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vielmehr Gestalter sein, aus reifem Seelenleben schöpfend. Bezeichnend dafür ist, daß Beethoven ausdrücklich auch die sogenannte Kadenz weg gelassen hat, den Tummelplatz für technische Mätzchen, kurz vor Ende des ersten Satzes, wo auch die Orchesterbegleitung aussetzt. Der erste Satz: Allegro (rasch) wird von vornehm festlichen Themen beherrscht. Das Soloinstrument beginnt sofort, ohne Orchestervorspiel. Mit dem Orchester zusammen aber ergibt es beglückende Kombinationen der Farben. Der zweite Satz: Adagio un poco moto (langsam, ein wenig bewegt) ist eine zarte, süße, romantische Schwärmerei ohne Stimmungsgegensatz. Der Franzose Berlioz nennt diese Musik „äußerst verführerisch“, „da zeigt sich das Urbild der Anmut“. Der deutsche Romantiker Schumann sah in seiner schwärmerisch erregten Fantasie bei diesen Klängen sogar den Himmel sich öffnen, um Beethoven wie einen aufschwebenden Heiligen zu empfangen. „Da mochte man wohl alle Kleinigkeiten der Welt vergessen, und eine Ahnung vom Jenseits die Nachblickenden durchschauern.“ Im dritten Satz: Allegro ma non troppo (nicht zu rasch) sprudelt wieder irdische Lust und Freude. Leicht und keck ist der Rhythmus des Hauptthemas, um welches noch verschiedene heitere Nebenthemen die Runde (Rondo) machen. Die achte Sinfonie F-Dur von Beethoven. Der Vollender der klassischen Sinfonie steht mit diesen Werken in haltlich dem Gefühlstypus des Erhabenen und Tragischen näher als dem des Komischen und Humoristischen. Und doch hat er uns auch einige Musterwerke dafür geschenkt. Hätte Beethoven nicht Humor, also die heitere Weltanschauung besessen, wie hätte er das für einen Tonkünstler besonders schwere Schicksal der Taubheit ertragen können? Die achte Sinfonie ist nicht nur das heiterste Werk Beethovens, sondern überhaupt eines der heitersten der Musikgeschichte. Kernig frisch beginnt der erste Satz: Allegro vivace (sehr lebendig). Das Hauptthema und das länd lerartige Seitenthema verbreiten bei ihrer witzigen Verarbeitung Frohsinn, aber mehrmals läßt Beethoven auch einen nachdenklichen, ernsteren Ton hereinklingen. Fast naiv mutet die Heiterkeit des zweiten Satzes: Alle- gretto scherzando (fröhlich bewegt) an. Der pessimistische Philosoph Schopenhauer soll gemeint haben, daß man beim Hören dieses Satzes die Welt beinahe doch für schön halten könnte. Mit dem starren Ticken der Holzbläserbegleitung ahmt der Komponist den damals neuen Taktmesser, das Mältzelsche Metronom, nach. Der dritte Satz ist ein Menuett, etwas derber gehalten als sonst die Menuettstücke. Vielleicht tanzen Bauern diesen höfischen Tanz. Menuettsätze hat Beethoven nur in der ersten und achten Sinfonie stehen. Der Endsatz: Allegro vivace (sehr lebendig) ist mit seinem sprühenden Humor der bedeutendste der Sinfonie. Reich an überraschenden, dynamischen Gegensätzen, an instrumentalen Fein heiten und Verwicklungen bleibt doch alles leicht verständlich. Dr. Kreiser.