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Montag, am 13. Februar 1928 Rr. 37 SS «ettage Mr WettzertyJettung - - — " -E Chronik des Tages. — Am heutigen Montag nimmt der interfraktionelle Ausschuß des Reichstags seine Beratungen über das Reichs- Wlgesetz wieder auf. — Der französische Ministerpräsident Poincarä hielt »m Sonntag in Straßburg anläßlich eines Bürgermeister- banketts eine neue Red«. — In Paris trat der Ausschuß der Internationalen Handelskammer fü^ Zollpolitik zu einer Tagung zusammen. — Das Plenum des amerikanischen Senats beginnt heute die Beratung der Vorlage über die Freigabe des beschlagnahmten deutschen Eigentums. — Im Berliner Krantz-Prozeß kam es zu einem Zu- sammenstotz zwischen dem Staatsanwalt und der Vertei digung. — Aus zahlreichen Teilen Deutschlands und auch aus dem Auslande wird Frühjahrsunwetter gemeldet. Im All gäu wurden die Hochwaldungcn schwer heimgesucht. - — Der Direktor der Kammgarnspinnerei Interlaken. Dr. Rudolph Cranz, war vor einigen Tagen nach Verun treuung von rund zwei Millionen Franken verschwunden Er wurde in Basel verhaftet. — Der deutsche Weltrekordmann Dr. Peltzer holte sich in Chikago eine Niederlage. Gespräche über den Ozean! Wissenschaft und Technik feiern einen neuen Triumph! Den in den vorausgegangenen Wochen und Monaten angestellten Versuchen zur Herstellung eines Transozean-Telephonverkehrs folgte Ende der Woche die Eröffnung des Fernsprechverkehrs zwi schen Berlin und New Uork! Am 12. Novem ber 1877 wurde das erste deutsche Fernsprechamt eröff net, heute zieht sich über die ganze Welt ein dichtes Fernsprechnetz, und jetzt ist die menschliche Stimme auch des Ozcans Herr geworden! Eine hochstehende Technik hat Apparate erfunden, durch die unsere Sprache einen Stromstoß auslöst, der die menschliche Stimme vom Schreibtisch zum Fernamt trägt, von da über Holland durch den Kanal nach England und dann drahtlos über das Weltmeer nach New Uork, am an deren Ende des Ozeans! Ueber 6000 Kilometer wird der Schall unserer Sprache so durch die Welt ge tragen. Und trotzdem ist eine gute Verständigung möglich, können noch weitere 2000 oder 3000 Kilo meter bewältigt werden. Die ersten offiziellen Gespräche führten. Reichskanzler Dr. Marx und Botschafter Schurman mit dem amerikanischen stellvertretenden Staatssekretär Olds, kurz danach unterhielt sich Reichspostminister Dr. Schätzel einige Minuten mit dem Botschafter v. Pritt- Witz und Gaffron. Den Gesprächen der Regierungen folgten Anmeldungen der großen Verlagsunternehmen und der Weltfirmen, so daß innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Eröffnung des Fernsprechverkehrs zwischen Berlin und New Jork bereits 30 Gespräche vermittelt werden konnten. Die Verständigung war durchweg klar und deutlich. Es gab Glückwünsche, Grüße hinüber, Grüße herüber und Hinweise auf die historische Bedeutung des Augenblicks. Reichskanzler Dr. Marx wies daraus hin, daß nun mehr zwischen deutschen und amerikanischen Städten Ferngespräche geführt werden könnten,' als wenn es sich um Nachbarstädte bandele und nicht ein Weltmeer trennend dazwischen liege. Der Ozean höre immer mehr aus, ein Verkehrshindernis zu sein. Zum Schluß gab er dem Wunsch Ausdruck, daß auch die neue Ner- khrseinrichtung dazu beitragen möge, die freundschaft lichen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika zu vertiefen und den wechselseitigen Austausch von geistigen und materiellen Gütern zu fördern Damit hat der Kanzler die Empfindungen wieder gegeben, mit denen das deutsche Volk den neuen Er folg technischen Könnens begleitet. Ein schneller und zuverlässiger Nachrichtenverkehr führt die Völker ein ender näher, vermindert den Einfluß der Grenzsteine. Richt daß damit die Verschiedenheiten der Völler ver schwinden, im Gegenteil, die Beziehungen der Völker nehmen regere Gestalt an und stellen gerade dadurch die Wesensverschiedenheit klar heraus. Aber, es ist das wirkliche Wesen des Volkes, was sich so heraus- fchält. Und damit ist schon viel gewonnen, gab eS doch zahlreiche Völker, die die deutsche Nation nur in her Karrikatur kannten! Von dem gewöhnlichen Fernsprechverkehr unter scheidet sich der Transozeanverkehr dadurch, daß er größtenteils drahtlos erfolgt und nur die Wechsel nden kennt. Wenn der Hörer zum Sprechen über- ßehen will, bedarf es einer Umschaltung der Trans- »zeanstation in Rugby vom Empfang zum Senden. Störungen sind damit nicht verbunden, weil die Um schaltung automatisch erfolgt! Sobald nämlich der Sprecher mit seiner Rede aufhört, schaltet sich die iransozeanstation von selbst um. Wenn also aus der Einrichtung der Wechselrede dem Transozeanverkehr keine Schwierigkeiten erwachsen, so gilt das doch von den Verhältnissen der Atmosphäre, die bei der Länge oer Entfernung zeitweise empfindlich aus die Verständigung einwirken kann. Weitere Hemmungen resultieren daraus, daß die Benutzung der Transozean- «tnrichtung durch die Zeitunterschiede zwischen Amerika und Europa beeinträchtigt wird. So kann Amerika sich der neuen Einrichtung z. B. nur sechs stunden bedienen, während Deutschland etwa 10>/> Ttunden zum Ozean-Ferngespräch zur Verfügung hat Abgesehen davon, steht auch der Preis für ein Drei- «mutentzespräch nach New Uork hindernd im Wege. Mr beträgt 300 Niark, stellt also eine Summe dar, vte den Transozean-Fcrnsprechverkehr nicht gerade zu N" Volksetnrichtung machen wird und di« auch Ge schäftsleute veranlaßt, sich in ihren Ferngesprächen »Ar neuen Welt Beschränkungen auszuerlegen. Schließlich ist es auch gerade dieser Umstand ge wesen, der die englische Sendegesellschast Rugby ver anlaßte, auf dem Festlande für einen Anschluß an die in der Neujahrsnacht 1925 eröffnete Transozoanver- bindung zwischen England und Amerika zu werben. England hat sich damals großen Erwartungen hin gegeben und damit gerechnet, daß die erste Einrichtung bald nicht mehr genügen werde. Statt dessen hat die Gesellschaft Zuschüsse leisten müssen, und vom .7. Januar 1927 bis^um 11. November 1927 insgesamt nur 894 Transozeangespräche vermitteln können. Hier muß der Hebel angesetzt werden. Rentabel wird sich die Einrichtung für den Fernsprechverkehr über das Weltmeer nur dann gestalten, wenn die Einrichtung rege benutzt wird, und das setzt eine gründliche Senkung des jetzigen Tarifs voraus. Das kann uns natürlich nicht hindern, uns der Freude über das bisher Erreichte hinzugcbcn. Und das ist ganz gewiß nicht gering. Vor der Entscheidung, Nene Bcrhanvlmlgen vrs interfraktionell««» Ausschus- scs über das Rcichsschnlgesetz. Wie nicht anders zu erwarten war, hat der Appell des Reichspräsidenten an den Reichskanzler, alles zu tun, um eine Regierungskrise zu vermeiden, in den Verhandlungen über das Reichsschulgesetz eine neue Lage geschaffen. Die Fraktionen der Regierungspar teien haben sich zur Prüfung der letzten Kompromiß vorschläge des Reichsinnenministers v. Keudell bereit erklärt. Der interfraktionelle Ausschuß, der bereits am Freitag über diese Vorschläge debattiert hat, wird am heutige,» Montag erneut znsammentreten. Da in zwischen auch der am Sonntag in Berlin versammelte Reichsschulausschuß der Deutschen Volkspartei seiner seits die Schulsragc erneut geprüft hat, steht nunmehr die Entscheidung des Reichstags über das Schulgesetz dicht bevor. Wie verlautet, erstreckten sich die letzten Kompromißvorschläge außer auf den die Gemeinschafts schule behandelnden Paragraphen 20 auch auf die Bestimmungen über den geordneten Schulbetrieb und die Einsichtnahme in den Religionsunter richt. * Di« Deutschnatioualeu zum Schulgesetz. Von deutschnationaler Seite wird folgende Erklä rung zur schulpolitischen Lage verbreitet: „In der Presse sind Unklarheiten über Sinn und Absicht des Briefes des Reichspräsidenten hervorgetrcten. Nach deutschnationaler Auffassung trifft es nicht zu, daß in dem Brief der Erledigung des Schulgesetzes eine geringere Bedeutung beigelegt werde als den sonstigen vom Reichspräsidenten genannten Aufgaben, vielmehr geh Vie Mahnung des Rei-'- « sie Parteien in erster Linie dahin, sich über das Schul- zesetz zu einigen. Nur dadurch würde auch eine wirk liche Voraussetzung für di« Erledigung der andere« Aufgaben geschaffen werde«. Die Deutschyationale Bolkspartet ist ebenfalls gewillt, alles zu tun, um das Schulgesetz unter Dach zu bringen und damit die po litische und psychologische Voraussetzung für die dem Wunsch des Reichspräsidenten entsprechende Erledigung der sonstigen Aufgaben einschließlich des Strafgesetzbuches — also für den weiteren Bestand der jetzigen RegterungSkoalition bis zum verfassungsmäßi gen Endtermin der Legislaturperiode — zu schaffen. Di« Deutschnationalen sehen eS also als die erste Auf gabe au, alles zu tu«, was in ihren Kräfte« steht, «« die Schwierigkelten zu beseitige«, die einer Einigung über das Schulgesetz entgegenstehen." * Der Wortlaut des Hlndenburgbriefes. Die noch ungelöste« Aufgabe« des jetzigen Reichstags. Die Reichsregierung gibt soeben den Wortlaut des HindenburgbriefeS zur Schulfrage bekannt, der im we sentlichen folgende Ausführungen enthält: „."Gehr geehrter Herr Reichskanzler! Die Nachrichten über tiefgehende Meinungsverschieden helten innerhalb der Regierungsparteien wegen des Schul gesetzes, die zu einem Auseinanderbrechen der gegenwärtigen Reichsregierung führen können, geben mir Veranlassung, Sie, Herr Reichskanzler, zu bitten, nichts unversucht zu um im gegenwärtigen Zeitpunkt eine RegierungskrisiS und ihre politischen Folgen zu vermeiden. Der Reichstag hat zur Zeit dringende und bedeutsam« Aufgabe» zu lösen. Abgesehen von dem Haushaltspla» «nd dem LlqnidationSschSdengesetz sind di« für die Landwirt, schäft lebenswichtigen Hilfsmaßnahmen zu beschließen, und eS harrt auch di« Strafrechtsreform ihrer Verabschiedung. ES würde meiner Meinung «ach «ine schwere Schädigung vaterländischer Interessen «nd des ganzen deutsche» Volkes bedeuten, wen« jetzt weg«« der Schulgesetzfrage eine unlöS. bare «egiernngskrisi» »nd «in, Auslösung »eS Reichstage« notwendig würde. Sie, bei den bevorstehenden Besprechung«» mit den Führern der Regierungsparteien diese meine B» ! sorgnis mltzuteilen, und appelliere an alle beteiligten Her. ' r-n und Fraktionen, dahin zu wirken, daß eine arbeite ! fähige Regierung erhalten bleibt, die wichtigen parlamen tarischen Aufgaben gelöst und etwaige unlösbare Differenzer in der Schulfrage bi» nach Erledigung dieser Arbeiten vertagt werden." Chamberlain gegen den Cavell-FilM. Di« englisch« vessentlichkeit gegen eine Neubelebun» häßlicher KriegScrinnerungeu. Wie das Reuter-Bureau mitteilt, hat der britisch« Außenminister Chamberlain sich vor einigen Tagen mit dem Leiter der englischen Film-Zensur wegen einer von einer Londoner Gesellschaft hergestellten Dersti. mung der Geschichte der im Kriege als Spionin «, . schossenen Krankenschwester Cavell „als Privatmann' > in Verbindung gesetzt und betont, daß der Film aus politischen Gründen und solchen des guten Ge schmacks Bedenken errege. — UebrtgenS hat auch die englische Presse und ebenso der Nationalrat bri tischer Frauen deutlich sein Mißbehagen über de« Miß. Cavell-Film zum Ausdruck gebracht. Lady Oxford er> klärte, wenn die zivilisierten Nationen bemüht seiew Frieden und guten Willen zu fördern, so könne „dk Neubelebung häßlicher Kriegserinnerungen" keinen gu ten Zwecken dienen. Der „Daily Chronicle" Wreibt, die Verfilmung der Geschichte der Krankenschwester Cavell sei nichts anderes, alS ein Versuch, aus der ! Wiederbelebung des Kriegshasses Kapital zu schlagen! VorftandsLagung der Landkreise. ! Die Finanzierung des Wohnungsbaues. — vericht« l über die Gasfernversorgung der Landgemeinde«. Der Vorstand des Deutschen LandkreistagS hielt in Dessau eine Sitzung ab, zu der Vertreter aller deutschen Länder erschienen waren. Unter dem Vorsitz des Landrats Dr. v. Achenbach-Berlin beschäftigte sich der Vorstand zunächst mit der Festlegung des Haus haltsplans für 1928. Bei der Besprechung der Frag« der Wohnungsbanfinanziernng wurde die Notwendig keit betont, die Staatsmittel für diesen Zweck so zeitig fließen zu lassen, daß mit dem Beginn der Bansaison die Beschäftigungsmöglichkeit für große Teile der ar- - beitnehmenden Bevölkerung gegeben ist. Zur Vorlage ! der Reichsregierung über dis Ausdehnung der Unsall- ! Versicherung auf Feuerwehr und Krankenhäu- ser berichteten die Vertreter der einzelnen Länder über ! die bei ihnen gemachten praktischen Erfahrungen aus i dem Gebiete der Sozialpolitik. Im weiteren Verlause > der Tagung nahm der Vorstand noch einen eingehen- i den Bericht über Neuerscheinungen aus dem Gebiete der ; Gasfernversorgung und der Elektrizitätswirt- - schäft entgegen. ! ' -- - Ausdehnung der Sstprenßenhilfe. Preußische Soudermaßuahme« auf steuerlichem Gebiet. ' Ueber die gemeinsame Hilfsaktion für Ostpreußen ' hinaus, hat die preußische Regierung jetzt noch fol- ! gende Sondermaßnahmen beschlossen: Die staatliche ! GruudvermögenSsteuer wird für de« Rest des laufen- > den Rechnungsjahres außer Hebung gesetzt. Ausgenom- : men sollen jedoch diejenigen Einzelsälle sein, in ! denen die besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners die Zahlung der Steuerraten un- i zweifelhaft rechtfertigt. Die Steuerschuldner, für die ! die Steuer außer Hebung gesetzt wird, erhalten eine j entsprechende Mitteilung. Di« Rückstand« a« staatlichen Steuer»» nach venr Stande vom l. Februar 1928, und twar nicht nur a» staatlicher GrunvverMögcnssteuer, sondern auch a» Hausziussteuer werden niedergeschla gen, soweit die Steuer»» gcstuudet stütz. Für die nicht gestundeten Rückstände wird im einzelnen Fall unter wohlwollendster Berücksichtigung der Verhält nisse des Steuerschuldners von Amis wegen geprüft werden, ob und inwieweit die Rückstände niedergeschla gen werden können. Die Erhebung der Gemeinde zuschläge zur staatlichen GrundvertnögeNSsteuer wird durch den Beschluß des preußischen Staatsministeriums - nicht berührt. Politische Rundschau. j . i — Berlin, den 13. Februar 1SHS. , — Der Bund deutscher Frauenvereine hat den Deutsth- j nationalen, der Vollspartei und den Demokraten 83 Frauen , für die Reichstagswahlen in Vorschlag gebracht. — Der Vertreter der deutschen Arbeiterschaft im IuLer- i nationalen Arbeitsamt, Hermann Müller, feierte seines» 88. NeburtStag. " ' . :: Zum Mitglied »es Hoheuzoüeruschiedsgevichts , wurde von Preußen Ministerialrat Krücke, vo« der» l Kohenzollern Staatsminister a. D. v. Richter be- - stellt. Zum Obmann de« Schiedsgerichts wurde der frühere Staatssekretär im preußischen Justi-minWe- vium Fritze gewählt. ' ' :: Demokratischer Protest gegen Staatspräsident Bazille. Im Württemberaischen Landtag gab die de mokratische Fraktion eine Erklärung ab, in der ste dM» Staatspräsidenten Bazille Verunglimpfung ihrer Mit glieder vorwtrft und Konsequenzen ankündigt. :: Feier »eS Krö««ug»tase» »«S Papstes. An läßlich der Wiederkehr des Krönungstages des Pappes zelebrierte der Apostolische Nuntius in Berlin, Pa- eellt, in der St.-Hedwtgskirche ein Pontificalamt, an dem mehrere Reichs- und preußische Staatsminikter sowie das diplomatische Korps teilnahmen. Als Ver treter des erkrankten Reichskanzlers war Reichsminister ,Hergt erschienen. 1- Nnndscha« tm Ausland«. * «turmszenn» im rumänische« Parlament. Bukarest kam e» i» der Kammersitzung we«n zwischen Mitglieder« der Opposition m» »» stürmischen «ufwitten. »er. ML Auseinandersetzungen, infolge deren dm Abgeordnete »Gw- Vie» den Minister Lnpu ob-« Duell tzma«»w'dm»e. ,