen gerecht sein und sagen, daß dies Jahr die Ernte durchweg eine gute, eine reichliche war und daß auch trotz der veränderlichen nassen Witterung alles Getreide gut ein gebracht worden ist." — Der hiesige Gemeindevorstand läßt an jedem durchreisenden Handwerker seit Jahr und Tag eine städtische Unterstützung von 20 Pfennigen zahlen. Die Summe, welche in einem Jahre auf diese Weise zur Aus zahlung gelangt ist, beträgt immer ca. Tausend Mark. Da es sehr oft vorgekommen ist, daß Reisende erst die einzelnen Handwerkermeister und dann die Stadt abgefochten haben und schließlich auch noch das Städtegeld erhalten haben, so beabsichtigt der hiesige Gewerbeverein eine allgemeine Ar beitsnachweisestelle zu errichten und mit dem Gemeindevor stande in Verbindung zu treten, um zu erzielen, daß nur solche Reisende die Unterstützung der Stadt erhalten, welche einen Nachweis vorlegen können, daß für sie paffende Arbeit in der Stadt nicht zu haben ist. Der Vorstand des Ge werbevereins ist ermächtigt worden, das Nöthige einzuleiten. Halle. In Folge der Hochwasser fand bei Neukirch ei» bedeutender Dammbruch statt, wobei zwei Häuser ein stürzten. Oberhalb Halle, bei Giebichenstein und Cröllwitz, ist die Pontonbrücke vom Wasser hochgehoben worden, das in der verflossenen Nacht so immens gestiegen war. Die Fischer mußten ihre Kähne im Stiche taffen. Die Gegend unterhalb Halle bis Merseburg gleicht einem See. Die Flußmühlen sind demolirt, die Mühlbrücken gehoben. Die Einwohner von Neukirchen und Hohenweiden mußten auf die Böden ihrer Häuser flüchten, die durch das eindrinzende Wasser stark beschädigt tvurden. Oesterreich. Wien, 27. September. Der König und die Königin von Sachsen, sowie Prinz Wilhelm von Preußen sind heute Vormittag hier eingetroffen und wurden vom Kaiser am Bahnhof auf das Herzlichste empfangen. Der Kaiser küßte der Königin die Hand und umarmte den König und den Prinzen wiederholt. Die Königin fuhr nach ihrer Villa in Hacking, von wo sie morgen nach Mähren weiterreist. König Albert und Prinz Wilhelm fuhren mit dem Kaiser nach Schönbrunn. Die Abfahrt zur Jagd bei Neuberg ist auf Nachmittag 2 Uhr angesetzt. Ueber das Eisenbahnunglück bei Essegg bringt eine Extraausgabe der „Agramer Zeitung" eine Reihe Tele gramme, welche im Wesentlichen Folgendes besagen: Die Effeger Draubrücke galt seit einem Jahre als baufällig und war einer steten Reparatur unterworfen. Die Uebersetzung der Züge geschah immer möglichst langsam. Seit einigen Tagen war die Brücke wegen des Hochwassers aufs Höchste gefährdet. Klötze und Bäume von riesigen Dimensionen schlugen an die Holzpfeiler; außerdem war die Strömung überaus reißend, die Pfeiler unterwaschen. Freitag Nachts und Sonnabend Vormittags war die Brücke commissionell untersucht, jedoch in Ordnung befunden worden. Durch be denkliche Symptome veranlaßt, forderten die Sachverständi gen die Sistirung des Verkehrs, jedoch erfolglos. Als der Zug, zumeist mit Militärurlaubern gefüllt in der Nähe des ungarischen Ufers anlangte, wurde ein Krachen und auffal lendes Senken der Brücke bemerkbar. Der auf der Brück l ?" >!icke Unternehmer der im Bau begriffenen Eisenbahn-e brücke, Ingenieur Gregersen jun., und mehrere Arbeiter sprangen, da ihnen die Situation sofort klar wurde, in die Drau und retteten sich durch Schwimmen. Hierauf erfolgte langsam der Einsturz, welcher selbstverständlich panischen Schrecken hervorrief. Die Locomotive und 5 Waggons, wo von 2 Güter- und 1 Militärwagen stürzten ins Wasser. Die Passagiere, meistens Soldaten, brachen dieThüren auf, schlugen die Fenster ein und retteten sich, so gut sie konn ten. Ein Husarenlieutenant rettete durch rechtzeitiges Oeff- nen des Waggons 7 Mann. Ein Pionnier sprang durch das aufgebrochene Fenster und hielt sich am Telegraphen draht fest, wodurch er sich rettete, viele sprangen oder fielen Sn iWasser und wurden später von Rettungsfahrzeugen ausgenommen. Die Geretteten sind nahezu durchaus ver wundet. Einem wurden die Rippen eingedrückt, einem An dern das Ohr abgerissen, 27 Mann, größtentheils des Hu sarenergänzungsbezirkes Nyiregyhaza und 1 Zimmermann, sowie mehrere Pferde werden vermißt. Der übrige Theil des Zuges blieb infolge eines überaus glücklichen Ketten risses auf der Brücke stehen. Dies rettete den Passagieren das Leben. Das Zugspersonal sprang noch rechtzeitig ins Wasser und rettete sich inSgesammt. Der Postwagen blieb auf der Brücke hängen. Kurz nach dem Unglück erschien der Sectionsingenieur Stölzl mit Militärassistenz auf der Brücke und entnahm dem Postwagen die Geldsendungen iin Betrage von 300,000 Fl. Die Aufregung und Entrüstung im Publikum ist eine ungeheure. Man fordert kategorisch die unverzügliche Verstaatlichung der Alföldbahn und Be strafung der Schuldigen. Die Fäulniß des Brückenmate rials ist constatirt. Die Unterwaschung der Pfeiler wird von Sachverständigen apodiktisch behauptet. Obwohl meh rere Schiffe in der Nähe waren, betheiligte sich dennoch kei nes an dem Nettungswerke, welches auf Kähnen unternom men wurde. — In einem vom 24. ds. datirten Telegramm des „Frdbl." aus Essegg heißt es: Heute darf es bereits als unumstößliche Thatsache hingestellt werden, daß die gräß liche Katastrophe auf die denkbar größte Leichtfertigkeit der technischen Verwaltungsorgane der Alföldbahn zurückzufüh ren ist. Bereits vor 2 Tagen waren die Nothjoche, die das schadhafte Brückenfeld unterstützten, vom Wasser weggerissen und wurden nicht mehr ersetzt, was bei der herrschenden ungemein scharfen Strömung allerdings auch gar nicht mög lich war. Bereits zwischen 11 und 12 Uhr am Tage der Katastrophe machten sich an dem verhängnißvollen Haupt joche der sechsten Brückenöffnung Schwingungen bemerklich, die selbst den mit Userschutzarbeiten beschäftigt gewesenen Einwohnern des nächst der Brücke gelegenen Dörfchens Eugenfalu auffielen und die von einem sehr bedenklichen Gekrächze in dem mittlerweile eingestürzten Brückenfelde be gleitet waren. Frankreich. Paris, 25. September. Gestern gaben die Com- munarden in Versailles eine große Vorstellung, in der Ab sicht, die Stätte, welchs sie als Sitz des Kriegsgerichts von 1871—72 besonders verabscheuen, von dem an ihr haftenden Makel zu reinigen. Louise Michel hatte sich ankündigen lassen und das ungewohnte Schauspiel hatte halb Versailles in das Tanzlocal Salle de Flore gelockt. Bürger Godard eröffnete die Sitzung, indem er jede Autorität ächtete. Er bediente sich dabei etwas derber Ausdrücke, an die man wohl in Belleville, aber nicht in Versailles gewöhnt ist, und die Anwesenden fingen an höhnisch zu protestiren. Der Wider spruch steigerte sich, als Emile Gautier und nach ihm die „große Bürgerin" das Wort ergriff. Ihre revolutionären Declamationen fielen auf so unfruchtbaren Boden, daß sich bald im Saale ein Pfeifen und Zischen erhob, das sie verhinderte, ihre Gedanken weiter zu entwickeln. Sie mußte die Rednerbühne verlassen und eine fürchterliche Katzenmusik gab ihr und ihren wüthenden Getreuen bis zum Bahnhofe das Geleit. Versailles hat das ihm geschenkte Vertrauen schlecht gerechtfertigt. Paris, 27. September. Nach einer Meldung aus Tunis wurde unweit Kairuan ein aus 60 Mann bestehender Reitertrupp, der die topographische Mission begleitete, von etwa 400 Marodeurs angegriffen. In dem entstandenen Kampfe wurde der französische Kommandant des Neitec- trupps getödtet, weitere 7 Mann desselben wurden außer Gefecht gesetzt, die Marodeurs verloren gegen 30 Mann an Todten und gegen 50 Mann an Verwundeten. Die Ueberzeugung, daß es auf dis eine oder andere Weise zu einer Aenderung des jetzigen unleidlichen Zustan des kommen müsse, wird immer allgemeiner. Schon scheut man sich nicht, das Wort Staatsstreich auszusprechen und in der Presse ausführlich die Nothwendigkeit und die Chancen eines solchen Unternehmens zu erörtern. Die abgehetzte und ungeduldige Nation werde ihn als eine Erlösung betrachten, schreibt der „Figaro." Ebenso natürlich der gambettistische „Voltaire": „Es ist sicher, daß Frankreich etwas erwartet. Das Land fühlt sich angewidert durch die Verstocktheit, mit der die jetzige Kammer regieren will. Und worauf wartet Frankreich? Auf einen General? Schon möglich I Das militärische Element hat immer unserer gallischen Ruhm sucht gefallen, und ein Feldherr hätte nur nöthig, glück lich zu sein, um eine neue Auflage Bonapartes herauszu geben." Der Schildträger Gambetta's, Hr. Joseph Reinach, ver breitet sich in der „Revue Pol. et Lit." über die Lehren, welche Frankreich aus der egyptischen Frage zu ziehen hat, und gelangt zu dem Schluffe, daß die für beide Theile gleich wichtige englisch-französtsche Allianz nur durch die Rückkehr zu dem Kondominium befestigt werden könne. Im Verlauf seiner Arbeit läßt Hr. Reinach sich folgendermaßen vernehmen: „Welches war die Politik des Fürsten Bismarck in der egyptischen Frage? Unseres Erachtens zielte sie nur auf das Eine ab: mit allen erdenklichen Mitteln unser Einverständ nis; mit England zu stören und uns in der Welt abermals zu isoliren. Wie äußerte sich die offiziöse Berliner Presse am Tage nach der identischen Note, wie übrigens regelmä ßig jedes Mal, wenn uns von dem Kabinet von St. James, welches die Vortheile einer gemeinschaftlichen Aktion mit uns vollständig zu würdigen wußte, Vorschläge gemacht wurden? Sie hütete sich wohl, Drohungen auszustoßen, ja, man kann sagen, daß man uns an den Ufern der Spree niemals grö ßere Rücksichten erwiesen hat. Man wiederholte uns, wir hätten in Egypten keine höheren Interessen, England wolle sich unser bedienen, wie anläßlich Mexikos, um die Kastanien aus dem Feuer zu holen, Italien würde über unsere Aus schiffung in Alexandrien entrüstet sein und die Pforte die Gelegenheit benutzen, Tunesien neuerdings gegen uns auf zuwiegeln. Ferner, sagte man uns mit bewegter Stimme, eine gemeinschaftliche Militäraktion bringe niemals Glück, Oesterreich habe diese Erfahrungen in den Elbeländern ma chen müssen, ein ähnliches Geschick harre unser am Nil, ein englisch-französisches Einvernehmen würde binnen kurzem einen englisch-französischen Konflikt zur Folge haben, während man in Berlin den Wunsch hege, die beiden großen libera len Nationen Europas im Morgenland und im Abendland Hand in Hand schreiten zu sehen. Um endlich die väterliche Fürsorge, deren erste Ergüsse Herr de Courcel im Februar empfangen hatte, noch zu bekräftigen, rieth Herr v. Bismarck dem ihn um Rath fragenden Herrn de Freycinet — natür lich nur im Interesse Frankreichs! — die Frage dem euro päischen Konzert zu unterbreiten. Was war aber die Kon ferenz, wenn nicht ein Machwerk gegen England, ein ihm zwischen die Füße geworfener Prügel? Vom Standpunkte seiner Interessen beging Großbritannien, wie die Tories von Anfang an einsahen, einen großen Fehler, indem es nach Konstantinopel ging. Dieser Fehler war jedoch ein neuer Beweis, wie dringend es wünschte, mit uns zu gehen. Eng land weiß schon lange, daß es kein Europa mehr giebt, und daß die Konferenzen größtentheils so viel Werth sind, wie gewisse parlamentarische Ausschüsse. Herr v. Bismarck hat also immer denselben Zweck verfolgt: daS englisch-französi sche Einvernehmen zu vernichten, indem er uns von allen Seiten belästigte, und ich brauche nicht erst zu sagen, wie wirksam Hr. de Freycinet ihm dabei durch seine Unentschlos senheit, durch seine Begünstigung der Blätter behülflich war, welche „den Wiederstand eines für die Vsrtheidigung seiner Freiheit kämpfenden Volkes" verherrlichten. Trotz dieses Beistandes ist der Plan des Reichskanzlers nur halb gelun gen. Durch die Furcht, welche eine absichtlich zweideutige Politik unwissenden Abgeordneten einflößte, hat er daß sei- nige zu dem Triumph des Prinzips der Enthaltung beige tragen, er hat uns verhindert, gleichsam spielend nach Kairo zu ziehen, wo wir längs der Marschroute an der Seite der Engländer, wie einst in der Krim, nur die kostbarsten Bor theile hätten ernten können. Das war alles, ist aber immer hin genug. Wir haben nicht den Fehler begangen, den er uns gern eingegeben hätte, und den nichts wieder hätte gut machen können, in eine beschränkte Intervention für die Vertheidigung des Suez-Kanals zu willigen." Ein Warschauer Correspondent des gambettistischsn Voltaire meldet, daß am Schluffe der Manöver bei War schau das Officiercorps den commandirenden Großfürsten mit seinem Stabe und den Gouverneur von Polen zu einem Festessen einluden und dabei Folgendes geschehen sei. „Ein Oberst und ein Major luden die Officiere der französischen Mission zu dem Essen ein. In betreff der deutschen und österreichischen Officiere richtete man es so ein, daß sie aus geschloffen wurden, und sie kehrten zu Wagen nach War schau zurück. Mein polnischer Correspondent, der selber dem Festessen anwohnte, schreibt, daß während der ganzen Dauer des Mahles gegen Deutschland eine ähnliche Sprache geführt wurde, wie diejenige, welche dem General Skobelew wahrscheinlich das Leben gekostet hat. Oesterreich-Ungarn erweckt wegen seiner engbn Allianz mit Deutschland dasselbe Mißtrauen und denselben Widerwillen. Die französischen Officiere wurden mit schmeichelhaften Aufmerksamkeiten überschüttet, auch wurde ein Hoch auf Frankreich ausgebracht." England. Auch die leitenden Londoner Blätter haben den 23. September nicht ohne Betrachtungen über das Werk und die Bedeutung des Fürsten Bismarck vorübergehen lassen. Daß sie aufs höchste anerkennend schreiben, braucht nicht besonders versichert zu werden. Sie würden es, auch wenn nicht neuerlich in der egyptischen Frage die deutsche Politik noch ganz besonder» Anspruch auf Englands Dank erworben hätte. Aus dem Musterlande des Konstitutiv na- lismus schreibt der „Standard": Der Fürst ist ein leben der Verweis für alle politischen Theoretiker, Gefühlsmen schen und, wenn die Wahrheit ganz gesagt werden soll, Konstitutionalisten. Er hat zum mindesten den Beweis ge liefert, daß es eine unkonstitutionelle, doch befriedigende Art und Weise giebt, eine Nation zu schaffen. Sein Beispiel ist nicht gefährlich, denn nur wenige können es nachahmen. Allein seine Laufbahn sollte die Leute weniger dogmatisch machen und nicht so schnell diejenigen verurtheilen lassen, die nicht Wasser aus ihren Brunnen schöpfen. Auch kann nicht geleugnet werden, daß der Fürst mit merkwürdiger Mäßigung die Macht, die er geschaffen, gehandhabt hat. Deutschland ist jetzt seit 10 Jahren die größte Militär macht in der Welt, doch hat es keine Kriege geführt und einige abgewendet. Wir können kein anderes Beispiel der Alt- oder Neuzeit anführen von einem Manne, der seit 20 Jahren seine Autorität so vollständig und mit solcher Mäßigung ausübte. Der Erfolg hat ihn nicht berauscht. Er bleibt demnach die Hauptfigur in Europa, ja in der Welt. London, 26. Sept. Die Times bringt einen Ar tikel, in dem offenbar von einem sehr begeisterten Franzo senfreunde die Frage behandelt wird, was England zu thun habe, wenn Deutschland England zur gemeinschaftlichen Lösung der egyptischen Frage einlade und diese Lösung mehr oder minder ohne Frankreich geschehen solle. Das Blatt kommt zu dem Schluffe, daß Englands langbestehende Freundschaft mit Frankreich nicht durch eine solche Lösung benachtheiligt werden dürfe. Nichts würde dem englischen Volke mehr mißfallen, als eine solche Verschiebung der eng lischen europäischen Beziehungen. Nichts würde die Macht und das Ansehen der gegenwärtigen Regierung Englands mehr abschwächen, als der Argwohn, daß sie Egyptens we gen die französisch-englische Allianz preisgegeben und sich den Gegnern Frankreichs genähert habe. Egypten sei nicht das Alpha und Omega der europäischen Politik Englands. Kein Vortheil, den England in Egypten auf Kosten Frank reichs erlangen könnte, würde es für den Verlust entschä digen, den es durch eine ernste oder dauernde Entfrem dung Frankreichs erleiden würde. So die Times. I» de» unterrlchteten Kreisen ist positiv bekannt, daß dec englische» Regierung von Deutschland keinerlei Vorschläge bezüglich irgendwelcher Lösung und Behandlung der egyptischen Frage zugegangen sind. Es darf demnach der ganze Timss-Artike i
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