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Dresdner Journal : 27.06.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190206275
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19020627
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19020627
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-06
- Tag 1902-06-27
-
Monat
1902-06
-
Jahr
1902
- Titel
- Dresdner Journal : 27.06.1902
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ve»»,»»ret«: Beim Bezüge durch dt» Geschäft»-«« tnaerSar» Dre»dru» »,L0 M (einscht Zulraguna), durch di« tm Deutschen Reiche » Al. (aulschU^Uch Bestellgeld) vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. wird Zurücksendung der für die Schriftleitung bestimmten, «Ler von dieser nicht ein» arsorderten Beiträge bean sprucht, io ist da» Postgel» beizusügen. Herausgegeben von der König!. Expedition de» Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.« Anschluß Nr. 1295. Dresdner Journal. Grschetnenr Werktag» nachm d Uhr. ^-14«. Freitag, den 27. Juni nachmittags. «»tL»»tg»g»,rhktzr«»: Lie Zelle kleiner Schrift der »mal gespaltenen Nnkandi- gmms Seite oder derenRaum »v Pf. Bei Tabellen, und gifsernfatz » Pf Ausschlag für die Zeile Untrrm Re- vaktionSstrich (Mnaesandt) dt« Texlzeile mittler Schrift oder deren Raum bO Pf. Gebühren - Ermäßigung bet »sterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi» mittag» 12 Uhr für d,e nach» mittag» erscheinende Nummer 1S02 Amtlicher Teil. Bekanntmachung, die Versammlung der Stände des Königreichs Sachsen zu einem außerordentlichen Landtage betreffend. Se Majestät der König haben beschlossen, die getreuen Stände des Königreichs Sachsen zu einem gemäß tz llb Abs. 2 der BerfassungSurkunde abzu haltenden außerordentlichen Landtage auf den 3. Juli diese» Jahre» in die Residenzstadt Dresden einberufen zu lassen. Allerhöchstem Befehle gemäß wird Solches und daß an die Mitglieder beider ständischer Kammern noch besondere Missiven aus dem Ministerium des Innern ergehen werden, hierdurch zur öffentlichen Kenntnih gebracht. Dresden, den 27. Juni 1902. «o»« Gesammtministerium. v. Metzsch. v. Seydewitz. Meist» Verordnung, die Wiederzulassung von Musik und öffent lichen Lustbarkeiten am 29. Juni dieses Jahres betreffend. Mit Allerhöchster Genehmigung wird auS Rück» sicht auf vielfach hervorgetretene Wünsche bestimmt, daß Musik und öffentliche Lustbarkeiten, welche nach der Verordnung vom 20. Juni diese- Jahres bis zum 29. Juni dieses Jahres einzustellen sind, am 29. Juni dieses Jahres von Abend» 7 Uhr an wiederzugelassen werden sollen. Dresden, den 27. Juni 1902. DieMinisterien des Innern und desKultuS und öffentlichen Unterrichts. v. Metzsch. v. Seydewitz. eosr Personal-verSudernnge« in der Armee. Offi ziere, Fähnriche u. s. w. 18. Juni. Titel, Ltnt. der Res. der 1. Feldart -RegtS. Nr 12, von dem Kommando zur Dienstleistung bei diesem Regte, ent hoben. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Büchsenmacher Bräuer im 4. Jnf.-Regt. Nr. 103 dar AlbrechtSkreuz zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den nachgenannten Offizieren und Unter offizieren die Erlaubniß zur Anlegung der ihnen verliehenen Auszeichnungen zu ertheilen, und zwar: deS Königl. Preußischen Rothen Adler-OrdenS 3. Kl.: dem Obersten Löblich, Kommandeur de- Fußart.-RegtS. Nr. 12; desselben Ordens 4. Klasse: dem Hauptm. v. Ze schau, persönl. Adjutanten deS Kronprinzen Friedrich August, Herzogs zu Sachsen, königl. Höhnt; des Kaiser!. Chinesischen Ordens vom doppelten Drachen 4. Klasse: dem Vizefeld webel Noske im 6. Jnf.-Regt. Nr. 105 „König Wilhelm II. von Württemberg". Dresden, 26. Juni. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Restaurator der Königl. Gemäldegalerie Otto Nahler den ihm von Sr. Hoheit dem Herzog Friedrich von Sachsen-Anhalt verliehenen Verdienstorden für Wissen schaft und Kunst annehme und trage. Bekanntmachung. Die Transatlantische FeuerverficherungS- Aktiengesellschaft zu Hamburg hat für die Ver sicherung gegen EmbruchSdiebstahl-, Haftpflicht-, Einzel unfall- und Wasserleitungs-Schäden als Hauptbevoll- mächtigten im Bezirke der Kreishauptmannschaften Bautzen und Dresden gemäß 8 115 Abs. 2 deS ReichS- gesetzes über die privaten Versicherung-Unternehm ungen vom 12. Mai 1901 Herrn Fr. Mamerow mit dem Wohnsitze in Dresden bestellt. Dresden, am 21. Juni 1902. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Br. Roscher. «orr Bekanntmachung. Der Hebebezirk deS vom 1. künftigen Monat- ab in Wirksamkeit tretenden Untersteueramt- Kreischa im Hauptzollamtsbezirke Dresden II wird auS folgenden, gegenwärtig zum Hebebezirke de- Untersteueramts Dippoldiswalde gehörigen Ortschaften und Ortstheilen gebildet werden: Kreischa, Gombsen mit Hummelmühle, Saida, Wittgensdorf, Lungwitz, Hausdorf, Schlottwitz, Cunnersdorf, Reinhardts grimma mit Buschschenke, Wendischkarsdorf, Börnchen, Wilmsdorf mit den oberen und unteren Poisen- häufern, Possendorf, KleinkarSdorf, Quohren, Theise witz, Kleba, BröSaen, Bärenklause und Kautzsch mit dem Rittergute Zscheckwitz. Dresden, am 27. Juni 1902. Königliche Zoll- und Steuer-Direktion. vr. Löbe. Koro Erueuuuuge«, Versetzungen re. im öffentl. Dienste. 3m Geschäftsbereiche de» Ministerium» »er Ktnanze«. Bei der Post-Berwaltung sind ernannt worden: Geier, »rither Ob«r-Poflpraktckant in einer Postsekretärstelle, al» Ober-Poftpraktikant in einer Bureaubeamtrnpelle t. Kl. b. d. Kaiser!. Ober-Postdirrction Leipzig; Scharnhorst, Uhlig, Fuhrmann, Friedrich, Leistner, Schöne, Herrmann, Seurig, Kltemt, Feustel, Irmler, Förster, Kretsch mar, Altmann und Mehnert, zeilher Poftanwärter, al» Postassistentcn im Bez. der Kaiser!. Ober-Postdirrction Dulden 3« Geschäftsbereiche «e» Ministerium» »e» Krieg». Beamte der Militärverwaltung. 1. Juni Tih, Earnisonapotheker aus Probe, zum Garnisonapolheker m Leipzig ernannt. — 9. Juni Beyer, Zahlmstr., vom 2. Bat 11. Jnf.-Regt». Nr 189 zum 2. Bat. Fußart-Regt». Nr. 12 unterm 1 Juli d.J. versetzt. Ackermann, Zahlmstr. vom 2. OSasiat. Jnf.-Regt. de» vormal. Oftasiat. ExpeditionS- korp», bisher zugetheilt dem 9. Inf-Regt. Nr iS», beim 2. Bat 1. (Leib-) Eren - Regt» Nr. lvo eingereiht — 12. Juni. Jehring, Oberzahlmftr. de» 1 Bat» 9 Jnf- Regt». Nr. lS3, auf seinen Antrag unterm 1. Oktober 1902 mit Pension in den Ruhestand versetzt. — 18. Juni. Gold ammer, MilitärgrrichtSschreiber beim Stabe de» Bericht-Herrn der 2. Div. Nr. 24, zur Ostasiat. Besatzung»brig. übergetreten. (Behvrdl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Lett. Z»r i««eren Lage i» Oesterreich. Au» Wien schreibt man unS: Vor wenigen Tagen begannen die Sommer ferien deS öfter'eichischen Parlaments. Die Ab geordneten haben sich ihre Muhe redlich verdient. Sie haben in einer fast acht Monate langen Tagung eine Arbeit bewältigt, die ebenso umfangreich wie sachlich bedcutsom wir. Nicht weniger als einund dreißig Gesetzentwürfe wurden durchberoten, darunter mehrere, die die Grundlagen für einschneidende und wichtige Reformen auf humanitärem und wirtschaft lichem Gebiete bilden sollen. Die Ausgestaltung des Verkehrswesens wurde neuerdings gefördert, und zwar unter besonderer Fürsorge für die Entwickelung deS Schienennetzes, da- Bosnien und die Herzegowina mit den Handelszentren der Monarchie verbindet. Ferner hat die Rechtspflege durch die Erledigung des neuen PreßgesetzeS und des HaftpflichtgesetzeS eine Ergänzung im modernen Sinne erfahren. Die Gesamtthätigkeit deS Parlament- erscheint al- ein Fortschreiten auf dem Wege der nüchteren, ernsten Arbeit, auf dem Pfade, der erst vor kurzem mit der Beratung der großen Investitionen eingeschlageu wurde. Mag der meritorische Wert des Geleisteten auch noch so beträchtlich sein, das moralische Er gebnis der Tagung muß doch noch höher eingeschätzt werden. SS besteht in dem nun erbrachten Nach weise, daß die Schaffensfreude der Volksvertretung nicht erlahmt ist, nachdem die verlockenden Spenden, die da- Parlament unter der Führung der Regierung im Vor jahre der Bevölkerungbescheren konnte, geborgen waren. Die Schwarzseher behaupteten seinerzeit daS Gegen teil; sie meinten, die Arbeitslust der Abgeordneten bei der Behandlung der mit Umsätzen von vielen Millionen verknüpften JnvestirrungSpläne sei nur eine künstlich aufgestachrlte gewesen und daS Parlament werde sofort wieder in den Bann geraten, der seine normale Wirksamkeit schon durch Jahre hinderte. Diese Vorhersagung ist nun zu nichte gemacht, und damit sind ungezählte Hoffnungen neubelebt worden, die man inmitten der wüsten Scenen der früheren Epoche kaum noch aufrechtzuerhalten wagte. Die Bevölkerung hat nicht nur die greifbaren Ergebnisse jener Wirksamkeit dankbar gewürdigt, sondern sie hat auch den Glauben an den Wert des Parlamentarismus wiedergewonnen. Diesem Glauben entspringt da- Vertrauen, daß die Volksvertretung in der Zukunft auch dann auf der Höhe ihrer Mission stehen werde, wenn Fragen zu entscheiden sind, die eine noch größere Tragweite haben, als die im heurigen Jahre erledigten Probleme. Nach außen hin ist der Umschwung, der sich im Parlamente vollzog, dadurch dargethan worden, daß nun zum ersten Male nach fünf Jahren die regelrechte Erörterung und Bewilligung deS StaatS- voranfchlageS erfolgen konnte. Die Abgeordneten haben die Pflicht erfüllt, für die Bedürfnisse des StaateS zu sorgen, und sie haben dadurch auch die Möglichkeit wiedererlangt, den Einzelbedürf nissen und Wünschen ihrer Wähler zu entsprechen. Das Verhältnis zwischen den Volksmassen und ihrer Vertretung, das schon arg erschüttert war, ist ge- sest gt, und die Volkstümlichkeit derjenigen, die durch Verunglimpfung deS Parlaments einen traurigen Ruhm erweiben wollten, Hal eine Einbuße erfahren. Diese Wandlung hat die Lage im Abgeordneten haus selbst vorteilhaft verändert. Die rohe und frivole Handhabung der Obstruktionswaffe ist nicht mehr da- geeignete Mittel zur Erzielung einer wohlfeilen Volkstümlichkeit; die Bevölkerung läßt sich nicht mehr für die Obstruktion begeistern, und die erdrückende Mehrheit der Volksvertreter setzt sich zur Wehr, wenn einzelne Radikale den Versuch wagen, das Haus wieder unter das Joch der biu- talen Gewalt zu beugen. Eben vor dem Schluffe der Tagung unternahmen die tschechischen Radikalen einen solchen Vorstoß, dessen Spitze auch gegen die Regierung gerichtet war. Sie knüpften ihre Zu stimmung zur Einführung der Fahrkartensteuer an die Bedingung, daß die Regierung eine ihnen er wünschte Erklärung bezüglich der nationalen Streit fragen in Böhmen abgebe. Die Thatfache, daß der Ertrag jener Steuer die Kosten einiger dringend notwendigen Humanitären Reformen decken sollie, ließ sie vollkommen gleichgiltig. Ihnen war nur daran gelegen, vor dem Ende der Tagung eine Kraftprobe zu liefern, uud so schufen sie willkürlich einen vollkommen unbegründeten Zusammenhang zwischen dem erwähnten Sleuerprojekte und der böhmischen Sprachenfraae. Diese durch ObstrukrionSdrohungen eingeleitete Kraftprobe hätte ihnen im Falle des Gelingens auch den Triumph gebracht, daß dre Regierung vorweg zum Verzichte auf ihre Bewegungsfreiheit und Unpartei lichkeit gegenüber den geplanten Auseinandersetzungen über die Lösung der Sprachenfrage gezwungen worden wäre. Die schlau entworfene Aktion, die stark an eine Erpessung gemahnte, ist aber kläglich gescheitert. Sie wurde von der Regierung und von der Mehr heit deS Hauses entschieden abgewiesen, und die Tschechen mußten sich um so eher zum Rückzüge be quemen, als ihr Heldenstreich sogar da- Mißfallen ihrer sonstiqen getreuen Verbündeten im feudalen Großgrundbesitze erregte. Tie Beratungen deS Parla ments wurden mit der Bewilligung deS von den Tschechen bekämpften SteuerentwurseS im Frieden beendet. Die Tschechen erlitten sowohl in der Sache selbst eine empfindliche Schlappe wie auch in betreff ihres Vorhaben-, die Schwierigkeiten des nationalen Ausgleichs in Böhmen durch einen Handstreich noch zu vergrößern. Tas ganze Parlament hat ihnen die Lehre erteilt, daß die Zeit vorüber ist, in der sie mit Drohungen wohlfeile Erfolge erringen konnten. Das HauS fürchtet solche Drohungen nicht mehr, weil eS den ehrlichen Willen und damit auch die Kraft gefunden hat, sie unschädlich zu machen. Die hier erwähnten Vorgänge lenkten die Aufmerk samkeit in gesteigertem Maße auf da- nationale Problem, besten Lösung im heurigen Jahre neuerdings versucht werden soll. Die Tschechen wollten diese Lösung im vorhinein zu ihren Gunsten beeinflussen und suchten die Regierung zur Erfüllung ihres Wunsches zu be stimmen, indem sie gewaltsam einen Konnex zwischen den künftigen Ausgleichsberatungen und der Zu lassung eines ruhigen Abschlusses der parlamen tarischen Arbeiten herstellten. In Wirklichkeit ist hier nur ein Konnex in ganz anderem Sinne vor handen. Die Arbeitsfähigkeit der Parlaments, die Abschwächung der Leidenschaften in der Volksver tretung ist eine der Vorbedingungen für die Mög- kunst und Wissenschaft. Neue Romane. I. Mit d,r Völker und Sprachenverwirrung nach dem Turmbau zu Babel ist da» gegenwärtig herrschende Durcheinander auf allen Gebieten der Kunst, „in dem keiner mehr sein eigene« Wort, geschweige da» der anderen v-rsteden kann", oft genug verglichen worden. Ein Unterschied wurde und wird dabei übersehen Auf dem großen symbolischen Wandbilde, in dem Wilhelm Kaulbach den Turmbau zu Babel dargestellt Kat, flüchten die Völker entsetzt au»einander, nach Ost und West ge trieben, jede» in seinem Erdwiakel seine eigene Zunge r-dend. In der heutigen babylonischen Sprachverwirrung drängen die Scharen sich dichter zusammen und suchen ein ander zu überschreien. Und im kleinen wie im großen da« gleich« Schauspiel, einerlei, ob e» sich um di« Grund« p inzipien aller Kunst oder um ihr« flüchtigsten Erschein ungen handelt, ob wir den Blick über di« Bilder einer Kunstausstellung, d-n Spielplan einer großen Bühne oder einen Stoß neuer Romane gleiten lassen, überall ocrworrene« Zuviel, überall unvereinbare Gegensätze, überall heftige Versuche, in neuen Sprachen zu reden und da» eigene Gestammel für di« künftige Sprache der Welt auSzugebrn Die» wild« G«tümm«l hat mit der notwendigen reichen Mannigfaltigkeit geistig«» Leben« ia drm Maß« wrniger gemein, al» e« immer seltene, au« dem Innern, den Lebenteindrücken und Leben«- aaichauunaen eigengeartrter schöpferischer Naturen stammt, sondern mehr und mehr d«r Sucht de» Tage» nach Aufsehen, augenblicklichem Erfolg und ent ¬ sprechendem Gewmn entsprmgt E« ist herzlich lang weilig, dergleichen immer wiederholen zu müßen, über flüssig ist e» leider nicht. Ein Viertelhundert neuer Romane, die mir wieder einmal vorliegen, erneuert den Eindruck eine» wirren Durcheinander und einer Mit- trilungSlust, die, wo ihr die Sprach« versagt, mit Fingern und Zeichen zu reden trachtet E« ist kaum noch au«- zusagen, wa« alle» in dem allgemeinen Sensationsdrange versucht wird, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen Immer neue Spezialitäten tauchen auf, immer neue Experimente werden unternommen, immer wunderlichere Namen schallen in unser Ohr DaS Leben erscheint der Mehrzahl unserer Erzähler schon längst nicht mehr al» da« Mee:, in dessen Wogen jeder echte Poet tauchen muß, sondern al» ein Wasserbecken, au« dem jeder in seine Bütte schöpfen mag Irgendwas wird er doch zu Tage bringen, sind'« nicht Perlen, nicht Korallen, so find'» vielleicht Quallen und Seeigel, und e» kommt ja nicht darauf an, den Besitz zu mehren, sondern den Leuten irgendwo» vor Augen zu bringen Wa« haben die letzten Jahrzehnte nicht alle« gebracht! Bierbrauer und Bäcker-, Eisenbahner- und Eckenstehrrromone habe ich gelesen, auf die Schornsteinfeger- und Schleusen männergeschichten warte ich noch, aber sie werden schon kommen Der Sport und die Mode sind längst zu Welten erhoben die Rennbahn und der Lawn Tennis platz können ja so gut zu weltgeschichtlichen Ehren erhoben werden, wie vorzeiten der Hippodrom von Konstantinopel und die Wagenrennerpa-teien der Grünen und Blauen! Neue Maßstäbe sollen die alte Menschendarstellung aufsrischen; wenn e» heißt „der Mensch ist da« Fahrrad", „der Mensch ist da« Automobil", „d«r Mensch ist die Krawatte" und „der Mensch ist der Bierzipfel", so muß sich natürlich auch v«e poetische Erfinvung auf neue Grundtagen pellen und wird mit ihren alten Begriffen von Helden und Hirten kläglich zu schänden. Gemeinsam ist den neuen Losungen freilich nur die Unruhe und der schrille Klang, der allein zu Gehör kommen möchte Im übrigen zeigt sich » schwer bei so viel Besonderheiten, di« neuen Romane auch nur in Gruppen zu ordnen Damit di« Vrrwirrung noch verworrener werde, dolmetscht man fleißig di« großen Sensationen de« Auslände«. Al« eine zu gleicher Zeit armselige und sinnverwirrend« stellt sich der Roman Cyklu« „Der große Krieg" von Paul und Victor Marguerite, in« Deutsche übertragen von ll. Fricke (Leipzig, Hermann Seemann Nachfolger), dar Zwei starke Bünde umfassen den ersten Teil diese« Cyklu», mit dem Sondertitel „Der Unstern", und sollen die Erlebnisse tin«S jüngeren französischen Generalstab«- osfizier« MajiK du Breuil von den Tagen de« plötz lichen Krieg«tastm«ls und der Kriegterklärung bi« zur Kapitulation von Metz schildern Mit der Sorgfalt, an die Zola seineHandSleute in der Häufung von Ginzel- zügen und der Benutzung eine« ungeheuren Material« gewöhnt hat, werden die verhängnisvollen Ereignisse de« Sommer» und Herbste« von 1870 aufgefrischt, Hundert« -von Beobachtungen Beteiligter in die Darstellung verwoben Nach dieser Seite hin muß da» Werk der Herren Marguerite al« ein gute» Buch gelten, e» ist nicht gesudelt, e« wird ohne gewaltsame Sprünge und sichtbare Lücken zum Ende geführt Wenn wir e« doch armselig nennen, so liegt da» in dem Mangel irgend eine« poetischen Motiv«, irgend einer f-sselnden Erfindung, irgend einer Ver tiefung der Charakteristik. Die zahlreichen Gestalte», di« im Verlaufe der beiden Bände vor un« auftauchrn, gehen über da« Herkömmliche, da« Platteste kaum hinau». Die Schicksale der französischen Armee und deren all mähliche Lähmung, die Mißerfolge und materiellen Mangel herbeiführen, werden in den Eindrücken und Stimmungen de» Herrn du Breuil allerdings getreulich gespiegelt, aber eS ist schlechthin unmöglich, an der Per- sönlichkeit diese« Offizier« lebendigen Anteil zu nehmen Der eigentliche Zweck de« Roman« ist aber auch nicht, Leben darzustellen und zu wecken, sondern den fran zösischen Volksglauben an den angeblichen „Verrat" de« Marschall» Bazaine mit allen Mitteln zu erhalten, zu nähren, zu stärken Die Legende von Metz feiert mit allem Drum und Dran ihre Auferstehung Die Ver fasser verfahren realistisch genug, um die volle Un freiheit Napoleon« Hl., d«r von ganz Frankreich in den unheilvollen Krieg hmring«drängt wird, im Eingang de« „Unsterns" darzustellen Da« hindert aber nicht, daß der kranke, erschlaffte Kaiser fortgesetzt „strafbaren Leicht sinn«" beschuldigt und stin Sturz al« da« Natürlichste und Srlbstverständlichste der Welt behandelt wird Vor allem gilt e« die Ueberzeugung zu vertreten, daß die herrliche todesmutige Armee gesirgt haben würde, hab«n müßte, wenn nur Bazaine gewollt hätte „Und mit haßerfülltem Schrecken gedockte du Breuil de« ruchlosen Chef«, der für alle ^iese Toten, diese« Elend die Ver antwortung zu tragen hatte AuS dem Grunde seiner Seele fluchte er ihm, dem blöden Verräter, dem Mörder seiner Armee, drm Mörder Frankreich»!" Alle gläubigen Leser de« Roman«, die durch etliche hundert Seiten Schilderurg de« eintönigen Elend« bei der Armee von Metz, wohloorbereitet sind, fluchen natürlich mit Die Herren Marguerite können allerdings nicht den Schatten eine« besseren Beweise» für Bazaine« Verrätertum be-» bringen, al« im Prozeß de« Marschall« zu Tage geirrte ist, einerlei, sie schreiben zur größeren Ehre Frankreichs
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