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Erzgebirgischer Volksfreund : 06.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-188206067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-18820606
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-18820606
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-06
- Tag 1882-06-06
-
Monat
1882-06
-
Jahr
1882
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 06.06.1882
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wie Deutschland Kassel. Se. kgl. Hoh. Prinz Karl hat am Sonnabend Abend hier, wo übernachtet werden sollte, nach Aufhebung des Diners das Unglück gehabt, das Bein zu brechen. Greiz. Der 19jährige Sohn de- Schmiedes Friedrich Groß in Wellsdorf, welcher in Langenwetzendorf als Schmied gearbeitet hat, hat sich auf eine wohl noch nie dagewesene Weise dem Tode des Ertrinkens ergeben. Derselbe verließ k rem Erzgebirge nach den uns zugegangenen Berichten mit- aetheilt. Der ungeheure Schaden, dm diese fürchterlichen ff Gewitter an unseren so herrlich angestandencn Saatfeldern, n an den Kartoffeläckern, in Wiesen und Gärten, an Eisen- w bahnen, Straßen, Wegen und Gebäuden verursacht hat, läßt sich jetzt noch gar nicht übersehen und ermessen. Es . muß aber ein sehr großer und gewaltiger sein, und wird dieser 30. Mai gar vielen Städten und Dörfern unseres Erzgebirges unvergeßlich bleiben. In der hohen Politik hat in der verflossenen Woche dar alte Wunderland Aegypten die einzige und hervorra gendste Rolle gespielt. Dort ging eS aber auch so kraus her, dort wechselten die politisch wichtigen Vorgänge so rasch, daß man ihnen kaum folgen konnte. Hier nur eine ganz kleine Blumenlese aus diesen Vorgängen in Kairo in der verflossenen Woche. Die beiden Mächte, Frankreich und England, hatten an Aegypten die Forderung gestellt, das ganze Ministerium, dessen Seele bekanntlich der schneidige und revolutionäre Arabi Bey ist, zu entlassen. Das Mi nisterium reicht darauf hin seine Entlassung ein und der Khedive nimmt sie an. Es schien nun Alles vorzüglich ge ordnet. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend lo ben. Kaum, war das Ministerium entlassen, so drang eine Anzahl Offiziere in das königl. Palais und bat den Khe dive um Wiederberufung des Arabi Bey zum Kriegsmini ster. Der Khedive schlug diese Bitte rund weg ab. Die Of fiziere treten ab, kehren aber bald in verstärkter Anzahl wieder und wiederholen dieselbe Bitte. Derselbe Erfolg. Der Khedive will nichts mehr von Arabi Bcy wissen. Die Offiziere entfernen sich abermals, kommen aber bald zum dritten Mal wieder und zwar von einem Haufen Soldaten begleitet. Jetzt sprechen die Offiziere ihre Bitte wieder aus mit der beigefügten Drohung, daß sie den Khedive sofort gefangen nehmen würden, wenn er ihre Bitte nicht erfülle. Diese Drohung verfing. Der Khedive, angesichts der gegen - ihn gewandten Bajonette rief seinen Hauptfeind Arabi wie der in sein Amt als Kriegsminister zurück. Kaum war Arabi wieder Minister, so drohte er dem Khedive mit Ab setzung und erklärte ihm zugleich, der Sultan habe dessen Oheim Halim Pascha zum Khedive ernannt. Diese Nachricht hat bei der christlichen Bevölkerung in Kairo große Besorg niß und Furcht hervorgerufen denn Arabi Bey ist doch bekanntlich der Führer der muhamedanischen Nationalpar tei, die ihr Verlangen, die Ausländer und Christen aus dem Lande zu jagen, nur aus Furcht vor den europäischen Mächten zügelt. Arabi Bey ist, wie man annimmt, nichts weiter wie ein kluges und durchtriebenes Werkzeug des Sultans, und wo der Sultan eigentlich hinaus will, ist in Aegypten bis jetzt noch Niemand klar. So bunt und kraus sieht es in Egypten aus. In diesem Augenblick ist nun die ägyptische Frage bei dem Punkt angekommen, daß Frankreich an England den Vorschlag gerichtet hat, diese ägyptischen Wirren durch eine in Konstantinopel abzuhal- tende Conferenz der europäischen Großmächte auszuglei chen und beizulegen. Jedenfalls werden sämmtliche Groß mächte dem Conferenz-Vorschlag beistimmen. Wie dann wei ter? Das wird sich finden. Als ein wichtiges Ereigniß in der hinsichtlich der Po litik so ereignißarmen verflossenen Woche ist aber noch an zuführen, daß am 2. Juni in den Abendstunden der in sei nen letztem Lebensjahren sehr schwer leidende Hauptrevolu tionär und doch in Italien vielgefeiert als Mitgründer des italienischen Einheitsstaates Guiseppe Garibaldi auf sei ner einsamen Insel Caprera in seinem beinahe vollendeten 75. Lebensjahre verstorben ist. Geboren war er in Nizza am 4. Juli 1807. In ganz Italien macht der Tod dieses italienischen Nationalhelden den tiefsten Eindruck. Wir werfen noch einen flüchtigen Blick zunächst auf Rutz land und da ist zunächst zu berichten, daß sich vor wenig Tagen in Petersburg eine Art Wunder ereignet hat, welches darin bestand, daß es der Kaiser gewagt hat, in ei nem offenen Wagen ohne alle militärische Begleitung eine Fahrt durch die Straßen Petersburgs zu machen. Oft wird er eine solche Extrafahrt leider! wohl nicht riskiren dürfen. — Außerdem melden verschiedene Blätter, daß dem Kaiser Mittheilungen über eine weitverbreitete Verschwörung des reichen altrussischen Adels zur Vernichtung des deutschen Einflusses — und besonders auch gegen das deut sche Kaiserhaus — gemacht worden, welche den Kaiser und . seine Gemahlin in große Aufregung gesetzt und zur Ver schiebung der Krönung avf unbestimmte Zeit veranlaßt ha ben. — Die großen Brände in Rußland mehren sich in ei ner Schrecken erregenden Weise und Nachrichten, welche bei Wiener Assekuranzgesellschaften eingetroffen sind, schildern die Situation der russischen Feuer-Versicherungsgesellschaften in Folge der sich häufenden Brände als geradezu trostlos. Man befürchtet, daß viele Gesellschaften ihre Zahlungen werden einstellen müssen. In Frankreich fand am 1. Juni in der Deputir- Garibaldi s Die Nachricht von Giuseppe Garibaldi'- Tode ist schneller gekommen als man trotz der vorau-aehenden Krant- heitSbulletinS erwarten durfte. Schon oft ist der Alte von Caprera dem Tode nahe gewesen — seine durch Anstrengungen von früh auf abgehärtete sehnige und ausdauernde Körper constitution besiegle bisher alle Anfälle von Krankheiten, und seine Verwandten gaben sich der Hoffnung hin, der gefeierte Volksheld werde ein außerordentlich hohes Lebensalter er reichen. Trotzdem wird man seinen nun eingetroffenen Tod im Interesse Garibaldi'S selbst kaum bedauern, man wird — will man offen sein — vielmehr sagen müssen, für den Ruhm dieser der Geschichte angehörenden Persönlichkeit wäre ein weit früheres Dahinscheiden viel för derlicher gewesen. Garibaldi ist mit dem neuesten Abschnitt der Geschichte seines Vaterlandes Italien derartig verflochten, er selbst ist ein so wesentliches Stück dieser Geschichte, daß man die bei Todesfällen berühmter Männer übliche kurze Biographie in diesem Falle nur geben kann, wenn man zugleich die Geschichte Italiens von 1848 bis mindestens 1870 im Aus zuge mittheilt. Diese Ereignisse, welche zugleich zur Umge staltung des gesammten europäischen Staatenverhältnisses sehr erheblich mit beigetragen haben, sind aber in ihren großen Zügen so bekannt, daß man sich ihre gedrängte Dar stellung versagen darf, und auf Einzelheiten dabei einzu gehen — so interessant solche zum Theil und gerade mit Beziehung auf Garibaldi'S Wirksamkeit und fleckenlosen, aufopsernden Charakter sein mögen — würde heute nicht am Platze sein. Darüber ist ganz Italien in allen seinen Parteien ei nig, daß es zwei Staatsmänner in Rang und Würden: der König Victor Emanuel und sein Minister Cavour — so wie anderseits zwei Volksmänner von ganz hervorragen der fast dämonischer Macht über die Gemüther der Italie ner: Mazini und Garibaldi waren, welche die italienische Einheit, den neuen italienischen constitutionellen Gesammt- staat, begründet haben. Alle anderen Männer, so wichtig die Dienste waren, die sie in einzelnen Momenten dem Ge- sammtstaat leisten konnten, stehen weit hinter den vier Ge nannten zurück. Ob aber das erstgenannte Paar mehr für des Landes Wohl gethan oder das zweite — darüber strei tet man sich unter den Italienern, und schwerlich wird diese Streitfrage je geschlichtet werden. Republikaner und Mo narchisten stehen sich hier schroff gegenüber. Das Erhebende, der große ideale Zug der italienischen Erhebung liegt aber — und hierin sind wieder Alle, bis auf die Klerikalen, ei nig — darin, daß zur entscheidenden Stunde, jene vier Größen in der Liebe und durch dir Liebe zu ihrem Volke einig waren, wodurch allein das Gelingen des Einigungs werkes möglich ward. Mazzini fügte sich dem Vorgehen Cavour's, da er den ernsten Willen des Ministers zu dem, was im Augenblicke noth that, erkannte, Garibaldi desglei chen — und was mehr war — er riß in seiner Glanz periode 1860 die osficiellen Kreise Italiens mit sich fort zu den kühnen Schritten, welche durch die Eroberung Ciciliens und Neapels die Einheit nahezu besiegelten — ohne Rück sicht auf Napoleon und die europäische Diplomatie. Auf dem Gipfel der Volksgunst verstand es Garibaldi, seinen Ehrgeiz zu zügeln, seine Lieblingswünsche zurückzu stellen: er bereitete der Monarchie keine Schwierigkeiten, für die sich das Land entschieden hatte, und blieb ein den Gesetzen trener Staatsbürger. Nicht dieselbe Entsagung vermochte Garibaldi in den folgenden Jahren innezuhalten. Als Cavour zu zeitig für Italien gestorben war, fehlte dem drängenden, von den edelsten Absichten beseelten, aber un vorsichtigen Eifer des Volkshelden das Gegengewicht eines zielbewußten, groß angelegten und das öffentliche Vertrauen genießenden Staatsmannes. Es begann das schwächliche Regiment der sogenannten Consorterie. Garibaldi glaubte auf eigene Verantwortlichkeit handeln und das Werk der nationalen Einheit auch gegen die zeitigen Minister vollenden zu müssen, indem er hoffte, die Nation wie die Dynastie und deren Berather mit sich fortreiße» zu können. Die Tage von Aspromonte und die Schmach von Mentana be zeichnen in einer jedem Italiener peinlichen Weise jene Epoche. Das zwischen beide fallende Jahr 1866 brachte dem Nationalstaats das ersehnte Venetien. Garibaldi focht in Tirol, diesmal in voller Uebereinstimmung mit König und Regierung, aber ohne Glück. Rom, bei dessen Verthei- digung gegen die Franzosen 1848 Garibaldi'S Stern zu leuchten begonnen hatte, als den Schlußstein des Einigungs- Werkes für das Vaterland, zu gewinnen, war dem Volks- Helden nicht bestimmt. Das große Jahr 1870 verschaffte Italien seine uralte Hauptstadt, das unmittelbare Werkzeug hierzu war jedoch Cardorna und die reguläre Armee, nicht Garibaldi. Ohne sein Treiben und Drängen in den ver gangenen Jahren wäre es vielleicht damals selbst noch nicht dazu gekommen. Leider reiht sich an diesen Triumph der Garibaldi'schen Bestrebungen sehr rasch seine größte Verir rung, welche von den Italienern selbst als solche von An fang an bezeichnet worden ist, die aber ebenfalls aus dem großherzigen, wenn auch kindlich naiven Sinn Garibaldi'S entsprang: seine Unterstützung der französischen Republik, die er eben so verehren und lieben zu sollen wähnte, wie er das Kaiserreich und Napoleon I!. gehaßt hatte. Das letzte Decennium seiner Laufbahn verlebte Garibaldi in fast steter Zurückgezogenheit, nur bisweilen in der Kam mer zu Rom erscheinend, aber ohne ein Zeugniß seiner Be fähigung zur Parteibildung und zum erfolgreichen Eingreifen in die innere Politik abzulegen. Aber obwohl er politisch zuletzt fast ein todter Mann genannt werden konnte — die Liebe und Verehrung aller Italiener ist dem Nationalhelden niemals untreu geworden, auch wo sie seine Fehler offen erkannten. Diese Liebe und Verehrung wird ihm für alle Zeiten verbleiben, so lange es ein geeinigtes Italien giebt. tenkammer wegen der ägyptischen Frage eine höchst stürmi sche Sitzung statt, in welcher Gambetta, der sich gern der., auf einen Ministerstuhl emporschwingen möchte, den Premierminister Freycinet und seine Politik bezüglich Ae gyptens sehr hart angriff. Doch Gambetta's heftige und theilweise verfehlte Angriffe verfingen nicht. Freycinet ver- theidigte sich mit vielem Geschick und die Sitzung endigte damit, daß die Kammer mit 287 gegen 70 Stimmen für da- Ministerium ein ausdrückliches Vertrauensvotum annahm. — Der Unterrichtsminister Ferry will in allen Schulen eine durchgreifende starke militärische Erziehung auf Grund des Turnunterrichts durchführen, weil er sagt, daß die Republik ohne Manneszucht und militärischen Geist Staub sei, den der erste Windstoß im Innern und die Verwick lungen mit dem Auslands in alle vier Weltgegenden auS- einqndertreibe. Ein starke- Frankreich, organisirt im Sinne des alten Jahn, ist also jetzt das Ideal der Staatsmänner der dritten Republik. Italien'-Kammern haben, trotzdem die italienischen Finanzen bekanntlich sehr übel bestellt sind und die italie nische Steuerschraube bis aufs höchste Gewinde empor ae- - schraubt ist, in diesen Tagen dennoch das neue Militärgesetz aut geheißen und angenommen, durch welches die stehende Armee um die Kleinigkeit von nur ... . sieben zigtau send Mann (!I) verstärkt wird. da- Haus seine- Brodherrn und schritt an da- Thor: „Wenn Ihr mich sucht, jucht mich im großen Teich." Am Zapfen de- Teiche- ftanv dann wieder geschrieben: „Hier liege ich, Wilhelm Groß beiße ich." Bor dem Zapfen auf dem Lande lagen seine Kleider. Die Leiche ist gefunden und beerdigt worden. Frankreich. Freycinet ist in der Kammer-Debatte über die egyptische Frage „gut herausgekommen", sogar mit einem Vertrauens votum! Das hätte er gewiß nicht gedacht. Wem hat er das wohl zu verdanken? Seiner diplomatischen Kunst und Weisheit gewiß nicht; denn diese liegt im Hafen von Alexandrien begraben, und die Herren, welche ihm das Vertrauen votirt, haben es sicherlich weniger aus Respect vor der diplomatischen Weisheit Freycinets, als aus Furcht vor Gambetta gethan; denn sie alle sagten sich wohl: wenm wir Freycinets Politik beurtheilen, wie sie beurtheilt werden sollte, so muß er zurücktreten und dann kommt Gambetta — wenn auch vielleicht nicht in eigener Person, so doch in Gestalt einer seiner Kreaturen ans Ruder, und davor fürchten sie sich; deshalb verhüllten sie die Wahrheit mit dem Schleier des Vertrauensvotums und gingen in Gestalt der also ausstaffierten Tagesordnung an ihr vorüber. Die Kammer fürchtet die Abenteuerpolitik Gambettas, sie fürchtet aber jetzt mehr wie früher ihre eigene Auflösung, wenn er ans Ruder kommt. Allein es fragt sich sehr, ob die Kam mer durch diese Verhüllung der Wahrheit das Uebel nicht ärger gemacbt hat; denn die Gambettisten werden diese Thatsache sicherlich auSbeuten. Es läßt sich doch unmöglich leugnen, daß Freycinet in Egypten eine Niederlage erlitten hat. Daß er zum Schutze der in Egypten lebenden Fran zosen ein Kriegsschiff nach Alexandrien schickte, das konnte niemand tadeln; aber daß er sich in Gemeinschaft mit den Engländern als die Herren von Egypten aufspielt und von dem Khedive die Absetzung seines Ministeriums verlangte rc. — ohne Recht und Mittel zu haben, dieses Verlangen durchzusetzen — das war ein großer Fehler, durch welchen in der That die "Ehre Frankreichs engagirt worden ist. Arabi Pascha hat ihm trotz geboten und nachdem die West mächte schon ein Ultimatum gestellt, das sie nicht aus führen können, sehen sie sich jetzt genöthigt, das zu thun, was sie gleich hätten thun sollen, nämlich: den Sultan an zugehen, Ordnung in Egypten zu schaffen, das unter seiner Souveränetät steht. Selbst Arabi Pascha war klüger als die französisch-englische Diplomatie. Als diese ihr Ultima tum gestellt, gab er seinem revolutionären Streben einen loyalen Anstrich, indem er sich ihnen gegenüber auf den Sultan, als den Herrn von Egypten berief und den Mächten gegen über dessen verletzte Rechte vertrat. Frankreich mußte vor Arabi Pascha die Segel streichen. Wenn das nicht eine dip lomatische Niederlage ist — dann sage uns noch jemand, was eine solche sei. Sie wird aber noch größer, wenn man daran denkt, daß die Mächte unzweifelhaft dachten, durch Handstreich Egypten in ihre Gewalt zu bringen — indem sie so thaten, als habe der Sultan in Egypten nichts zu sagen und brauche ihn auch niemand zu fragen, sondern der Khedive nur der Weisung der Westmächte zu folgen. Sie wollten der Herrschaft der Pforte eine Grube graben und sind selbst hineingefallen. Die Verhandlungen über Egypten mit England sind schon lange im Gange. Gambetta hat sie angefangen; er glaubte seiner Sache auch schon gewiß zu sein —' da wurde er gestürzt — Freycinet trat seine Erbschaft an. Zu dieser Erbschaft gehörte auch die Verwegenheit Gambetta's der an die egyptisch-afrikanische Frage offenbar auch die deutsche Revanchefrage, bez. das Bündniß mit Rußland geknüpft hatte, welche aber Freycinet wieder ab- knüfte. Gambettas Pläne gingen offenbar auf Erwerbung der ganzen Nordküste Afrikas für Frankreich und auf Revan che gegen Deutschland hinaus. Freycinet, der kein Kriegs mann ist, ließ den Revanchegedanken fallen, der egyptische Gedanke schien ihm wohl weniger gefährlich, aber er hat es erfahren, daß die Diplomatie ein glatter Boden ist, auf dem schon mancher gefallen ist. — Auch in seiner gestrigen Rede war er nicht gerade glücklich, aber die Furcht der Kammer vor Gambetta half ihm über alles hinweg. Er hatte gesagt, Frankreich werde in Egypten keine militärische Expedition vor nehmen, da fiel ihm Gambetta ins Wort, indem er rief: er könne es nicht hören, daß Frankreich in keinem Falle mili tärisch interveniren würde. Freycinet suchte seine Worte näher zu erläutern, indem er bemerkte, das habe er auch nicht sagen wollen, machte aber noch einen größeren Fehler, als er fortfuhr: indem die Regierung in das.europäische Kon zert eintrete, nehme sie die aus den Entscheidungen sich er gebenden Verpflichtungen an, worauf Gambetta bemerkte, wenn man das im voraus erkläre, ehe man die Beschlüsse der Bot schafterkonferenz kenne, liefere man Europa das Geheimniß feiner Schwäche aus! Wenn dann der Minister wieder aus rief: Frankreich gehe auf die Konferenz auf der Basis der Integrität Egyptens und der Türkei — so steht damit das französisch-englische Ultimatum an den Khedive in schlechter Harmonie. Denn so erfreulich es auch im Interesse des Friedens ist, daß sich Frankreich und England jetzt entschlos sen haben, das Schicksal Egyptens in die Hände einer euro päischen Botschafter-Konferenz zu legen, so geht doch aus dem ersten Auftreten der Westmächte hervor, daß dieselben dach ten, die egyptische Frage allein lösen zu können, und es ist ja bekannt, daß hauptsächlich das Verhalten ihrer Finanz- Kommission in Egypten die ganze Krists hervocgerufeN hat. Wäre es^en Franzosen und Engländern gelungen, mit ihrem Ultimatum in Egypten Eindruck zu machen und ihren Willen durchzusetzen, so würde Herr v. Freycinet jetzt wahrscheinlich eine andere Sprache geführt haben. Vom Sultan und der Botschafter-Konferenz würde schwerlich die Rede sein. Auch im englischen Parlament kam die Sache zur Sprache und wußten die englischen Minister noch geschickter über das Ulti matum hinwegzuschlüpfen und die Berufung der Konferenz möglichst harmlos darzustellen, allein im englischen Oberhaus stand kein gefürchteter Gambetta im Hintergrund und des halb erklärte Salisbury der Regierung rund heraus: wa- auch die Entscheidung der Konferenz bringen werde, die Ehre Englands sei durch das Ultimatum darauf verpfändet, daß Arabi Bey aus Egypten entfernt und seine Kollegen in das Innere des Landes verbannt werden. Paris, 3. Juni. Die Kammer beschloß zum Zeichen der Trauer über den Tod Garibaldi'S die Sitzung aufzuhe ben. (Proteste der Rechten.) Die Sitzung wurde aufgehoben.
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