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& eefihoven, be'c Es kann keinen Zweifel geben: in dieser sechsten Sinfonie, der „Pastorale“, ent- fernt sich Beethoven am weitesten von dem Bild, das sich weite Kreise von ihm machen. Hier wird aus dem Heroiker der Idylliker. Aus dem Sinfoniker der Programmusiker. Zwei Behauptungen, die des Beweises bedürfen. Beethoven ein Idylliker ? Es liegt an seinem Verhältnis zur Natur. Seine Äußerungen weisen darauf hin. „Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch, als wenn jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig. Im Walde Entzücken, wer kann alles ausdrücken — süße Stille des Waldes.“ Oder: „Allmächtiger — im Walde — ich bin selig — glücklich im Walde — jeder Baum spricht — durch dich, o Gott, welche Herrlichkeit — in einer solchen Waldgegend —in den Höhen ist Ruhe — Ruhe ihm zu dienen.“ Oder der Wunsch: „Ein kleines Haus allda, so klein, daß man allein nur ein wenig Raum hat — nur einige Tage in diesem göttlichen Brühl — Sehn sucht oder Verlangen, Befreiung oder Erfüllung.“ Es ist also mehr die in sich ruhende, Ruhe atmende und Ruhe spendende Natur, die ihn anzieht. Nicht die heroische, sondern die idyllische Natur. In der sechsten Sinfonie singt er ihr sein Lob- und Danklied. Beethoven ein Programmusiker? Es ist eine alte Streitfrage, ob die „Pastorale“ schildernde Musik ist, ob sie Eindrücke aus der Natur wiedergibt. Zwar hat Beethoven selbst von ihr gesagt, sie sei „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“, aber damit doch nur zum Ausdruck gebracht, daß der Ausdruck der Empfindung überwiege. In der Tat ist genug „Malerei“ in der Musik, in der Tat haben wir es mit echter, unverfälsch ter Programmusik zu tun. Aber indem Beethoven betont, daß es ihm mehr auf den Aus druck der Empfindung ankommt, hat er zugleich die Grenzen der Programmusik an gegeben und uns das schönste Beispiel dafür hinterlassen, wie weit die Musik die ihr von Natur aus gesteckten Grenzen überschreiten darf. Daß der Komponist an einen „Inhalt“ gedacht hat, geht auch aus dem folgenden Ausspruch hervor: „Wer auch nur je eine Idee vom Landleben erhalten, kann sich ohne Überschriften selbst denken, was der Autor will.“ Wie sehr er die Anregungen von außen auf sich wirken ließ, wissen wir aus den Worten Schindlers, seines Vertrauten und Sekretärs. Er sagt über die Pastorale: „In der zweiten Hälfte des April 1823, zur Zeit vieler Mühsale und Widerwärtigkeiten, schlug Beethoven eines Tages zur Erholung einen Ausflug nach der Nordseite vor, dahin ihn sein Fuß seit einem Dezennium nicht mehr geführt hatte. Zunächst sollte Heiligenstadt und dessen reizend schöne Umgebung besucht werden, wo er so viele Werke zu Papier gebracht, aber auch seine Naturstudien betrieben hatte. Die Sonne schien sommerlich, und die Landschaft prangte bereits im schönsten Frühlingskleide. Nachdem das Badehaus zu Heiligenstadt mit dem an stoßenden Garten besehen und manch angenehme, auch auf seine Schöpfungen bezug nehmende Erinnerung zum Ausdruck gekommen war, setzten wir die Wanderung nach dem Kahlenberg in der Richtung über Grinzing fort. Das anmutige Wiesental zwischen Heiligenstadt und letzterem Dorfe durchschreitend, das von einem vom nahen Gebirge rasch dahereilenden und sanft murmelnden Bache durchzogen und streckenweise mit hohen Ulmen besetzt war, blieb Beethoven wiederholt stehen und ließ seinen Blick voll von seligem Wonnegefühl in der herrlichen Landschaft umherschweifen. Sich dann auf den Wiesenboden setzend und an eine Ulme lehnend, fragte er mich, ob in den Wipfeln dieser Bäume keine Goldammer zu hören sei. Es war aber alles still. Darauf sagte er: ,Hier habe ich die Szene am Bach geschrieben, und die Goldammern da oben, die Wachteln, die Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mit komponiert 4 . Pastoral-Sinfonie! Wie der Maler seine Landschaft in allen Partien abrundet und Übereinstimmung in das Ganze bringt, so auch Beethoven in diesem Tongemälde. Ruhig beginnt es im Vordergrund, die mannigfaltigen Partien lösen sich immer sanft ab; be ruhigend wieder, nach Furcht und Bangen erregender Schilderung des Gewitters mit